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Fußball „Die Mannschaft“

Cineastische Grausamkeiten des deutschen Fußballs

Der WM-Film „Die Mannschaft“ schoss an den Kinokassen gleich auf Platz eins. Fußballfilme haben in Deutschland eine lange Tradition. Die ist nicht unbedingt schön. Fragen Sie mal Franz Beckenbauer.

Nein, Franz Beckenbauer war kein bisschen erfreut, als ein deutscher Sportsender im September 2010 den Film „Der Libero“ wiederholte. Der Schinken von 1973 war als filmische Ehrerbietung anlässlich des 65. Geburtstages des „Kaisers“ gedacht. Doch Beckenbauer empfand die Lobhudelei als veritable Schmähung. „Kann man das noch verbieten?“, soll er gefragt haben.

Konnte man nicht, der Film wurde ausgestrahlt. Genauso wie das jüngste Kinostück mit Fußballern in der Hauptrolle, das vergangenen Donnerstag in die Kinos kam und gleich am ersten Wochenende auf Platz eins der Kinocharts schoss. Laut dem Branchendienst „media control“ wollten 358.106 Zuschauer das jüngste Werk des DFB sehen. Damit verdrängte „Die Mannschaft“ sogar Christopher Nolans bombastischen Science-Fiction-Quark „Interstellar“ vom Thron.

Der WM-Film wird vor allem bei jenen Euphorie auslösen, die sich an den Bildern vom Titeltriumph noch nicht sattgesehen haben. Dieser vom DFB in Auftrag gegebenen Produktion, die einem 90-minütigen Hochglanzprospekt ähnelt, geht es vor allem um Emotionen, Fanbindung und Markenpflege; kommerzielle Absichten stehen allenfalls mittelbar dahinter; das Geld aus den Kinokassen soll vollständig sozialen Projekten zugutekommen.

Der Film mit dem Titel „Die Mannschaft“ steht dabei ganz in der Tradition deutscher Fußballfilme – ein Genre, das viele Tief- und wenige Höhepunkte bereithält.

Kordas „Die elf Teufel“

Bundestrainer Joachim Löw fand jedenfalls nach Ansicht des Streifens, dass „alle aus diesem Film etwas lernen können“. Löw meint damit wohl das von ihm selbst kreierte und über den Zeitraum von sechs Wochen konservierte Wir-Gefühl, das im bisweilen zynischen Fußballgeschäft immer unüblicher geworden ist. Abgesehen von diesem didaktischen Mehrwert ist das DFB-Opus aber so spannend wie eine PowerPoint-Präsentation zum Thema Gruppendynamik.

So wurde „die Mannschaft“ Fußball-Weltmeister

Die Mannschaft“ ist eine Dokumentation, die zeigt, wie es war, als die deutsche Nationalmannschaft Fußball-Weltmeister wurde. Nachdem der Film Ende des Jahres in den Kinos war, läuft er nun im TV.

Quelle: N24

Was man vor allem aus „Die Mannschaft“ lernen kann, ist die Erkenntnis, dass die deutsche Fußballfilmgeschichte arm an Höhepunkten ist. Am ehesten knüpft „Die Mannschaft“ noch an einen der ersten deutschen Fußballfilme überhaupt an, Zoltan Kordas Stummfilmdrama „Die elf Teufel“ von 1927, der das Konfliktpotenzial zwischen armen und reichen Vereinen thematisiert und große Motive wie Idealismus, Traditionsbewusstsein und Teamgeist verhandelt.

Im selben Jahr erscheint auch Fritz Freislers „König der Mittelstürmer“, mit Gustav Fröhlich in der Hauptrolle. Diese beiden frühen Produktionen stehen für die wachsende Popularität des Fußballs in den 20er-Jahren. Danach folgte lange Zeit erst mal nichts.

Wachsende Professionalisierung

Wim Wenders 1972 erschienenes Spielfilmdebüt „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ nach einer Novelle von Peter Handke hatte bis auf die einleitende Seuqenz kaum etwas mit Fußball zu tun und floppte an der Kinokasse. Zwei Jahre zuvor sorgte der Experimentalfilmer Hellmut Costard für Aufsehen. In „Fußball wie noch nie“ ist die Kamera 90 Minuten lang auf einen einzigen Spieler gerichtet: George Best.

Er markiert den Beginn einer neuen Phase des Fußballfilms mit streng figurenbezogenen Erzählungen. Der Kicker im Mittelpunkt eines abendfüllenden Spielfilms, das hatte es zuvor so nicht gegeben. Und dann kam er: „Der Libero“.

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Die Beckenbauer-Schmonzette ist ästhetisch eine Inkunabel der schlimmsten Sorte, sportgeschichtlich, wenn man so will, dennoch eine Zäsur, fällt „Der Libero“ doch in die betriebswirtschaftlichen Aufbruchsjahre der Bundesliga, die mit einer rasant wachsenden Professionalisierung einhergingen. Plötzlich hatten die Vereine Werbepartner, Spieler wechselten nur noch gegen Riesensummen und die Mannschaften brauchten jetzt einen richtigen Manager. Und der Fußball kam auch im Kino an.

Jede Menge stupide Dialoge

Das Zentrum des großen Goldrauschs lag nicht zufällig an der Säbener Straße in München, wo unter dem umtriebigen Manager Robert Schwan Stars wie Ulrich Hoeneß und Paul Breitner zu begehrten Markenbotschaftern aufstiegen. Und weil der Prototyp aller popkulturellen Überhöhung auch damals schon Franz Beckenbauer war, jener kraushaarige Schlaks aus Giesing, der seine Elf wie ein Maestro zu führen wusste und dem Proletensport Fußball einen Hauch Grandezza verlieh, drehte man folgerichtig mit ihm einen Film, der von nichts anderem handelte als: Franz Beckenbauer.

In dem halbdokumentarischen Streifen planscht Beckenbauer in knapper Badehose im Roten Meer herum, versucht eine Unterhaltung mit Kamelen und lässt sich von anderen Laiendarstellern in jede Menge stupide Dialoge verwickeln. Man kommt leider nicht um die Feststellung herum: Der Fußballriese Beckenbauer wirkt als Schauspieler wie ein Einbeiniger beim Elfmeter, und nach knapp 85 Minuten wünscht man sich wirklich, dieses Stück Zelluloid wäre nie ans Licht gekommen.

Das Lexikon des internationalen Films urteilte, es handle sich um eine „Ehrerbietung, die weder über den Sportler noch über seinen Sport wesentlich Neues bringt und deren ambitionierte Machart in keinem Verhältnis zum Ergebnis steht.“ Dennoch trugen die 85 Minuten nicht unerheblich zur kultischen Verehrung des „Kaisers“ bei. Regie führte übrigens Wigbert Wickert, der später mit weiteren Perlen der Filmgeschichte reüssieren sollte, wie „Car-Napping“ oder „Didi auf vollen Touren“.

Authentischer Einblick

Zu jenen Akteuren, die kinematografisch verewigt wurden, gehörten auch die Beckenbauer-Spezis Breitner und Hoeneß, die in der Bundesligasaison 1978/79 von den Filmemachern Christian Wiesenborn und Michael Wulfes ein Jahr lang begleitet wurden. Man sieht die beiden sehr behaarten Männer halb nackt in einem Hotelbett liegen, dazu referiert Breitner über das Wesen einer Fußballerbeziehung. „Es klingt vielleicht blöd, aber irgendwann haben der Uli und ich den Eindruck eines alten Ehepaares gemacht.“

Tatsächlich liefert die Dokumentation, die später unter dem Titel „Profis“ ins Regal gut sortierter Videofachhandlungen wanderte, auch wegen ihrer Distanz zu den Protagonisten einen authentischen Einblick ins damals noch sagenumwobene Fußballgeschäft.

In den Achtzigern kam Fußabll auch im Fernsehen an, die TV-Serie „Manni, der Libero“ war ein große Erfolg. Thomas Ohrner spielte einen Nachwuchskicker auf dem Weg in den Profifußball. Im Kino dominierte zu dieser Zeiten der Fanfilm, der die sportsoziologischen Realitäten der Zeit abbildet: Erstarken der Fankultur, das Aufkommen von Hooligan- und Ultra-Gruppierungen und das Stadion, das als außeralltäglicher Erlebnisort immer stärker in den Mittelpunkt bundesdeutscher Freizeitgestaltung rückt. Die ersten Fanfilme kamen jedoch aus der DDR. „Verzeihung, sehen Sie Fußball?“ (1983) oder „Und freitags in die Grüne Hölle“ über die Anhänger von Union Berlin.

Am liebsten mit Ralf Richter

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In (West-)Deutschland erlebte der Fanfilm Anfang der Neunziger seinen Höhepunkt mit „Nordkurve“ oder „Schicksalsspiel“, die die Fanmilieus im Ruhrpott und auf St. Pauli porträtieren, bevor dann die Periode der Fußballkomödien einsetzte, die Ruhrgebietshumor mit abstrusen Verwicklungen kombinierte und meistens eine Rolle für den Vorzeige-Proll Ralf Richter vorsah.

Im Jahr 2007 wurde dann ein weiterer Bayern-Star auf der Leinwand verewigt: Mehmet Scholl. Selbstkritisch und reflektiert präsentiert sich der ehemalige Mittelfeldspieler in der Dokumentation „Frei:Gespielt“, Scholl spricht offen über eigene Fehler, seine Anfälle von Selbstüberschätzung und die allgegenwärtige Hysterie des Unterhaltungsbetriebs Fußball.

Ein außergewöhnliches Porträt und allemal sehenswerter als krachbunte Fußballmärchen wie die Frauenpower-Klamotte „FC Venus“, Adoleszenz-Abenteuer wie „Die wilden Kerle“ oder Sönke Wortmanns „Das Wunder von Bern“, ein vor Pathos triefender Geschichtsporno, der quasi das gesamte Germanentum aufs runde Leder reduziert.

Nur noch Brandreden-Folklore

Den neuen Film vergleicht Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff übrigens mit Wortmanns erfolgreicher Doku „Sommermärchen“: „2006 war der WM-Film für und über Deutschland und die Stimmung im Land. Der Film jetzt hat noch mehr Atmosphäre, noch mehr Nähe. Er zeigt, was im Team passiert. So bringt er die Nationalmannschaft den Fans noch näher. Es gibt mehr interne Eindrücke, mehr Einsichten hinter die Kulissen als beim Sommermärchen.“

Eigentlich dachte man ja, mehr Intimität als beim Sommermärchen geht nicht. Wortmann drang während der Heim-WM 2006 mit seiner Kamera in die DFB-Kabine ein, ins Allerheiligste einer Fußballmannschaft, und filmte hautnah, wie der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann seine Mannen vor dem Duell gegen Polen heiß redete.

In „Die Mannschaft“ ist die Ent-Mystifizierung der Teamrituale einer gewissen Brandreden-Folklore gewichen. Ständig schreit jemand „Geht raus und haut sie weg!“. Wie glattgebügelt das Ganze ist, lässt sich auch an der Tatsache ablesen, dass die Fifa den Film erst durchwinken wollte und wohl bei einigen Szenen ihr Veto eingelegt hat.

Monströse Dreadlock-Perücke

Ohnehin kann es der WM-Film nicht mit dem bislang besten deutschen Beitrag zum Genre Fußballfilm aufnehmen. Das ist Aljoscha Pauses Langzeitdokumentation über den Alltag von Profitrainern. Für „Trainer“ (2013) beobachtete der Filmemacher die Coaches aus der 2. und 3. Bundesliga monatelang, fing den permanenten Druck, die akribische Arbeit und ihre nagenden Selbstzweifel ein. Pause gelingt ein überraschender Blick hinter die Kulissen des Hochdruckgeschäfts Fußball, ohne Voyeurismus, und von der Kritik zu Recht gelobt und für den Adolf-Grimme-Preis nominiert.

Wer sich eher nicht für die psychologischen Feinheiten des Gewerbes interessiert, dem bleibt immer noch jene ziemlich handfeste Verballhornung des Amateurfußballmilieus, wie es in der Komödie „Bang Boom Bang“ persifliert wird. Darin nimmt Til Schweiger mit derben Sprüchen und monströser Dreadlock-Perücke schon vorweg, was im WM-Finale 2006 tatsächlich zwischen Marco Materazzi und Zinedinde Zidane folgen sollte.

Das Gute ist: Schlechter als „Der Libero“ kann auch in Zukunft kaum ein Fußballfilm werden. Über das Machwerk von 1973 sagte der Hauptdarsteller rückblickend: „Der Film ist es wirklich nicht wert, dass man ihn sich anschaut. Die Handlung ist relativ spärlich, ich war dafür nicht gut genug.“

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