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Beratung für Schuldner Raus aus der Schuldenfalle

Beatrix Cook übernimmt mit dem Verein „Neuer Anfang“ die Schuldner- und Insolvenzberatung in der Begegnungsstätte Schwanewede.
10.01.2018, 19:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Alexander Bösch

Schwanewede. „Das sind alles immer individuelle Schicksale. Jeder Fall ist anders als der andere, auch wenn die persönlichen Eckdaten vielleicht ähnlich sind. Ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben, wenn ich wollte“, sagt Mechthild von Assche. Den Plan mit dem Bücherschreiben möchte die Schuldner- und Insolvenzberaterin eigentlich nicht weiter verfolgen. Im Namen des Vereins Arche hatte die gelernte Bankkauffrau seit 2010 in der Begegnungsstätte (BGS) zweimal wöchentlich eine kostenfreie Schuldnerberatung durchgeführt. Jetzt löst sich der Verein mit Sitz in Bremen auf, da Mechthild van Assche in Rente geht.

Während die verbliebenen zwei Mitarbeiterinnen der „Arche“ von der Hanseatischen Schuldnerberatung übernommen werden, führt der bereits in Neuenkirchen tätige Verein „Neuer Anfang“ die Schuldner- und Insolvenzberatung in der BGS weiter. Beatrix Cook wird hier fortan in finanzielle Not geratenen Schwanewedern beratend zur Seite stehen.

„Wir hatten hier immer ein tolles Umfeld mit der nötigen Diskretion“, betont Mechthild van Assche. Schon nach kurzer Zeit sei man dazu übergegangen, die Gespräche jeweils nach vorheriger Anmeldung zu führen: „Jeder Zweite kennt sich hier, da möchte man vielleicht ungern wartend vor einem Besprechungsraum angetroffen werden“, meint sie. Zumal viele Menschen aus Scham ohnehin erst ihre Hemmschwelle überwinden würden, wenn es fast zu spät sei.

Für Beatrix Cook kam die Auflösung des Vereins Arche wie gerufen. Die zertifizierte Schuldnerberaterin wollte ihr 2006 in Neuenkirchen eröffnetes Büro ohnehin auflösen, als das Angebot eintraf, mit dem Verein „Neuer Anfang“ das Werk der „Arche“ fortzusetzen.

Dem Anlass ihrer Beratung geschuldet, haben beide Damen während ihrer Tätigkeit jede Menge emotionale Ausbrüche erlebt. „Manche Leute sagen mir, sie hätten mir Sachen erzählt, die würden sie nicht mal ihrem Partner anvertrauen“, sagt Mechthild van Assche. Beatrix Cook pflichtet ihr bei. Sie telefoniere auch schon mal Betroffenen aus Sorge hinterher, wenn sie nichts mehr von ihnen hört.

Eine ältere Dame, die ihre Schulden nicht mehr begleichen konnte, habe das eingeleitete Insolvenzverfahren als ungemein befreiend empfunden: „Das war wie Weihnachten für sie, sie konnte wieder zum Friseur gehen und sich neue Schuhe kaufen.“ Typische Monate, in denen sich die Anfragen konzentrieren, seien Februar und Oktober. „Im neuen Jahr sind die Gläubiger nicht mehr so kulant wie vielleicht noch vor Weihnachten. Nach den Sommerferien merken alleinerziehende Mütter, dass nun Schulsachen angeschafft werden müssen und man nicht mehr am See badend alles verschieben kann“, skizziert sie typische Mechanismen psychologischer Verdrängungsmomente.

Entscheidend sei, ob man im Elternhaus mit Geld umzugehen gelernt habe. Konsumschulden durch Versandbestellungen oder Handyverträge, wie sie vor allem bei jungen Leuten typisch seien, seien oft von Gedankenimpulsen wie „Ich brauche das sofort, morgen ist es schon nicht mehr aktuell“ gesteuert. Ein „Klassiker“ sei aber auch das Ehepaar, das sich ein gemeinsames abzuzahlendes Haus zugelegt hat und auseinandergeht. Die Tücken der gesamtschuldnerischen Haftung seien den Betroffenen oft nicht bewusst. „Jeder haftet dann für die Gesamtsumme. Ist ein Haus im Wert von 240 000 Euro nicht bezahlt, ist jeder der beiden für die volle Summe von 240 000 Euro haftbar – und nicht etwa nur für die Hälfte“, verdeutlicht Beatrix Cook.

Während in Bremen-Nord eher die Fälle typischer Konsum- oder Armutsschulden virulent seien, wären bei Ratsuchenden in Schwanewede häufiger das Abstottern von Krediten oder Neuanschaffungen wie eines Pkw zum Problem geworden. Das statistische Durchschnittsalter der Hilfesuchenden liege bei 45 Jahren.

Die beiden Schuldnerberaterinnen haben in ihrem Berufsfeld viele Phänomene der Schuldenspirale erlebt. Da sind junge Leute, die sich unter Druck setzen lassen und plötzlich mit drei Handyverträgen dasitzen. Da ist das Rentnerehepaar, dem eine skrupellose Bank einen Kredit aufschwatzt, den die Eheleute erst im stolzen Alter von 104 Jahren zurückbezahlt hätten.

Und da ist der unglaubliche „Trend“, wie Beatrix Cook ihn bezeichnet, dass sogar Kinder sich mit einem Insolvenzverfahren auseinandersetzen müssen. Cook nennt das Beispiel eines zehnjährigen Mädchens, dessen Mutter bereits insolvent war und das die Forderung einer Nachhilfeorganisation durch ein Inkassounternehmen begleichen sollte.

Vielfach würden Betroffene auch ihren Partner beschuldigen, entsprechende Verträge abgeschlossen zu haben, oder in Abwälzung eigener Verantwortung glauben, die Schuldnerberatung werde fortan für die Begleichung der Schulden sorgen. Üblicherweise sei eine Privatinsolvenz nach sechs Jahren abgeschlossen. Drei weitere Jahre bleibe der Schufa-Eintrag bestehen.

An welchem Tag Beatrix Cook die Schuldnerberatung in der Begegnungsstätte anbieten wird, steht noch nicht fest. Interessenten können die Telefonnummer 01 76 / 57 61 40 28 anrufen oder eine E-Mail schreiben an: info@schuldnerberatung-schwanewede.de.

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