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Fernsehen Interview

"Führen Sie ein Doppelleben, Anica Dobra?"

Quelle: DPA/Z1008 Jens Kalaene
Die hübsche Anica Dobra ist den meisten deutschen Zuschauern eher durch Komödien wie "Der Hauptgewinn" oder "Das Verhalten geschlechtsreifer Großstädter in der Paarungszeit" bekannt. In ihrer Heimat Serbien macht sie in anspruchsvolleren Produktionen Furore. Und kann nun auf einen Oskar hoffen.

Die serbische Schauspielerin Anica Dobra wuchs in Belgrad und Frankfurt auf. In Deutschland wurde sie mit TV-Filmen wie „Spezialauftrag: Kindermädchen“ oder „Der Hauptgewinn“, sowie Auftritten im „Tatort“ oder „Schimanski“ bekannt. Sie spielte in serbischen Filmen wie „Déjà Vu“, der 1988 im Panorama-Programm der Berlinale lief. Serbien hat ihren neuen Film „Klopka – Die Falle“ für die Oscar-Nominierung vorgeschlagen.

WELT ONLINE: Als das Angebot zu Ihrem neuen Film „Klopka – Die Falle“ kam, haben Sie sich gefreut, wieder in Ihrer Heimat Belgrad arbeiten zu können?

Anica Dobra: Ich bin zu Hause immer präsent, mit Kinofilmen und Theaterproduktionen. Und bei uns ist’s auch ganz normal, alle Fächer zu bedienen, weil die meisten Schauspieler eine klassische Ausbildung haben. Da spielst du vielleicht tagsüber in einer Fernsehserie und stehst abends wieder auf der Bühne. Das gilt auch nicht als Blamage. Aber natürlich kennt man hier fast ausschließlich, die Arbeit, die ich in Deutschland mache, und da bin ich vom Fach her doch sehr festgelegt.

WELT ONLINE: Sie führen also eine Art schauspielerisches Doppelleben?

Dobra: Es ist leider schon so, dass ich in Deutschland in letzter Zeit hauptsächlich sehr kommerzielle Sachen mache und zu Hause eher so genannte anspruchsvolle Projekte. Und „Klopka – Die Falle“ war eines von diesen grandiosen Drehbüchern, über die ich gar nicht lange nachdenken musste. Ich habe sofort zugesagt. Mit diesem Film konnte ich als Schauspielerin nach vielen Jahren voller romantischer Komödien zu meinen Wurzeln zurückkehren. Und dafür war ich sehr dankbar.

WELT ONLINE: Welche Vorurteile über Deutschland sind nicht wahr?

Dobra: Dass Ihr angeblich so kalt seid. Das stimmt gar nicht. Die „Klopka“-Premiere wurde auf der Berlinale vom Publikum herzlicher gefeiert, als in Belgrad. Und Humor habt Ihr auch...(lächelt). Ich kann das guten Gewissens sagen. Die Deutschen haben eine gewisse Lockerheit und Souveränität. So empfinde ich es jedenfalls. Und das mag ich an Menschen sehr, wenn ich mich unter ihnen frei fühlen kann. Und ich fühle mich in Deutschland immer so frei (lacht).

WELT ONLINE: Dabei sehen wir selbst uns immer als Nation von jammernden Skeptikern.

Dobra: Vielleicht bringt ja genau das dieses Land weiter! Wir Südländer sind viel leichter zufrieden. Hauptsache, wir haben Sonne, Wärme und gutes Essen. Wir jammern nicht, kommen aber auch nicht voran. Und vielleicht verwechselt man Jammern auch mit Ambition. Und das ist doch ein sehr positives Wort für mich.

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WELT ONLINE: Wenn man sich auf ein Gespräch mit Ihnen vorbereitet, erfährt man aus Interviews und Biografien nicht viel über den Menschen Anica Dobra.

Dobra: Ist das so? Das finde ich ja sehr gut...(lächelt). Wissen Sie, ich versuche in Interviews eigentlich immer mein Projekt in den Vordergrund zu stellen und mich selbst in den Hintergrund. Vielleicht auch, um mir als Schauspielerin mein Geheimnis zu bewahren.

WELT ONLINE: Als Kind haben Sie vier Jahre lang in Frankfurt gelebt.

Dobra: Ich bin hier ja auch zur Schule gegangen und sprach am Anfang kein Wort Deutsch. Ich wurde von den anderen Kindern permanent verarscht. Denn ich war das perfekte Opfer. Ich hab ja nichts verstanden. Alle haben sich ständig über mich totgelacht. Und ich wusste selbstverständlich, dass es um mich geht. Dazu muss man ja eine Sprache nicht beherrschen.

WELT ONLINE : Es war also keine glückliche Zeit?

Dobra: Nein. Es war schon einsam, und ich war oft unglücklich. Aber es war für mich auch ein Ansporn, die Sprache zu lernen. Nur für mich. Und ich habe dann ziemlich schnell diese Melodie in der deutschen Sprache entdeckt, die mir so gut gefallen hat. Und ich finde es heute eigentlich ganz normal. Wenn man in einem Land lebt, als Gast, oder für immer, egal, wo auf der Welt, sollte man natürlich authentisch bleiben. Aber man muss sich auch assimilieren und die Sprache beherrschen. Das finde ich zivilisiert und fair. Und dann wird man auch in seinem Anderssein akzeptiert. Später habe ich dann davon profitiert, als ich 1988 in Deutschland meinen ersten Film gemacht habe.

WELT ONLINE: Dann feiern Sie also im kommenden Jahr zwanzig Jahre deutschen Film.

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Dobra: Es ist kaum zu glauben, oder...(lacht). Mir kommt das manchmal sehr unwirklich vor.

WELT ONLINE: Sie sind auch während des Krieges in Belgrad geblieben, obwohl Sie auch in Deutschland hätten leben können. Warum?

Dobra: Nach Deutschland zu ziehen, war zu dieser Zeit nie eine Option. Ich fühlte mich aber andererseits sehr privilegiert, weil ich in Deutschland arbeiten konnte. Bei uns lief zu dieser Zeit ja nicht mehr viel. Aber es war auch eine Zeit, in der ich begriffen habe, dass ich ganz bewusst zu Hause bleiben und in Belgrad leben will. Das hatte mit den Menschen zu tun, durch die ich fest dort verwurzelt bin. Abgesehen davon gibt es ja auch die ganz banale Bürokratie. Ich hätte nie eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. So einfach war es also nicht. In Deutschland kann man sich das vielleicht nicht vorstellen. Viele Zöllner, die mich erkennen, denken sogar, ich hätte einen deutschen Pass und wundern sich sehr, wenn ich mein Visum zücke.

WELT ONLINE: Was lieben Sie an Belgrad?

Dobra: Das Land hat sich sehr verändert und ist sehr interessant geworden. Gerade für Künstler. Es sprüht nur so vor Ideen. Junge Leute stellen etwas auf die Beine, und die Stadt tobt. Das ist eine ganz tolle, inspirierende Atmosphäre. Ich empfinde es als Glück, dort leben zu dürfen. Denn es ist eine Mischung aus Altem und Neuem. Alles befindet sich in Veränderung, und nichts hat sich schon richtig durchgesetzt. Wir befinden uns in einer Art vorläufigen Zwischenzone. Ich glaube, als Deutscher würden Sie erst einmal einen Kulturschock bekommen...(lacht). Und das Nachtleben ist unglaublich spannend!

WELT ONLINE: Wie sieht denn ein Tag im Leben von Anica Dobra in Belgrad aus?

Dobra: Meinen Sie einen normalen Tag mit oder ohne Arbeit?

WELT ONLINE: Ohne Arbeit.

Dobra: Dann bin ich sehr gerne Mutter, Frau, Hausfrau und Freundin. Es hört sich vielleicht ein bisschen komisch an. Aber ich bin es so gern, ich genieße es richtig. Ich versuche, ein ganz gewöhnliches Leben zu leben. Und das gibt mir auch die Kraft.

Wenn ich gerade einen Film hinter mir habe, sieht es allerdings anders aus. Dann freue ich mich darauf, zu Hause zu faulenzen. Ohne Kontakte und ohne Kommunikation, im engsten Kreis. Nach ein paar Tagen fühle ich mich dann wie neu geboren.

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