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Mahnen, Tadeln, Zurechtweisen

Bregenz - Reichen erlaubte Lehrer-Maßnahmen für renitente Schüler aus? Die Geister scheiden sich.

Auch wenn der Vorfall schon einige Zeit zurückliegt, bleibt dessen Dimension erschreckend. An einer Vorarlberger Hauptschule attackiert eine Schülerin ihre Mathematik-Lehrerin und reißt ihr vor den Augen der Mitschüler ein Büschel Haare aus. Nicht wirklich vollumfassend habe man der geschockten Lehrperson damals geholfen. Schließlich wurde die Schülerin für einige Zeit von der Schule suspendiert, kam dann zurück und wurde nach weiteren Vorfällen endgültig von der Bildungsanstalt verwiesen.

Hilflos

Ein Extremfall, gewiss. Doch es kommt an sozial problematischen Schulen auch in Vorarlberg gelegentlich zu Gewaltszenen, von Mobbing und groben verbalen Entgleisungen ganz zu schweigen. „Es bleibt dir bisweilen einfach nur die Spucke weg, wenn du dich mit übelsten Beschimpfungen konfrontiert siehst“, berichtet eine andere Lehrerin an einer Mittelschule. Außer Rand und Band geratenen Schülern stehen Pädagogen oft hilflos gegenüber. Ihre Sanktionsmöglichkeiten in der Situation bleiben laut Gesetz beschränkt auf Ermahnen, Tadeln und Zurechtweisen. Strafarbeiten sind ebenso verboten wie nachsitzen lassen. Österreichs oberster Pflichtschulgewerkschafter Paul Kimberger hat unlängst härtere Maßnahmen gegen unkooperative Eltern verhaltensauffälliger Schüler gefordert und damit eine Diskussion losgetreten, die sehr emotional geführt wird. Unter anderem hatte Kimberger angeregt, Verwaltungsstrafen zu verfügen oder sogar das Einfrieren der Familienbeihilfe anzudenken.

Frustration

Seinem Vorarlberger Kollegen als Pflichtschullehrer-Vertreter, Armin Roßbacher, stoßen solche Vorschläge sauer auf. „Überforderte Eltern durch Streichung der Familienbeihilfe zu bestrafen, ist der falsche Ansatz. Das kommt einer doppelten Strafe für die Kinder gleich. Natürlich haben Eltern Pflichten – und die sollen auch eingefordert werden. Aber sicher nicht so.“ Für Roßbacher ist die Diskussion über mehr Durchgriffsmöglichkeiten bei exzessiven Disziplinlosigkeiten „ein Randthema im schulischen Alltag“. Er orte in der Lehrerschaft keinen Wunsch nach härteren Sanktionierungsmaßnahmen, vielmehr „eine große Frustration. Da bleibt das Gefühl zurück: Man kann eh nichts machen.“

Bis zum Ausschluss

An der Mittelschule Lustenau, einer „Schule mit besonderen Bedürfnissen“, hat man mit Unterstützung einer Arbeitsgruppe bestehend aus Fachleuten (u. a. auch der Jugendwohlfahrtsleiter Werner Grabher) ein ineinander greifendes Sanktionierungsmodell ausgearbeitet. Vorfälle werden in ein zentrales Register eingetragen. Es ist genau geregelt, wann welche Maßnahme getroffen wird. Sozialarbeiter und Beratungslehrer sind eingebunden. „Gefährdet ein Schüler seine Sicherheit oder jene der Mitschüler, ist eine Suspendierung vorgesehen“, erklärt Direktorin Irmgard Scheffknecht. Diese muss allerdings vom Bezirksschulinspektor abgesegnet werden. Suspendierungen können bis zu vier Wochen dauern. Während dieser Zeit muss der Schüler in ein spezielles Schulbe­treuungszentrum mit dem Namen „Zick-Zack“. Kehrt der Schüler in seine Stammschule zurück und es ereignen sich weitere massive Vorfälle, kann die Schulkonferenz seinen Ausschluss veranlassen. Zirka 100 Suspendierungen gibt es pro Jahr in Vorarlberg, schätzt Armin Roßbacher.

Verwaltungsstrafe

Mehr Sanktionen stehen Lehrern in der benachbarten Schweiz zur Verfügung. Dort sind Strafarbeiten und Nachsitzen als Sanktionierungsmaßnahmen erlaubt. Und Eltern, welche die Kooperation mit der Schule beharrlich verweigern, droht eine Verwaltungsstrafe von bis zu 200 Franken. „Es ist grundsätzlich ein gutes Gefühl, über mehr Sanktionierungsmaßnahmen verfügen zu können, als die Kollegen in Österreich“, freut sich ein im Kanton St. Gallen beschäftigter Vorarlberger Lehrer.

Möglichkeiten von Sanktionen

Durch den Lehrer
» Ermahnen
» Tadeln,
» Zurechtweisen

Durch Bezirksschulinspektor
» Verhängung von Schulsuspendierung; diese kann bis zu vier Wochen dauern; Schüler kommt danach an die Schule zurück.

Durch Lehrerkonferenz
» Beschluss über den Ausschluss eines Schülers von der Schule als ultimatives Mittel; nachdem zuvor alle anderen Mittel ausgeschöpft wurden.

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