Bergkamen. .

„Kohle kann mehr“ lautete der Titel einer der letzten großen Imagekampagnen der IGBCE zur Rettung des letzten Rests des deutschen Steinkohlenbergbaus. Dass das „Schwarze Gold“ sogar den Grundstoff zur Herstellung von Margarine liefern kann, wissen heute nur noch die wenigsten.

Fette sind ein Nebenprodukt der Kohlehydrierung, die Umwandlung von Kohle, bzw. Koks in Benzin, wie sie in Bergkamen auf dem Gelände des heutigen Werks von Bayer Schering Pharma noch bis 1964 erfolgte.. Der große Bedarf nach solchen „künstlichen“ Kalorien in den Nachkriegsjahren waren zusammen mit dem drohenden Verlust von vielen hundert Arbeitsplätzen wesentliche Gründe dafür, die die Bergkamener am 14. Juni 1949 im wahren Wortes Sinne auf die Barrikaden trieben. Erst durch den Einsatz belgischer Truppen konnte der Demontagebefehl des britischen Militärgouverneurs für Nordrhein-Westfalen, General Bishop, umgesetzt werden.

Auf der Liste der zu demontierenden Anlagen war die Kohlehydrieranlage nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren geraten, weil in Bergkamen während des 2. Weltkriegs eben nicht nur Fette hergestellt wurden, sondern vor allem Treibstoffe, unter anderem für die deutsche U-Bootflotte. Diese kriegswichtigen Anlagen sollten, so der Wille der Alliierten, deshalb nach der Kapitulation des Dritten Reichs beseitigt werden.

Der letztlich erfolglose Widerstand der Mitarbeiter der Chemischen Werke und der Bergkamener Bergleute sorgte für internationales Aufsehen. Wenig später bemühte sich Bundeskanzler Konrad Adenauer in Verhandlungen mit den Alliierten um ein Demontage-Stopp-Abkommen. Ergebnis war 1950 das das „Petersberger Abkommen“, durch das die Chemischen Werke Bergkamen und ähnliche Anlagen im Ruhrgebiet von der Demontage ausgenommen wurden. Bereits 1951 wurde in Bergkamen die Produktion wieder aufgenommen.

Doch die wirtschaftliche Situation wurden in den Jahren danach zunehmend schlechter. Ein Glücksfall war es sicherlich für den Industriestandort Bergkamen, dass die Schering AG wegen der zunehmenden Verschärfung des „Kalten Kriegs“ und der Insellage ihres Firmensitzes Berlin (West) im Bundesgebiet nach einem Ausweichstandort. 1959 übernahm Schering die Chemischen Werke von der Harpen AG.

Die Kohlehydrierung wurde erst 1964 endgültig eingestellt, erfuhr aber rund zehn Jahr später eine Art Wiederauferstehung - dies allerdings, wie sich später herausstellte, auf dem Papier in Form von Gutachten.

Ursache war das Öl. Dieser ab Mitte der 50-er Jahre auf dem Weltmarkt konkurrenzlos billig zu habende Energieträger hatte die Kohlehydrierung in Bergkamen in die Knie gezwungen.

1961 kam die „Pille“

Durch den Ölpreisschock 1972 wurden nicht nur Stilllegungspläne für Zechen wieder in die Schublade gelegt, Schering selbst hatte Studien in Auftrag gegeben zu prüfen, ob die Umwandlung von Kohle in Benzin nicht vielleicht doch eine lohnende Angelegenheit sein könnte.

Schering war zu diesem Zeitpunkt übrigens längst nicht ein reines Pharma-Unternehmen, sondern eher eine Art „chemischer Gemischtwarenladen“, obwohl es am 1. Juni 1961 erstmals die „Pille“ auf den deutschen Markt brachte. Das orale Verhütungsmittel, deren Wirkstoffe immer noch in Bergkamen hergestellt werden, entwickelte sich schnell zum Verkaufsschlager.

Die Planungen für den Bau ein neues Hydrierwerk in Bergkamen, wurden spätestens im September 1983 endgültig zu den Akten gelegt.