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Nahles hält Grüne für "Partei der Gutsituierten"

SPD-Generalsekretärin Nahles spricht im Interview über den Wettbewerb um die führende Volkspartei und den katholischen Glauben. Beim Thema Sarrazin war sie wortkarg.

Nichts deutet am Donnerstagmittag auf ein baldiges Ende des Parteiausschlussverfahrens gegen den früheren Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin. In österlicher Vorfreude empfängt SPD-Generalsekretär Andrea Nahles "Welt Online" in ihrem Büro. Kurz danach verlässt sie das Willy-Brandt-Haus, um an der Sitzung der Schiedskommission teilzunehmen. Als die Einigung mit Sarrazin bekannt wird, bittet die Redaktion Andrea Nahles darum, einige Nachfragen zu beantworten. Sie aber möchte das Schweigegelübde der Schiedskommission nicht unterlaufen und antwortet recht wortkarg.

Welt Online: Frau Nahles, Thilo Sarrazin darf Mitglied Ihrer Partei bleiben . Wie ist es dazu gekommen?

Andrea Nahles: Wir hatten am Donnerstag eine lange Verhandlung vor der unabhängigen Schiedskommission. Die Kommission hat am Ende dann einen Vorschlag für eine Erklärung von Thilo Sarrazin vorgelegt und er hat diese angenommen. Daraufhin haben die Antragsteller ihre Anträge zurückgezogen. Wir haben dies in gemeinsamer Verantwortung für die SPD getan.

Welt Online: Wenn Sie sich heute zur Sache nicht äußern können, gilt das dann auch für die Zukunft? Wann können wir mit Ihrer Stellungnahme zur causa Sarrazin rechnen?

Nahles: Weiter kann ich dazu nichts ausführen, da alle Beteiligten der Auflage der Kommission zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Die Einigung der Beteiligten ist jedoch öffentlich und allen zugänglich.

Welt Online: Was halten Sie von der Aussage: „Es gibt eine strukturelle Schwäche der SPD. Sie kommt aus ihrem 25-Prozent-Getto nicht heraus“?

Nahles: Es gibt keine strukturelle Schwäche der SPD. Wir arbeiten konsequent daran, das Vertrauen enttäuschter Anhänger zurück zu gewinnen. Wir wollen die alte Tante SPD selbstbewusst auf Vordermann bringen, damit sie 2013 dann fröhlich und guter Dinge ihren 150. Geburtstag feiern wird.

Welt Online: Redet der DGB-Vorsitzende Michael Sommer, von ihm stammt das Zitat, die Lage seiner Partei schlecht?

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Nahles: Wenn er das so wahrnimmt, nehme ich das ernst. Aber ich wundere mich ein bisschen über die Wahrnehmung. Unsere Strategie sieht unter anderem vor, das Verhältnis zu den Gewerkschaften zu reparieren. Wir lehnen uns nicht zurück. Aber wir lassen uns auch nicht jekesch machen, wie wir im Rheinland sagen.

Welt Online: Viele Menschen irritierte die Freude der SPD am Abend der Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, bei denen Sie verloren haben.

Nahles: Wild gejubelt hat über diese Wahlergebnisse niemand. Wir waren an jenem Abend aber froh, dass Kurt Beck in Mainz die Regierung weiter anführt und es in Baden-Württemberg nach 58 Jahren zu einem Politikwechsel kommt. Selbstverständlich kann sich die SPD mit einer Junior-Rolle nicht zufrieden geben. Unser Anspruch ist vielmehr, den Wettbewerb mit der Union über die führende Volkspartei in Deutschland zu gewinnen.

Welt Online: Was bedeutet es, dass SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und der frühere Finanzminister Peer Steinbrück die beliebtesten Politiker Deutschlands sind?

Nahles: Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück waren hervorragende Minister und sie machen auch seither eine gute Arbeit. Sie überzeugen menschlich und sind ein großes Kapital für die SPD. Trotz aller kurzfristigen Stimmungen zeigt sich: die Bürger setzen auf langfristige Qualität und Verlässlichkeit. Mit diesen Stärken hat auch Olaf Scholz die Wahl in Hamburg gewonnen.

Welt Online: Was bedeutet es für die Zukunft, dass Steinmeier und Steinbrück die beliebtesten Politiker sind?

Nahles: Ich hoffe, dass beide weiter so erfolgreich ihre Stärken für die SPD einbringen. Es zeigt: Die SPD verfügt über mehrere Personen, die im Volk beliebt sind.

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Welt Online: Rechnen Sie damit, dass der Höhenflug der Grünen anhält?

Nahles: Die Grünen haben am 27. März ein absolutes Spitzenergebnis erzielt. Das war ein echtes Momentum. Meiner Meinung stellt das Ergebnis aber auch einen Scheitelpunkt dar. Doch zweifelsohne etablieren sich die Grünen auf einem höheren Sockel als früher. Wenn ehemalige Anhänger von Union und FDP nun erstmals die Grünen gewählt haben, werden sie das womöglich künftig öfter tun.

Welt Online: Sind die Grünen eine konservative Partei?

Nahles: Die Grünen haben nie verhehlt, dass sie wertkonservativ sind. Außerdem sind sie in den vergangenen Jahren mehr und mehr eine Partei der Gutsituierten geworden. Ihre Sozialpolitik ist wenig profiliert. Ich bin bis heute völlig perplex, dass die Grünen über die Rente mit 67 nicht mal diskutieren.

Welt Online: Sigmar Gabriel hat kürzlich gesagt, die Linkspartei sei „aus dem Spiel“ und er schließe eine rot-grün-rote Koalition im Bund aus. Hat er recht?

Nahles: Die Linke nimmt sich selber aus dem Spiel. In ihr offenbaren sich derzeit tief sitzende Konflikte, die über Jahre hinweg verdrängt worden sind. Die Linke leidet unter himmelweiten inhaltlichen und strategischen Differenzen in ihren eigenen Reihen. Derzeit fallen die Linken als Koalitionspartner definitiv aus. Aber ich lasse mich gerne überraschen.

Welt Online: Sie wollen also die Tür zu den Linken nicht ganz schließen?

Nahles: Ich hab diese Frage gerade beantwortet.

Welt Online: Über die vielen Vorlagen, die Ihnen die Regierung liefert, können Sie sich schon seit Monaten nicht beklagen.

Nahles: Ich sage Ihnen aus der Tiefe meines Herzens: Ich bin von Frau Merkel schlicht entsetzt. Einen derartigen Opportunismus, wie sie ihn in den vergangenen Wochen gezeigt hat, habe ich nicht für möglich gehalten. Sie hat nur zwei Orientierungspunkte für ihre Politik: Stimmungen und Umfragen. Angela Merkel ist eine gnadenlose Opportunistin. Sie ist zu jeder Zeit bereit, ihre Positionen ins Gegenteil zur verkehren. Mit der Atom-Volte ist Merkels Maske gefallen. Frau Merkel wird eines Tages eine CDU hinterlassen, die sich fragt: Wer bin ich? Und wenn ja wie viele? Was sind eigentlich die Werte der Union?

Welt Online: Wie verbringen Sie – erstmals als Mutter – die Osterfeiertage?

Nahles: Ich freue mich auf viel Zeit mit meinem Mann und unserer Tochter, nicht unterbrochen von Telefonaten und Terminen. Wir verbringen Ostern als Familienfest. Ostern ist für mich als Christin das wichtigste Fest, wichtiger als Weihnachten.

Welt Online: Warum?

Nahles: Die Auferstehung ist das eigentliche Versprechen für uns Christen. Ich erinnere mich gern daran, wie ich Ostern schon als Kind erlebt habe: In der Eifel dauert der Winter länger als anderswo. Ostern endet diese Zeit. Als Kind kam mir das vor wie die Auferstehung aus dem trüben Winter.

Welt Online: Erziehen Sie Ihre Tochter im katholischen Glauben?

Nahles: Ja, wir erziehen Ella Maria im katholischen Glauben. Sie wird im Juni getauft, von einem guten Freund, dem Domkaplan in Trier. Er hat meinen Mann und mich schon getraut.

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