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Psychologie Neurologie

Zu viel Glück kann müde und schlapp machen

Menschen, die Liegestütze machen, in die Kniebeuge gehen oder eine kleine Rundhantel schwingen: Das sieht man immer öfter in Fitnessstudios. Fachleute sprechen von Functional Training Menschen, die Liegestütze machen, in die Kniebeuge gehen oder eine kleine Rundhantel schwingen: Das sieht man immer öfter in Fitnessstudios. Fachleute sprechen von Functional Training
Auf sportliche Aktivität reagiert der menschliche Körper mit einem Mehr am "Glückshormon" Serotonin. Wird das im Übermaß produziert, kann es aber auch gegenteilige Folgen haben
Quelle: pa
Sport macht glücklich. Mehr Sport macht noch glücklicher. Aber ab einem bestimmten Punkt, haben Forscher mit Hilfe von Schildkröten herausgefunden, kann das nach hinten losgehen.

Sportliche Aktivitäten strengen an, das ist eine Binsenweisheit. Nach der körperlichen Ertüchtigung fällt es schwer, seine Muskeln anzuspannen. Der Grund ist physiologischer wie neuronaler Natur: Zum einen fehlt es den Muskeln an Glykogen – der Vielfachzucker ist eine der Hauptenergieressourcen des Körpers. Zum anderen verlieren die Nervenverbindungen mit den Muskeln an Effizienz.

Verantwortlich für diese Minderleistung ist die sogenannte „central fatigue“, eine Reduktion der nervenbasierten motorischen Steuerung (Motoneuronen). Der Effekt wurde schon vor 80 Jahren festgestellt, der exakte molekulare Mechanismus ist aber unklar. Nach den jüngsten Erkenntnissen eines internationalen Forschungsteams erwächst die Müdigkeit aus einem überschießenden Glückshormon. Bislang glaubte man, dass die Erschöpfung mit dem Freiwerden chemischer Botenstoffe wie Zytokin zusammenhängt.

Die Motoneuronen sind der Schlüssel zum Verständnis. Ihre Zellkörper befinden sich im Hirnstamm und im Vorderhorn, der grauen Substanz des Rückenmarks. „Sie stellen die Verbindung zwischen zentralem Nervensystem und Muskeln dar“, erklärt Professor Jean-François Perrier, Neurowissenschaftler an der Universität Kopenhagen, der die Studie leitete. „Wenn man seinen Körper in Bewegung setzt, aktiviert das Gehirn die Motoneuronen, die dann die Muskeln kontrahieren.“ Bei diesem Vorgang wird Serotonin in den Synapsen ausgeschüttet. Der Neurotransmitter wirkt wie ein Stimmungsaufheller. Deshalb fühlen wir uns nach sportlicher Aktivität oft glücklich.

Nervenimpulse sorgen für Muskelkontraktion

Je mehr sportliche Leistung man bringt, desto mehr Glückshormone werden ausgeschüttet – bis es zu einem „Serotonin-Spillover“ kommt, wie die Forscher sagen. „Der Neurotransmitter diffundiert außerhalb der Synapsen und erreicht eine bestimmte Region der Motoneuronen, das Anfangssegment des Axons.“ Axone sind die röhrenförmigen, faserigen Nervenzellfortsätze, die für die Weiterleitung elektrischer Signale zuständig sind. „Diese Region ist sehr wichtig, weil dort die Nervenimpulse erzeugt werden, welche wiederum die Muskelkontraktion auslösen“, erklärt Professor Perrier.

Vor diesem Hintergrund wollten die Forscher herausfinden, wie physikalische Anstrengungen auf Neuronen einwirken. Dazu entnahmen sie eine 0,3 Millimeter dünne Schicht aus dem Rückenmark einer Schildkröte und stimulierten die darin enthaltenen Motoneuronen mit elektrischen Impulsen. Der Hintergrund: Die Knochenmarkzellen der Schildkröte vertragen den durch die Unterbrechung der Blutzufuhr herrührenden Sauerstoffmangel besser als menschliche Zellen.

Parallel dazu maßen die Wissenschaftler die Serotonin-Konzentration und die Entladefrequenz der Motoneuronen. Das Ergebnis: Die Serotonin-Konzentration nahm mit der Zeit zu, wohingegen die Entladefrequenz der Neuronen abnahm.

Müde von Antidepressiva

Die Forscher schlossen daraus, dass die Aktivierung der Serotonin-Rezeptoren – dort docken die Neurotransmitter nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an – den Natrium-Kanal versperrten. Dieser reguliert normalerweise den Ionen-Verkehr, der für das Funktionieren des neuronalen Kreislaufs verantwortlich ist. Durch die Blockade wurde das Aussenden elektrischer Signale erschwert. „Wenn Serotonin das Anfangssegment der Axone bindet, verhindert es die Entstehung der Nervenimpulse und schwächt so die Muskelkontraktion“, resümiert Perrier.

Die Studie könnte schließlich erklären, warum die Einnahme von Antidepressiva zu Müdigkeitserscheinungen führt. Depressionen werden in der Pharmakologie auf einen Mangel an Serotonin zurückgeführt. Die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) – eine Klasse der am meisten verschriebenen Antidepressiva – erhöhen die Konzentration der Glückshormone im Gehirn, jedoch mit erheblichen Nebenwirkungen. „Patienten, die diese Medikamente einnehmen, sind erschöpfter und weniger aktiv in ihrem Bewegungsablauf“, so Perrier. „Unsere Ergebnisse erhellen das Problem: Dadurch, dass die SSRI die Motoneuronen hemmen, kommt es zur Entkräftung.“

Zu viel Glück kann also müde machen.

dpa

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