Kapitel 11

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Aaron legte sich auf die Seite und zog die Decke an sich. Der leichte Geruch von Minze und Sandelholz haftete an diesem. Ich bin in seinem Bett. In seinem Zuhause. Auch wenn er es nicht wollte, so beruhigte ihn der Gedanke. Er schaute sich um, sah sich Cyphers Schlafzimmer an. Die Wände waren in einem Zitronengelb gestrichen und an verschiedenen Ecken waren rote Muster aufgezeichnet.

Ein großer Schrank und eine Kommode standen gegenüber dem Bett und an der linken Wand war ein großer Spiegel. Rechts und links war jeweils eine Tür. Die linke führte nach draußen, denn Cypher hatte den Raum durch diese verlassen, die andere vermutlich zu einem Waschraum. Neben dem Bett waren zwei kleine Tischchen. Auf der Kommode sah er einen metallischen Haufen, wusste aber nicht, was das genau war.

Ein Monat. Dreißig Tage – das Zeitlimit, das sein Leben hatte. Cypher hatte ihm alles in einem ruhigen Ton erzählt, er hatte keinen Grund, ihm nicht zu glauben. Seine Gefühle in seinem Innern waren ein Chaos – er wusste nicht, was er fühlen sollte, also blieb ihm nichts anderes übrig, als auf das zurückzugreifen, was er gelernt hatte.

Es gab einen Grund, warum er der Beste gewesen war. Ihm war nur eine Sache zum Verhängnis geworden – er hatte jemandem vertraut. Doch was hatte es ihm gebracht? Wollte er überhaupt ein Leben mit Cypher? Ist es das wert? War solch ein Leben erstrebenswert? Dreiundzwanzig Jahre hatte er keine Zuneigung oder Wärme erhalten, wieso sollte sich das nun ändern?

Weil du jemanden hast, der dich aufrichtig lieben kann, nur dich will, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf.

„Das ist es ja, er liebt mich nicht. Sein innerer Dämon will mich, nicht er."

Er musste sich zudem mit der Frage befassen, wie er vielleicht doch eine Wiedergeburt ermöglichen konnte. Aaron musste einen Weg finden, bereit zu sein, ein neues Leben zu beginnen. Für viele war es die fehlende Einsicht, einen Fehler gemacht zu haben oder Reue, die sie in der Hölle hielten. Bei Aaron war es nicht nur die Schuld, die er mit sich trug – er hatte schlichtweg keinen Grund ein neues Leben zu beginnen. Für ihn hat es in den dreiundzwanzig Jahren nichts gegeben, wofür es sich zu leben lohnte. Die Angst, dies erneut durchleben zu müssen, hielt ihn zurück. Es gab niemanden, der ihn geliebt hatte oder dem er etwas bedeutet hatte. Nicht einmal meine Eltern.

In diesem Moment hielt er inne. Eltern. Das Wort hing vor ihm in der Schwebe. Er wusste nichts über seine Eltern. Er wusste nicht, wer sie waren, ob sie noch lebten. Ihm wurde gesagt, er sei als Kleinkind weggegeben worden, doch das waren mit Sicherheit nur leere Worte gewesen. Der Gedanke sponn sich weiter und es eröffnete sich ein Pfad, den er zuvor noch nie in Betracht gezogen hatte.

Vielleicht kann ich diesen Grund finden.

Ein Klopfen an der Tür ließ ihn aufschauen. Ein Dämon mit einem Widderkopf in einem schwarzen Frack trat herein, in der Hand ein Tablett mit dampfendem Essen.

„Störe ich Euch?", fragte dieser freundlich.

Der Ton verwunderte ihn, denn der Metallring an seinem Hals zeigte deutlich, dass er ein Gefangener war. Aaron schüttelte den Kopf.

Der Dämon trat zu dessen Bett und stellte das Tablett auf das Tischchen neben Aaron und der Geruch ließ dessen Magen knurren. Daraufhin lachte der Widderdämon und sagte: „Greift zu."

Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Seine Geschmacksknospen prickelten, als der köstliche Geschmack sich in seinen Mund ausbreite, und er seufzte genießerisch. Er aß das Tablett leer und spürte, wie sich seine Akkus aufluden. Es war, als erwache er aus dem Energiesparmodus, fühlte sich lebendig. Sie haben uns also wirklich schwach gehalten. Das war ebenfalls nicht überraschend.

Cypher - ein schicksalhafter Blick (BAND 4) ✅️Where stories live. Discover now