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Was das Essverhalten über den Charakter verrät

Das Essverhalten eines Menschen zeige viel über dessen Persönlichkeit, behaupten Psychologen Das Essverhalten eines Menschen zeige viel über dessen Persönlichkeit, behaupten Psychologen
Das Essverhalten eines Menschen zeige viel über dessen Persönlichkeit, behaupten Psychologen
Quelle: pa
Der Mensch ist, was er isst, wusste schon der Philosoph Ludwig Feuerbach: Lässt sich also einem bestimmten Ernährungstyp wie dem Frustesser, dem Bio-Esser oder dem Schnell-Schlinger ein bestimmter Charakter zuordnen? Ja, behaupten Psychologen und ziehen bei zehn Esstypen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit.

Der eine hat immer wieder Steaks auf dem Teller, der andere bevorzugt Müsli zum Frühstück; der eine besorgt sich die Farbtupfer in seinem Speiseplan lieber durch Gummibärchen als durch Apfelsinen, während Fast-Food-Liebhaber eine Mittagsmahlzeit schneller erledigen können als andere Menschen das Zähneputzen. Jeder Mensch hat seine kulinarischen Vorlieben und seine speziellen Techniken und Philosophien, was Essen und Trinken angeht. Und wenn wir ihm dabei zuschauen, erfahren wir viel über seine Persönlichkeit.

Schon der Philosoph Ludwig Feuerbach sagte vor etwa 150 Jahren: „Der Mensch ist, was er isst.“ Moderne Ernährungspsychologen können das nur bestätigen. Der feuerbachsche Satz bedeutet gleichsam: Wenn ich jemanden einem bestimmten Ernährungstyp zuordnen kann, kann ich ihn auch einem bestimmten Persönlichkeitstyp zuordnen und umgekehrt.

Das Problem ist, dass die Persönlichkeit eines Menschen sehr vielschichtig ist. So trafen sich in der vergangenen Woche in Potsdam Wissenschaftler, um über die „Biologie des Essverhaltens“ zu debattieren. Doch neben genetischen und evolutionären Faktoren bestimmt auch die gesellschaftliche Umgebung, was und wie der Mensch isst. „Während es beim Tier im Prinzip ausreicht, festzustellen, dass sein Ernährungsverhalten trieb- und instinktgesteuert ist“, erklärt der Bonner Soziologe Professor Thomas Kutsch, „ist bei den Menschen das Ernährungsverhalten jenseits der animalischen Komponente, wonach Hunger eben gestillt werden muss, auch sozial und kulturell überformt.“ Wenn man also Charakter und Essen eines Menschen zueinander in Bezug setzt, muss man nicht nur die Brille des Psychologen und Biologen, sondern auch die des Soziologen aufsetzen.

Der Stress- und Frustesser

Wie wichtig dieser breit gefächerte Blick ist, zeigt schon der Frust- und Stressesser. Die deutsche Psychoanalytikerin Hilde Bruch brachte Ende der 30er-Jahre diesen Ernährungstyp erstmals ins Gespräch. Als Jüdin emigrierte sie 1933 nach England und schließlich in die USA. Überall um sie herum waren andere Flüchtlinge, aber auch Witwen, die ihre Männer im Krieg verloren hatten. Der Ärztin fiel auf, dass Menschen in Krisenzeiten besonders viel Nahrung aufnehmen, weil dies ihre schlechten Gefühle dämpft – ein Phänomen, dessen Auswirkungen durch den Ausdruck „Kummerspeck“ ziemlich treffend beschrieben wird.

Repräsentativen Befragungen zufolge isst fast jeder dritte Deutsche unter Stress und Frust mehr als sonst. Dieser Esstyp ist also weit verbreitet, was sicherlich daran liegt, dass er evolutionär tief in uns verankert ist. Als Relikt aus frühgeschichtlichen Zeiten, als es einerseits noch wenig zu essen gab, andererseits Stresssituationen wie etwa Flucht und Kampf nur durch viel Energie gelöst werden konnten. Doch Frustessen wird auch in starkem Maße erlernt. Wenn etwa eine Frau im Liebeskummer zwei Tafeln Schokolade verdrückt, will sie damit ihre Enttäuschung kompensieren und sich trösten.

Dieser Mechanismus wurde in ihrer Kindheit angelegt, wie etwa dadurch, dass sie als Mädchen immer Bonbons oder andere Leckereien bekam, wenn sie sich beim Spielen wehgetan hatte. Diese Erfahrung, dass bei Schmerzen der Verzehr von Süßem helfen kann, etabliert sich dann beim Erwachsenen als Frustessen, das auch bei psychischer Pein zum Einsatz kommt. Man findet die Frustesser eher unter Frauen als unter Männern – denn die haben als Kinder in der Regel nichts Süßes bekommen, sondern einen aufmunternden Schulterklaps und den Spruch: „Indianer kennen keinen Schmerz.“

Der Sensationssucher

Häufiger ein Mann ist dagegen der sogenannte Sensationssucher. Er will, wie Psychologin Professor Gisla Gniech von der Universität Bremen erklärt, stets neue Reize und Abenteuer erleben. Kulinarisch steht er auf scharfe, salzige und deftige Speisen. Wer also im Alltag starke Autos, schnelle Videospiele, riskante Geschäfte und andere starke Reize braucht, setzt auch bei seiner Ernährung auf den Kick. „Zudem wurde beim Sensationssucher eine Tendenz zu eher ungesunder Nahrung gefunden“, sagt Gniech. Nicht umsonst trinken Männer, die den Löwenanteil der Sensationssucher stellen, viel mehr Alkohol als Frauen. Was aber nicht heißen soll, dass sie in ihrer Suche nach Spektakulärem zwangsläufig selbst originell und aufregend sind. Biertrinker etwa, so hat es der Münsteraner Psychologe Professor Alfred Gebert herausgefunden, „neigen zu Besserwisserei, Bequemlichkeit und Egoismus – auch im Bett.“

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Der Health-Food-Junkie

Besserwisserei gibt es auch bei einem anderen Esstyp, dem Health-Food-Junkie. Der Name wurde kreiert vom amerikanischen Arzt Steven Bratman, der bis Mitte der 90er-Jahre selbst ein Fanatiker des gesunden Essens war und sich dann davon löste. Das Leben des Health-Food-Junkies wird bestimmt durch den Blick auf Kalorien- und andere Nährwerttabellen sowie das konsequente Einhalten vermeintlich gesunder Ernährungsstrategien. Außerdem hält er seinen Lebensstil für elitär. „Jemand, der den ganzen Tag damit verbringt, nur Tofu und Quinoa-Kekse zu essen“, erläutert der Mediziner, „kann sich so heilig fühlen wie jemand, der sein ganzes Leben den Obdachlosen gewidmet hat.“

Und wer sich heilig fühlt, verspürt auch eine kräftige Neigung, andere Menschen von seinem segensreichen Lebensstil zu überzeugen. Health-Food-Junkies sind die Apostel unter den Ernährungsstylisten. In ihren Reihen sieht man vor allem strenge Vegetarier wie beispielsweise Roh- und Vollwertköstler. Und vor allem Männer, denn das ideologische Überzeugenwollen ist traditionell eine Domäne des „starken“ Geschlechts.

Der Gesundesser

Demgegenüber findet man unter den Gesundessern, die nur auf dem eigenen Speisezettel Fleisch und Alkohol zugunsten von Obst und Gemüse reduzieren wollen, einen größeren Frauenanteil. Niederländische Forscher ermittelten die Charaktereigenschaften dieses Ernährungstyps: Er ist besonders kompromissbereit und offen für neue Erfahrungen. „Sein Innerstes gibt er jedoch nicht ohne Weiteres preis“, erklärt Studienleiter Gert-Jan de Bruijn von der Universität Maastricht, er halte es lieber unter der Schale. Genauso wie die Bananen, die er gerne isst.

Der Bio-Esser

Die Bio-Esser sind einerseits eine Variante der Gesundesser, andererseits aber auch mit einem ausgeprägten Elitegefühl behaftet. Ein Psychologenteam der Universität Toronto ließ seine Probanden zunächst biologische oder konventionelle Lebensmittel einkaufen, und danach stellte man ihnen Aufgaben, in denen ethisches Handeln gefordert wurde. Das Ergebnis: Die Biokonsumenten verhielten sich im Ethiktest ziemlich asozial. Sie waren knauseriger und egoistischer – und zeigten sogar eine größere Bereitschaft zum Lügen.

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Studienleiterin Nina Mazar deutet dies als einen typischen „ethischen Ausweichreflex“ nach dem Motto: Wenn ich die Umwelt durch Kauf von Bioprodukten schütze, habe ich meine moralischen Verpflichtungen bereits erfüllt – und dann kann mich auch als unsozialer Egoist aufführen.

Der Schnell-Schlinger

Allerdings sollte man, wenn man etwas über die Persönlichkeit seines Gegenübers erfahren will, nicht nur darauf achten, was er isst, sondern auch, wie er es tut. So gibt es als weiteren Esstyp den Schnellschlinger, der für seine Mahlzeiten weniger als fünf Minuten braucht und oft in Fast-Food-Restaurants anzutreffen ist. Das gierige Herunterstürzen der Speisen ist dem Menschen einerseits angeboren, weil es in vorgeschichtlicher Zeit nur einen Platz gab, an dem die Nahrung sicher vor Konkurrenten und dem Verderb war: im eigenen Magen. Andererseits ist der Schnellschlinger auch ein typisches Produkt unserer Zeit, in der man versucht, möglichst viel in möglichst wenig Zeit hineinzupacken, und die Muße für längeres Essen fehlt.

Der Genießer

Der Genießer, ein weiterer Esstyp, gehört deshalb aktuell eher zu den Auslaufmodellen. „Denn für den Genuss braucht man Freiräume“, erklärt Ernährungspsychologe Professor Iwer Diedrichsen von der Universität Hohenheim. „Nur wer Zeit hat, kann auch genießen.“ Ein Genießer zeichnet sich aber auch dadurch aus, dass er seine Aufmerksamkeit aufs Essen fokussieren kann: Gleichzeitig fernsehen und Pizza essen oder das Frühstücksbrötchen im Auto auf der Schnellstraße vertilgen und dabei telefonieren, das gibt es bei ihm nicht.

Dass sich immer weniger auf den Genuss verstehen, ist für Diedrichsen nicht nur ein Erlebnisverlust. „Der Genuss ist auch einer der grundlegenden Faktoren für den Erhalt unserer Gesundheit“, sagt der Psychologe. Allein schon, weil er Stress dämpft und das Leben entschleunigt. Außerdem gibt es kaum dicke Genießer, weil Völlerei und Genuss sich ausschließen. Wer also gesund bleiben will, sollte beizeiten genießen lernen.

Der Gourmet

Wobei man jedoch den Genießer nicht mit dem wichtigtuerischen Gourmet verwechseln darf, der im Sterne-Restaurant mit Kennermiene am Weinkorken schnuppert und den Kellner mit spitzfindigen Fragen zur Speisekarte nervt. Dieses Verhalten hat weniger mit Genuss als mit „Prahlerei“ zu tun, weswegen man es vor allem bei Männern findet. Für den Gourmettyp sind das ausgeklügelte Sechs-Gänge-Menü und die Kenntnis der feinen Unterschiede in den Weinlagen eine Möglichkeit, Lebensstil zu zelebrieren und Kennerschaft zu demonstrieren.

Der Zweckesser

Ziemlich wenige Erwartungen an sein Essen hat allerdings der Zweckesser. Ihm dient das Essen nur der Nahrungszufuhr. Das heißt, er stellt keinen Anspruch an die Qualität seiner Mahlzeiten. Er will daher auch nicht viel für ein Essen bezahlen, weswegen man ihn oft beim Discounter und im Fast-Food-Restaurant antrifft. Was bereits deutlich macht, dass man diesen Esstyp oft in Personalunion mit dem Schnellesser findet.

Aber der komplexe Aufbau der menschlichen Psyche bringt es ohnehin mit sich, dass sich die unterschiedlichen Essstile beim einzelnen Menschen vermischen.

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