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Juristisch ist der Fall „Nofretete“ entschieden

Weil ihr Entdecker Ludwig Borchardt bei der Teilung der Amarna-Funde getrickst haben soll, gibt es immer wieder Forderungen, die Nofretete an Ägypten zurückzugeben. Die Aktenlage spricht dagegen.

Am 6. Dezember 1912 machte der deutsche Archäologe Ludwig Borchardt in der Nähe des mittelägyptischen Ortes Tell el-Amarna seine „Jahrhundertentdeckung“. Er fand die Büste der ägyptischen Königin Nofretete. Heute gilt die 3500 Jahre alte Preziose aus der Werkstatt des antiken Bildhauers Thutmosis als die größte Attraktion der Ägyptischen Sammlung auf der Museumsinsel in Berlin, die zum 100. Jahrestag ihres Fundes der königlichen Büste eine Sonderausstellung widmet.

Doch die „Mona Lisa“ aus Stein ist weit mehr als eine archäologische Sensation. In allen Jahren seit Borchardts epochalem Fund hat die „bunte Büste“ immer wieder für Unstimmigkeiten oder handfesten Streit gesorgt. Haben die deutschen Ausgräber die damalige Regierung in Kairo über den wahren Wert ihres Fundes im Unklaren gelassen?

Um diesen häufig geäußerten Vorwurf zu widerlegen, ist es wichtig, sich die politischen Tatsachen von vor 100 Jahren in Erinnerung zu rufen. Zum Zeitpunkt von Borchardts Grabungen in Amarna stand Ägypten unter britischer Besatzung und der damalige ägyptische Antikendienst (Service d’Antiquités Égyptiennes) – heute Supreme Council of Antiquities – unter französischer Obhut. Die Fundteilung dieser Kampagne fand am 20. Januar 1913 gemäß den damals geltenden Bestimmungen „zu gleichen Teilen“ (à moitié exacte) für Ägypten und das die Ausgrabung durchführende Land, also das Deutsche Reich, statt.

Ein Altarbild gegen die Büste

Borchardt hatte die beiden Teile zusammengestellt, was bis zum Kriegsausbruch 1914 das Vorrecht des Ausgräbers war. Gaston Maspero, der Direktor des Antikendienstes, beauftragte seinen Mitarbeiter Gustave Lefebvre mit der Regelung der Fundteilung. Der eine Teil enthielt unter anderem die Büste der Nofretete, der zweite, für den sich Lefebvre schließlich für das Ägyptische Museum in Kairo entschied, ein Altarbild, das das Königspaar Echnaton und Nofretete mit dreien seiner Kinder zeigt.

Laut Borchardt besaß das Kairoer Museum bis dahin kein Altarbild, wünschte sich jedoch ein solches, was letztlich ausschlagend für die Wahl war. Später wurde dem Archäologen vorgeworfen, er habe die Büste regelrecht getarnt und nur im Zwielicht präsentiert. Es wurde sogar behauptet, er habe das Altarbild fälschen lassen, um dem Abgesandten der ägyptischen Behörde ein lukratives Tauschobjet zu liefern.

Sicher ist aber auch, dass die deutschen Ausgräber sich regelrecht von der Königin verabschiedeten, weil sie nicht daran glaubten, sie zugesprochen zu bekommen. Außerdem hatten archäologische Fundteilungen in jenen Tagen stets etwas von einem Kuhhandel an sich. Spatengräberei förderte den Ruhm von Nationen, und da waren alle Tricks erlaubt.

„Wir geben zu, dass alles rechtmäßig verlaufen ist“

Nachdem Lefebvre sich für den Altar entschieden hatte, wurden alle übrigen Exponate hälftig und ohne Rücksicht auf Zusammengehörigkeit einzelner Fundstücke aufgeteilt. So wie es ein Vertrag vorschrieb, der kurz zuvor ratifiziert worden war.

1913 erhielt James Simon die Ausfuhrgenehmigung für die Büste von Ägypten nach Deutschland. Borchardt vertrat hartnäckig die Meinung, dass Nofretete nicht der Öffentlichkeit präsentiert werden dürfe. Die erste Rückgabeforderung Ägyptens erfolgte denn auch prompt nach der ersten öffentlichen Ausstellung 1924 im Neuen Museum.

Pierre Lacau, Nachfolger von Maspero im Amt des Direktors der ägyptischen Altertümerverwaltung und des Ägyptischen Museums in Kairo, verlangte die Büste sofort zurück. Dafür führte Lacau moralische Gründe an, schließlich habe Deutschland den Weltkrieg vom Zaum gebrochen und verloren. Was den juristischen Aspekt der Eigentumsfrage anging, erklärte er dagegen: „Wir geben zu, dass alles regelrecht (bei der Fundteilung; d. Red.) verlaufen ist. Wenn es einen Fehler gegeben hat, ist es der unsrige.“ Um den Druck zu erhöhen, erhielt Borchardt keine Grabungslizenz für Ägypten.

Hitler verhinderte die Rückgabe

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Deshalb war die deutsche Seite dann wohl doch zum Einlenken bereit, um in Ägypten wieder Ausgrabungen vornehmen zu dürfen. 1930 wurde in letzter Minute ein Tausch der Nofretete-Büste gegen kulturhistorisch weniger wertvolle Stücke gerade noch abgewendet. 1933 gab es wieder Pläne für eine Rückgabe. Adolf Hitler hingegen erklärte Nofretete zur Ikone: „Ich werde den Kopf der Königin niemals aufgeben.“

1946 erhob Ägypten abermals Ansprüche. Doch die US-Militärregierung ließ wissen, dass die Büste nicht zu den vom NS-Regime entwendeten Kunstgegenständen zähle und 1913 „ordnungsgemäß“ nach Berlin gebracht worden sei.

Später kam es zu einem innerdeutschen Konflikt. Die DDR argumentierte, die während des Krieges verlagerten Altbestände der Staatlichen Museen würden ihr unrechtmäßig vorenthalten. Die Bundesrepublik wies dies zurück. Nofretete blieb im Westteil Berlins, wohin sie 1956 zurückkehrte. Erst nach dem Mauerfall wurde sie wieder auf der Museumsinsel ausgestellt.

Die Ausstellungseröffnung im Neuen Museum nimmt der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, zum Anlass, den Forderungen über eine Rückgabe der Nofretete eine Absage zu erteilen: „Entsprechend der damaligen Antikengesetze Ägyptens wurde der Fund geteilt.“ Eine offizielle Rückforderung von der ägyptischen Regierung habe es im Übrigen nie gegeben.

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