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Zinsverluste deutscher Sparer erreichen neuen Rekord

Finanz-Redakteur
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Die Inflation raubt dem Geld den Wert. In diesem Jahr waren es in mehreren Monaten mehr als zwei Prozent
Quelle: Getty Images/fStop
Nullzinsen sind seit langem Realität. Doch neuerdings kommt auch noch eine relativ hohe Inflationsrate hinzu. Das führt dazu, dass jeder Deutsche im ersten Halbjahr im Schnitt 205 Euro verloren hat. Besserung ist kaum absehbar.

Das Geld wird nicht weniger. Aber es schwindet dennoch. Diese Erfahrung machen die Europäer seit Jahren, seit die Europäische Zentralbank die Zinsen auf beziehungsweise unter Null gesenkt hat und das Geld auf Spar- und Tagesgeldkonten praktisch unverzinst liegt. Der Betrag darauf bleibt zwar erhalten, wird aber von der Inflation nach und nach verzehrt.

Neuerdings hat diese Wertvernichtung jedoch eine neue Dimension angenommen. Denn einerseits ist die durchschnittliche Verzinsung, die Tagesgeldsparer bekommen, zuletzt noch weiter gesunken, andererseits hat die Inflation deutlich zugelegt. Dadurch erreichen die realen Verluste den höchsten jemals gemessenen Wert. Noch schlimmer wird das Ganze dadurch, dass kein Ende der Durststrecke abzusehen ist und es nur wenige Auswege gibt.

Quelle: Infografik WELT

Gerade mal 0,02 Prozent beträgt der durchschnittliche Zinssatz für täglich fällige Einlagen nach Angaben der Bundesbank derzeit noch. Und das ist auch kein deutsches Phänomen, in der gesamten Euro-Zone gibt es nur hier und da unwesentlich mehr. In Griechenland ist es noch am meisten – mit 0,09 Prozent.

Natürlich gibt es gerade für private Sparer nach wie vor Lockangebote. Manche Bank bietet zur Neukundengewinnung, oft zeitlich begrenzt, höhere Zinsen. Doch auch hier gab es in der Kurve zuletzt einen Knick nach unten. Nach Angaben von Check24 liegt das beste Angebot in Deutschland derzeit nur noch bei 0,74 Prozent, im Mai waren es immerhin noch 0,95 Prozent, Anfang des Jahres gab es gelegentlich sogar noch 1,0 Prozent.

In Deutschland beträgt die Inflation über zwei Prozent

Und schließlich legte in den vergangenen Monaten auch die Inflation wieder zu. Im Mai betrug sie in Deutschland 2,2, im Juni 2,1 Prozent. Noch im Februar hatte sie nur bei 1,4 Prozent gelegen. Damals konnte, wer sich das beste Zinsangebot sicherte, die realen Verluste also noch auf 0,4 Prozent begrenzen. Inzwischen liegt der geringstmögliche Verlust jedoch bei 1,36 Prozent pro Jahr.

Was das nun in Euro und Cent bedeutet, hat die Comdirect zusammen mit Barkow Consulting ausgerechnet. Basierend auf der durchschnittlichen Inflationsrate und den durchschnittlichen Zinsen für Tagesgelder, Festgelder und Spareinlagen ergab sich dabei ein Betrag von 17 Milliarden Euro, den die Sparer aufgrund des negativen Realzinses im ersten Halbjahr dieses Jahres verloren haben.

Dieser Realzins – also Zins abzüglich Inflationsrate – ist so niedrig wie noch nie seit 2003, seit Comdirect diese Berechnungen anstellt. Der Verlust in den ersten sechs Monaten entspricht damit 205 Euro pro Bundesbürger, die allerdings natürlich unterschiedlich davon betroffen sind, je nachdem wie viel Geld sie auf der hohen Kante haben und wie sie es angelegt haben.

Allerdings haben die Niedrigzinsen die Deutschen bisher nicht zu einem Umdenken veranlasst. Das Volumen der Anlagen in Tagesgeld, Festgeld und Spareinlagen ist zuletzt gegenüber dem Vorjahr erneut um 4,1 Prozent gestiegen, obwohl damit Verluste sicher sind.

Comdirect rät Sparern auf Aktien zu setzen

Seit 2010 hat jeder Deutsche im Schnitt schon 1117 Euro durch diese Anlagen verloren. „Auch nach fast einem Jahrzehnt Niedrigzins sparen die Deutschen gegen die niedrigen Zinsen an. Damit verschenken sie einen Teil ihres Ersparten, anstatt es zu vermehren“, sagt Arno Walter, Vorstandsvorsitzender von Comdirect.

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Er appelliert daher an die Sparer umzudenken und verstärkt auf Wertpapiere zu setzen. Allerdings ist dieser Rat natürlich interessengeleitet – Comdirect verdient vor allem an Transaktionen an der Börse, nicht an Tagesgeldkonten. Und obwohl eine stärkere Ausrichtung der Anlagen auf Aktien den Deutschen generell anzuraten wäre, ist derzeit wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt für größere Verschiebungen in diese Anlageklasse.

Quelle: Infografik WELT

Denn fast alle Anlageexperten gehen davon aus, dass wir uns derzeit in der letzten Phase des Aufschwungs befinden. „Es gibt erste Anzeichen für einen Gipfel“, sagt beispielsweise Luca Paolini, Chefstratege des Schweizer Vermögensverwalters Pictet Asset Management. Das heißt zwar nicht, dass die Kurse nicht noch steigen können. Die Luft wird jedoch dünner, vor allem weil in den USA die Zinsen bereits steigen.

Dies führt dazu, dass die Attraktivität von Aktienanlagen relativ gesehen geringer wird. Für zehnjährige US-Staatsanleihen gibt es beispielsweise inzwischen schon wieder fast drei Prozent Zinsen pro Jahr – da halten viele ihr Geld lieber auf der sicheren Seite, statt in Aktien zu investieren. Und diese Zurückhaltung strahlt letztlich weltweit auf die Börsen aus, da die USA hier den Takt vorgibt.

In den USA steigen die Zinsen, in Europa dauert das noch

Gleichzeitig ist die Lage bei den Zinsen in Europa aber nach wie vor grundsätzlich anders. Die EZB hält den Leitzins weiter bei Null, Einlagen der Banken bei der Zentralbank werden sogar mit Strafzinsen belegt. Zehnjährige deutsche Staatsanleihen werfen folglich gerade mal 0,35 Prozent ab – etwas mehr als ein Zehntel dessen in den USA.

Und die Zinsexperten quer durch alle Banken rechnen nicht damit, dass die EZB in diesem Jahr noch an der Zinsschraube drehen wird. Allenfalls nächstes Jahr könnte ein erster kleiner Schritt folgen. Bis dies auf die Verzinsung auf Tagesgeldkonten durchschlägt, dürften jedoch noch mindestens zwei Jahre vergehen.

So lange bleibt Zinssparern nichts anderes übrig, als sich mit Nullzinsen zufrieden zu geben und die Verluste hinzunehmen. Oder aber sie versuchen es mit Zins-Hopping – das regelmäßige Verschieben der Anlagen zu jenen Banken, die jeweils die besten Konditionen bieten. Derzeit ist dies nach Angaben von Check24 die HSH Nordbank mit besagten 0,74 Prozent für bis zu 100.000 Euro, bei zweiwöchentlicher Kündbarkeit der Anlagen.

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