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Amöben

Amöben

Allgemeines

Amöben sind ein Taxon innerhalb der Rhizopoda (Wurzelfüßer). Das sind Einzeller, die in der Lage sind, Pseudopodien oder Scheinfüßchen auszubilden. Wenn Sie das Bild einer Amöbe vor Augen haben, können Sie sich vorstellen, was mit Pseudopodien gemeint ist:

Phagocytose einer Amöbe
Kate Taylor, Public domain, via Wikimedia Commons

Hier sehen wir, wie eine Amöbe ein Bakterium verschlingt. Zunächst bildet sie Lobopodien aus, mit denen sie die Nahrung umschließt. Die beiden Scheinfüßchen verwachsen dann miteinander, so dass die Nahrung in einem Phagocytose-Vesikel eingeschlossen ist, das als Nahrungsvakuole dient. Diese Nahrungsvakuole verschmilzt dann mit Lysosomen, die Verdauungsenzyme enthalten (was man auf dem Bild leider nicht sieht), die Nahrung wird verdaut und die nicht-verdaubaren Bestandteile werden durch Exocytose wieder ausgeschieden.

Die Lobopodien der Amöben sind cytoplasmatische Ausstülpungen, die an beliebiger Stelle der Zelloberfläche entstehen können. Sie können auch jederzeit wieder eingezogen werden.

Äußere Systematik

In vielen älteren Lehrbüchern und in manchen Zoologie-Praktika werden die Amöben zu den Rhizopoden gezählt. Diese Einordnung ist jedoch keine systematische, sondern hat rein praktische Gründe. "Rhizopoden" ist kein systematisches Taxon, sondern eine Organisationsform, die sich durch konvergente Evolution mehrmals in verschiedenen Taxa ausgebildet hat.

Auch die Amöben sind kein monophyletisches Taxon, sondern amöboide Organisationsformen findet man in verschiedenen Taxa: Amoebozoa, Rhizaria und Heterolobosea. Es gibt auch autotrophe amöboide Arten, die dann den verschiedenen Algengruppen zugeordnet werden.

Am Beispiel der "klassischen" Amöbe Amoeba proteus wollen wir uns einmal die äußere Systematik verdeutlichen.

Systematische Stellung von Amoeba proteus

Amoeba proteus
SmallRex, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

A. proteus gehört zur Gattung Amoeba und zur Familie Amoebidae. Eine andere wichtige Gattung dieser Familie ist Chaos. Diese Amöben werden auch als "Riesenamöben" bezeichnet, weil sie zwischen 1 und 3 mm groß sind, teils aber sogar 5 mm groß werden können.

Die Familie Amoebidae gehört zur Ordnung Euamoebida ("echte Amöben"), die wiederum mit vier anderen Ordnungen zur Klasse Tubulinea gehört.

Die Klasse Tubulinea gehört zum paraphyletischen Taxon Lobosa, zusammen mit drei anderen Klassen. Bis auf eine Ausnahme bilden alle Arten der Lobosa recht dicke und abgerundete Pseudopodien aus, sogenannte Lobopodien - daher wohl auch der Name Lobosa.

Die paraphyletische Gruppe der Lobosa
Autor: engl. Wikipedia

Das Taxon Lobosa gehört dem Stamm Amoebozoa an. Dieser Stamm wird als Schwestergruppe zu den Opisthokonta angesehen, zu denen u.a. die Tiere und Pilze gehören, wie das folgende Schema zeigt:

Einordnung von A. proteus in das System der Eukaryoten
Autor: Ulrich Helmich 07/2023, Bild der Amöbe: SmallRex, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Amoebina (Amöben)

Amöben haben keine feste Gestalt, sondern können durch die schnelle Ausbildung von Pseudopodien innerhalb von Sekunden ihre Gestalt wechseln. Dadurch können sie sich erstens auf dem Untergrund fortbewegen und zweitens Nahrung aufnehmen (Phagocytose).

Die Phagocytose ist in der Abbildung 1 recht gut dargestellt. Die Fortbewegung einer Amöbe erfolgt in drei Schritten: Extension, Adhäsion und Retraktion. Zunächst werden Pseudopodien in der Bewegungsrichtung ausgebildet (Extension), dann nehmen die Pseudopodien Kontakt mit dem Untergrund auf und heften sich daran fest (Adhäsion), und schließlich wird der Rest der Amöbenzelle nachgezogen (Retraktion).

Aufbau einer Amöben-Zelle
el:User:Kupirijo, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Die meisten Amöben sind zwischen 0,1 und 1 mm groß, können also vielleicht schon mit dem bloßen Auge gesehen werden. Es gibt aber auch "Riesenamöben", die bis zu 5 mm lang werden können (Familie Chaos.).

Einige Amöben-Arten besitzen eine Schale und werden dann als Thecamöben bezeichnet, andere Amöben wiederum enthalten Chloroplasten und können Photosynthese betreiben.

Amöben sind fast überall zu finden, vor allem in feuchtem Boden und im Schlamm, aber auch als Endoparasiten, Kommensalen oder Symbionten in Tieren. Die Makrophagen des menschlichen Immunsystems sind im Grunde auch Amöben, die eingedrungene Krankheitserreger phagocytieren.

Zwei interessante Videos in der engl. Wikipedia: A. proteus in motion, A. engulfig a diatom.

Amöben als Kommensalen und Parasiten des Menschen

Einige Amöben-Arten sind Kommensalen oder Parasiten des Menschen, wobei aber die harmlosen Kommensalen überwiegen und keinen Schaden anrichten.

Entamoeba gingivalis lebt im Zahnbelag des Menschen und kann durch Küssen übertragen werden [2]. Eine mögliche Folge eines Befalls mit E. gingivalis können Zahnfleischentzündungen sein. Forscher der Charité Berlin fanden 2020 heraus, dass bei 80% der Patienten mit entzündeten Zahnfleischtaschen E. gingivalis vorkommt, aber nur bei 15% der gesunden Patienten [7].

Entamoeba coli lebt im Dickdarm als harmloser Kommensale, nur in seltenen Fällen und bei sehr starkem Befall können Darmblutungen, Durchfälle oder Gastritis die Folgen sein [8]. Interessant an dieser Amöbe ist, dass sie keine Pseudopodien ausbildet, sondern zeitlebens in runder Form verbleibt [9].

Entamoeba histolytica ist ein Parasit im Darm des Menschen und verursacht die Amöbenruhr, die in warmen Ländern weit verbreitet ist. Amöbenruhr ist die dritthäufigste durch tierische Parasiten hervorgerufene Krankheit des Menschen, nach Malaria und Schistosomiasis. E. histolytica kann den Darm aber auch verlassen und dann in andere Organe eindringen und schwere Schädigungen verursachen.

Acanthamoeba- und Naegleria-Arten können über die Nase in das Gehirn eindringen und eine spezielle Form der Gehirnhaut-Entzündung hervorrufen. Diese Amöben überleben auch in warmen, gechlortem Schwimmbadwasser, daher können ungepflegte Schwimmbecken eine Infektionsquelle darstellen [2].

Die Fortpflanzung der Amöben erfolgt ungeschlechtlich durch eine einfache Zellteilung. Manchmal werden auch begeißelte Schwärmer ausgebildet.

Quellen:

  1. Tree of Life
  2. Storch, Welsch: Kurzes Lehrbuch der Zoologie, 8. Auflage, München 2005.
  3. Walochnik, Aspöck: "Amöben: Paradebeispiele für Probleme der Phylogenetik, Klassifikation und Nomenklatur" – Denisia (2007) – 0020: 323 - 350.
  4. Storch, Welsch: Kükenthal - Zoologisches Praktikum, 26. Auflage, München 2014.
  5. Kaestner, Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band I, 1. Teil, Stuttgart 1980.
  6. Wikipedia, Artikel "Amöbe"
  7. Dentalmagazin, Artikel "Entamoeba gingivalis fördert Gewebezerstörung bei Paradontitis". 25.05.2020.
  8. DocCheck, Beitrag "entamoeba coli 8kernig a." von 2012.
  9. engl. Wikipedia, Artikel "Entamoeba coli".