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Natur & Umwelt Chronik eines Todes

Wie die Polynesier die riesigen Moas auslöschten

Bei den riesigen Moa-Arten brachten es die Weibchen auf bis zu 250 Kilogramm (siehe Größenvergleich zwischen Mensch und einem Moa-Skelett, linkes Bild) Bei den riesigen Moa-Arten brachten es die Weibchen auf bis zu 250 Kilogramm (siehe Größenvergleich zwischen Mensch und einem Moa-Skelett, linkes Bild)
Bei den riesigen Moa-Arten brachten es die Weibchen auf bis zu 250 Kilogramm (siehe Größenvergleich zwischen Mensch und einem Moa-Skelett, linkes Bild)
Quelle: Moa
Forscher haben den Untergang der riesigen Moas rekonstruiert: Schon kurz nach Ankunft von Menschen auf Neuseeland waren die Vögel ausgerottet.

Wie eine Giraffe weidet der riesige Vogel die Blätter von den Bäumen Neuseelands. Um die harte Kost zu verdauen, zerreiben Steine in seinem Magen die harten Zellwände.

Zum Verdauen aber kommt der Moa genannte Vogel nicht mehr. Denn plötzlich springt ein Polynesier aus dem Wald und schneidet dem überraschten Tier die Sehnen an den Beinen durch. Hilflos fällt der Moa zu Boden. Bald gart ein großer Braten in einer mit Steinen ausgekleideten Grube, in der die Menschen vorher einen Holzstoß abbrannten.

Was von diesem Festmahl übrig bleibt, schnappen sich die Hunde, von denen einige Hundert das Gelage beobachten. Hat der Stamm Tage später kein Jagdglück, landen eben einige Hunde in der Kochgrube.

„Die Hunde waren nicht nur Jagdbegleiter, sondern auch lebende Kühlschränke“, sagt Paul Scofield. „Gemeinsam haben Mensch und Tier die Moas ausgerottet“, so der Kurator für Wirbeltiere am Canterbury-Museum in Christchurch auf Neuseelands Südinsel.

Im Museumskeller lagern die Knochen und Eischalen der seit Jahrhunderten ausgestorbenen Moas (lat. Dinornis). Scofield und seine Kollegen haben aus diesen Relikten und mit vielen Indizien das Leben und den Untergang der Vögel rekonstruiert, die zu Lebzeiten 250 Kilogramm (Weibchen) beziehungsweise gut 100 Kilogramm (Männchen) wogen. Keine 800 Jahre ist es her, da erreichten erstmals Menschen Neuseeland. Die Polynesier kamen von dem fast 1000 Kilometer entfernten Tuamotu-Archipel.

Zunächst erreichten nur wenige Hundert Neuankömmlinge die Südinsel Neuseelands und standen vor einem Riesenproblem. Auf ihren Kanus hatten sie zwar Nutzpflanzen und Samen aus ihrer tropischen Heimat mitgebracht. In ihrer neuen Heimat aber ist das Klima erheblich rauer, um Christchurch sinkt die Temperatur in Winternächten einige Grad unter den Gefrierpunkt, und die Nutzpflanzen erfroren.

In den Wäldern wiederum fanden die Polynesier, die sich heute Maori nennen, kaum essbare Pflanzen. So wächst zwar der Karaka-Baum an den Küsten und trägt Früchte von Apfelgröße. Ein Alkaloid aber macht die Samen dieser Frucht so giftig, dass sie nur nach fünf Stunden Kochen von Menschen gegessen werden können.

Da es für Vegetarier also kaum Essbares gab, verlegten sich die Maori auf die Jagd. Während ihre Vorfahren auf den Tuamotus aus Steinen und Muscheln Schmuck bastelten, stellten die frischgebackenen Neuseeländer genau die gleichen Motive plötzlich aus Moa-Knochen her.

In den Resten der ältesten Maori-Dörfer finden sich große Mengen dieses knöchernen Schmucks. In den Knochen der Maori-Krieger selbst fanden die Forscher Spuren der Gelenkerkrankung Gicht, die häufig bei hohem Fleischkonsum auftritt. Offensichtlich florierte die Jagd auf Moas. Zunächst jedenfalls.

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Schon in Dörfern, die nur wenige Jahre später bewohnt waren, aber finden die Forscher praktisch keinen Moa-Knochen-Schmuck mehr. Offensichtlich hatten die Neuankömmlinge die Vögel in kurzer Zeit weitgehend ausgerottet. Auf der 85 Kilometer langen Coromandel-Halbinsel auf der Nordinsel jedenfalls waren anscheinend alle Moas bereits fünf Jahre nach Ankunft der Maori verschwunden. „Keine hundert Jahre nachdem die ersten Menschen an den Küsten landeten, lebten im ganzen Land fast keine Moas mehr“, sagt Paul Scofield.

Hoher Fleischbedarf beschleunigte die Ausrottung

Schuld an dieser raschen Ausrottung war wohl nicht nur der hohe Fleischbedarf der Maori. Auch die Biologie von Dinornis spielte offensichtlich eine wichtige Rolle. Erneut verraten die Knochen im Keller des Canterbury-Museums Details. Ähnlich wie jeden Sommer eine Schicht Holz um den Stamm eines Baumes wächst, finden die Forscher auch in den Beinknochen der Moas Jahresringe. Die zeigen, dass die Riesenvögel erst mit neun Jahren ausgewachsen waren.

Danach hatten die Moas viel Zeit für ihre Vermehrung. „Manche Knochen waren porös, und die Gliedmaßen sahen deformiert aus“, erklärt Paul Scofield. Das sind typische Merkmale für einen Knochenschwund. Diese Osteoporose tritt erst im hohen Alter auf. Bei Vögeln wurde Osteoporose bisher auch nur bei Papageien nachgewiesen, von denen einige Arten hundert Jahre erreichen können. Die Forscher nehmen daher an, dass Moas ebenfalls steinalt wurden.

„Viele Nachkommen hatten sie in ihrem langen Leben dennoch nicht“, schließt Paul Scofield aus den Eiern. Obwohl sie mit einem Gewicht von 4,5 Kilogramm so schwer wie 80 Hühnereier waren, hatten sie nur eine zwei Millimeter dicke Schale. Die ebenfalls seit Jahrhunderten ausgestorbenen Elefantenvögel legten dagegen auf Madagaskar Eier mit acht Millimeter dicken Schalen.

Da die Riesenvögel die Eier beim Brüten oft gegeneinanderdrückten, verhinderten die dicken Schalen das Zerbrechen. Eine 250 Kilogramm schwere Moa-Henne dagegen konnte sich dünne Eischalen leisten, weil sie immer nur ein Ei legte.

Ohnehin kümmerte sich das Weibchen kaum um die Eier. Für Brut und Aufzucht des Nachwuchses waren höchstwahrscheinlich die weit kleineren Hähne zuständig. Zumindest ist das bei heutigen Vögeln wie dem Strauß in Afrika so, bei denen die Männchen kleiner als die Weibchen sind.

Die Hähne brüteten das einzige Ei ihrer Gefährtin in einer Höhle aus und kümmerten sich danach viele Jahre um den Nachwuchs. Aber trotz ihres langen Lebens hatten die Moas nur wenig Nachwuchs.

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Obendrein konnten die Maori den brütenden Hähnen in ihren Höhlen gut den Fluchtweg abschneiden und gleich zwei Generationen vernichten. Jedenfalls standen auch Riesenomeletts aus den Neun-Pfund-Eiern auf dem Speiseplan.

Eine Art mit wenig Nachkommen aber können auch wenige Steinzeitjäger in kurzer Zeit ausrotten, haben Zoologen in der Theorie ausgerechnet. In der Praxis bewiesen ist diese im Englischen übersetzt auch „Blitzkrieg“ genannte Theorie aber bisher nur bei den Moas.

Mammuts, Wollnashörner, Höhlenlöwen und Waldelefanten in der Alten Welt könnten ähnlich rasch von Steinzeiteuropäern ausgerottet worden sein. Allerdings ist das schon mehr als 10.000 Jahre her, da fällt ein Indizienbeweis schwerer.

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