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Bahnbrechende Erkenntnisse zur Arteriosklerose

Stadien der Arteriosklerose - die Erkrankung ist vor allem in Industrieländern verbreitet. Stadien der Arteriosklerose - die Erkrankung ist vor allem in Industrieländern verbreitet.
Stadien der Arteriosklerose - die Erkrankung ist vor allem in Industrieländern verbreitet.
Quelle: pa
Keine Krankheit fordert so viele Opfer in Deutschland wie Arterienverkalkung: Als Auslöser für Herzinfarkt und Schlaganfall ist sie für die Hälfte der Todesfälle in der westlichen Welt verantwortlich. Forscher haben nun fundamental neue Entdeckungen gemacht: Arteriosklerose ist eine Autoimmunerkrankung.

Mediziner prognostizieren, dass Arteriosklerose 2020 weltweit die Todesursache Nummer eins sein wird. Gegenwärtig sind rund acht Millionen Bundesbürger von der heimtückischen und ab einem bestimmten Krankheitsstadium bislang unheilbaren Arterienverkalkung betroffen.


An kaum einer Krankheit wird seit Jahrzehnten so intensiv geforscht wie an Arteriosklerose. Vor allem zur Frage, was die Krankheit verursacht, gibt es verschiedene Theorien. Forscher aus Jena, den USA und den Niederlanden haben jetzt neue Erkenntnisse gewonnen, die die Therapie der Arteriosklerose in eine andere Richtung lenken wird. Nach ihrer Ansicht ist die Arteriosklerose eine Autoimmunerkrankung.


„Die Zerstörung der Arterienwand kommt dadurch zustande, dass sich das Immunsystem des Patienten gegen diese Arterienwand richtet“, sagt Professor Andreas Habenicht, Leiter des Instituts für Vaskuläre Medizin am Universitätsklinikum Jena.

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„Das Entscheidende ist, dass autoaggressive Zellen die Arterienwand attackieren und zerstören“. Diese Zellen sind überall an der Arterienwand zu finden, sowohl an der Innenseite, wo die Gefäßverengungen entstehen, als auch an der Außenseite, wo sie gebildet werden.


„Bisher ging man davon aus, dass vor allem die Ablagerungen, die so genannten Plaques, und Entzündungsreaktionen in der Gefäßinnenwand für die lebensbedrohlichen Veränderungen der Arterien verantwortlich sind“, sagt Habenicht. „Wir glauben aber, dass diese Vorstellung zu einfach ist“. Die Forscher haben einen direkten Zusammenhang gefunden zwischen der Bildung von Plaques an der Gefäßinnenseite und der Aktivierung des Immunsystems an der Außenseite großer Arterien.


Ein wichtiger Beweis ihrer Theorie sind spezielle Lymphorgane, sogenannte ATLOs, die charakteristisch für viele Autoimmunerkrankungen sind, in unmittelbarer Nähe chronischer Entzündungsherde entstehen und vor Ort die spezifische Immunantwort organisieren. Diese ATLOs wurden in der Außenwand von Aorta und Herzgefäßen in alten, an Arteriosklerose erkrankten Mäusen sichtbar gemacht. Sie treten immer nur dort in der Arterienaußenwand auf, wo sich an der Gefäßinnenseite lebensbedrohliche Plaques angelagert haben.


Von der Autoimmunerkrankung merkt der Patient nichts. Die langsam fortschreitende Verengung und Verhärtung der betroffenen Gefäße bleibt über Jahre ohne Beschwerden. Die Arteriosklerose macht erst durch schwere Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Herzenge, Schlaganfall oder Durchblutungsstörungen der Beine auf sich aufmerksam. Als Risikofaktoren gelten Rauchen, hohe Blutfettwerte, Bluthochdruck, Stoffwechselkrankheiten und eine familiäre Disposition. Übergewicht, Stress und Bewegungsmangel gehören ebenfalls dazu.

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Altersabhängige Veränderungen


Der wichtigste - aber bisher am wenigsten verstandene - Risikofaktor ist das Alter. „Wir haben die Autoimmunreaktion nicht bei jungen, sondern nur bei alten Mäusen gefunden“, sagt der Jenaer Professor. Es ist bekannt, dass Arteriosklerose eine klassische Alterserkrankung ist. Am häufigsten sind Männer zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr betroffen. Bei den Frauen ist es fünf bis acht Jahre später. Die Forscher vermuten altersabhängige Veränderungen im Immunsystem.


Wenn diese molekularen Mechanismen besser verstanden werden, können auch andere altersabhängige Krankheiten wie Altersdemenz und Alzheimer erfolgreich therapiert werden. Bei ihnen werden seit mehreren Jahren immer auch kardiovaskuläre Ursachen angenommen. Britische Forscher haben auch bei chronischen Infektionskrankheiten in der Lunge genau die gleichen Veränderungen gefunden wie die Jenaer Forscher am Herzen.


Die neuen Erkenntnisse zur Ursache der Arteriosklerose bringt auch die Therapie „einen großen Schritt weiter“, ist Habenicht überzeugt. Nach den herkömmlichen Auffassungen ging es vor allem darum, den Diabetes einzustellen sowie die Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, zu hoher Cholesterinspiegel zu minimieren. „Jetzt eröffnet sich eine neue Welt der Therapie, indem man versucht, diese Autoimmunerkrankung zu blockieren“, sagt der Experte. Immuntherapien für kardiovaskuläre Erkrankungen gibt es bislang nicht. In Zukunft könnten beispielsweise Medikamente gegen rheumatische Arthritis zum Einsatz kommen.


Bis sich die neuen Erkenntnisse der Forscher in der medizinischen Praxis niederschlägt, werden voraussichtlich noch Jahre vergehen. Weltweit werden Arbeitsgruppen intensiv an der Umsetzung der Forschungsergebnisse arbeiten, sagt der Forscher und betont: „Wir müssen uns aber eingestehen, dass die Menschen, die heute die Erkrankung haben, durch die neuen Erkenntnisse nicht mehr gerettet werden können.“

AP/OC

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