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Panorama Hannelore Hoger

Rente? „Davon könnte ich kein Altersheim bezahlen“

20 Jahre lang hat sie als ZDF-Kommissarin „Bella Block“ das Elend der Welt geschultert. Jetzt ist Schluss. Denn die 71-Jährige kann und will auch anders. Eine Begegnung mit Hannelore Hoger.

Die Frage lag einem schon auf der Zunge. Wie das ist, wenn man einen Vogel hat. Schuld daran ist das Tüpfelsumpfhuhn, Nebendarstellerin in ihrem neuen Film. Man hört und sieht es nicht in Rainer Kaufmanns ZDF-Komödie „Uferlos“. Und doch ist dieser vom Aussterben bedrohte Vogel der Schlüssel zu einer Geschichte, die von einem Biotop an einem brandenburgischen See erzählt und davon, wie es die eigenbrötlerische Naturschützerin Marlies (Hannelore Hoger) verteidigt.

Um die Freigabe eines Uferweges zu verhindern, geht sie bis an den Rand des Gesetzes. Sie kidnappt den Kater des Nachbarn Mikkel (Rolf Lassgard). Sie fackelt sogar die Sandalen von Mikkels Geliebter mit dem Gasbrenner ab.

Dank des Sumpfhuhns zeigt sich die Schauspielerin von einer Seite, die viele noch nicht an ihr gekannt haben. Doch man verkneift sich die Frage nach dem Vogel, als die Tür zu einem Büro im ZDF-Hauptstadtstudio aufgeht und man sieht, wie sie im Sessel thront. Eine Diva.

Auf dem Stempel steht „Stehauffrau“

Erstaunlich zart wirkt sie in einem weißen Kleid, das ihr gerade bis zu den Knien reicht. Der Kopf klemmt zwischen den Schultern, die Mähne milvahaft toupiert. Doch dann hört man ihre heisere, leicht knarzende Stimme, die immer ein bisschen so klingt, als sei es letzte Nacht später geworden in der Bar. Und sie erscheint einem merkwürdig vertraut.

Hannelore Hoger ist „Bella Block“, Deutschlands älteste TV-Kommissarin. Oder ist „Bella Block“ Hannelore Hoger? Nach knapp 20 Jahren ist sie mit dieser Figur verschmolzen. Und kaum einer fragt noch, wer zuerst da war: der Vogel oder das Ei? Es ist ein Fluch, einerseits. Schließlich bedingt jede Serienrolle eine gewisse Stereotypisierung.

Stehauffrau, das ist der Stempel, den ihr das TV verpasst hat. Tough, launenhaft und mit einem Selbstbewusstsein, das die einen burschikos und die anderen biestig nennen. Und wäre da nicht ihre Gabe, Tätern und Opfern so tief ins Herz zu schauen, dass sie ihr eigenes Gesicht auf dem Grund erkennt, wer weiß, ob ihr das Publikum 33 Episoden lang gefolgt wäre.

Der Wert der Wiedererkennung

Doch, versichert die Schauspielerin in diesem lässigen Hamburg-Sound, der mit den Konsonanten auch so manche Kante schleift. Die Rolle sei ein Glücksfall für sie gewesen, nicht nur in finanzieller Hinsicht. Im vergangenen Jahr hat sie den Grimme-Preis für ihr Lebenswerk gewonnen. Es war der Ritterschlag für eine Schauspielerin, die den kommerziellen Durchbruch erst in einem Alter schaffte, in dem andere Kolleginnen aussortiert werden.

Das war 1993. Hoger, die mit 19 Mutter geworden und ihre Tochter Nina alleine großgezogen hatte, war da schon 50. Eine gefeierte Theaterschauspielerin, Muse von Regisseuren wie Peter Zadek und Alexander Kluge. Sie sagt, mit der Rolle der ZDF-Kommissarin habe sie etwas gewonnen, was im Fernsehen unverzichtbar sei: einen Wiedererkennungswert.

Sie verschränkt die Arme hinter dem Kopf und rutscht ein Stück tiefer in ihren Sessel. La Hoger ist zwar leicht erschöpft vom stundenlangen Interview-Marathon, sie beantwortet aber jede Frage, sogar die, was sie denn trinke, wenn sie die Bella nach einem langen Drehtag abgestreift hat. Harte Drinks, erklärt sie, vertrage sie nicht mehr. „Ich trinke aber gerne mal einen Campari Orange.“

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Wir reden über diese Trümmerfrau unter den deutschen TV-Kommissarinnen, die darunter leidet, dass sie immer erst gerufen wird, wenn eine Welt in Stücke gefallen ist. Eine Wegbereiterin für Rosa Roth, Eva Blond und all die anderen, die in der Prime Time Verbrecher jagen.

Wen sie selber gerne schaut? Die Kollegin aus Frankfurt...

Fragt man die Hoger, welcher Kollegin der jungen Generation sie gerne zuschaut, fällt der Name Connie Mey. So hieß die letzte „Tatort“-Kommissarin in Frankfurt, gespielt von Nina Kunzendorf. „Die hatte Standing“, entfährt es ihr. Eine Ermittlerin, widerborstig wie Bella Block, aber eine, die sich auch traute, die Waffen der Frau einzusetzen.

Doch, sagt sie, natürlich habe sie Bella, einer Figur der Krimi-Autorin Doris Gercke, ihren Stempel aufgedrückt. Nicht immer habe sie sich dabei an die Regeln des ZDF gehalten. „Ich darf nicht rauchen und nicht zu viel trinken, es sei denn, man macht einen Film über Alkoholismus. Find ich falsch.“ Aber auf Sexszenen, sagt sie, ließ sie sich nur ein, wenn es die Dramaturgie erforderte.

Jetzt ist sie 71, und fragt man sie, ob es nicht an der Zeit sei, dass das Fernsehen auch Darstellern in ihrem Alter ein Recht auf Zärtlichkeit zugestehe, wehrt sie beinahe empört ab. Sie sagt, sie fühle sich zwar wie 51. Doch für Frauen sei es schon schwer genug, sich mit den „Demütigungen des Alters“ zu arrangieren.

Der Rückzug vom Rückzug

Gerade habe sie sich beim Training im Fitness-Studio einen Muskel gezerrt. Schon allein deshalb sei sie froh darüber gewesen, dass die Sex-Szene im Stehen in dieser ZDF-Komödie einer jüngeren Kollegin vorbehalten blieb. „Ich hätte gesagt, mir ist das zu unbequem.“ Sie lacht laut auf. Ein Flirt mit dem 15 Jahre jüngeren Mikkel, das ist alles, was ihr der Film abverlangt.

Die Chemie zwischen ihr und Rolf Lassgard stimmt, auch im richtigen Leben. Schon zum dritten Mal steht sie mit dem Darsteller des schwedischen Kommissars Wallander vor der Kamera. Im Film schaut sie trotzdem verschämt zur Seite, als sie gemeinsam auf den See herausrudern und er spontan ins Wasser springt – in Unterhose, mehr mutet ihr das ZDF nicht zu.

Dabei kann sie auch ganz anders. Sie sagt: „Ich würde gerne mal auf der anderen Seite stehen und die Böse sein.“ Zeit genug hätte sie. Bella quittiert den Dienst. Das hatte sie im Januar verkündet. Ein bisschen vorschnell. Soeben hat sie ihre 34. Folge gedreht, ein oder zwei weitere Fälle werden wohl noch folgen.

Drei Filme im Jahr, die schafft sie schon noch

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Man denkt an Tina Turner, das ewige Frolleinwunder des Souls, das seit Jahren bye-bye sagt, nur um beim nächsten Mal vor größerem Publikum abzurocken. Ist es schwer, Abschied zu nehmen? „Nö“, sagt die Hoger da ungerührt. Den Vertrag habe sie nur auf Drängen der Ufa unterschrieben, ihrer Produktionsfirma. Bella sei eben ein Quotengarant.

Mit der könne man Geld verdienen. Ein Argument, das nicht unterschätzt werden sollte. Sie sagt, drei Filme im Jahr schaffe sie schon noch. Und ganz aufzuhören, könne sie sich sowieso nicht leisten. „Von meiner staatlichen Rente allein könnte ich kein Altersheim bezahlen.“

ZDF, Uferlos, 23. September, 20.15 Uhr.

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