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Wissenschaft Meeresforschung

Tauchroboter erforschen die dunkle Tiefsee

Der Tauchroboter im Einsatz Der Tauchroboter im Einsatz
Der Tauchroboter im Einsatz
Quelle: IFM-Geomar
Mit 318 Millionen Quadratkilometern ist die Tiefsee fast zehnmal größer ist als die Mondoberfläche - und eine wilde, kaum erforschte Welt. Das ändert sich jetzt: Ferngesteuerte Forschungsfahrzeuge, Automaten und Roboterschwärme erkunden die Flanken des Mittelatlantischen Tiefseerückens.

Mit 318 Millionen Quadratkilometern ist die Tiefsee fast zehnmal größer ist als die Mondoberfläche - und eine wilde, kaum erforschte Welt. Unter der kilometermächtigen Wassersäule herrscht ein Druck wie in einer Autopresse. Meist ist es bitterkalt, nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt. An einigen Stellen klafft der Meeresboden auseinander. Feurige Schründe tun sich dann auf, aus denen glutflüssiges Gestein hervorquillt und schlagartig erstarrt. An anderen Stellen ragen kaminartige Gebilde aus dem Meeresboden auf, die dunkle Wolken einer siedendheißen, schwefeligen Brühe ausspeien. Bilder wie aus einer anderen Welt, die die hochauflösenden Videokameras des ferngesteuerten Tiefseeroboters „ROV Kiel 6000“ per Glasfaserleitung in den Kontrollraum des deutschen Forschungsschiffs „Meteor“ übertragen.

Gebannt betrachtet Professor Colin Devey, Meeresgeologe am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar, die Bilder. 90 Prozent der Ozeane sind Tiefsee, buchstäblich Neuland für die Forscher. Unterstützung erhalten sie nun von einer neuen Generation von Tauchrobotern. „Wir können die Geräte einsetzen, um Fragen über die Entstehung von mineralischen und biologischen Rohstoffen oder auch der möglichen Deponierung von Kohlendioxid am Meeresboden nachzugehen“, erklärt Devey.

Wie treibt die Energie aus dem Erdinnern die Kontinente auseinander? Wie beeinflussen die urgewaltigen Prozesse die globalen Stoffkreisläufe? Mitten im Südatlantik, in der Nähe des Vulkaneilands Ascension, wollen die Wissenschaftler gleich mehrere Rätselnblösen.

Im Teamwork erkunden der Laborroboter „ROV Kiel 6000“ und sein autonom agierender Kollege „Abyss“, eine knapp vier Meter lange gelbe „Zigarre“, die mit vulkanischen Schloten übersäten Flanken des Mittelatlantischen Tiefseerückens. Der mit 5000 Kilometer Gesamtlänge größte Gebirgszug der Erde durchquert fast den gesamten Atlantik in Nord-Südrichtung. Geboren aus einem gewaltigen Riss in der Erdkruste, der sich erstmals vor 170 Millionen Jahren öffnete. Nach beiden Seiten treibt das daraus hervorbrechende, sich tausende Meter auftürmende Magma die Platten des Meeresbodens auseinander. Mit einem Tempo, das der Wachstumsgeschwindigkeit der Fingernägel entspricht, vergrößert sich der Atlantik noch immer. Er lässt Afrika und Europa einerseits sowie Amerika andererseits auseinanderdriften. Dabei dringt kaltes Meerwasser unter hohem Druck in das heiße Gestein, wird stark erhitzt und löst die darin gebundenen Schwefelverbindungen und Erze heraus. Darunter sind Gold, Silber, Kupfer, Blei, Zink, Platin und Uran.

In 1500 Meter Tiefe liegt ein Hydrothermalfeld, das die Forscher erkunden wollen. Wenig ist bislang über die dort beheimateten Ökosysteme bekannt, die allein von der Wärme und den Nährstoffen existieren, die ihnen die vulkanischen Solquellen auf dem Meeresgrund spenden. Um das Wissen zu heben, leisten die beiden Forschungsroboter auf dem Meeresgrund Pionierarbeit. Dabei teilen sie sich die Aufgaben. Zuerst setzen die Wissenschaftler den mit einem hochauflösenden Echolot bestückten „Abyss“ ein. Er soll den Meeresboden metergenau vermessen. Mit GPS-Signalen kann sich Abyss während der Tauchfahrt selbständig orientieren.

Das Unterwasserfahrzeug verfügt über leistungsstarke Lithiumbatterien, mit deren Hilfe es über einen Tag lang tauchen und messen kann. Dabei fährt es mit bis zu 7,5 Stundenkilometer den Meeresboden ab, ohne ihn zu berühren. „Eines der wesentlichen Probleme bei der Erforschung der Meere sind die riesigen Flächen, mit denen wir es zu tun haben“, so Devey. „Mit ‚Abyss’ können wir relativ große Areale auf dem Meeresboden schnell und hochauflösend erfassen“, sagt Devey. Um das Potential des Roboters zu verdeutlichen, zieht der Wissenschaftler einen Vergleich: „Es ist wie bei einer Computer-Tomographie in der Medizin - wir lassen die zeitaufwendige Aufnahme des Patienten von einer Maschine machen und haben dadurch mehr Zeit für die Auswertung der Kartierungen.“

Während „Abyss“ auf dem Grund der Tiefsee Aufklärungsarbeit leistet, wird sein ferngesteuerter Kollege „ROV Kiel 6000“, eine dreieinhalb Tonnen schwere, kompakte Forschungsplattform, für den Einsatz vorbereitet. Auf dem einschiebbaren Modulschlitten können bis zu 100 Kilogramm wissenschaftliche Nutzlast untergebracht werden. Gemächlich nähert sich der Laborroboter den Tiefseequellen. Die Videoübertragung zeigt: An den Rändern der Geysire haben sich unzählige bleiche Riesenmuscheln angesiedelt. Dazwischen krabbeln Krebse und Tiefseegarnelen. Zahlreiche neue Arten haben die Kieler Forscher so bereits entdeckt.

Herkömmliche Forschungsroboter können für längere Zeit nicht tiefer als 6500 Meter tauchen. Dann wird der Druck durch die Wassermassen so groß, dass selbst Stahl nicht mehr standhält. Für die Erkundung noch tieferer Regionen sind neue Techniken nötig. Deshalb haben Forscher an der Woods Hole Oceanographic Institution in Boston ihren Tauchroboter mit einer hochdruckfesten Keramikhülle ummantelt. Anfang Juni stieß der ferngesteuerte Tauchroboter „Nereus“ bis auf den Grund des gut elf Kilometer tiefen pazifischen Marianengrabens vor. Dort verläuft die Grenze zwischen der großen pazifischen Platte, die unter die kleine Marianenplatte bis in den Erdmantel abtaucht. In 10.911 Meter Tiefe unter dem Meeresspiegel setzte der Roboter auf und fuhr auf Kommando hin seinen Greifer aus, um Proben zu nehmen. Zehn Stunden brachte der Roboter mit Messungen und Untersuchungen auf dem Grund des Marianengrabens zu. Die Videoübertragung zeigte einen von grauem Schlamm bedeckten Boden, ohne sichtbare Lebenszeichen. Doch die Wissenschaftler sind sich sicher, dass in den an die Oberfläche beförderten Proben Sensationen stecken. „Erstmals sind wir nun im Besitz von Sediment und Gesteinsmaterial aus so großen Tiefen“, schwärmt Wissenschaftlerin Patty Fryer von der Universität von Hawaii.

Noch weiter geht die Technik mit der Wissenschaftler an der Universität von Princeton die Tiefseeforschung revolutionieren wollen. „Glider“ heißen die autonom agierenden Tauchgefährte, die künftig wie ein Schwarm die Meere durchstreifen sollen, um Strömungen, Salzgehalt und Temperaturen zu messen. „Alle Gleiter sind identisch programmiert. Zusätzlich orientiert sich jedes Gefährt an seinem Nachbarn, während alle zugleich ein bestimmtes Ziel aufsuchen“, erläutert die Ingenieurin und Mathematikerin Naomi Leonard das Konzept hinter der Steuerung.

Vollkommen selbständig funktioniert die jedoch noch nicht, wie ein Test des Roboterschwarms in der Bucht von der Monterey kürzlich zeigte: Alle drei Stunden mussten die von einem Zentralrechner via GPS-Funksignal abgefragten Positionen der Gleiter korrigiert werden.

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