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  3. Türkei: Ratingagenturen prophezeien dem Land eine anhaltende Wirtschaftskrise

Wirtschaft Fallende Kreditwürdigkeit

Erdogan spricht jetzt vom ökonomischen Putsch gegen die Türkei

Leitender Wirtschaftsredakteur
Erdogan sieht Wirtschaftskrieg gegen die Türkei

Nach der Herabstufung der Türkei durch mehrere Rating-Agenturen hat der türkische Präsident Erdogan den USA vorgeworfen, sein Land wirtschaftlich in die Knie zwingen zu wollen. "Wir durchschauen das Spiel und wir werden uns dagegen wehren."

Quelle: WELT/ Lukas Axiopoulos

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Der türkische Präsident steuert das Land mit seiner Wirtschaftspolitik weiter an den Abgrund. Die Ratingagenturen strafen dieses Verhalten nun erneut ab und prophezeien der Türkei eine anhaltende Krise. Erdogan glaubt an etwas anderes.

Recep Tayyip Erdogan will es offensichtlich wissen. Obwohl der türkische Präsident es nun schwarz auf weiß bekommen hat, dass seine Wirtschaftspolitik die Türkei in den Abgrund steuert, hält er unbeirrt an seinem Kurs fest. Am Samstag sprach er vor Tausenden seiner Anhänger in Ankara von einem ökonomischen Coup. Der Westen versuche mit Sanktionen, Devisenattacken, Inflation und höheren Zinsen, die Wirtschaft der Türkei zu zerstören.

Gleichzeitig hatten gerade die beiden Ratingagenturen Moody’s und S&P die Kreditwürdigkeit der Türkei noch tiefer in die Ramschzone herabgestuft und Erdogan ein verheerendes Zeugnis für seine Krisenpolitik ausgestellt.

S&P setzte das Rating am Freitagabend um eine Note von BB- auf B+ zurück. Damit gelten Staatsanleihen der Türkei, die ohnehin schon als Ramsch eingestuft sind, nun als sehr spekulativ. Die Türkei ist nun schlechter benotet als Bangladesch, rangiert jetzt in einer Liga mit Kenia, Albanien oder Fidschi. Aus Sicht der Bonitätswächter droht der Türkei eine anhaltende Wirtschaftskrise.

Quelle: Infografik WELT

Das Land befinde sich in einer Art Abwärtsspirale, aus der es wegen der unzureichenden Krisenpolitik nicht herausfinde. „Die schwächere Lira setzt den hoch verschuldeten Unternehmenssektor unter Druck und erhöht die Finanzierungsrisiken für die türkischen Banken“, schrieben die S&P-Analysten.

Inflation könnte weiter nach oben gehen

S&P rechnet damit, dass die Türkei im kommenden Jahr in eine Rezession abrutscht. Die Wirtschaftsleistung werde um 0,5 Prozent sinken. In den Folgejahren könne es zu einer graduellen Erholung kommen. Die Inflation, derzeit bei knapp 16 Prozent, dürfte bis auf 22 Prozent steigen. Im ersten Quartal war die türkische Wirtschaft noch um knapp 7,4 Prozent gewachsen.

Quelle: Infografik WELT

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Ökonomie abstürzt. In der letzten großen Lira-Krise im Jahr 2001 war das Wirtschaftswachstum innerhalb von zwei Quartalen von 7,4 Prozent auf minus 7,2 Prozent gefallen. Damals verharrte die Wirtschaft vier Quartale in der Rezession, bevor es wieder aufwärtsging.

Die türkische Lira hat seit Anfang des Jahres zum Dollar 37 Prozent an Wert verloren. Viele Unternehmen und Banken, die sich in harten Devisen wie Dollar oder Euro verschuldet haben, ihre Einnahmen aber in Lira generieren, stehen mit dem Rücken zur Wand.

Zwar ist der türkische Staat selbst nur moderat verschuldet. Die Schuldenquote liegt gerade mal bei 28 Prozent. Allerdings müsste Ankara im Zweifel die Banken retten, und das könnte die Verbindlichkeiten auf einen Schlag um 20 Prozentpunkte erhöhen. Kein Land kann es sich leisten, den Bankensektor, das Herzstück einer Ökonomie, untergehen zu lassen.

Quelle: Infografik WELT

Ratingagenturen fürchten politische Unwägbarkeiten

S&P-Konkurrent Moody’s begründete seine Bonitätsrückstufung mit den politischen Unwägbarkeiten. Die staatlichen Institutionen der Türkei würden geschwächt, wodurch die Vorhersagbarkeit der türkischen Politik schwieriger werde. „Die Krise wird nicht zuletzt durch die Statements der Regierung verschärft“, machten die Analysten indirekt Erdogan für die Malaise mitverantwortlich. Es fehle ein klarer Plan, wie man aus der Krise herauskomme.

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Offensichtlich will Erdogan Hilfen vom Internationalen Währungsfonds (IWF) verhindern, der in solchen Währungskrisen durch Kredite oder allein durch Zusagen die Situation beruhigen könnte. Wie der „Spiegel“ meldete, soll Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen Berat Albayrak das Thema IWF angesprochen haben. Doch Albayrak habe gegenüber Scholz angekündigt, er werde in der kommenden Woche eine Tour durch die Golfstaaten unternehmen, um bei freundlich gesinnten Regierungen um finanzielle Hilfe zu werben. Zudem hoffe er, dass auch Russland bereit sei, der Türkei Geld anzubieten.

Quelle: Infografik WELT

Geld hat die Türkei dringend nötig. Unternehmen, Banken und der türkische Staat müssen in den kommenden zwölf Monaten Devisenschulden im Volumen von rund 225 Milliarden Dollar refinanzieren. Die Abstufungen der Ratingagenturen dürften dabei nicht gerade hilfreich sein. Die Bonitätsnote ist maßgeblich dafür, zu welchen Bedingungen sich ein Staat Geld leihen kann. Ein schlechteres Kreditrating durch die Bonitätswächter bedeutet in der Regel auch steigende Kosten für die Verschuldung eines Landes. Da kann der türkische Präsident noch so sehr seine Verschwörungstheorien verbreiten.

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