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Meinung „Schmonzes“

Bei Jeff Koons ist sogar das Glied perfekt

Jeff Koons bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Whitney Museum in New York City Jeff Koons bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Whitney Museum in New York City
Jeff Koons bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Whitney Museum in New York City
Quelle: REUTERS
Der amerikanische Pop-Art-Künstler lässt bei seiner New Yorker Ausstellung das Eröffnungspublikum alt aussehen: viele aufgeblasene Lippen und alberne Handschuhe von Gloria von Thurn und Taxis.

Vergangene Woche begegnete ich Jeff Koons, dem Künstler mit den riesigen Ballon-Hunden. In New York eröffnete er eine große Retrospektive. Ich habe sein Werk nie wirklich begriffen. Pop-Art, ja. Soll irgendwie provozieren. Aber die riesigen Ballons, die Michael-Jackson-Skulpturen, die Hoover-Staubsauger in Plexiglasvitrinen erschienen mir banal, oberflächlich, amerikanisch. Ich fand nie etwas dahinter.

Die fantastische Ausstellung im Whitney Museum belehrte mich eines Besseren. In der Masse der Arbeiten zeigt sich die unglaubliche Präzision, der übermenschliche Perfektionismus, den Koons ans Licht legt.

Da steht dieser maßstabsgetreu überdimensionierte, fast drei Meter hohe, schwarze Spielzeuggorilla aus billigem Plastik. Die Gussnarben sind noch zu sehen, auch die eingetrockneten Tropfnasen der schlecht aufgetragenen Farbe. Das soll Kunst sein? Konsumkritik? Machismo? Es wirkt platt.

Doch beim Blick auf das Schild wird klar, es handelt sich in Wirklichkeit um eine aus massivem Granit gehauene, aufwendig polierte Skulptur. Stein statt Plastik. Tonnenschwer statt federleicht. Eine beeindruckende Täuschung, nur möglich durch die präzise Umsetzung. Fesselnd! Koons geht es um die perfekte Illusion.

Schlabberig-weicher Händedruck

Alles bei ihm ist perfekt. Auch er selbst: perfekter Anzug, perfektes Lächeln, perfektes Haar. Er hat perfekte Kinder und eine perfekte Frau. Sogar sein Glied ist perfekt. Zumindest war es das vor über zwanzig Jahren. Das sieht man auf einem perfekten Selbstporträt. Koons ist der perfekte Kunst-Star. Man bekommt Angst vor dieser Perfektion. Wäre da nicht sein schlabberig-weicher Händedruck.

Koons und sein Werk sind so perfekt, dass alles, was sich in ihrem Umfeld befindet, minderwertig erscheint. Das gesamte vermeintlich perfekte New Yorker Eröffnungspublikum: Die zu dünnen Beine der Kunsthändlerin, die albernen Handschuhe von Gloria von Thurn und Taxis, all die aufwendig aufgeblasenen Lippen und weggespritzten Runzeln. Das alles wirkt im Kontrast zu Koons chirurgischer Perfektion wie eine künstlerische Katastrophe.

Nur Koons Mutter enttäuscht, zumindest aus jüdischer Sicht. „Wissen Sie, ich wurde mal gefragt, ob ich stolz sei auf meinen Sohn“, erzählt sie. „Natürlich bin ich das! Jede Mutter ist doch stolz auf das, was ihr Sohn macht.“ „Ach ja? Da haben Sie aber meine jiddische Mamme noch nicht kennengelernt, Frau Koons.“ Die ist perfekt, sieht das aber ganz anders.

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