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  4. Asta Nielsen: Ihr „Bubikopf“ schockte die Weimarer Republik

Kopf des Tages Asta Nielsen

„Frisur für verlauste Russinnen, nicht aber für eine Dame“

Eine Frau, die durch ihren Haarschnitt wirkt wie ein Mann: Damit schockte Asta Nielsen in dem Film „Hamlet: Ein Rachedrama“ im Februar 1921 nicht nur deutsche Männer. Den Siegeszug des Bubikopfes konnte das nicht aufhalten.
Schauspielerin Asta Nielsen, Ross Verlag 1140 4 Schauspielerin Asta Nielsen, Ross Verlag 1140 4
9. Februar 1921: Die dänische Schauspielerin Asta Nielsen (1881–1972) tritt im Film "Hamlet: Ein Rachedrama" mit kurzen Haaren auf
Quelle: picture alliance / arkivi
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Nach der Premiere im Februar 1921 beschäftigte die Filmkritiker vor allem eine Frage: „Hamlet – ein Weib?“ Die Tatsache, dass eine Frau Shakespeares Dänenprinzen mimte, war nicht neu, doch diese Adaption sollte Hamlet tatsächlich als verkleidete Prinzessin zeigen. Die dänische Schauspielerin Asta Nielsen tat das dann auch, auf großer Leinwand, vor großem Publikum, 131 Minuten lang – und zwar „so jünglingshaft, daß man darüber vergaß, daß er eigentlich ein Mädchen sein soll“, wie „Der Kinematograph“ anerkennend vermeldete.

2-F81-R40-1919-B (120723) 'Rausch' Film: 'Rausch' (Deutschland 1919; Regie: Ernst Lu- bitsch; Buch nach Strindberg; Darst.: Asta Nielsen u.a.). - Plakat der Aufführung Berlin, U.T. Kurfürstendamm, 1919. - Entwurf: R.L.Leonard.
Asta NIelsen, eine dominante Erscheinung – mit ihrem Namen ließ sich auf Filmplakaten werben
Quelle: picture alliance / akg-images

Über das Datum der Uraufführung im Berliner Mozartsaal existieren unterschiedliche Angaben. Doch ob der Stummfilm „Hamlet: Ein Rachedrama“ nun am 4. oder am 9. Februar 1921 erstmalig in die Lichtspielhäuser der Hauptstadt kam, entscheidend war: Die Titelheldin spielte nicht nur eine eigentlich männliche Rolle, sie wagte es tatsächlich, dabei auch noch kurze Haare zu tragen.

Asta Nielsens Frisur, bis knapp über die Ohren reichend, avancierte zum modischen Trend der 1920er Jahre – und zum feministischen Statement. Dabei hatte der Bubikopf seinen Siegeszug in Deutschland vergleichsweise spät angetreten. Die US-amerikanische Tänzerin Irene Castle war bereits 1915 mit der revolutionären Frisur über die Bühnen Europas gefegt.

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Auch Gabrielle Chanel, besser bekannt als Coco, hatte den „Coupe à la Garçonne“ schon in Paris zur Schau getragen. In ihrer Boutique „Chanel Modes“ präsentierte die französische Designerin seit 1913 außerdem schlichte Kleider aus Baumwolljersey und ohne Korsett. Funktionalität war das Stichwort, aber bitte modisch, modern.

Das kam auch bei der weiblichen Bevölkerung der jungen deutschen Republik gut an. Die „Neue Frau“ der 1920er-Jahre war berufstätig, frei und selbstbestimmt, fuhr Auto, rauchte – und trug seit Asta Nielsen ihre Haare kurz. Vorbei die Zeiten, in denen man Stunden mit aufwendigem Frisieren vergeudet hatte: Unter dem Motto „Schneid dir ab den alten Zopf, schneid dir einen Bubikopf“ strömten die Massen in die Salons.

Asta Nielsen / Foto, 1930 Nielsen, Asta daen. Schauspielerin, Kopenhagen 11.9.1881 - ebd. 24.5.1972. - Asta Nielsen in einer Filmszene. - Foto, um 1930.
Ein Look, der Geschlechtergrenzen verwischt: Filmszene mit Asta Nielsen 1930
Quelle: picture-alliance / akg-images

Dabei war die Zunft dem Trend anfangs gar nicht zugeneigt: Der Bubikopf sei eine „Frisur für verlauste Russinnen, nicht aber für eine Dame“, gar ein „Unglück für unseren Beruf“, hatte die „Deutsche Allgemeine Friseur-Zeitung“ konstatiert – freilich vor dem wirtschaftlichen Boom.

Die Gründe, warum sich Frauen für den Schnitt entschieden, waren durchaus vielfältig, wie die Autorin Helga Lüdtke in ihrem Buch „Der Bubikopf. Männlicher Blick, weiblicher Eigen-Sinn“ schreibt: bloße Praktikabilität, die Freude am modischen Zeitgeist – oder eine bewusste emanzipatorische Demonstration. In einer Welt, die bis dahin stets von Männern, von Uniformen und preußischem Stechschritt dominiert worden war, forderten diese Frauen zunehmend ihren Platz im öffentlichen Raum ein. Die nackten Zahlen unterstützten ihren Anspruch: 36 Prozent der deutschen Erwerbstätigen Mitte der 1920er Jahre waren weiblich. Diese Frauen bauten auf, was Männer im Ersten Weltkrieg zerstört hatten.

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Die Verwischung der Geschlechtergrenzen und damit die Herausforderung sozialer Normvorstellungen artete in einen regelrechten Kulturkampf aus – mittendrin: der Bubikopf. Die liberale „Vossische Zeitung“ monierte: „Die Annäherung des weiblichen und männlichen Typs ist eine Dekadenzerscheinung.“ Das kurze Haar sei bequem, die Frauen machten es sich „überhaupt bequem.“ Andere waren da pointierter: „Nun aber genug!“ forderte die „Berliner Illustrirte Zeitung“ angesichts der „Vermännlichung der Frau“. Die evangelische Kirche ging so weit, den Schnitt als „undeutsch“ zu bezeichnen.

Im „Dritten Reich“ sollten dann vermeintlich „deutsche“ Frisuren zurück auf die Köpfe kommen: „Arisch ist der Zopf, jüdisch ist der Bubikopf“, lautete die Devise – skandiert in völkisch-antisemitischen Kreisen. Die Nazis drängten die Frau zurück in traditionelle Rollenbilder, zurück an den Herd, zurück in die Fremdbestimmtheit einer Ehefrau und Mutter.

ASTA NIELSEN Danish actress of stage and screen wearing a cloche hat with an enormous feather Date: 1883 - (Mary Evans Picture Library) || Nur für redaktionelle Verwendung
Es ging auch mit Hut und gewickelten Zöpfen – Asta Nielsen in einer zeitgenössischen Pose
Quelle: picture-alliance / Mary Evans Pi
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Asta Nielsen, der Star des deutschen Stummfilms, zog sich Mitte der 1930er Jahre aus der Öffentlichkeit zurück. Angebote des NS-Regimes für eine Filmproduktion in Deutschland hat sie stets abgelehnt. Ihre berühmt gewordene Kurzhaarfrisur jedoch blieb, trotz der Nazis – bis heute. Noch im Dezember 2021 erklärte ein Artikel der Zeitschrift „Brigitte“: „Warum der Bubikopf immer geht.“

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Dieser Artikel wurde erstmals im Februar 2022 veröffentlicht.

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