Modegeschichte

Vogue-Lexikon: Die Geschichte des Dreiteilers

Vom Look des britischen Königs im 17. Jahrhundert über Yves Saint Laurents "Le Smoking" aus den 1960ern bis hin zu Maria Grazia Chiuris Hommage an die Teddy Girls in ihrer Herbst/Winter-Kollektion 2019/20 für Dior: Wir werfen einen Blick auf die Geschichte des Dreiteilers.
Dreiteiler Die Geschichte des dreiteiligen Anzugs im VogueLexikon
Courtesy of Burberry

Der Dreiteiler (bestehend aus einer Jacke, Hose und Weste) wurde 1666 von König Karl II. von England erstmals in Großbritannien eingeführt. Lange hatten Männer verschiedene Kombinationen von Hosen und Jacken getragen, doch um den englischen Wollhandel anzukurbeln und die Adligen zu zwingen, die französische Mode aufzugeben, fügte der "Merry Monarch" dem Zweiteiler mit der Weste schließlich ein drittes Element hinzu. Samuel Pepys, ein Politiker, der im Zeitraum von 1660 bis 1669 ein sehr detailliertes Tagebuch führte, schrieb dazu am 8. Oktober 1666: "Der König hat gestern im Council seinen Entschluss erklärt, eine Mode für die Kleidung festzulegen, die er nicht mehr ändern wird. Es wird eine Weste sein, ich weiß noch nicht ganz genau wie, aber es soll dem Adel die Sparsamkeit lehren, und es wird Gutes tun."

Die neue Weste war ein eng anliegendes, knielanges Kleidungsstück, das der Silhouette der Jacke folgte und darunter getragen wurde. Sie wurde aus schlichtem, billigem Material gefertigt – schließlich sollte es die Verwendung von kostspieligen Stoffen wie Spitze oder Musselin, die bisher unter Herrenjacken getragen wurden, eindämmen. Neun Tage später bemerkte Pepys dann, dass "der Hof voller Westen ist", und vereinbarte einen Termin mit seinem eigenen Schneider. Auch der Rivale des englischen Königs, König Ludwig XIV. aus Frankreich, befahl seinen Dienern, von nun an eine Weste zu tragen, um dem neuen englischen Stil die Alleinstellung zu entziehen.

König Karl II von England (r.) mit seinem Gärtner John Rose, der ihm eine Ananas präsentiertHeritage Images

Obwohl König Karl II. schlichte schwarze Samtwesten bevorzugte, trugen einige Männer durchaus auch aufwendig bestickte Designs. Die französischen Höflinge übernahmen diesen neuen Stil schnell, sodass insbesondere Seidenwesten mit üppigen Verzierungen und Stickereien immer beliebter wurden. Um 1700 wurde die Silhouette der Weste verkürzt und vereinfacht: Röcke endeten nun über dem Knie, und das Kleidungsstück hatte nun keine Kragen oder Ärmel mehr. Im Laufe des folgenden Jahrhunderts wurde die Weste dann zu einem zunehmend dekorativen, extravaganten und vielseitigen Bestandteil des dreiteiligen Anzugs.

Der Aufstieg des Dandys

Der Stil des Dreiteilers wurde im 19. Jahrhundert maßgeblich durch Dandys wie Beau Brummell beeinflusst, einem bürgerlichen Kapitän, der sich mit dem Prince of Wales angefreundet hatte. Brummell verzichtete auf die schmuckvolle (aber teure) Kombination aus Kniehosen und Strümpfen. Stattdessen bevorzugte er dezente, aber perfekt geschnittene Maßhosen, weiße Westen und eine dunkle Jacke mit Schoß.

George 'Beau' Brummell im Jahr 1805Robert Dighton

Ende des 19. Jahrhunderts wurde der dreiteilige Männeranzug schließlich noch schlichter und zum Symbol von Werten wie Ernsthaftigkeit und Rationalität. Dies stand im starken Gegensatz zu den üppigen Designs der Frauenmode, die als leichtsinnig und irrational angesehen wurden. Zu Beginn des Jahrhunderts wurden die Westen des Dreiteilers aus einem anderen Stoff und einer anderen Farbe als die Jacke hergestellt. Mit der Zeit kam es dann jedoch in Mode, einen Anzug aus dem gleichen Stoff schneidern zu lassen.

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der dreiteilige Anzug langsam von dem ungezwungeneren Zweiteiler (bestehend aus Jacke und Hose) abgelöst. In der Vergangenheit wurde die Weste dafür genutzt, Taschenuhren zu verstauen. Da Männer nun jedoch vermehrt Armbanduhren trugen, diente die Weste keiner wirklichen Funktion mehr. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der dreiteilige Anzug dann nur noch als neues Fashion-Statement betrachtet und nicht mehr als Norm für arbeitende Männer gewertet. Für formelle Anlässe blieb er jedoch unerlässlich.

Westen für Frauen

Nicht mehr als Mainstream bewertet, wurde der Dreiteiler in den 1950ern in Großbritannien von den Teddy Boys (oder auch Teds) übernommen. Die Subkultur bestand hauptsächlich aus wohlhabenden jungen Männern, die sich für amerikanischen Rock 'n' Roll und neo-edwardianische Savile-Row-Dreiteiler begeisterten. Die Teddy-Boy-Uniform beinhaltete eine Drape-Jacke, ähnlich der der Zoot-Anzüge der 40er-Jahre (bestehend aus einer hochgeschlossenen, konisch zulaufenden Hose und Brokatweste). Schnell wurde der Look, einschließlich der Weste, auch zum Signature-Style der weiblichen Teddy Girls.

Getty Images

Hollywood-Schauspielerin Marlene Dietrich war hier allerdings die wirkliche Trendsetterin – sie trug den Look schon 20 Jahre vor den Teds im Film "Marokko" (1930), mit dem sie – unter anderem wegen ihrer Smoking tragenden Rolle – ihren Ruhm ausbaute.

Marlene Dietrich am Set von "Marokko", 1930Don English/Paramount/Kobal/Shutterstock

Im Jahr 1966 machte Yves Saint Laurent zwei- und dreiteilige Anzüge mit seinem "Le Smoking" dann auch für Frauen populär und sorgte damit für einen gesellschaftlichen Aufschrei. Zuvor war Dietrich noch gezwungen, Herrenanzüge auf ihre Statur zuschneiden zu lassen – jetzt hatte Saint Laurent Anzüge speziell für den weiblichen Körper entworfen. Auch wenn Dietrich mit ihrem Anzug auf der Leinwand für Schlagzeilen sorgte, war das Kleidungsstück für Frauen damals noch lange nicht demokratisiert. Saint Laurent aber hat den Frauen (zuerst der Elite und dann der Mittelklasse) mit seinem "Le Smoking" geholfen, einen traditionell männlichen Stil zu tragen und sich darin wohlzufühlen.

Ein Model im "Le Smoking" von Yves Saint Laurent, 1967Reg Lancaster

In den 70er-Jahren erfreute sich der Dreiteiler für kurze Zeit in der Disco-Szene großer Beliebtheit. John Travolta etwa ist für die Kombi aus weißem Anzug und schwarzem Hemd bekannt, die er in "Saturday Night Fever" trug. Bunte dreiteilige Anzüge wurden bald zum Go-to unter Disco-GängerInnen. In den 80er-Jahren wurde der Hosenanzug auch zu einer gern gesehenen Wahl für die arbeitende Frau. Auch wenn einige Trägerinnen ihre Anzüge mit einer Weste oder einem Wams kombinierten, bevorzugten die meisten jedoch die zweiteilige Variante in Kombination mit einer Bluse.

Holly Bower/Paramount/Kobal/Shutterstock

Heute ist der Dreiteiler ein fester Bestandteil im Repertoire von fast jedem Womenswear-Designer. Thom Browne zum Beispiel ist für seine eigenen Interpretationen bekannt, Designerin Maria Grazia Chiuri zollte mit den Anzügen in ihrer Dior-Herbst/Winter-Kollektion für 2019/20 der Androgynität der Teddy Girls Tribut, und in den jüngsten Frühjahr/Sommer 2020-Kollektionen fanden sich Dreiteiler unter anderem bei Burberry.

Burberry für Frühjahr/Sommer 2020Victor VIRGILE

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