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Kultur Peter Hofmann

Siegfried fährt Harley – Nachruf auf einen Rocker

Er war Heldentenor, ein Weltstar, galt als erotischster Wagner-Sänger. Doch am Ende lebte Peter Hofmann von einer Mini-Rente.

Vom Superhelden zum Pflegefall. Von Bayreuth nach Bad Segeberg. Und von einer exorbitanten Abendgage runter auf den ernüchternden Satz einer 630 Euro Rente monatlich. Die Rolle als „ehemaliger Startenor“, als der er seit Langem betitelt wurde, hatte sich Peter Hofmann nicht ausgesucht. Immerhin, die letzten 20 Jahre seines Lebens, als seine Gesangskarriere längst beendet war, gestalteten sich nicht publicityärmer als die große Zeit davor. Die Reporter des „Neuen Blatts“ oder der „Super-Illu“, die bei dem an Parkinson Erkrankten immer noch regelmäßig vor der Tür standen, wurden nie abgewiesen. Peter Hofmann hatte sich vom Wagner-Recken zuerst zum Gelegenheitsrocker und dann zum Objekt der mitleidsfreudigen Boulevardjournalisten gewandelt. Zum tragischen Fall.

Jetzt, da der 66-Jährige in einem Krankenhaus im oberfränkischen Selb (im Fichtelgebirge) seiner Krankheit erlegen ist, wird der Mythos vom erotischsten Wagner-Tenor aller Zeiten wohl noch einmal aufgewärmt. Und tatsächlich, in die übergewichtige Welt der Klassik brachte Peter Hofmann in den späten 70er-Jahren ein neues Element sportiver Ritterlichkeit ein. Und das, nur um von dort Schwung zu holen und die Brücke zu schlagen zur Rock-Musik, mit der er mit seinem Album „Rock classics“ 1982 sogleich Platin gewann.

Ein Zehnkämpfer erobert die Opernbühne

Peter Hofmann war wirklich neu. In der Opernwelt der fetten 70er-Jahre war man es noch gewohnt, dass untersetzte Heldentenöre im Vorruhestandsalter mit Walküren-Wuchtbrummen um die Liebe rangen, dass sich die Balken bogen. Mit Peter Hofmann brach ein elektrisierend ungewohnter Typus in diese Sphäre ein. Mühelos verband der ehemalige Zehnkämpfer ein metallisches Tenortimbre mit dem erotischen, durchtrainierten Fitnessideal, das zu seiner Person gehörte. Nie hatte man einen Siegmund im „Ring des Nibe?lungen“ so schnell über die Bühne rennen sehen.

Schon im Alter von 16 Jahren hatte er eine eigene Rockband gegründet. Sportlichen Erfolgen unter anderem im Stabhochsprung folgte eine Verpflichtung als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Er ging zu den Fallschirmspringern. Nach 70 Sprüngen schied er im Rang eines Stabsunteroffiziers aus dem Militär. Sein Gesangsdebüt erfolgte spät. Erst mit 28 Jahren debütierte er in Lübeck als Tamino. Aufgewachsen war er in Darmstadt. Geboren in Marienbad am 22.?August 1944 als Sohn eines Musikers.

Rock zum Zweck der Karriereverlängerung

Bei einem so glücklich vorhandenen Material, dazu einer so komplexen Vorgeschichte rieb man sich nicht lange die Augen, sondern kürte ihn zum Superstar und schickte ihn – nach seinem Bayreuth-Debüt im „Jahrhundert-Ring“ von Patrice Chéreau 1976 – auf Weltkarriere. Als „singender Thorax“ von einigen bespöttelt, hat er wahrscheinlich in allen großen Wagner-Inszenierungen seiner Zeit gesungen. So lange es eben ging. Schon 1990, nach nur 14 Jahren als Berufsjugendlicher im Wagner-Geschäft, zwangen ihn Blessuren an seiner Stimme zur Beendigung der Karriere. Schon die Rock-Manöver, die sich zumeist auf die Adaption von Klassikern des Genres beschränkten, besaßen rückblickend den Charakter eines Ausweichens zum Zwecke der Karriereverlängerung.

Der Medienglamour, den er souverän und pionierhaft zu bedienen verstand, wurde derweil durch zahlreiche Partnerschaften und Affären angeheizt. Nach seiner Ehe mit der Schauspielerin Anne-Katrin Hofmann (geschieden 1976) waren die Opernsängerin Hanna Schwarz und die Pop-Diva Deborah Sasson, mit der er gemeinsam auftrat, seine Partnerinnen. Es folgten die Dressurreiterin Nicole Uphoff und diverse, auch namentlich der Presse vorgeführte Freundinnen. Eine zweite Ehe ging der schon schwer Erkrankte im Jahr 2007 mit der Physiotherapeutin Sabine Zimmerer ein. Vier Kinder von drei Frauen zeugen von einem emphatischen Familienmenschen, der noch zuletzt seinen Umzug in ein altes marodes Bauernhaus von den Medien eingehend begleiten ließ. So dicht heran wie er ließ kaum einer sein Publikum. So viel Nahbarkeit wie er hat aber auch kein anderer dulden müssen.

Erlöser in der Wagner-Gesangskrise

Wenn man sich fragt, warum diese fraglos gloriose Karriere so tragisch bergab ging, so landet man nicht zuletzt bei der Hektik und Ungeplantheit ihres Vollzugs. Allzu abrupt hatte der Tenor vom Mozart- ins schwere Wagner-Fach gewechselt. Seine etwas steife, in allen Registern leicht knödelnde und kehlige Stimme schien für die Kraftpartien, in welche man ihn katapultierte, nicht wirklich geschaffen. Hofmann wurde dennoch als spontan aufgetretener Erlöser innerhalb einer galoppierenden Wagner-Gesangskrise begrüßt.

Ein wirklich epochaler Wagner-Tenor war er kaum. Seine wichtigsten Aufnahmen – „Parsifal“ unter Herbert von Karajan, „Tristan und Isolde“ unter Leonard Bernstein – erlangten nicht unbedingt wegen, sondern zum Teil trotz Peter Hofmann Berühmtheit. Die Enge und Angestrengtheit seines Singens geriet indes sofort in Vergessenheit, wenn man den Ausbund an Jugend auf die Bühne springen sah. Hier schien eben jene Fernsehkarriere vorgezeichnet, die den Erfolg Peter Hofmanns besiegelte.

James Dean des Aerobic-Zeitalters

Damals gab es noch Anneliese Rothenberger, René Kollo und Heinz Schenk mit ihren Formaten eines lustigen Musikumtrunks. Darin wirkte Hofmann wie ein Rebell. Wie ein lockiger, rockiger James Dean des Aerobic-Zeitalters. 1990 wagte Hofmann – nach mäßigen Erfolgen seiner neuerlichen Bayreuth-Gastspiele – den Schritt zum Musical. Als „Phantom der Oper“ in der Hamburger Neuen Flora schien er die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Weil der Musical-Markt für Darsteller zählebig und klein ist, bot sich darin keine ausreichende Perspektive. Dem Debüt als Old Firehand bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg 1997 haftete schon das Gepräge eines Comeback-Versuchs an. Es war der Anfang vom Ende.

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Die gesamte Karriere von Peter Hofmann war von Krankheitsmeldungen begleitet; eigentlich etwas, was zu seinem Image nicht passen wollte. Bänderrisse, eingeklemmte Nerven, Lähmungserscheinungen in Armen und Beinen und Zitteranfälle wurden schon kolportiert, bevor die Nachricht bekannt wurde, dass Peter Hofmann an Parkinson erkrankt war. Etwa 20 Jahre lang litt er an dieser Krankheit. Im Jahr 2002 kam die Diagnose Demenz hinzu. Fortan wurde diskutiert, in welcher Pflegestufe er geführt werde.

Mit dem Peter-Hofmann-Parkinson-Forschungsprojekt in Marburg gingen zahlreiche Benefizprojekte einher, in denen Sascha Hehn, Tony Marschall und Daniel Küblböck für die gute Sache sammelten. Peter Hofmann war zuletzt ein Mann, den noch alle kannten, aber an dessen Stimme sich beileibe nicht mehr viele Menschen dürften erinnern können. Seinem Bruder zufolge starb er an einer Lungenentzündung. „Ich glaube, der Tod war eine Erlösung für ihn“, sagte Fritz Hofmann. „Ich glaube, er hat keine Lust mehr gehabt.“

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