Geothermie: Es bebte nicht zum ersten Mal

Vorarlberg / 22.07.2013 • 20:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Geothermie: Es bebte nicht zum ersten Mal

In Basel scheiterte ähnliches Projekt wie in
St. Gallen 2007 an einer Reihe von Erdbeben.

St. Gallen . (VN-tm) Nach den Erdstößen vom Wochenende rechnen die St. Galler Spezialisten damit, dass sie noch bis Samstag an der Stabilisierung ihrer Geothermie-Baustelle im Sittertobel arbeiten müssen. Bekanntlich schickt sich die Stadt St. Gallen an, 160 Millionen Franken in die Errichtung eines Kraftwerks mit Fernwärmenetz zu investieren, das bis zu 3000 Haushalte mit Strom beliefern soll.

Aber jetzt steht das Projekt. Die Geothermie hat in der ganzen Schweiz einen herben Rückschlag erlitten, gesteht die Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung für Geothermie, Kathy Riklin, ein. Ein Gaseinbruch in rund 4500 m Tiefe hatte den Druck enorm erhöht. Die ganze Bohrstelle war plötzlich in Gefahr. Menschenleben standen auf dem Spiel. Mit Wasser hielten die Arbeiter dagegen. Ein Erdbeben der Stärke von 3,6 am Samstag und 25 kleine Nachbeben bis heute waren die Folge.

Niemand hatte offenbar mit dieser dramatischen Entwicklung gerechnet. Dabei hat sich Ähnliches bereits 2006 und 2007 in Basel zugetragen. Die St. Galler Experten hatten noch vor Beginn der Bohrarbeiten Anfang März 2013 betont, man verwende ein ganz anderes Verfahren als damals beim Rhein. Das Basler Projekt hatte nach dem Prinzip eines Durchlauferhitzers funktioniert. Zuerst wurde Wasser in die Erdkruste gepumpt, um feine Fugen im Gestein zu erzeugen. Dann sollte sich in den Hohlräumen kaltes Wasser auf 200 Grad erwärmen und wieder nach oben gepumpt werden. Aber das Projekt ging schief. Eine ganze Reihe von Erdstößen der Stärken 3,1 bis 3,4 richteten an Gebäuden in der Umgebung zahlreiche Schäden an. 2010 wurde das Basler Geothermieprojekt offiziell beendet.

Basler Beben halten an

Nur die Erde hat sich noch nicht beruhigt. Zuletzt erzitterte der Standort des längst verwaisten Projekts am 29. Juni 2013 bei einem Erdbeben der Stärke 1,7. Die Seismologen haben vorhergesagt, dass es acht bis 15 Jahre dauert, bis die letzten Nachwirkungen verkraftet sind. Ist die Erde einmal durch eine solche Tiefenbohrung „stimuliert“ worden, bleibt sie lange in Bewegung.

In St. Gallen haben bis gestern 25 Menschen telefonisch Gebäudeschäden geltend gemacht. Austretendes Gas wurde abgefackelt. Die Arbeiter pumpen weiter Material ins Bohrloch, um die entstandenen Klüfte wieder zu schließen.

Erst nächste Woche sind genauere Untersuchungen des Vorfalls möglich. Der Bund hat dennoch bereits betont, dass er weiter voll hinter dem St. Galler Projekt steht. Das hat auch finanzielle Gründe: Im Fall eines Abbruchs müsste sich der Bund aufgrund einer Bürgschaft mit 24 Millionen Franken beteiligen.

Stichwort

Geothermie

Die Erde strahlt täglich etwa zweieinhalb Mal mehr Energie in den Weltraum ab, als die Menschheit verbraucht. Quelle ist die Erdwärme, die unterhalb der Erdoberfläche gespeichert ist. In 100 Metern Tiefe liegt die Temperatur bei 7 bis 12 Grad Celsius. In Mitteleuropa wird es dann um etwa 3 Grad pro 100 Meter Tiefe wärmer. Aber anders als etwa in Island liefert die Geothermie in unseren Breitengraden keine nennenswerten Beiträge zur Gesamtversorgung mit Strom und Wärme.

Bei der Oberflächengeothermie wird bis maximal 200 Meter tief gebohrt und dann die Energie mit einer Wärmepumpe gewonnen. Bei der Tiefengeothermie wie in St. Gallen geht die Bohrung mehrere tausend Meter in die Erde. Dabei wird über 100 Grad heißes Wasser zur Nutzung an die Oberfläche gepumpt.