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  3. US-Firmen lösen ohne Profit mit ihren Börsenträumen einen Hype aus

Wirtschaft WeWork, Uber und Co.

Der Hype um die Visionen der Geldverbrenner

Ubers Börsengang wird von Protesten begleitet

Der Fahrdienstanbieter Uber erzielte in seiner zehnjährigen Unternehmensgeschichte noch nie Gewinne. Trotzdem legt Uber einen der größten Börsengänge der Geschichte hin. Mit 82 Milliarden Dollar bewertet, ist er genauso viel wert wie VW und BMW zusammen.

Quelle: WELT/Steffen Schwarzkopf und Sebastian Honekamp

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Junge US-Firmen wie We Company oder Uber werden von Investoren gefeiert, obwohl sie keinen Cent verdienen. Einige zweifeln sogar selbst daran, jemals profitabel zu werden. Und werden doch mit Milliarden bewertet. Was steckt dahinter?

Die Vision von einem besseren Leben beinhaltete zwei Zapfanlagen mit goldenen Hähnen. Eine war neben dem Billardtisch auf Etage acht zu finden, die andere in einem Wandschrank auf Etage zehn. Alle Mieter des Hauses bekamen dort Freibier, jeden Tag, fast rund um die Uhr. Aber dieses Angebot, so ist in dem Wolkenkratzer in Manhattan zu hören, wurde ein wenig zu oft genutzt. Und so schaffte die We Company das Bier vor Kurzem wieder ab.

We Company – das ist der neue Name des Coworking-Anbieters WeWork und des Apartment-Vermieters WeLive. Die Hochhäuser des Unternehmens in New York sind stylish eingerichtet: bunte Tapeten, Lounges mit Sitzsäcken, viel Glas.

Zudem gibt es Yogakurse, Filmabende und Grillpartys. All das soll helfen, eine Welt zu erschaffen, in der „sich niemand alleine fühlt“ und jeder „einem Sinn folgt“, wie der Mitgründer Adam Neumann auf der Internetseite der Firma schreibt. Aber bei einem hilft es wohl nicht: dem Geldverdienen.

2018 machte die We Company 1,9 Milliarden Dollar Verlust. Trotzdem wurde sie bei der jüngsten Finanzierungsrunde im Januar mit 47 Milliarden Dollar bewertet. Vor wenigen Tagen teilten die Manager mit, dass sie einen Börsengang planen – und sofort war an der Wall Street von der heißesten Premiere des Jahres die Rede.

Vision und Wirklichkeit, so scheint es, klaffen bei der We Company weit auseinander. Und nicht nur bei ihr. Es gibt gerade eine ganze Reihe von Firmen, die keinen Cent verdienen, aber mit ihren Börsenträumen einen globalen Hype auslösen.

Uber steht vor dem Börsengang

Der Fahrdienstvermittler Lyft ging Ende März an die Börse, jetzt folgte der größere Rivale Uber. Bei der We Company wird es noch etwas dauern, die US-Börsenaufsicht SEC prüft gerade die Unterlagen, die die Manager eingereicht haben.

Die drei Unternehmen sind Stars einer Ökonomie, in der die Menschen Waren und Dienstleistungen lieber teilen, als sie zu besitzen. Sie revolutionieren ganze Industrien und wachsen rasant. Aber die Expansion hat ihren Preis: Uber, Lyft und die We Company verbrennen Geld. Und es sieht nicht so aus, als würde sich das bald ändern. Warum ist der Hype um sie trotzdem so groß?

Quelle: Infografik WELT

„Investoren lieben gute Geschichten“, sagt Sam McBride von der US-Analysefirma New Constructs, die auf Börsenbewertungen spezialisiert ist. „Und die jungen Unternehmen aus dem Silicon Valley können eine erzählen.“ Das verleite viele Anleger dazu, über die Verluste hinwegzusehen. An der Börse, so scheint es, geschieht etwas Merkwürdiges. Die üblichen Aktienkennzahlen spielen derzeit offenbar nur eine Nebenrolle. Umsätze, Gewinne, Schulden? Nicht so wichtig. Hauptsache, es gibt eine schillernde Vision.

Auch Uber hat eine. Das Unternehmen will mehr als ein Vermittler von Autofahrten sein, viel mehr. Die Plattform Uber Eats soll die Menschen mit Essen versorgen, Uber Freight soll den globalen Frachtverkehr dominieren. Der Markt für die globale Mobilität, den man insgesamt erobern könne, sagen die Manager, sei zwölf Billionen Dollar groß. Eine gigantische Summe. Sie entspricht rund 15 Prozent des Wertes aller Waren und Dienstleistungen, die im vergangenen Jahr auf der Welt produziert wurden.

Uber will mehr als Fahrten vermitteln

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Kritiker halten den Plan für unrealistisch. „Uber übertreibt“, sagt McBride, „und zwar ziemlich.“ Aber warum begeistern sich die Investoren dennoch für die Firma, wieso kommt sie aktuell auf eine Bewertung von gut 80 Milliarden Dollar? Das liege laut McBride daran, dass es gerade schwierig sei, amerikanische Unternehmen zu finden, deren Gewinne substanziell zulegten.

Rechne man die radikale Steuersenkung von Präsident Donald Trump heraus, sagt er, dann gebe es auf dem Markt kaum Wachstum. „Deshalb jagen die Anleger den Verheißungen von Uber und Co. nach und ignorieren die vielen Warnsignale.“

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Eines dieser Warnsignale steht in der Einleitung zu einem mehr als 300 Seiten langen Dokument. „Wir haben in der Vergangenheit deutliche Verluste erlitten“, heißt es in dem Bericht von Uber an die SEC. „Und es ist durchaus möglich, dass wir keine Profitabilität erreichen.“ Die Investoren stecken also Milliarden Dollar in ein Unternehmen, das ankündigt, womöglich nie Gewinn zu machen.

Bei Lyft war das ähnlich. Zur Börsenpremiere stürzten sich viele auf die Papiere, der erste Kurs lag bei 87,24 Dollar – rund 20 Prozent über dem Ausgabepreis von 72 Dollar. Aber nun, einen Monat nach dem Start, steht die Aktie bei rund 60 Dollar. Ein Desaster.

Quelle: Infografik WELT

Was ist geschehen? Zum einen, sagen Analysten, sei sich der Markt bewusst geworden, dass die Bewertung von Lyft zum Börsengang – 24 Milliarden Dollar – wohl zu hoch gewesen sei. Zum anderen sei die Firma unter Druck geraten, als die Vorbereitungen des Uber-Debüts konkreter wurden.

Ein Start-up, bei dem es besser laufen könnte, ist Slack, bekannt für sein Büro-Chat-Programm. Slack wird mit sieben Milliarden Dollar bewertet und könnte später in diesem Jahr an die Börse gehen. Zwar machte die junge Firma 2018 ebenfalls Verluste, knapp 140 Millionen Dollar, aber viele Analysten sehen die Chance, dass sich das bald ändert.

Sie halten Slack für solider als Uber und Lyft – denn das Geschäft mit der Fahrtenvermittlung kennt kaum Loyalitäten, nur die Jagd nach dem billigsten Trip von A nach B. Tatsächlich verbrennt Slack das Geld langsamer als die anderen Tech-Firmen. Machten die Manager weiter wie bisher und bekämen kein neues Kapital, würden die Reserven mehr als acht Jahre lang reichen, wie Berechnungen des „Wall Street Journal“ zeigen. Ein Spitzenwert unter den aktuellen Börsenkandidaten.

Lyft würde weniger als sechs Jahre hinkommen, Uber gerade einmal drei Jahre. Der König der Geldverbrenner, so scheint es, ist das Unternehmen, das einst Freibier anbot: Wächst die We Company so rasant wie in der Vergangenheit, schätzen Experten, könnte das Cash in einem Jahr aufgebraucht sein.

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