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Deutschland Staatsbesuch

Warum die Mongolen Deutschland lieben

Zweieinhalb Stunden im „Hofbräuhaus“: Tsachiagiin Elbegdordsch, Präsident der Mongolei Zweieinhalb Stunden im „Hofbräuhaus“: Tsachiagiin Elbegdordsch, Präsident der Mongolei
Zweieinhalb Stunden im „Hofbräuhaus“: Tsachiagiin Elbegdordsch, Präsident der Mongolei
Quelle: Getty Images
Heute kommt der mongolische Präsident Elbegdordsch nach Berlin. 30.000 Mongolen sprechen Deutsch, bei der Fußball-WM fieberten sie in Schwarz-Rot-Gold mit. Das enge Verhältnis begann in der DDR.

Bei bayerischem Bier, Haxn, Hendln und Brezn hatte Tsachiagiin Elbegdordsch seinen letzten Besuch in Berlin beendet. Zweieinhalb Stunden lang hielt sich der mongolische Präsident im „Hofbräuhaus“ in der Nähe des Alexanderplatzes auf – einem, nun ja, eher unkonventionellen Ort für derart hochrangige Gäste. Über seinen „ersten Staatsbesuch“ freute sich damals der Restaurant-Chef. „Danke“, antwortete der Präsident in deutscher Sprache. An diesem Dienstag, knapp drei Jahre später, wird Elbegdordsch abermals in Berlin empfangen, kommt mit Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen.

Fremdheit und vor allem Ferne symbolisieren die Mongolei in Deutschland. Bisher weckten allenfalls Heldengeschichten Dschingis Khans oder der entzückende Kinofilm „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ Interesse an der Mongolei und ihren Mythen. Aber das Land will mehr, wirbt ab Mittwoch als Partnerland der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) Berlin für sich.

Umgekehrt ist das nicht nötig. In der Mongolei trifft Deutschland auf mehr als nur „Made in Germany“-Bewunderung. Deutschland ist nicht nur beliebt, sondern in Teilen des Volkes fest verankert. Wer etwa als Deutscher durch die Straßen der Hauptstadt Ulan-Bator streift, kann damit rechnen, von Einheimischen auf Deutsch angesprochen zu werden. Mit rund 30.000 Mongolen beherrscht etwa ein Prozent der gut drei Millionen Einwohner die deutsche Sprache – ein positives Erbe der DDR; sie hatte schon kurz nach ihrer Gründung, im Jahre 1950, diplomatische Beziehungen zur Mongolei aufgenommen. Bonn entschied sich dazu erst 1974. Im vorigen Jahr feierte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) 40 Jahre diplomatische Beziehungen in Ulan-Bator.

Dschingis Khan, hier als rund 30 Meter hohe Statue vor den Toren Ulan-Bators, ist in der Mongolei allgegenwärtig
Dschingis Khan, hier als rund 30 Meter hohe Statue vor den Toren Ulan-Bators, ist in der Mongolei allgegenwärtig
Quelle: dpa

Dabei waren es vor allem Entwicklungsprojekte und Stipendien der DDR, die (Ost-)Deutsche und Mongolen über Jahrzehnte hinweg in Kontakt brachten. Die schönste Zeit ihres Lebens hätten sie einst in Ost-Berlin, Leipzig oder Rostock verbracht, ist von Mongolen immer wieder zu hören. Mancher, der in der DDR ausgebildet wurde (und dies genoss), will heute seine Kinder abermals nach Deutschland schicken. Viele junge Mongolinnen interessieren sich für eine Au-pair-Stelle – nicht etwa in Frankreich oder Spanien, sondern in Deutschland. Erst im Januar stellte die deutsche Botschaft das 75.000. Visum aus. Der Botschafter lud zu einer kleinen Zeremonie, stolz präsentierte Ya Oyunbileg ihren Pass mit dem Visum vor der deutschen, europäischen und mongolischen Fahne. Die Wirtschaftsjuristin hatte einst in Berlin studiert.

Die deutsche Botschaft in Ulan-Bator befindet sich in dem Gebäude, in der einst die Diplomaten der DDR tätig waren – ein Symbol, das hier niemanden stört. Ein Überbleibsel aus alten kommunistischen Zeiten war lange auch die direkte Flugverbindung zwischen Berlin-Schönefeld und Ulan-Bator, betrieben von der kleinen mongolischen Gesellschaft Miat.

Kein Direktflug – es bleibt die „Transsib“

Noch vor wenigen Jahren gab es von Berlin aus zwar keinen Direktflug nach New York, sehr wohl aber einen nach Ulan-Bator. Derzeit sind die Direktflüge ausgesetzt. Wer Zeit hat, Lust auf viel Landschaft (und auf Tee aus dem Samowar), wählt die Transsibirische Eisenbahn, genauer gesagt den Zug Nummer 6 von Moskau nach Ulan-Bator. Jeden Donnerstagabend beginnt diese 6266-Kilometer-Reise, Ankunft am Dienstagmorgen.

Sowohl die russischen als auch – auf der Weiterfahrt nach Peking – die chinesischen Grenzbeamten sind nicht durchweg nett. Es schwingt eine gewisse Überheblichkeit der beiden Weltmächte gegenüber der „kleinen“ Mongolei mit – deren Fläche übrigens viereinhalbmal so groß ist wie Deutschland. Als „ein kleines friedliches Pony zwischen zwei Elefanten“ sieht der mongolische Präsident sein Land zwischen den mächtigen Nachbarn.

Ein Traum für Eisenbahn-Romantiker, die Hölle für Menschen mit Termindruck: Der Weg von Berlin nach Ulan-Bator führt derzeit nur über die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn
Ein Traum für Eisenbahn-Romantiker, die Hölle für Menschen mit Termindruck: Der Weg von Berlin nach Ulan-Bator führt derzeit nur über die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn
Quelle: picture alliance / dpa

Anders als die autoritären Staaten China und Russland ist die Mongolei seit der Transformation 1989 eine Demokratie. Hier wechseln Regierungen. Es gibt echte Wahlen, und eine Umweltministerin von der Grünen Partei. Den „Freiheitswillen der Mongolen“ würdigte Bundespräsident Gauck, als er seinen Amtskollegen 2012 empfing. Die Mongolei gehört der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (!) an. Das einstige Bundeswehr-Feldlager im afghanischen Faisabad war von mongolischen Soldaten gesichert worden.

In den vergangenen Jahren reisten etliche deutsche Politiker nach Ulan-Bator. Von einer „Rohstoffpartnerschaft“ spricht Kanzlerin Merkel gewohnt nüchtern. Sie hatte vor dreieinhalb Jahren mit dem Präsidenten in einer Jurte innerhalb des Regierungshauses gesprochen. Die Mongolei birgt große Vorräte Seltener Erden. „Noch viel Potenzial“ gibt es nach Ansicht der Bundesregierung für mehr Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Rohstoffriesen Mongolei und dem Vize-Exportweltmeister Deutschland. Die Korruption wird allenthalben beklagt, außerdem die Umweltzerstörung. Erst jüngst stiftete Deutschland 400 Ofenaufsätze für arme Familien in den Jurtenvierteln Ulan-Bators. Während des Winters herrschen hier Temperaturen bis zu minus 40 Grad Celsius. Smog hängt über der Stadt. Alte Autoreifen werden verbrannt, wenn es an Holz fehlt.

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Das auf gut 1300 Metern gelegene Ulan-Bator ist durch extreme Temperaturunterschiede geprägt. Im Sommer wird es hier bis zu 40 Grad heiß. Da schmeckt das Bier, ob bayerisch oder nur als bayerisch gepriesen. Tausende Mongolen verfolgten auf einem Großbildschirm die Spiele der Fußball-WM 2006 in Deutschland.

Fußball verbindet: Der Deutsche Philipp Marxen und seine mongolische Freundin Altangerel Enkhjargal schauen sich ein Spiel der Fußball-EM 2012 in Ulan-Bator an
Fußball verbindet: Der Deutsche Philipp Marxen und seine mongolische Freundin Altangerel Enkhjargal schauen sich ein Spiel der Fußball-EM 2012 in Ulan-Bator an
Quelle: picture alliance / dpa

Zumeist trugen sie Trikots in Schwarz-Rot-Gold, meistens in korrekter Anordnung der Farben. Podolski und andere Namen waren auf ihren Trikots zu lesen. Der mongolische Reporter konnte sogar „Schweinsteiger“ fehlerfrei aussprechen. Übertragen wurde das „Sommermärchen“ in einem riesigen Zelt. Das Bier gab es in Maßkrügen, und es wirkte. Auf den Tischen wurde jedes deutsche Tor bejubelt. Jenes Spektakel zu Ulan-Bator trug damals einen Namen: „Oktoberfest“.

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