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Deutschland Christian Klar

Das kontrollierte Schweigen eines Ex-Terroristen

Vor Gericht wiederholt Christian Klar gebetsmühlenartig: "Ich mache keine Angaben" – und verschärft so eine Attacke von Buback-Sohn Michael gegen die Justiz.

Er ist der Letzte aus dem inneren Zirkel der RAF , der als Zeuge in diesem Verfahren geladen ist. Christian Klar kommt in Jeans und flankiert von seinem Rechtsbeistand in Sitzungssaal 153 des Oberlandesgerichts Stuttgart. Die Augen hat er hinter einer Sonnenbrille verborgen.

Deutlich jünger wirkt der 59-Jährige – wie so viele der einstigen Terroristen. Dabei hat er fast die Hälfte seines bisherigen Lebens, 26 Jahre, in Haft verbracht, verurteilt wegen neunfachen Mordes und elffachen Mordversuchs. Die ganze Zeit über ist Klar seiner selbst gewählten Rolle treu geblieben. An diesem Morgen spricht nicht viel dafür, dass sich das ändert.

Abarbeit der Schwarz-Weiß-Gesichter des Terrors

Unermüdlich hat der 6. Strafsenat unter Vorsitz des bedächtigen Richters Hermann Wieland in den vergangenen 54 Prozesstagen ehemalige RAF-Mitglieder vorgeladen. Manchmal wirkte es fast so, als arbeite das Gericht systematisch die Schwarz-Weiß-Gesichter des Terrors ab, die auf Fahndungsplakaten in den siebziger Jahren in allen Postämter und Polizeistationen zu sehen waren.

Die Zeugen sollten Licht in das Dunkel der Frage bringen, wer am 7. April 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback, seinen Fahrer und seinen Mitarbeiter auf einer Straßenkreuzung in Karlsruhe erschoss und ob die Angeklagte Verena Becker an dem Anschlag beteiligt war.

Christian Klar soll, so frühere Ermittlungserkenntnisse, das Fluchtfahrzeug gefahren haben.

Die schweigenden Ex-Terroristen

Die meisten Ex-Terroristen haben nicht ausgesagt, aber wie sie nichts sagten, war erhellend. Es gab das provozierende Schweigen von Stefan Wisniewski, der auf den Rücken seines Sweatshirts die NSDAP-Mitgliedsnummer von Siegfried Buback und dazu den Satz „Folgt den Spuren“ auf Polnisch gedruckt hatte. Ein lächerliches Ratespiel, die Mitgliedschaft Bubacks war schon lange bekannt.

Es gab das selbstmitleidige Schweigen von Günter Sonnenberg, der dann aber doch noch vor Gericht „17 Jahre Isolationshaft“ beklagte. Sonnenberg hat wie Klar die meiste Zeit seiner Haft in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal verbracht, wo er wie alle anderen Häftlinge behandelt wurde.

Es gab das kühle Schweigen von Brigitte Mohnhaupt, die das Gericht wissen ließ, sie halte diesen Ort nicht für „eine geeignete Plattform“, um etwas zu sagen.

"Das haben wir zu akzeptieren"

Auch Christian Klar hat vorab mitgeteilt, er werde nicht aussagen . Gegen den in einem anderen Ermittlungsverfahren unternommenen Versuch, ihn per Beugehaft zur Aussage zu bringen, hat er Beschwerde eingelegt und vor dem Bundesgerichtshof Recht bekommen: Klar darf sich wie die anderen ehemaligen Terroristen auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen.

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Richter Wieland macht mit einem Satz deutlich, was er von dem BGH-Urteil hält: „Das haben wir zu akzeptieren.“

Mit einem langen Appell versucht er dennoch, Klar zum Reden zu bringen. Wieland hat sich auf den Zeugen vorbereitet, er hat das Fernsehinterview gesehen, dass der Publizist Günter Gaus 2001 mit dem damals noch inhaftierten Klar geführt hat. „In dem politischen Raum, vor dem Hintergrund von unserem Kampf, sind das keine Begriffe“, hatte Klar damals auf die Frage nach Schuld und Reue gesagt.

In der Begründung für seine Begnadigungsgesuch 2003 gab er jedoch an, dass er eine Schuld „selbstverständlich“ anerkennen müsse. „Sie könnten für dieses Verfahren der maßgebende Zeuge sein“, sagt Richter Wieland. Eine Aussage vor Gericht erfordere „mehr Mut“ als eine Verweigerung derselben.

Er sei sich sicher, fügt Wieland am Schluss hinzu, dass auch Klars Eltern ihn heute zu einer Aussage ermutigen würden. Im Interview mit Günter Gaus hatte Christian Klar insbesondere seine Mutter, eine Gymnasiallehrerin, als mutigen Menschen beschrieben.

Ein kontrolliertes, nüchternes Schweigen

Doch Christian Klar schweigt. Es ist ein kontrolliertes, nüchternes Schweigen. Nur die Fragen zur Person muss er beantworten. So erfährt man, dass er jetzt als Kraftfahrer arbeitet und davon seinen Lebensunterhalt bestreitet: „Es muss reichen.“ Der Frage nach seinen Wohnverhältnissen weicht Klar aus, der mit einem anderen Ex-Terroristen eine WG teilt, wohl in Berlin-Kreuzberg: „Ich zahle Miete für meinen Wohnsitz.“

Alle anderen Fragen beantwortet Klar immer wieder mit: „Ich mache keine Angaben.“

Bereits fünf Mal zu lebenslanger Haft verurteilt

Gegen das Gefühl der Resignation, dass sich im Gerichtssaal breit macht, begehrt Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts und Nebenkläger im Verfahren gegen Becker, auf. Klar sei der Einzige unter den RAF-Leuten, der im Zusammenhang mit dem Karlsruher Attentat keine Ermittlungen mehr zu befürchten habe, sagt der Chemieprofessor aus Göttingen.

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Klar war bereits 1985 unter anderem wegen des Buback-Mordes zu fünf Mal lebenslanger Haft verurteilt bei Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilt worden. Vor diesem Hintergrund, sagt Buback, könne er die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht verstehen. „Das deckt sich nicht mit meinem Rechtsempfinden.“

Es ist eine wütende Attacke gegen die Justiz, mit der Buback schon lange hadert. Bei Klar bewirkt sie erwartungsgemäß nichts. Nach einer Stunde wird er aus dem Zeugenstand entlassen.

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