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Wissenschaft Langstreckenraketen

Wer hat die Größte? Wer kann am weitesten?

Langstreckenraketen: Unterschiedliche Größe, unterschiedliche Reichweiten Langstreckenraketen: Unterschiedliche Größe, unterschiedliche Reichweiten
Langstreckenraketen: Unterschiedliche Größe, unterschiedliche Reichweiten
Quelle: Infografik Welt Online
Langstrecken- oder Trägerrakete? Welches Land welche Raketen wie weit schießen kann, wird mit Argusaugen beobachtet. Die Unterschiede liegen jedoch vor allem in der Antriebstechnik.

Die beiden Begriffe haben sich in den vergangen Jahrzehnten – quasi unbemerkt – in unseren Sprachgebrauch geschoben, ohne dass ihre genaue Begriffsbestimmung dabei der Allgemeinheit viel Kopfzerbrechen verursacht hätte. Die "Langstreckenrakete", so meint der Duden – nicht allzu präzise, aber richtig – sei "eine Rakete mit vergleichsweise großer Reichweite".

So weit so gut. Doch bei der Trägerrakete wird es schon etwas diffuser. Schließlich "trägt" ja jede Rakete irgendeine Nutzlast – von bemannten Raumfahrzeugen über Satelliten, Raumsonden, Bauteile für Raumstation bis hin zu atomaren Sprengköpfen. Selbst unsere harmlosen kleinen Silvester-Raketen schleppen ja ihre kleine "Nutzlast" bis zu der erlaubten Maximalhöhe von 100 Metern – wo sie sich dann in kleinen spektakulären Explosionen und leuchtenden Farben-Regen auflöst.

Was soll also eine spezielle "Träger"-Rakete, wenn doch alle Raketen gleichermaßen ihre "payload" tragen. Und warum "Langstreckenrakete", wenn doch zumindest alle Raketen, die Satelliten starten können, grundsätzlich von der Leistung her Langstreckenraketen sind. Sonst wären sie gar nicht in der Lage, ihre Satelliten auf der Umlaufbahn abzuliefern.

Diese Erkenntnis hat die Amerikaner schon beim Start des ersten aller künstlichen Erdsatelliten, des russischen Sputnik-1, am 4. Oktober 1957 schwer geschockt. Sie begriffen nämlich schlagartig, dass die Russen eine Rakete hatten, mit der sie nicht nur Satelliten ins All, sondern sehr wohl auch atomare Sprengköpfe auf die Vereinigen Staaten feuern konnten – während die Vereinigten Staaten selbst noch nicht über eine vergleichbare Waffe verfügten.

Trägerraketen sind automatisch Langstreckenraketen

Wenn also alle Satelliten-Trägerraketen automatisch Langstreckenraketen sind, erscheint – zumindest in diesem Bereich – die Unterscheidung zwischen Träger- und Langstreckenraketen nicht mehr zwingend. Tatsächlich hat diese Differenzierung denn wohl auch eine andere Bedeutung.

Bei Beginn der staatlich geförderten Raumfahrt in der Bundesrepublik im Jahre 1962 wurde – angesichts der deutschen Rolle im Zweiten Weltkrieg – größter Wert darauf gelegt, auch nur den geringsten Anschein einer militärisch orientierten deutschen Raumfahrt zu vermeiden, so etwa auch bei der deutschen Beteiligung am Bau der Großen Dreistufen-Rakete "Europa-1".

In erster Linie wohl aus diesem Grund sprach man auch vorsichtig von "Satellitenträgerraketen", um auch jedem Nichttechniker ja deutlich zu machen, dass man keineswegs ein Geschoss für militärische Sprengköpfe zu bauen gedenke.

Die Militärs selbst hatten dagegen keinerlei derartige Berührungsängste. Ihnen geht es vielmehr darum, die Leistungsmöglichkeiten ihrer Raketen genau zu klassifizieren. So werden heute als Langstreckenraketen oder Interkontinentalraketen ICBMs (Intercontinental Ballistic Missiles) jene Geschosse bezeichnet, die Distanzen von 5000 bis 15.000 Kilometer überbrücken können.

Darunter liegt die Klasse der IRBMs (Intermediate Range Ballistic Missiles). Diese "Mittelstreckenraketen größerer Reichweite" können ihre tödliche Last 2400 bis 5500 Kilometer schleppen, die "normalen" Mittelstreckler, die MRBMs (Medium Range Ballistic Missiles) bringen es auf 800 bis 2400 Kilometer, die Kurzstreckengeschosse (Short Range Ballistic Missiles, SRBMs) auf 150 bis 800 Kilometer.

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Dabei wird die Raketenklassifizierung derzeit besonders beachtet. Wer kann welche Raketen wie weit schießen – das wird von der Politik gegenwärtig sorgsam verfolgt. Das Interesse konzentriert sich unter anderem auf Staaten wie Nordkorea, Iran, Indien, aber auch Israel. Gerade steigt Pakistan die "Raketenleiter" hinauf.

Nach der früheren Kurzstreckenrakete Shaheen-1 mit 750 Kilometer Reichweite wurde gerade jetzt erst, am 25. April, die erste Mittelstreckenrakete Shaheen-1A mit 2500 bis 3000 Kilometer Reichweite getestet. Eine Woche zuvor hatte Indien seine erste ICBM, die Agni-V mit mehr als 5000 Kilometer Reichweite getestet.

Als Langstreckenrakete wird nur ein militärisches Geschoss bezeichnet

So ist die Benennung einer Rakete nach ihrer Reichweite eine eindeutig militärische Angelegenheit. Der Begriff Langstreckenrakete bezeichnet damit zweifelsfrei ein militärisches Geschoss. Die "Trägerrakete" dagegen bleibt den Zivilisten vorbehalten.

Somit ist die Unterscheidung klar. Das bedeutet andererseits jedoch keineswegs, dass nur die – militärische oder zivile – Aufgabenstellung darüber entscheidet, ob eine Rakete den Langstrecken- oder Trägerraketen zugeordnet wird. Dem ist aber nicht so. Denn es gibt durchaus auch Konstruktionsunterschiede.

So wurden etwa die ersten russischen und amerikanischen Interkontinentalraketen – ebenso wie die zivilen Trägerraketen – von flüssigem Treibstoff angetrieben. Das gilt sowohl für die erste ICBM der Vereinigten Staaten, die Atlas-Rakete, als auch für die erste sowjetische Interkontinentalrakete, die R-7.

Der Flüssigtreibstoff aber hatte für die Militärraketen ganz entscheidende Nachteile. Denn sowohl die Atlas als auch die R-7 mussten jeweils vor dem Start aufgetankt werden, da ihre Treibstoffe nicht lagerfähig war – sie müssen gekühlt werden und verflüchtigen sich dennoch nach relativ kurzer Zeit.

Das Betanken brachte empfindliche Verzögerungen – besonders unangenehm, wenn man bei einem "Gegenschlag" sofort starten musste, um vom angreifenden Gegner nicht schon vorher ausgeschaltet zu werden. Immerhin beträgt die Flugzeit von ICBMs von Russland in die USA – oder entgegengesetzt – nur ungefähr 32 Minuten.

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Erschwerend war auch, dass die militärische Atlas waagerecht in einem speziellen, mobilen Gebäude, genannt "Coffin" (Sarg), gelagert werden musste, wo sie gegen einen gegnerischen Erstschlag nicht ausreichend gesichert war.

Nachteile bei Treibstoffkombination, die nicht lagerfähig sind

Im Ernstfall musste der "Sarg" also erst zur Seite geschoben, die Rakete aufgerichtet und getankt werden, ehe man sie dann abfeuern konnte. Ähnlich schwierig war es bei den Sowjets. Ihre R-7 wurde von Flüssigsauerstoff und Kerosin angetrieben. Das war eine Treibstoffkombination, die ebenfalls nicht lagerfähig war. Auch war diese Rakete zu komplex und zu voluminös, sodass man sie ebenfalls nicht verbunkern konnte.

Man ging also später sowohl im Osten als auch im Westen – nach einem Zwischenspiel mit lagerfähigen Treibstoffen – hauptsächlich auf festen Treibstoff über. Der ist zwar weniger effizient als Flüssigtreibstoff, dafür aber leichter handhabbar. Vor allem aber erlaubt er sofortige Starts innerhalb kürzester Zeit.

 Heute verbunkern die Amerikaner ihre Interkontinentalraketen der Typen Minuteman III und MX Peacekeeper in 50 Meter tiefen, speziell gepanzerten und atombombensicheren unterirdischen Silos, aus denen sie auch abgefeuert werden.

Die Russen hingegen montieren ihre feststoffgetriebenen ICBMs der Typen Topol und RT-23 auf schweren Spezialfahrzeugen und Eisenbahn-Waggons. Deren Standort ist jederzeit veränderbar, das erschwert es dem Feind beträchtlich, sie auszuschalten. Die Einsatzkräfte feuern sie auch von diesen Fahrzeugen ab.

So bleibt festzustellen, dass sich heute nicht nur die Aufgabenstellung, sondern auch die Technik die zivilen Trägerraketen von den militärischen Langstreckenraketen unterscheidet. Die Militärs feuern ihre Geschosse mit dem einfach zu handhabenden festen Treibstoff ab.

Raumfahrt setzt auf flüssigen Treibstoff

Die Satelliten – und Astronauten – dagegen starten durchweg auf Raketen, die von flüssigem Treibstoff angetrieben werden, der sowohl effizienter als auch manipulierbarer ist als feste Treibsätze. Denn bei flüssigem Treibstoff können Triebwerke gedrosselt oder bei Bedarf auch abgeschaltet werden, was nicht nur Kursänderungen ermöglichst, sondern auch im Katastrophenfall von Wichtigkeit ist. Beim Feststofftreibstoff ist dergleichen dagegen nicht möglich.

Dennoch muss man fairerweise einräumen, dass die semantische Trennungslinie zwischen den zivilen und militärischen Raketen nicht völlig nahtlos durchgezogen werden kann. Denn einmal sind ja auch zivile Trägerraketen geeignet, militärische Satelliten zu starten.

Und andersherum feuern etwa die Russen für Euro oder Dollar auch gern Satelliten auf Raketen ins All, die eigentlich von getauchten U-Booten aus mit Atomsprengköpfen den Tod in die Welt hätten spucken sollen.

Da mag es tröstlich sein, dass auch die Amerikaner mit der semantischen Trennung ziviler und militärischer Raketen ihre Schwierigkeiten haben – was auf den ersten Blick schon verwunderlich erscheint.

Immerhin starten bei ihnen die Militärs ganz eindeutig ihre "missiles" – aus dem Lateinischen, von "missilis", werfbar – die Zivilisten ihre "rockets". Eine klare sprachliche Trennung scheint also gegeben.

Ist sie aber nicht, wie unter anderem auch heftigen Definitionsversuchen im Internet zu entnehmen ist. Dort finden sich dann zum Beispiel semantisch so wenig hilfreiche Erklärungsversuche wie beispielsweise dieser: "Rockets used as military missiles are categorized by their ranges" – als militärische Missiles benutzte Raketen werden durch ihre Reichweite kategorisiert.

Andererseits stößt man dort dankenswerter Weise allerdings auch auf ganz klare und eindeutige Definitionen. "Alles hängt davon ab, an welchem Ende du stehst", erklärt einer der Diskussionsteilnehmer augenzwinkernd, "was du startest, das ist eine Rakete – aber das was bei dir einschlägt, das ist ein Missile."

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