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Gesundheit Fettleibige

Magen-OP für Übergewichtige birgt auch Risiken

Magenbypass kann auch Zuckerkranken helfen Magenbypass kann auch Zuckerkranken helfen
Der Magen von Fettleibigen ist eigentlich nicht krank. Also ist eine Adipositas-OP einen Eingriff am gesunden Organ. Deshalb urteilte das Bundessozialgericht, dass Krankenkassen ei...ne Operation nur als letzte Möglichkeit zur Gewichtsabnahme bezahlen müssen
Quelle: dpa
Mit einer Magenoperation können fettleibige Menschen schnell Gewicht verlieren oder einen Diabetes Typ-2 in den Griff bekommen. Doch viele Patienten setzen übertriebene Hoffnungen in die Operation.

Eine Operation und einige Tage im Krankenhaus – schon ist man viele Sorgen los. Das hoffen zumindest viele fettleibige Menschen. Wegen extremen Übergewichts und Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 entschließen sie sich zu einer Magenoperation.

Tatsächlich kann der chirurgische Eingriff die Lebensqualität verbessern. Schon ein Jahr nach der Operation schwinden einer norwegischen Studie zufolge viele Adipositas-Symptome, etwa Rücken- und Gelenkschmerzen oder starkes Schwitzen. Viele Betroffene fühlen sich nicht nur körperlich, sondern auch mental und emotional besser.

„Allerdings gibt es einige Patienten, bei denen das anders ist“, mahnt der Endokrinologe Jens Aberle vom Adipositas-Zentrum des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Das zeigt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie von Forschern um die Psychologin Alexis Conason vom Obesity Nutrition Research Center in New York.

Manche Operierte greifen stärker zu Drogen

Einige der 155 Teilnehmer griffen nach einer Magenverkleinerung vermehrt zu Alkohol, Zigaretten und anderen Drogen, schreiben die Autoren im „Journal of the American Medical Association“ („JAMA“). Andere Studien deuten sogar auf eine leicht erhöhte Suizidgefahr nach einer Magenoperation hin.

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Dass manche Patienten anfälliger für Suchtmittel werden, wundert Aberle nicht. „Essen ist ja auch so eine Art Sucht“, erläutert er. Die neuronalen Vorgänge im Gehirn ähneln demnach der Alkoholabhängigkeit. Nach einer Operation könnten Patienten aber nur noch wenig Nahrung zu sich nehmen. Stress abbauen durch Essen funktioniere dann nicht mehr.

Adipositas ist in Deutschland kein Randproblem. Einer Erhebung des Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge sind zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig, knapp ein Viertel der Erwachsenen ist demnach adipös.

Operation ab BMI 40 empfohlen

Als übergewichtig gelten Menschen ab einem Körper-Masse-Index (BMI) von 25, als fettleibig ab dem BMI 30. Eine Operation wird in der Regel ab einem BMI von 40 empfohlen. Diese Grenze wäre bei einem 1,80 Meter großen Mann mit 130 Kilo erreicht, bei einer Frau von 1,70 Meter mit rund 116 Kilo.

Seit einigen Jahren legen sich immer mehr Fettleibige in Deutschland unters Messer. Die größte Krankenkasse AOK rechnete 2007 noch rund 1000 Adipositas-Operationen ab. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 2700. Rund 30 Millionen Euro hat allein diese Kasse 2012 dafür bezahlt.

„Das ist ein gigantischer Markt“, sagt Aberle. „Da gibt es natürlich Kliniken, die vor allem den wirtschaftlichen Benefit im Auge haben.“ Gerade bei solchen Anbietern komme die psychologische Betreuung oft zu kurz. Patienten sollen deshalb vor der Auswahl eines Krankenhauses auf das Zertifikat der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Adipositastherapie und metabolische Chirurgie (CAADIP) achten, rät der Mediziner.

Letzte Möglichkeit zum Abnehmen

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Da der Magen von Fettleibigen eigentlich nicht krank ist, stellt eine Adipositas-OP einen Eingriff am gesunden Organ dar. Deshalb urteilte das Bundessozialgericht 2003, dass die Krankenkassen eine Operation nur als letzte Möglichkeit zur Gewichtsabnahme bezahlen müssen. Erst wenn Bewegungs-, Ernährungs- und Verhaltenstherapien versagt haben, sollen Chirurgen zum Skalpell greifen, mahnt auch die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) in ihren Leitlinien. Die sogennannten bariatrischen Operationen sind ein zentrales Thema bei der DAG-Jahrestagung Anfang Oktober in Hannover.

Magenbypass, Magenband und Schlauchmagen

Die Adipositas-Chirurgie ist kein harmloser Eingriff. Dabei wird in der Regel das Volumen des Magens verkleinert oder das Essen am Magen vorbeigeleitet. Am häufigsten legen Chirurgen in Deutschland einen sogenannten Magenbypass. Dabei nähen sie den Dünndarm unterhalb der Speiseröhre an, so dass die Nahrung Magen und Zwölffingerdarm umgeht. Die Verdauung setzt daher erst später ein und nicht alle Bestandteile der Nahrung können aufgenommen werden. Die Operation ist für Patienten geeignet, bei denen kein Fremdmaterial (wie das Magenband) eingesetzt werden kann. Für Hochrisikopatienten kommt die OP jedoch nicht in Frage. Nach der Behandlung muss der Patient regelmäßig zur Nachkantrolle und dauerhaft Vitamin B12-Präparate einnehmen.

Bei der Schlauchmagen-Operation entfernt der Chirurg einen großen Teil des Magens. Die Verdauungsfunktion bleibt erhalten. Allerdings ist das Organvolumen stark verkleinert, sodass rasch eine Sättigung eintritt. Auch diese Operationsform eignet sich für Patienten, bei denen keine Behandlung mit Fremdmaterial erfolgen kann.  Nicht ganz so drastisch sind Magenbänder. Dabei bindet der Arzt mit einer Silikonschlinge den oberen Teil des Magens ab, bis nur noch eine schmale Öffnung zum restlichen Magen bleibt. So entsteht ein relativ kleiner Vormagen, der sich schnell füllt. Die normale Verdauungstätigkeit bleibt bei dieser Methode erhalten. Das Magenband lässt sich von außen verstellen und an die Gewichtssituation des Patienten anpassen. Die Operation wird mittels Schlüssellochtechnik durchgeführt und erfordert nur wenige kleine Schnitte. Der Patient kann die Klinik in der Regel nach kurzer Zeit wieder verlassen.

Eine weitere schonende Methode ist der Magenballon. Dem Patienten wird in einer ambulanten Behandlung der ungefüllte Magenballon oral eingeführt. Ist der Ballon im Magen platziert wird er mit Kochsalzlösung gefüllt. Dadurch verringert sich das Aufnahmevolumen des Magens und der Patient nimmt weniger Nahrung zu sich. Nach ungefähr sechs Monaten entfernt der Arzt den Ballon wieder oder tauscht ihn aus. Diese Behandlung wird zumeist bei Patienten mit einem BMI zwischen 25 und 40 angewendet. Aber auch Übergewichtige, deren BMI zu hoch für eine Operation ist können mit dem Magenballon vorbereitend ihr Gewicht reduzieren.

Wenig essen, gut kauen

Egal ob Magenbypass, Schlauchmagen oder Magenband – nach einer Adipositas-OP können Patienten nur geringe Mengen essen und müssen sehr gut kauen. Essen sie zu schnell oder zu viel, drohen Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Und fast alle Patienten müssen ihre Ernährung für den Rest ihres Lebens mit Zusatzstoffen wie etwa Vitaminen ergänzen.

Die Operation selbst ist nicht ungefährlich: Schon die Narkose ist bei beleibten Menschen riskanter als bei Normalgewichtigen. Und weil Fettleibige oft Begleiterkrankungen wie etwa Herz- oder Kreislaufproblemen mitbringen, steigt das Risiko für Infektionen, Blutungen und andere Probleme.

Demgegenüber stehen die Vorteile. Klinisch gesehen sei etwa der Magenbypass sehr effektiv, räumen auch Conason und ihre Kollegen ein. Nach dem Eingriff verändere sich jedoch das Leben drastisch. „Darauf sind manche Patienten nicht ausreichend vorbereitet“, schreiben sie.

Projekt zur Nachsorge

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Diese Erfahrung teilt Martin Teufel von der psychosomatischen Ambulanz der Uniklinik Tübingen. In Zusammenarbeit mit der Uniklinik Heidelberg hat er kürzlich ein dreijähriges Projekt zur Nachsorge von Betroffenen abgeschlossen. Die Mediziner bildeten zwei Gruppen von operierten Adipositas-Patienten. Ein Teil unterzog sich nach dem Eingriff ein Jahr lang den üblichen chirurgischen Visiten. Die zweite Gruppe durchlief zusätzlich eine sogenannte Psychoedukation. Diese Patienten trafen sich regelmäßig und sprachen über ihr neues Leben. Immer dabei: ein Arzt, Psychologe oder Ernährungswissenschaftler.

Viele Erfahrungen seien sehr positiv gewesen, erzählt die Psychologin Katharina Hünnemeyer, die an dem Projekt beteiligt war. Die Patienten hätten große Freude daran, dass alltägliche Dinge nach der Operation wieder möglich seien. „Zum Beispiel, dass man nach der Arbeit eine Runde durch die Stadt bummelt“, sagt Hünnemeyer. Einige Teilnehmer hätten so etwas sei Jahren nicht mehr gemacht – aus Angst, den Spaziergang körperlich nicht durchzuhalten.

Andere Patienten waren enttäuscht, weil es bei ihnen nicht so gut lief, berichtet Teufel. „Da muss man gucken, dass die Frustration nicht so hoch ist, dass sie die ganze Motivation wieder verlieren.“ Gerade nach einer Adipositas-Operation bräuchten Patienten Ansporn, sagt er. Das Leben verändert sich massiv, die Betroffenen vertragen unter Umständen nicht mehr alle Lebensmittel, können nicht mehr gleichzeitig trinken und essen, und sie müssen mehrere kleine Mahlzeiten auf den Tag verteilen. Außerdem sollen sie nur so viel essen, bis sie satt sind. Sonst könnte sich etwa ein Schlauchmagen mit der Zeit wieder ausdehnen.

Arbeit an der inneren Einstellung

Auch an der inneren Einstellung müssten Patienten arbeiten, sagt Teufel. Manche seien nach einem halben Jahr frustriert, weil sie nicht mehr so schnell abnehmen. Andere hätten von vorneherein zu hohe Hoffnungen an die OP gehabt. Und nicht einmal das optische Resultat entspricht immer den Erwartungen: Häufig kann die Haut mit dem schnellen Gewichtsverlust nicht mithalten und hängt lappenartig schlaff am Körper.

Solche Probleme stellten viele Patienten vor Herausforderungen, weiß Teufel. Zudem hätten manchmal Verwandte und Bekannte vermehrt Forderungen und kein Verständnis mehr, wenn der nun weniger beleibte Mensch untätig auf dem Sofa herumliege. Nicht jeder Betroffene könne mit den neuen Ansprüchen sofort umgehen.

Auf all diese Probleme müssen die Menschen gut vorbereitet werden. „Man muss dem Patienten vermitteln: Es ist nicht ein Schnitt und die Welt wird gut“, erklärt Teufel. Deshalb redet in Tübingen – wie auch an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf – jeder Patient schon vor der Operation mit einem Psychologen oder Psychosomatiker.

Und nach dem Eingriff könne die Psychoedukation helfen, sagt Teufel, der die Daten des Projekts gerade auswertet. Vieles deute darauf hin, dass die Nachbetreuung Stimmung und Lebensqualität positiv beeinflusse.

Der Magen von Fettleibigen ist eigentlich nicht krank. Also ist eine Adipositas-OP einen Eingriff am gesunden Organ. Deshalb urteilte das Bundessozialgericht, dass Krankenkassen eine Operation nur als letzte Möglichkeit zur Gewichtsabnahme bezahlen müssen
Der Magen von Fettleibigen ist eigentlich nicht krank. Also ist eine Adipositas-OP einen Eingriff am gesunden Organ. Deshalb urteilte das Bundessozialgericht, dass Krankenkassen ei...ne Operation nur als letzte Möglichkeit zur Gewichtsabnahme bezahlen müssen
Quelle: dpa
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