Dass Menschen bei Vollmond zu blutrünstigen Werwölfen mutieren, ist eine Legende. Trotzdem glauben viele, der Mond und seine Wanderung um die Erde beeinflusse ihren Schlaf. Nicht umsonst nennt man Schlafwandler auch „mondsüchtig“. Forscher aus Kanada wollten wissen, ob etwas dran ist an den Mythen über den Mond als Taktgeber des Schlafs.
Jean-Philippe Chaput und sein Team vom Eastern Ontario Research Institute untersuchten den Zusammenhang zwischen Schlafdauer und Mondphasen bei fast 6000 Kindern aus fünf Kontinenten. „Kinder sind besonders empfindlich für Veränderungen und brauchen außerdem mehr Schlaf“, sagt Chaput.
Das Forscherteam griff für die Studie auf den Datensatz einer großen Kinderstudie (International Study of Childhood Obesity, Lifestyle and the Environment) zurück. An der Untersuchung hatten Neun- bis Elfjährige aus Australien, Brasilien, Kanada, China, Kolumbien, Finnland, Indien, Kenia, Portugal, Südafrika, Großbritannien und den USA teilgenommen.
Sie stammten aus Familien mit unterschiedlichem Einkommen, auch der Bildungsstand der Eltern unterschied sich, ebenso wie der Body-Mass-Index der Kinder selbst. Für die Studie wurden die Kinder mit einem Gürtel ausgestattet, der mindestens sieben Tage in Folge 24 Stunden lang ihre Bewegungen aufzeichnete – also auch, wie lange die Kinder nachts schliefen. Insgesamt 33.710 Schlafdatensätze werteten Chaput und sein Team aus.
Ein statistischer Zufall
Für jede einzelne 24-Stunden-Aufzeichnung rechneten die Forscher den zeitlichen Abstand zum letzten und folgenden Vollmond aus. Dann teilten sie die Datensätze in drei Mondphasen: Aufzeichnungen, die zwischen vier Tagen vor und vier Tagen nach Vollmond entstanden waren, solche, die fünf bis neun Tage Abstand zum nächsten Vollmond hatten, und diejenigen, deren Abstand zu Vollmond zehn bis 14 Tage betrug.
Dann überprüften die Forscher, wie lange die Kinder in den jeweiligen Mondphasen schliefen. Sie fanden nur einen Unterschied: Um Vollmond herum schliefen die Kinder im Schnitt fünf Minuten weniger. Das entspricht einer um ein Prozent verringerten Schlafdauer.
Die Forscher glauben nicht, dass dieser Unterschied irgendetwas mit dem Mond zu tun hat. Der Grund liege vielmehr in der Größe der untersuchten Gruppe, schreibt das Team im Journal „Frontiers in Pediatrics“. Je größer eine Versuchsgruppe ist, desto eher erhält man statistisch vermeintlich relevante Ergebnisse, die in Wirklichkeit zufällig entstanden sind.
Um den Mond müsse man sich also keine Sorgen machen, resümieren die Forscher. „Unser Verhalten wird viel eher von unseren Genen, von Bildung, Einkommen oder psychosozialen Aspekten beeinflusst.“
Der Mond als vermeintlicher Taktgeber
Chaputs Studie ist nicht die erste, die dem Mythos des schlafraubenden Mondes nachgeht. Zwei kleine Untersuchungen mit 33 beziehungsweise 45 Probanden im Schlaflabor hatten ergeben, dass Erwachsene um Vollmond herum 20 Minuten weniger schliefen. Ein größere Studie aus der Schweiz zeigte vergangenes Jahr hingegen keinen Einfluss. Und in einer Studie aus Dänemark schliefen 795 Kinder bei Vollmond im Schnitt drei Minuten länger.
Dass der Mond den Schlaf der Menschen beeinflusst, scheint also eher dem Reich der Mythen zu entstammen. Genauso übrigens wie der angebliche Zusammenhang zwischen dem Mondzyklus und dem Fruchtbarkeitszyklus der Frau. Der Mond wandert in 29,5 Tagen einmal um die Erde herum. Der Fruchtbarkeitszyklus einer Frau dauert im Mittel 28 Tage, also etwa genauso lang.
Allerdings unterscheidet sich die Zykluslänge von Frau zu Frau erheblich, sie kann zwischen 20 und mehr als 35 Tagen variieren. Bei anderen Säugetieren ist der Zyklus deutlich kürzer: Ein Zyklus dauert bei einer Maus nur rund fünf Tage, bei einem Schaf 16.
Der Mond also auch hier nicht wirklich der Taktgeber.