Israel geht massiv voran

Ist Entsalzung die Lösung für die Trinkwasserprobleme der Welt?

von Oliver Scheel

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Ein Blick in die Entsalzungsanlage Sorek. Hier wird in nur 90 Minuten aus Meerwasser Trinkwasser.

Wie schön wäre es, wenn alle Menschen zu jeder Zeit sauberes Trinkwasser hätten und wir unseren Grundwasserspiegel dafür nicht einmal belasten müssen? In Israel sind sie bald so weit: In einigen Jahren, wenn die Entsalzungsanlagen 6 und 7 an den Start gehen, ist die Trinkwasserversorgung für alle Bürger durch entsalztes Meerwasser gesichert. Was aber passiert in einer Entsalzungsanlage und welche Probleme gibt es? Oliver Scheel hat sich auf seiner Reise mit dem Fahrrad durch Israel und Jordanien die Anlage „Sorek“, die größte des Landes südlich von Tel Aviv, angeschaut.

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Israel kann bald Trinkwasser exportieren

Keine Frage, es sind bemerkenswerte Zahlen, die mir bei meinem Besuch in Palmachim präsentiert werden. Tatsächlich ist Israel momentan dazu in der Lage, 75 Prozent des Trinkwasserbedarfs seiner Einwohner durch entsalztes Wasser sicherzustellen. Das ist in der Welt ziemlich einzigartig. Dazu, so der technische Leiter der Anlage, Eyal Sahar-Hadar, würden beim Ansaugen des Wassers außer einigen Quallen kaum Tiere getötet und auch das überschüssige Salz verursache beim Zurücklaufen ins Meer keine Probleme.

Die Trinkwassergewinnung ist das Produkt eines ehrgeizigen Plans der Regierung. Als in den 90er Jahren der Tourismus anfing zu boomen, reichte das Wasser in Eilat nicht mehr. Der extrem sonnerverwöhnte Tauch- und Badeort am Roten Meer hatte hinten und vorne nicht mehr genug Trinkwasser. Also entstand dort die erste Entsalzungsanlage Israels. Eher eine kleine, aber das Wasserproblem vor Ort war gelöst.

Als Ende der 2000er Jahre aber durch den großen Bevölkerungsdruck und einen zunehmenden Klimawandel mit ausbleibendem Regen die Trinkwasserfrage im ganzen Land zum Problem wurde, setzte das Land voll auf Entsalzung. Momentan gibt es fünf Entsalzungsanlagen, bald werden es sieben sein und dann wird Israel 100 Prozent (oder sogar mehr) seines Trinkwasserbedarfs durch ehemaliges Meerwasser abdecken.

Der Chef will weitere Länder mit Trinkwasser versorgen

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Eyal Sahar-Hadar ist der technische Leiter der größten Entsalzungsanlage Israels.

Für Sahar-Hadar, „eine Revolution“. „Wir können dann sogar darüber nachdenken, unsere Nachbarn in Jordanien, Libanon oder auf dem Sinai mit Trinkwasser zu versorgen. Das wäre auch für die Landwirtschaft enorm wichtig“, erklärt er. „Viele Länder wie Deutschland sind abhängig bei der Energie, wir in Israel sind abhängig bei unserer Ernährung. Ungefähr die Hälfte des Landes ist Wüste“, sagt er und träumt insgeheim von einer begrünten Wüste.

Und tatsächlich sind die Zahlen absolut beeindruckend: Allein 1,5 Millionen Menschen werden von dieser einen Anlage mit Trinkwasser versorgt. 150 Millionen Kubikmeter im Jahr. Wahnsinn. Damit könnte man 1,5 mal Hamburg mit Wasser versorgen. Oder eben den kompletten Großraum Tel Aviv mit seinen gut 2 Millionen Einwohnern.

Wie aber funktioniert die Entsalzung und welche Probleme lauern? Das Meerwasser wird tatsächlich in nur 90 Minuten zu Trinkwasser. Genutzt wird in Sorek das Prinzip der Umkehrosmose. Dabei wird Wasser mit hohem Druck von etwa 70 bar durch eine Membran gedrückt, an der das Salz zurückgehalten wird. Ganz einfach eigentlich. Aber energieintensiv. Allein 11.200 solcher Membranen filtern das Wasser in Sorek. Es ist ein ohrenbetäubender Lärm in der Membranen-Halle. Doch für Sahar-Hadar ist das Musik. Er liebt diesen Krach, denn er weiß, am Ende des Prozesses steht absolut wohlschmeckendes und genießbares Trinkwasser.

Problem: Enormer Energieverbrauch

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In der Membranenhalle wird unter hohem Druck das Wasser durch Membranen gepumpt. Das Salz schafft es nicht durch die Membran. In dieser Halle herrscht ohrenbetäubender Lärm.

Das größte Problem ist die Energieversorgung der Anlage: Eine Entsalzungsanlage benötigt am besten ein eigenes Kraftwerk, denn der Energiebedarf ist enorm. Sorek hat ein eigenes Kraftwerk, es arbeitet mit Gas und mit Dampf. Das macht die Trinkwasseraufbereitung zum einen recht teuer und zum anderen auch nicht gerade umweltverträglich. Denn der CO2-Ausstoß einer solch großen Anlage ist angesichts des Energiebedarfs von 70 Terrawattstunden im Jahr immens. „Das ist der Grund, warum Entsalzungsanlagen meist nur in reicheren Ländern stehen“, gibt Sahar-Hadar zu.

Wegen der Energiekosten ist das Wasser auch tatsächlich teurer als das Grundwasser. Das kann viel einfacher zu den Menschen befördert werden. Aber in Israel geht das Grundwasser mehr und mehr zur Neige. Viele Brunnen mussten geschlossen werden, bevor sie ganz versiegen. Deshalb gibt es kaum eine Alternative zur Entsalzung.

Und Sahar-Hadar und sein Team arbeiten an Lösungen. Tatsächlich würde eine komplette Abdeckung der Anlage mit Photovoltaik nur etwa 3 Prozent der Energie bereitstellen können. Aber die Anlagen könnten künftig mit weniger Druck arbeiten oder effizienter filtern.

Für den Chef der Anlage gibt es keine Alternative zu der Entsalzung. Denn ohne Wasser wird im Klimawandel die ganze Gegend zu einer Wüste. „Wir konnten hier die Desertifizierung schon stoppen“, sagt er. Unter Einsatz von viel Geld und Energie. Aber ohne Wasser kein Leben. Und sollte Israel seine Nachbarn in ein paar Jahren mit Wasser versorgen können, wäre das auch ein Fortschritt im Zusammenleben der Menschen in dieser konfliktträchtigen Region.

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(osc)