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Fußball „Bayern-Fan“

Die halbe Liga fühlt sich von Marcel Reif verfolgt

Ressortleiter Sport
Beim BVB und Schalke 04 gilt Marcel Reif als Fan des FC Bayern. Dort wiederum halten sie ihn für einen Bayern-Hasser. Über den leicht schizophrenen Umgang der Bundesliga mit einem TV-Kommentator.

Die Ablehnung für Reif ist beinahe so alt wie dessen Karriere als Sportkommentator. Diese begann der Journalist 1984 beim ZDF. Ein Jahr später war Franz Beckenbauer zu Gast im „Aktuellen Sportstudio“ des Senders und nutzte seinen Auftritt für das erste öffentliche Runterputzen von Reif.

„Jetzt habt Ihr ja noch so einen Zauberer“, formulierte der damalige Teamchef der Nationalelf: „Wie heißt der? Reif oder wie? Der spricht wunderbare politische Kommentare. Aber bitteschön lasst ihn vom Fußball weg.“

Ein Wunsch, der nicht in Erfüllung gehen sollte. 30 Jahre später kommentiert Reif immer noch Fußballspiele, manchmal tritt er sogar Seit an Seit mit Beckenbauer auf, beide haben einen Sky-Vertrag. Die Wünsche, Reif nicht mehr kommentieren zu lassen, sind seit 1985 dennoch nicht weniger geworden. Im Gegenteil: Kein anderer Sportkommentator zieht so viele Anfeindungen auf sich wie der 65-Jährige. Tiefpunkte waren jüngst zwei Angriffe in Dortmund und Dresden.

Nun mag der Eindruck entstehen, dass Reif nach den Attacken vor allem von Fans und Verwantwortlichen des BVB abgelehnt wird. Doch dem ist nicht so. Vielmehr schlägt dem Wahl-Schweizer an vielen Ecken des Landes Feindschaft entgegen. Der Umgang mit Reif wirkt bei näherer Betrachtung recht schizophren.

Hoeneß wollte Reif und Premiere boykottieren

In einem Interview wurde er einmal mit dem Vorwurf konfrontiert, in München als Feind des FC Bayern zu gelten. Reif antwortete: „Die von Ihnen angesprochenen Anhänger würde ich allerdings freundlicherweise mal bitten, nach Dortmund oder nach Schalke zu fahren und sich mal anzuhören, was dort über mich gesagt wird. Dort bin ich das Radio Bayern. Und das ist noch sehr positiv formuliert.“

Tatsächlich hält sich die Geschichte vom Bayern-Fan Reif derart hartnäckig, dass 2013 der Aprilscherz eines Internetportals überraschend ernst genommen wurde. Der DFB, so die Meldung, habe Reif wegen seines „hoch lobenden Sprachgebrauchs im Zusammenhang mit dem deutschen Rekordmeister“ für fünf Spiele des FC Bayern gesperrt.

Dass die Meldung tatsächlich weiter verbreitet wurde, mag daran liegen, dass die Bayern derartiges tatsächlich einmal im Sinn hatten. 2003, als Sky noch Premiere hieß, hatte Uli Hoeneß Folgendes zu Protokoll gegeben: „Wir werden uns überlegen, ob wir jetzt mal Premiere boykottieren mit Marcel Reif. Das ist für mich unerträglich. In Glasgow beim 0:0 hat er uns niedergemacht. 90 Minuten Totalverriss. Da haben uns Leute geschrieben, dass sie ihn nicht ertragen konnten.“ Hoeneß’ hatte damals einen Kronzeugen, der ein 1:1 gegen Werder Bremen am Fernseher gesehen habe: „Mich hat Karl-Heinz Rummenigge angerufen, der es verfolgt hat. Er sagte, Reif war unerträglich.“

Was Fans anderer Klubs nicht daran hindert, im Beisein des Kommentators von der „Bayern-Sau“ und noch Unflätigerem zu singen. Hier ein Beispiel aus Schalke.

Und auch in Dortmund ist sich manch Anhänger sicher, dass Reif dem gelb-schwarzen Verein Böses will. 1995 war es, als er Trainer Ottmar Hitzfeld nach einem 0:0 gegen Steaua Bukarest so begrüßte: "Herr Hitzfeld, ich bin bereit, Ihnen zum Weiterkommen zu gratulieren, wenn Sie den Zuschauern Ihr Mitgefühl ausdrücken für die Art und Weise, wie es denn zustande gekommen ist."

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Die öffentlich Kritik des Vereins fiel ähnlich scharf aus wie später im Jahr 2008. Damals schrieb Reif in einer Kolumne im Berliner „Tagesspiegel“ über den gerade aus Mainz gekommenen Trainer Jürgen Klopp: „Nach seinen jüngsten Auftritten als Rumpelstilzchen wäre es wohl für alle Beteiligten das Beste gewesen, er wäre etwas bodenständiger geblieben und damit in der Zweiten Liga verschwunden.“

Als Reif sich bei Klopp entschuldigte

Klopp, der Reif erst an diesem Wochenende erneut mit einem Spruch versehen hatte („Der Reif findet ja gar nichts mehr witzig“), war nicht amüsiert, akzeptierte aber die Entschuldigung des Fernsehmannes: „Diese Aussagen waren ein Fehler von mir.“ Hängen geblieben scheint aber dennoch etwas zwischen den beiden.

Jürgen Klopp und Marcel Reif sind sich nicht grün
Jürgen Klopp und Marcel Reif sind sich nicht grün
Quelle: pa/firo/augenklick

Was übrigens auch für Bayer Leverkusen gilt. Im Werksklub beanspruchen sie nämlich auch für sich, von Reif verachtet zu werden. 2012 hatte Rudi Völler einen seiner legendären Wutanfälle, deren Folge stets Klartext sind. „Was der sagt, geht mir am Arsch vorbei, dieser Klugscheißer!“, tobte der Sportdirektor nach einem Spiel und autorisierte seinen eigenen Aussagen umgehend: „Das können Sie ruhig so schreiben!”

Was wir hier gern noch einmal getan haben. Auslöser des druckreifen Wortes: Während des Spiels hatte ein Bayer-Spieler verletzt am Boden gelegen, was Reif folgenden Satz sagen ließ: „Jetzt müssen sie den Ball ins Aus spielen, das werden die Leverkusener ja wohl noch hinbekommen.“

Ein Jahr später eskalierte die Lage endgültig, als Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser im „Express“ Reif der mutwilligen Leverkusen-Abneigung bezichtigte: „Marcel Reif hat noch nie etwas übrig gehabt für Bayer. Er hat ja mal gesagt, dass er Schmerzensgeld bekommen müsse, um in die BayArena zu kommen. Seine unterschwellige Abneigung ist nicht mehr zu billigen.“

Für Tim Wiese ist der Fall Reif klar

Nun führt uns unsere Bundesliga-Konferenz in den Norden. Auch über Werder Bremen schrieb Reif 2008 ein paar Sätze und fasste eine damals heilige Kuh an: „Es ist kein Dampf dahinter, Einheitsbrei. Es ist wohl an der Zeit, dass Schaaf mal auf Wanderschaft geht.“

Bremens Antwort kam von Willi Lemke: „Seine Aussagen sind eine Frechheit und an Dummdreistigkeit nicht zu überbieten. Ich schalte den Ton ab. Und ich weiß, dass das viele andere auch machen, weil sie Reif nicht mehr hören können.“ Mit folgendem Satz von Tim Wiese schloss sich der Kreis: „Man weiß ja, dass er Bayern-Fan ist!“

Fazit Reif: „Solange mir also in Bayern unterstellt wird, ich sei ein Bayern-Gegner, und anderswo, ich sei ein absolut fanatischer Bayern-Fan – solange kann es nicht ganz verkehrt sein, was ich mache.“

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