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Geschichte Historikerstreit

Wenn Männer sich schlagen, erregt das die Frauen

Kampfspiele und Geschlechterkampf: Wegen dieser Vorlesung entließ die Trierer Universität den renommierten israelischen Militärhistoriker Martin van Creveld .

Der Mann ist ein Ärgernis. Unter Kollegen gilt er zwar als einer der wichtigsten Militärhistoriker der Gegenwart. Doch Ideologen aller Schattierungen ist der 1946 in Rotterdam geborene israelische Akademiker suspekt, weil er keiner Ideologie anhängt. Martin van Creveld wird zuweilen wegen seines kalten Blicks auf bewaffnete Konflikte mit dem preußischen Kriegstheoretiker Carl von Clausewitz verglichen.

Nun hat das Kulturwissenschaftliche Forschungszentrum der Universität Trier van Crevelds Vertrag als Gastdozent nach nur einer Vorlesung „wegen gegenseitiger Vorbehalte“ aufgelöst. Eine von Creveld für "Welt Online“ erstellte Kurzfassung der Vorlesung dokumentieren wir auf dieser Seite.

Spiele, insbesondere Kriegsspiele, sind ein sehr gutes Mittel, die wahre Natur von Männern, Frauen und ihren gegenseitigen Beziehungen zu verstehen. Und zwar gerade deshalb, weil Spiele das Reich der Freiheit sind, wie viele berühmte Autoren festgestellt haben, von Friedrich Schiller bis Johan Huizinga. Diese Freiheit ist auf zwei Faktoren zurückzuführen.

Spiele sind, erstens, klar abgesondert von den Regeln des "gewöhnlichen" Lebens. Sie bilden keinen Bestandteil jenes Lebens, sondern finden zu bestimmten Zeiten statt – sie haben einen klaren Anfang und ein klares Ende – und an bestimmten Orten – in einer Arena, auf einem Spielfeld oder einem Computerschirm.

Sie folgen Regeln, die sich stark von den Regeln unterscheiden, die außerhalb dieser Spielplätze gelten. Und zweitens ist die Teilnahme an Spielen, ob sie so harmlos sind wie Tennis oder so tödlich ernst wie ein Duell, weitgehend freiwillig. Wer will, spielt, wer nicht will, spielt nicht. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Gerade diese Freiheit führte Huizinga dazu, Karl Marx zu widersprechen: Spiele, nicht ökonomische Notwendigkeit, bilden für ihn die Grundlage aller Kultur. Dabei vergaß er zu erwähnen, dass die Menschheit, wie uns der moderne Feminismus in seiner Weisheit lehrt, nicht eine einzige Spezies umfasst, sondern zwei.

Geschlechterunterschied auf dem Schachbrett

Wie jeder Beobachter zu berichten weiß, sind die Unterschiede zwischen beiden nirgends so ausgeprägt wie auf dem Feld der Kriegsspiele. Jungen im Alter von zwei bis hundertfünfzig lieben solche Spiele, sie haben sie schon immer geliebt und werden sie wohl immer lieben. Frauen nicht, und sie nehmen selten daran teil. Das war so in den Stammesgesellschaften, die sich zu verabredeten spielerischen Schlachten mit Speeren, Pfeil und Bogen trafen, bei den Gladiatorenkämpfen, den Ritterturnieren, Duellen und allen anderen Kriegsspielen. Und es bleibt auch heute so bei Paintball, Laser-Tag und dergleichen.

Da dieser Geschlechterunterschied auch für Schach – das Kriegsspiel par excellence – und Computerspiele gilt, hat er offensichtlich nichts mit den körperlichen Fähigkeiten zu tun. (In der Vergangenheit sind verschiedentlich Versuche fehlgeschlagen, Frauen für das Schachspiel zu begeistern.) Da der Verhaltensunterschied auch bei den anderen Primaten beobachtet wird, insbesondere bei unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, dürfte er wahrscheinlich dennoch biologische Wurzeln haben.

Es geht nicht um Kampf, sondern um Sex

Es stimmt zwar, dass es eine kleine Zahl von Frauen gibt, und immer gegeben hat, die sich als Gladiatorinnen, Ringkämpferinnen (in Japan sogar Sumo-Ringerinnen), Duellistinnen und so weiter hervorgetan haben. Heute nehmen manche Frauen an Schlammringkämpfen und professionellem Ringen teil. Aber meistens geht es dabei weniger um die Zurschaustellung kämpferischer Fähigkeiten als um Sex, weshalb die Frauen in vielen Fällen oben ohne kämpfen, sich breitbeinig auf das Gesicht der Gegner setzen und so weiter.

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Das gleiche Phänomen kann man bei Computerkriegsspielen beobachten. Die meisten werden von jungen Männern für junge Männer entworfen. Es wundert nicht, dass die weiblichen Avatare meistens lange, fast schlangenähnliche Gliedmaßen besitzen, knapp bekleidet sind und diverse metallene Accessoires tragen, die sie wie Dominas aussehen lassen. Ihre Brüste sind in der Regel so gewaltig, dass sie im wirklichen Leben kaum gerade stehen, geschweige denn kämpfen könnten.

Reservierte Plätze für Zuschauerinnen

Selten bilden Frauen mehr als zehn Prozent der Teilnehmer irgendeines Kriegsspiels, und oft ist der Prozentsatz viel kleiner. Das bedeutet aber nicht, dass Frauen im Kontext solcher Spiele überflüssig wären. Bei Kriegsspielen wie bei anderen Spielen und im richtigen Leben ohnehin sind viele männliche Aktivitäten darauf gerichtet, Frauen zu imponieren. Und die Frauen reagieren entsprechend.

Von den Gladiatorenspielen im alten Rom, wo es für die Vestalinnen reservierte Plätze gab, über die mittelalterlichen Turniere bis hin zu den Box- und Ringkämpfen von heute bilden Frauen zwar eine Minderheit unter den Zuschauern, aber eine laute Minderheit, die überdies durch offene Zurschaustellung ihrer sexuellen Reize auf sich aufmerksam zu machen versucht.

Wie uns Graffiti aus Pompeji zeigen, galten Gladiatoren als Männer, "die nachts Mädchenherzen trösten". Der im dritten Jahrhundert schreibende christliche Autor Tertullian meinte, dass Männer "ihre Seele den Gladiatoren geben, Frauen ihren Körper und ihre Seele". Mindestens zwei römische Kaiserinnen sollen Sex mit Gladiatoren gehabt haben: Messalina, Ehefrau des Claudius, und Faustina, Ehefrau des Mark Aurel.

Muhammad Ali, von Frauen belagert

Bei einem Turnierkampf in England 1331 brach die Frauentribüne, auf der sich auch Philippa, Frau des Königs Eduard I., befand, wegen Überfüllung zusammen. 1966, um nur eins von vielen modernen Beispielen zu erwähnen, wurde der Boxer Muhammad Ali bei seinem Besuch in London von Frauen belagert. Manche riskierten sogar ihr Leben beim Versuch, durch die Fenster in seine Hotelsuite einzubrechen.

Nach diesen und zahllosen anderen Beispielen zu urteilen, genießen Frauen durchaus den Anblick von Männern, die sich gegenseitig abschlachten. Und es geht nicht nur ums Zuschauen. Historisch vergaben Frauen gern die Preise bei Kriegsspielen aller Art. Manchmal bildeten sie auch selbst den Preis, mal unfreiwillig, wie ini der "Ilias", mal freiwillig wie Königin Herzeloyde im Parzifal.

Bei einem Turnier in Magdeburg ("Mägdeburg") 1280, bei dem zum ersten Mal Bürger statt Ritter aufeinandergetroffen sein sollen, bildete eine Prostituierte den Hauptgewinn. Ab und zu organisierten Frauen Turniere, und in manchen Einladungsschreiben wurde dies angeführt, um Teilnehmer zu motivieren.

Es geht darum, Frauen zu imponieren

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Weil Spiele, besonders Kriegsspiele, zum Reich der Freiheit gehören, eignen sie sich in besonderem Maß als Lackmustest für das menschliche Leben und die menschliche Natur, deshalb waren Huizinga und andere daran interessiert. Da er vor dem Aufstieg des modernen Feminismus und der politischen Korrektheit arbeitete, machte Huizinga keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Hätte er das getan, wäre ihm die offensichtliche Tatsache klar geworden, dass die meisten Spieler Männer sind und dass Spiele, vor allem Kriegsspiele, vor allem dazu da sind, Frauen zu imponieren.

Und die Frauen lassen sich imponieren. Oft schauen sie den Männern zu, stacheln sie an, ermuntern sie, trösten sie, beten sie and und betteln darum, mit ihnen Sex haben zu dürfen. Dies ist eine so offenkundige Wahrheit, dass es ohne diese Symbiose zwischen den Geschlechtern vermutlich keine Kriegsspiele geben würde – und, wenn man bedenkt, dass Kriegsspiele nicht nur vom echten Krieg unterschieden sind, sondern ihn auch spiegeln – vielleicht auch keinen Krieg.

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