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SPD und Union planen teure Renten-Geschenke

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Der Beitragssatz könnte von derzeit 18,9 Prozent spürbar auf 18,3 Prozent gesenkt werden Der Beitragssatz könnte von derzeit 18,9 Prozent spürbar auf 18,3 Prozent gesenkt werden
Der Beitragssatz könnte von derzeit 18,9 Prozent spürbar auf 18,3 Prozent gesenkt werden
Quelle: Infografik Die welt
Die Rücklagen der Rentenkassen sind so hoch wie lange nicht. Laut Gesetz müsste der Beitragssatz sinken. Aber ob es dazu kommt, ist fraglich – denn SPD und Union planen jede Menge neuer Leistungen.

Die Rentenversicherung steht so gut da wie seit vielen Jahren nicht mehr. Dank hoher Beschäftigung und steigender Löhne liegen die Beitragseinnahmen deutlich über den Ausgaben.

Die prall gefüllte Rentenkasse erlaube es, den Beitragssatz von derzeit 18,9 auf 18,3 Prozent spürbar zu senken, verkündete der Vorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Bund, Alexander Gunkel. Das wäre der niedrigste Stand seit zwei Jahrzehnten.

Doch ob es dazu kommt, ist höchst fraglich. Denn in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD zeichnet sich schon eine Einigung auf neue, teure Leistungen ab. Mitglieder der zuständigen Arbeitsgruppe bezweifelten deshalb, dass der Beitragssatz zum 1. Januar 2014 wie im Rentenrecht vorgesehen tatsächlich abgesenkt wird.

Mütterrente und Renten-Aufstockung

Der Vorsitzende des einflussreichen Arbeitnehmerflügels in der Unionsfraktion, Peter Weiß, verweist auf die von seiner Partei versprochene Verbesserung für Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben. Diese Mütterrente soll ebenso aus Beitragsmitteln finanziert werden wie die von SPD und Union geforderte Renten-Aufstockung für langjährig versicherte Geringverdiener.

Verhandelt wird auch über höhere Erwerbsminderungsrenten sowie über eine Angleichung der Ostrenten. Die Sozialdemokraten wollen zudem Ausnahmen bei der Rente mit 67 erreichen. Die SPD hatte bereits im Wahlkampf erklärt, dass für sie Leistungsausweitungen Vorrang vor niedrigeren Beiträgen hätten.

Das gültige Rentenrecht sieht vor, dass der Beitragssatz sinkt, wenn die Finanzreserve das Eineinhalbfache einer Monatsausgabe übersteigt. Nach Berechnungen der Rentenschätzer dürfte die Rücklage bis Jahresende auf rund 31 Milliarden Euro anwachsen. Das entspricht 1,75 Monatsausgaben der Rentenversicherung. Damit wäre eine Absenkung um 0,6 Prozentpunkte möglich.

Wirtschaftsflügel der Union stellt sich quer

Doch ein solcher Schritt setzt eine entsprechende Entscheidung des Bundestages im November voraus. Vor einem Abschluss der Koalitionsverhandlungen dürfte es jedoch dazu kaum kommen – und später könnten die Berechnungen der Rentenversicherer wegen der Rentenbeschlüsse Makulatur sein. Die SPD schlägt stattdessen jetzt vor, die Rücklage per Gesetz anzuheben, um künftige Zusatzlasten damit finanzieren zu können.

Der Wirtschaftsflügel der Union ist indes nicht gewillt, den Sozialpolitikern in der Rentenpolitik kampflos das Feld zu überlassen. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, besteht auf die Absenkung des Rentenbeitragssatzes.

„Wir müssen den Faktor Arbeit weiter entlasten“, sagte Lauk der „Welt“. Die Rentenkassen seien zurzeit gut gefüllt. „Daher ist die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge das Gebot der Stunde.“

Renten dürften steigen

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Auch die Arbeitgeber mahnen, sich an die Gesetzeslage zu halten. Man dürfe „keinen Rechtsbruch“ vorbereiten, durch den die gesetzlich vorgeschriebene Ausschüttung der aktuellen Überschüsse der Rentenversicherung verhindert werde, sagte der Präsident der Familienunternehmer, Lutz Goebel. „Die volle Rentenkasse ist kein Schatz der großen Koalition, den sie plündern darf.“

Die Rentenversicherung erwartet, dass die Ruheständler infolge der guten Beschäftigungs- und Lohnentwicklung im kommenden Jahr mit höheren Bezügen rechnen können. Eine Anpassung um 2,5 Prozent sei im nächsten Juli sehr realistisch, sagte Gunkel.

Die Renten werden jährlich entsprechend der Lohnentwicklung im Vorjahr angehoben. Allerdings wurden mit den Rentenreformen Abschlagsfaktoren in die Rentenformel eingebaut, um die Lasten des demografischen Wandels auf alle Generationen zu verteilen.

Rente mit 67 auf dem Prüfstand

Gewerkschaften und Sozialverbände drängen seit Langem auf eine Rücknahme der Reformen. Die SPD will zwar nicht die Riester-Rentenreform rückgängig machen, aber zumindest die weitere Absenkung des Rentenniveaus bis zum Jahr 2020 aussetzen.

Vor allem aber drängen die Sozialdemokraten auf Ausnahmen bei der unpopulären Rente mit 67. So soll künftig eine abschlagsfreie Rente schon mit 63 Jahren für alle möglich sein, die 45 Versicherungsjahre vorweisen können.

Dass Experten angesichts steigender Lebenserwartungen und zunehmenden Fachkräftemangels ein längeres Berufsleben für unausweichlich halten, ficht die Gegner der Rente mit 67 nicht an. So fordert der Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, Reiner Klingholz, das gesetzliche Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln, wie dies in Norwegen oder Dänemark der Fall sei. Schließlich würden die Menschen auch hierzulande nicht nur immer älter, sondern blieben auch deutlich länger fit und gesund als früher.

Kampf gegen Armut im Alter

Die Rente mit 67 gilt als die größte Sozialreform, die die vorige große Koalition unter Angela Merkel (CDU) durchgesetzt hat. Ansonsten machten SPD und Union allerdings auch in den Jahren 2005 bis 2009 eine Politik zulasten der Rentenversicherung.

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So wurde damals eine Rentengarantie eingeführt, die Rentenkürzungen selbst in Zeiten fallender Löhne gesetzlich ausschließt. Überdies gab es überplanmäßige Rentenerhöhungen.

Diesmal geht es den Sozialpolitikern von SPD und Union vor allem um den Kampf gegen zunehmende Altersarmut. Derzeit sind knapp drei Prozent der über 65-Jährigen auf die Grundsicherung im Alter angewiesen.

Union fordert Lebensleistungsrente

Zwar ist diese Quote deutlich geringer als beim Rest der Bevölkerung. Doch das sinkende Rentenniveau sowie lange Zeiten der Arbeitslosigkeit könnten zur Folge haben, dass der Anteil bedürftiger Ruheständler in den nächsten Jahren steigt.

In ihren Wahlprogrammen hatten deshalb sowohl die Union als auch die Sozialdemokraten eine Aufstockung niedriger Renten für langjährig versicherte Geringverdiener angekündigt. Die SPD-Pläne einer Solidarrente sehen eine Untergrenze von 850 Euro nach 45 Versicherungsjahren vor.

Die Union will eine Lebensleistungsrente, die nach 40 Jahren gewährt werden soll, allerdings unter der Bedingung, dass der Betroffene auch privat für sein Alter vorgesorgt hat. Die einflussreiche Senioren-Union drängt jedoch die Verhandlungsführer aus dem eigenen Lager dazu, die Hürden für die Mindestrente möglichst niedrig zu setzen.

Die Belastungen durch die in Aussicht gestellte Ausweitung der Erziehungszeiten für ältere Frauen (Mütterrente) schlagen mit 6,5 Milliarden Euro zu Buche. Die ebenfalls als sicher geltenden Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente sollen zu Beginn 7,5 Milliarden pro Jahr kosten. Die Mindestrente, die gleichfalls in irgendeiner Form kommen dürfte, wird Unionskreisen zufolge ebenfalls nicht billiger zu haben sein.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt mahnte die Unterhändler eindringlich, die Langfristfolgen ihrer Beschlüsse zu beachten. Die teuren Rentenpläne der Parteien gefährdeten die Finanzierbarkeit der Rentenversicherung, die aufgrund der demografischen Entwicklung ohnehin immer schwieriger werde. „Es bringt den Menschen nichts, heute etwas zu versprechen, was morgen aus demografischen und finanziellen Gründen wieder kassiert werden muss“, warnte Hundt.

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