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Naturtipp: Wieviel ist zuviel? oder Naturschutz – ja, aber…

Martina Gahleitner, 14.07.2016 10:00

Naturschutz ist „in“, denkt man, manchen schon zu sehr. Naturschutz sei wichtiger als alles andere heißt es da. Nichts mehr dürfe man machen.

Gibt es zu viele Fischotter? – und wieviel ist eigentlich zu viel?  Foto: Weihbold
Gibt es zu viele Fischotter? – und wieviel ist eigentlich zu viel? Foto: Weihbold

Zu viele Fischotter, Kormorane und Graureiher rotten unsere Fischbestände aus, lautet ein Vorwurf. Naturschutz höre offensichtlich an der Wasseroberfläche auf. Viele freuen sich über die Wiederkehrer wie Biber und Elch – aber: Zuviele Biber ruinieren unsere Flussufer, zu viele Elche unsere Wälder. Beim leidigen Borkenkäferproblem hört man gar, zu viele Borkenkäfer ständen in Nationalparks unter Naturschutz!

Zuviele Luchse dezimieren den Rehbestand, meinen die Jäger; die Landwirte meinen aber, es gäbe zu viele Rehe. Es gibt hier also sogar einen Widerspruch des „zuviel“!

Zuviele „Raubvögel“ und Eulen fressen zuviel Niederwild: Hasen, Fasane etc. Krähen und Elstern gibt es ohnehin viel zu viele. Offenbar haben wir von vielem „zuviel“.

Gibt es noch Arten, von denen es nicht „zuviel“ gibt? Singvögel mag wohl jeder. Oder doch nicht? Wenn zu viele zuviele Amseln die Blumenbeete umwühlen, dann ist das doch zu viel des Guten! Sicher es gibt sie noch die Arten, die fast niemandem „zu viel“ sind – es handelt sich wohl um jene, die auch zu viele Leute gar nicht kennen. Für alle anderen, die „zu viel“ sind, gibt es aber ein probates Mittel: Abschuss, Fang …kurz gesagt, Dezimierung auf ein erträgliches Maß. Es muss doch verwundern, wie wenig die Natur für ein erträgliches Maß selbst sorgen kann.

Abschuss mit Folgen

In diesem Zusammenhang ist vielleicht das folgende Pardoxon interessant: Zu wenige Habichte führen zu zu wenigen Singvögeln! Wie das? Der Habicht – verfolgter Übeltäter in vielen Belangen – fängt selbst kaum Singvögel. Er fängt und verdrängt allerdings Krähen, Sperber, Marder – die natürlichen Feinde kleiner Singvögel. Zu wenige Habichte bedeuten also zuviele Krähen, Sperber, Marder, d.h. zu wenige Singvögel! Stört man ein Glied der Kette etwa durch gezielten Abschuss, kann dies weitreichende, oft nicht leicht einsehbare Folgen haben. Und so muss man nicht nur Habicht, sondern auch Krähen, Sperber, Marder etc. schießen… vielleicht irgendwann sogar Singvögel? Die Natur – und nicht zuletzt der Einfluss des Menschen auf selbige – funktioniert viel komplexer, als es das Zuordnen einzelner Verursacher oder gar Feindbilder zulässt. Dass sich ein „zuviel“ oder „zuwenig“ aber zudem vor allem an den Gegebenheiten unserer, meist menschlich beeinflussten Landschaft orientiert, wird dabei oft großzügig außer Acht gelassen.

Ein Blick über den oft begrenzten Horizont zeigt, dass vielleicht nicht jedes Problem durch Schießwut zu lösen ist.

Verfasser:

Josef Springer

www.boehmerwaldnatur.at


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