Es ist erst 20 Jahre her, dass der deutsche Archäologe Klaus Schmidt im Südosten der Türkei eine sensationelle Entdeckung machte. Auf dem Hochplateau des Göbekli Tepe kamen bis zu 20 Meter durchmessende Steinmauern und fünf Meter hohe Megalithe ans Licht. Das Verblüffende aber war vor allem ihre Datierung. Sie waren mehr als 10.000 Jahre alt.
Bereits am Beginn der neolithischen Revolution, des Übergangs zu Ackerbau und Sesshaftigkeit, hatten Menschen ihre gewachsenen Ressourcen dazu aufgewandt, bis zu 20 Tonnen schwere Steine zu einer monumentalen Anlage planvoll zusammenzufügen. Weitere Funde stützen die These, dass Göbekli Tepe ein Ort für Feste gewesen ist, für eine ritualisierte Nahrungsaufnahme, die der Festigung des Gemeinschaftsgefühls diente. Wahrscheinlich spielten schon damals Rauschmittel eine große Rolle. Der Ackerbau lieferte nicht nur die Grundstoffe für Brei und Brot im Hier und Jetzt, sondern auch für Bier, um mit unsichtbaren Mächten in Kontakt zu treten.
Dass Drogen zu den Motoren der zivilisatorischen Entwicklung gehörten, zeigt jetzt ein neuer Fund im Fruchtbaren Halbmond. So hat ein deutsch-israelisches Team um die Archäologen Wolfgang Zwickel, Raz Kletter und Irit Ziffer mehrere Tausend Kultgefäße aus der Eisenzeit untersucht, die seit Anfang der 2000er-Jahre in Yavne bei Tel Aviv ans Licht gekommen sind. Die Analyse ergab ein erstaunliches Bild: Die Tonwaren enthielten zahlreiche Reste von Bilsenkräutern (Hyoscyamus). Diese rufen bei Menschen Halluzinationen hervor.
Der Fund wird der Kultur der Philister zugerechnet, die womöglich zu den sogenannten Seevölkern gehörten, die Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. in der Levante auftauchten. Im 1. Jahrtausend v. Chr. besiedelten die Philister weite Teile Palästinas. Im Alten Testament werden sie als übermächtige Gegner der Hebräer vorgestellt. Erst Davids Sieg über den Riesen Goliath soll die Juden vor der Gefahr gerettet haben. Wie archäologische Funde zeigen, lebten beide Gruppen gleichwohl weiterhin als Nachbarn nebeneinander.
„Wir haben einen Fund, der völlig einmalig ist“, sagt Wolfgang Zwickel, Professor für Biblische Archäologie an der Universität Mainz. Vergleichbare Belege für einen derartigen Drogenkonsum gebe es aus der gesamten Region bislang nicht. In Israel plant die Hebräische Universität eine Ausstellung zu den Forschungsergebnissen unter dem Titel „Sex, Drugs and Rock 'n' Roll“. Ein ausführlicher Grabungsbericht sei im Druck.
Ob die Drogen für Bestattungsrituale benötigt wurden oder die Teilnehmer religiöser Feierlichkeiten in Trance versetzen sollten, sei bislang unklar, sagt Zwickel. Wie wichtig die Rauschmittel aber für die Philister waren, zeigt der Aufwand ihrer Beschaffung. Sie wurden über den Fernhandel aus Afrika bezogen, denn in Palästina und im südlichen Syrien kommen die Bilsenkräuter nicht vor.
Die Bedeutung ritualisierter Festmähler für die frühen Hochkulturen belegt auch ein Fund, den deutsche Archäologen vor einigen Jahren in der Oasenstadt Qatna in Syrien machten. Dort wurde unter den Ruinen des Palastes eine Gruft entdeckt, in der die lebenden Angehörigen der Elite sich mit den Verstorbenen zu gemeinsamen Mahlzeiten trafen.
Der häufige Konsum von Drogen bei den Philistern könnte dem Kampf zwischen David und Goliath eine interessante Wendung geben. Möglicherweise war der Verstand des Philisters so sehr umnebelt, dass er die Taktik seines Gegners nicht verstand. Aber das ist natürlich reine Spekulation, noch.