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Wirtschaft Nukleare Aufrüstung

Die gefährliche Trendwende bei Atomwaffen

Freier Wirtschaftsredakteur
(140508) -- PAKISTAN, May 8, 2014 () -- This handout photo released by the Pakistan army's Inter-Services Public Relations (ISPR) office on May 8, 2014, shows a Short Range Surface to Surface Ballistic Missile Hatf III (Ghaznavi) launched from an undisclosed location in Pakistan. Pakistan on Thursday conducted a successful training launch of Short Range Surface to Surface Ballistic Missile, capable of delivering nuclear and conventional warheads, the military said. (/ISPR) | (140508) -- PAKISTAN, May 8, 2014 () -- This handout photo released by the Pakistan army's Inter-Services Public Relations (ISPR) office on May 8, 2014, shows a Short Range Surface to Surface Ballistic Missile Hatf III (Ghaznavi) launched from an undisclosed location in Pakistan. Pakistan on Thursday conducted a successful training launch of Short Range Surface to Surface Ballistic Missile, capable of delivering nuclear and conventional warheads, the military said. (/ISPR) |
Start einer ballistischen Rakete in Pakistan. Sie ist in der Lage auch nukleare Bewaffnung zu tragen
Quelle: picture alliance / Photoshot
Zwar geht die Anzahl der nuklearen Sprengköpfe leicht zurück. Aber dafür investieren die neun Staaten mit Atomwaffen große Milliardenbeträge in ihre Modernisierung. Forschern bereiten gleich zwei Entwicklungen Sorgen.

Besorgniserregende Trendwende bei den Atomwaffen: Die neun Staaten mit nuklearen Sprengköpfen investieren nach einer Analyse des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri derzeit massiv in deren Modernisierung und Einsatzfähigkeit.

Zwar reduzieren die USA und Russland weiter formal die Anzahl der Atomsprengköpfe, heißt es in einer neuen Studie. Während alte Exemplare ausgemustert werden, fließen jedoch Milliardenbeträge in eine kleinere Zahl modernerer Modelle und werden sogar neue Waffengenerationen entwickelt. Beispielsweise wollen die USA für die Modernisierung ihrer Atomwaffen von 2019 bis 2028 rund 494 Milliarden Dollar ausgeben.

Seit Jahren registrieren die Friedensforscher zwar den Trend, dass nach den Abrüstungsabkommen insgesamt die Gesamtzahl der Atomsprengköpfe sinkt. Im Jahr 2020 von 13.865 auf 13.400. Im Jahr 2017 waren es noch fast 15.000.

Quelle: Infografik WELT

Die Anzahl der unmittelbar einsatzfähigen Sprengköpfe bleibt mit 1750 für die USA und 1570 für Russland in 2020 aber fast unverändert. Erstmals hat China in diesem Jahr mit nunmehr 320 Sprengköpfen Frankreich als bisherige Nummer vier nach Großbritannien überholt. Auch für Indien (jetzt 150 Sprengköpfe) und Nordkorea (30 bis 40) gehen die Experten von einem Anstieg aus.

Sorge bereitet den Sipri-Friedensforschern zwei Entwicklungen: Das zentrale Ost-West-Abrüstungsabkommen zur Verringerung strategischer Nuklearwaffen (New Start) wird im Februar 2021 außer Kraft treten, falls es nicht verlängert wird. Doch die Gespräche kamen bislang nicht voran, weil die USA China einbeziehen wollen, was Peking jedoch ausschließt.

Zudem ist nach der Kündigung durch die USA der INF-Vertrag im August 2019 ausgelaufen. Er sieht die Abschaffung aller landgestützten Raketen und Marschflugkörper mit kurzer und mittlerer Reichweite vor.

Ära der bilateralen Rüstungskontrolle geht zu Ende

Dies deute darauf hin, dass „die Ära der bilateralen Abkommen zur nuklearen Rüstungskontrolle zwischen Russland und den USA zu Ende gehen könnte“, erklärt Sipri-Direktorin Shannon Kile. Der Verlust wichtiger Kommunikationskanäle zwischen Russland und den USA, die die Transparenz fördern und Fehleinschätzungen ihrer jeweiligen nuklearen Kräfte und Fähigkeiten verhindern sollten, könnte möglicherweise zu einem neuen nuklearen Wettrüsten führen, heißt es bei Sipri.

Besorgniserregend sei auch, dass Russland und die USA umfangreiche und teure Programme gestartet haben, um ihre nuklearen Sprengköpfe, Raketen- und Flugzeugträgersysteme sowie die Kernwaffenproduktionsanlagen zu ersetzen und zu modernisieren.

Beide Länder haben den Kernwaffen in ihren militärischen Plänen auch neue oder erweiterte Rollen zugewiesen. Für die Sipri-Experten bedeutet dies eine Umkehrung des nach dem Kalten Krieg zu beobachtenden Trends zur allmählichen Marginalisierung von Kernwaffen.

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Auch China modernisiere sein Atomwaffen-Arsenal. Die Regierung in Peking entwickele zum ersten Mal eine sogenannte nukleare Triade, die aus neuen land- und seegestützten Raketen sowie atomar bewaffneten Flugzeugen bestehe.

Sorge bereitet den Friedensforschern die geringe Transparenz bei der Berichterstattung über Kernwaffenfähigkeiten. Die USA hätten in der Vergangenheit wichtige Informationen über ihre Lagerbestände und nuklearen Fähigkeiten offengelegt. 2019 habe die US-Regierung die Praxis der öffentlichen Offenlegung der Größe der US-Lagerbestände jedoch beendet, beklagt Sipri-Experte Hans Kristensen.

Dass wieder verstärkt nach dem Motto „Lieber Abschreckung als Abrüstung“ gehandelt wird, zeigte soeben Frankreich. Paris feuerte von nunmehr seinem vierten atomwaffenfähigen U-Boot in der Nähe von Brest eine unbewaffnete Atomwaffen-Langstreckenrakete vom Typ M51 über den Atlantik.

Frankreich demonstriert Reichweite seiner Atomwaffen

Die von Airbus-Safran mit Milliardenaufwand entwickelte Rakete kann nach Angaben von Experten bis zu zehn Atomsprengköpfe tragen. Angeblich flog die Rakete bei dem Test gut 6000 Kilometer über den Atlantik und soll in der Nähe der Karibik niedergegangen sein, heißt es bei Insidern. Der Test wurde auch von US-Experten im Zielgebiet verfolgt.

Die Sipri-Warnung über verstärkte Atomwaffen-Aktivitäten deckt sich mit jüngsten Erkenntnissen der 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Internationalen Kampagne zur atomaren Abrüstung (ICAN). Danach steckten die neun Staaten mit Nuklearwaffen 2019 rund 72,9 Milliarden Dollar in diese Waffentechnik, rund zehn Prozent mehr als im Vorjahr.

Fast die Hälfte des Gesamtbetrages entfällt auf die USA. Die Atomwaffen-Gegner rechnen dann vor, wie viele Betten, Krankenschwestern oder Beatmungsgeräte in der Corona-Krise dafür bezahlt werden könnten. Rechnerisch hätten die neun Atomwaffen-Staaten 2019 jede Minute 138.699 Dollar in die tödliche Technik investiert.

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