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Wall Street Journal Teamvergleich

Das sind die wehleidigsten Mannschaften der WM

Brasiliens Stürmerstar Neymar ist oft Opfer von Attacken der Gegner. Hier krümmt er sich im Vorrundenspiel gegen Mexiko. Das ging übrigens torlos aus Brasiliens Stürmerstar Neymar ist oft Opfer von Attacken der Gegner. Hier krümmt er sich im Vorrundenspiel gegen Mexiko. Das ging übrigens torlos aus
Brasiliens Stürmerstar Neymar ist oft Opfer von Attacken der Gegner. Hier krümmt er sich im Vorrundenspiel gegen Mexiko. Das ging übrigens torlos aus
Quelle: REUTERS
Sie schreien bei der WM, jammern und schlagen mit den Fäusten auf den Rasen. Liegen Fußballer eigentlich nur leidend am Boden? Nein. Aber manche beanspruchen doch etwas mehr Zeit, um sich zu krümmen.

Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien läuft bisher alles nach Plan. Und doch gibt es auch Kritik an den Mannschaften. Die Spieler würden zu viel Zeit auf dem Rasen herumliegen, um über Schmerzen nach Fouls zu lamentieren, klagen viele.

Viel zu häufig passiert es, dass offensichtlich gesunde Spieler mit schmerzverzehrten Gesichtern zu Boden gehen. Sie schreien, jammern und schlagen mit den Fäusten auf den Rasen. Sie rufen nach Hilfe von der Seitenlinie. Sie umklammern bestimmte Körperteile, als wären sie gerade aus einer Bärenfalle befreit worden.

Doch nach einigen Augenblicken, gerade noch rechtzeitig, bevor die Priester anrücken, um die letzte Ölung vorzunehmen, setzen sie sich wieder auf, reiben sich den Dreck von den Trikots und rennen zurück auf den Platz, um weiterzuspielen.

Fans der weltweit beliebtesten Mannschaftssportart wissen genau, dass es sich dabei um eine alte und weitverbreitete Taktik handelt. Wenn ein Spieler nach einem eher harmlosen Foul theatralisch zu Boden sinkt, steigen die Chancen, dass sein Gegenüber mit einer Gelben oder Roten Karte bestraft wird.

Auch eignen sich die großen Auftritte, um auf Zeit zu spielen oder den Mannschaftskollegen eine kleine Verschnaufpause zu verschaffen. Interessant an der WM ist jedoch, dass sich die Länder bei ihrem Vorgehen unterscheiden. Einige sind wahre Künstler im Zeitschinden, andere gehen so gut wie nie zu Boden.

132 Minuten in 32 WM-Spielen

Vor diesem Hintergrund haben wir uns 32 WM-Spiele noch einmal angesehen und anhand einer umfassenden empirischen Studie versucht, herauszufinden, welches die wehleidigsten Teams dieser Weltmeisterschaft sind.

Während der ersten 32 Spiele fielen insgesamt 302 Spieler mit Schmerzen auf den Rasen, lagen leblos am Boden oder rollten sich in Embryo-Stellung zusammen, während der Schiedsrichter das Spiel unterbrach. Diese theatralischen Episoden zogen sich über einen Gesamtzeitraum von 132 Minuten hin. Wir haben diesen Zeitraum die „Sich-Krümmen-Zeit" genannt („writhing time").

Nun muss man natürlich sagen, dass man sich beim Fußball tatsächlich verletzten kann. Es können Köpfe gegeneinander rasseln, Achillessehnen können reißen, die Weichteile können etwas abbekommen. Insgesamt gab es neun Verletzungen, die so ernst waren, dass Spieler ausgewechselt werden mussten und möglicherweise weitere Spiele verpassen. Diese haben wir aus unserer Untersuchung ausgeklammert. Damit blieben 293 Fälle übrig, die insgesamt 118 Minuten und 21 Sekunden auf sich vereinnahmten.

Ausmaß des Schauspiels korreliert mit Ergebnis

Aber wie sind wir eigentlich auf die Sich-Krümmen-Zeit gekommen? Wir haben immer dann die Stoppuhr gestartet, wenn der Schiedsrichter wegen einer möglichen Verletzung abgepfiffen hatte. Der Zeitraum endete in dem Moment, in dem der Spieler wieder auf beiden Beinen stand. Falls die Regie einen Schnitt zur Wiederholung machte, haben wir einfach geschätzt. Wurde ein Spieler vom Spielfeld begleitet, stoppten wir in dem Moment, in dem er die Seitenlinie überquerte.

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Eine Sache hat unsere Untersuchung ganz deutlich gezeigt: Das Ausmaß an Schauspielerei eines Spielers während der Partie korreliert stark mit dem aktuellen Ergebnis. Spieler des verlierenden Teams kamen auf 40 „Verletzungen" und verbrauchten dabei 12,5 Minuten „Sich-Krümmen-Zeit". Doch die Spieler der siegenden Mannschaften kamen auf 103 „Verletzungen" und fast vier Mal so viel „Sich-Krümmen-Zeit". Sie hatten auch ein größeres Interesse daran, dass die Spielzeit so schnell wie möglich verrinnt.

Brasilien und Honduras leiden sehr

Da wir das nun klargestellt haben, präsentieren wir jetzt die „Gewinner" unserer ersten internationalen Fußball-Verletzungs-Schönfärberei-Preise. Die Umschläge, bitte.

Das Team mit den meisten verzerrten Gesichtern ist Brasilien: 17 Mal lag ein Spieler der Seleção in zwei Spielen am Boden. Das waren so viele wie bei keinem anderen Land. Posterboy Neymar kam alleine auf fünf solcher „Verletzungen". Immer war er innerhalb von 15 Sekunden wieder auf den Beinen.

Das Team mit der meisten „Sich-Krümm-Zeit" ist Honduras: Spieler von Los Catrachos lagen ganze sieben Minuten und 40 Sekunden auf dem Boden oder ließen sich behandeln. Fünf Minuten und zehn Sekunden davon entfielen auf die erste Halbzeit gegen Frankreich, als das Spiel unentschieden stand. Das wäre für Honduras ein ausreichendes Ergebnis gewesen.

Größtes Massaker bei den Chilenen

Das Team, das die Schläge am besten weggesteckte, ist Bosnien und Herzegowina: Diese WM-Neulinge scheinen offensichtlich nicht zu verstehen, wie das Spiel läuft. Nur zwei Mal lagen Spieler in zwei Partien auf dem Boden. Nach insgesamt 24 Sekunden standen sie wieder.

Das Team mit dem größten Massaker in einem Spiel ist Chile: Während der Partie gegen Spanien, als die Chilenen eine knappe Führung verteidigten, gingen die Spieler aus Südamerika elf Mal zu Boden.

Die Deutschen fielen insgesamt acht Mal, die Behandlungszeit hielt sich in Grenzen. Um die Müller & Co. wieder fit zu machen, dauerte es nur eine Minute und 58 Sekunden. Die Spanier waren allerdings bei der gleichen Anzahl an Verletzungen neun Sekunden schneller wieder auf den Beinen.

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Die schnellste Verletzung hatte Enner Valencia aus Ecuador: Gegen Honduras lag Valencia nach vier Sekunden mit angezogenen Knien auf dem Rasen.

Für den unnötigsten Einsatz der Trage zeichnen gleich fünf Spieler verantwortlich: Von den neun Spielern, die während der Spiele vom Platz getragen wurden, kehrten fünf zurück – alle in weniger als 90 Sekunden.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen unter dem Titel „Die wehleidigsten Mannschaften der WM“ im „Wall Street Journal Deutschland“.

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