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Wissenschaft Genforschung

Vermeintliche „Junk-DNA“ ist Steuerungsapparat

Die menschliche DNA ist als Doppelhelix aufgewunden. Etwa 25.000 Gene liegen auf ihr - und noch viel mehr Informationen Die menschliche DNA ist als Doppelhelix aufgewunden. Etwa 25.000 Gene liegen auf ihr - und noch viel mehr Informationen
Die menschliche DNA ist als Doppelhelix aufgewunden. Etwa 25.000 Gene liegen auf ihr - und noch viel mehr Informationen
Quelle: picture-alliance / OKAPIA KG, Ge/Eleonore Sauer
Das Erbgut galt lange als große Wüste mit Genen. Jetzt wird klar: Der vermeintliche Müll ist ein gewaltiger Steuerapparat. Wer ihn versteht, kann bald vielleicht Krankheiten wie Morbus Crohn heilen.

Das Erbgut des Menschen besteht aus viele Basenpaaren. Aufgereiht in eine lange Schnur, zusammengeknäult zu dickeren Strängen und verpackt als Chromosomen liegt es in jeder Zelle. Soweit die Anatomie unseres Bauplans. Die Funktion, so dachten Wissenschaftler früher, die diese DNA für unser Werden und Sein hat, ist in den Genen codiert. Bestimmten Abfolgen von Basenpaaren, die die Bauanleitung für Proteine liefern, galten als einzige sinnvolle Information auf der Doppelhelix.

Doch nun zeigt sich, dass ein wesentlich größerer Teil des menschlichen Erbguts als bislang angenommen eine Funktion hat. Mehr als 80 Prozent besitzen zumindest eine Aufgabe. Sinnlose Abschnitte – sogenannte Junk-DNA – gibt es kaum, wie das Mammutprojekt „Encode“ ergeben hat. In der „Encyclopedia of DNA Elements“ (Enzyklopädie der Erbgutelemente) erfassen Wissenschaftler, welche Funktion die etwa drei Milliarden Basenpaare der menschlichen DNA haben. In Fachjournalen wie „Nature“, „Science“ und „Genome Research“ sind rund 30 Beiträge zu den Ergebnissen veröffentlicht.

Das Wissen über Krankheiten wächst

Das Projekt erweitere das Wissen über Krankheiten, bei denen genetische Faktoren eine Rolle spielen und sei eine wachsende Ressource für neue Ansätze in der Biomedizin, schreibt das „Encode“-Konsortium in einem Übersichtsartikel in „Nature“. Beteiligt sind mehr als 440 Forscher aus über 30 Instituten. Die bisher 15 Terabytes (15 Billionen Bytes) an Rohdaten sind frei zugänglich.

Mehr als 1640 Datensätze zu 147 Zelltypen seien in die Datenbank eingeflossen, schreibt das „Encode“-Konsortium. Und es wird klar: Die „Junk-DNA“ ist in Wirklichkeit ein gewaltiger Steuerungsapparat für die Abläufe in den Zellen. „In unserem Genom wimmelt es nur so von Schaltern: Millionen von Stellen, die dafür verantwortlich sind, ob ein Gen an- oder abgeschaltet wird“, erläutert „Encode“-Analysekoordinator Ewan Birney in einer Mitteilung des European Bioinformatics Institute (EMBL-EBI).

Müll-DNA gibt es offenbar nicht

2003 war beim Humangenomprojekt die Reihenfolge der Erbgutbausteine des Menschen abschließend bestimmt worden. Im Anschluss war vom National Human Genome Research Institute (NHGRI) in Bethesda (US-Staat Maryland) das öffentliche Forschungskonsortium „Encode“ ins Leben gerufen worden. Ziel ist es, alle Elemente im Erbmaterial DNA aufzuspüren, die eine Funktion haben.

Nur ein Bruchteil des menschlichen Erbguts enthält Gene, Abschnitte mit Bauplänen für die Proteine der Zelle. Lange Zeit war angenommen worden, dass große Bereiche der DNA überflüssiger, im Verlauf der Evolution angesammelter Müll (Junk-DNA) sind. Bei einem „Encode“-Pilotprojekt hatten Forscher bis 2007 ein Prozent des menschlichen Genoms untersucht. Gezeigt wurde, dass im humanen Erbmaterial viel mehr Informationen gespeichert sind als angenommen.

Auch Gene müssen an- und ausgeschaltet werden

Jetzt ist ganz klar: Die „Junk-DNA“ ist in Wirklichkeit ein gewaltiger Steuerungsapparat für die Abläufe in den Zellen. Nicht nur Veränderungen in den Genen, sondern auch Abweichungen in diesen bisher wenig berücksichtigten Bereichen können zu Krankheiten führen.

Forscher um John Stamatoyannopoulos von der University of Washington in Seattle zeigten dies für die chronische Darmentzündung Morbus Crohn, die Nervenkrankheit Multiple Sklerose und Herzleiden. Veränderungen der regulatorischen Bereiche außerhalb der eigentlichen Gene seien in diese und andere Krankheiten tiefgreifend involviert, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“.

Viele Krankheiten verlieren nun ihr Geheimnis

Insgesamt besitzen – nach derzeitigem Stand – 80,4 Prozent des menschlichen Genoms in mindestens einem Zelltyp zumindest eine Funktion. Einige beeinflussen, ob und wann ein Gen abgelesen wird, andere wirken sich auf die Struktur des Erbguts aus. Die Arbeit sei noch lange nicht zu Ende, erklärt „Nature“-Autor Brendan Maher.

Niemand wisse, wie viel mehr Informationen das Genom in den rund 180 verschiedenen Zelltypen noch bereithalte. Bis zu einem umfassenden Handbuch zur Funktion des Menschen ist es noch immer ein weiter Weg.

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