Grosskonzerne

Sträuli AG, Seifenfabrik

Seit 1831 betrieb das Familien-Unternehmen Sträuli in Winterthur eine Fabrik für die Herstellung von Wasch- und Reinigungsmittel aller Art. Die Fabrikationsräume befanden sich anfänglich am Eck der heutigen Theater- und St. Georgenstrasse auf dem Grundstück des heutigen Stadttheaters. Nach dem Wechsel ins 20. Jhdt. wurden die Fabrikationsräume schrittweise in die Grüze (St. Gallerstrasse 180) verlegt.


Gründungsdatum
1831


Adresse
um 1900: Seifenfabrik Sträuli, Ecke Theater-/St.Georgenstrasse, Holzstich Foto: winbib, Urheberschaft unbekannt (Signatur 031897)

Die „Sträuli“ geht auf Johannes Sträuli (1803-1870) zurück. Er kam 1831 vom Wädenswil nach Winterthur und begann am Kirchplatz mit der handwerklichen Herstellung von Kerzen. Die Kerzenmacherei und die Seifensiederei hatte er zuvor von einem älteren Stiefbruder Hans Jakob Sträuli (1792-1819) erlernt. Die beabsichtigte Seifenherstellung wurde ihm aber in der Innenstadt (Mietobjekt von Ulrich Kaufmann an der Kirchgasse neben der Helferei, Wohnung und Werkplatz) nicht bewilligt, sodass er einen anderen Standort suchen musste. 1834 ergab sich die Möglichkeit vor dem Schmidtor neben dem alten Friedhof (Der Friedhof befand sich auf dem heutigen Grundstück des Schulhauses St. Georgen) eine „Behausung mit Scheune“ zu erwerben. Unter dem Firmennamen „Johannes Sträuli, zum Friedhof“ nahm er am neuen Standort die Seifenproduktion auf. 1835 baute er dort eine Kerzenfabrik, 1836 eine Seifensiederei und 1841 erwarb er ein wenige Jahre früher errichtetes Wohnhaus, direkt neben der Fabrik. Das Unternehmen war ein Familienbetrieb. Der Ehe von Johannes Sträuli mit seiner Jugendfreundin Emilie Brändli (1807-1856) entsprangen 10 Kinder, wovon zwei nach drei ( Johann Jakob) bzw. einem (Magdalena Carolina) Jahr verstarben. Die anderen acht Nachkommen (Emil, Anna [Nanettli], Johannes (Jean), Carl; Luise, Emilie, Werner und Caroline) mussten in der Fabrik Hand anlegen. 1839 erhielt die Familie das Winterthurer Bürgerrecht. Der Betrieb lief gut, sodass bald auch Arbeiter eingestellt werden mussten. Im patriarchalisch geführten Betrieb war klar, dass die Angestellten bei freier Kost und Logis im Haus des Patrons wohnten und ihre Mahlzeiten am Familientisch einnahmen. Um 1860 wurden jährlich rund 150 Tonnen Kernseifen und Schmierseifen und zirka 60 Tonnen Kerzen hergestellt.

In der Zeit von 1865 bis 1899, in welcher zwei Söhne des Gründers das Unternehmen als alleinige Inhaber führten (Benjamin CARL Sträuli-Haggenmacher (1839-1913) und Jean Sträuli-Hauser (1838-1900)) erfolgte schrittweise die Umstellung auf maschinelle Herstellungsweise. Es wurden Siedekessel mit Dampfschlangen, Kerzengiessmaschinen, Laugen- und Seifenpumpen angeschafft. Das Unternehmen war zu einer Seifenfabrik geworden. Am 27. Mai 1883 wütete ein Grossbrand und hinterliess grosse Schäden. Die Wiederinstandstellung wurde sofort in Angriff genommen. Ab 1884 begann die Entwicklung zur Chemischen Fabrik. Nach dem die Firmenleiter der ersten und zweiten Generation noch gelernte Seifensieder gewesen waren, stiegen die Ansprüche.

In der dritten Generation (Die Fabrikleitung stand von 1900 bis 1925 unter Emil Sträuli-Ganzoni (1867-1948) und Walter Sträuli-Linck) (1869-1941) waren Chemiker nötig. Im Jahr 1900 wurde das erste Labor eingerichtet. 1902 wurde Land in der Grüze erworben und erste Abteilungen dorthin verlagert. 1903 wurde der erste Chemiker angestellt und alsdann die Destillisation von Fettsäuren begonnen. Damit konnte der eigene Rohstoff selber gewonnen werden.

Sträuli wurde in der Folge davon zu einem namhaften Schweizer Hersteller und Lieferanten von Dynamitglyzerin, pharmazeutischen Glyzerin, Fettsäuren, Olein, Stearin und Stearaten. Ab 1925 lag die Firmenverantwortung bei Karl Emil Sträuli (1896-1953) und Hermann Walter Sträuli-Asp (1900-1976. Das Sträuli-Unternehmen war immer sehr Kunden orientiert gewesen und das zu einer Zeit als das Wort „Marketing“ noch nicht bekannt war. Bereits anfangs des 20. Jhdt. waren Aussendienstmitarbeiter mit Autos unterwegs. Um die Liefertermin niedrig zu halten wurden Warendepots in Bellinzona, Lausanne und Bern eingerichtet. 1922 wurde ein erster Lastwagen angeschafft. Es wurden Messen besucht und ab 1925 priesen Sträuli-Plakate überall die vielfältige Produkt-Palette an. 1930 nahmen die ersten Damen Beratungs- und Vorführarbeit in Privathaushaltungen auf. In den 1920er-Jahren begann die Herstellung von Seifen in feinerer Form. „Seifenschuppen EOS“, Waschmittel „BORIL“, ein Waschmittel zum Reinigen, Desinfizieren und Bleichen (1929) und schliesslich 1938 das „EXPRESS“ als Feinwaschmittel. Letzteres erreichte in seiner besonderen Beutelform später grösste Wertschätzung als Ferien- und Reisewaschmittel. Es folgte eine schwierigen Phase während des zweiten Weltkrieges (Rohstoffknappheit, Seifenrationierung ab 1.1.1941, Ersatzwaschpulver auf synthetischer Basis gleich Beginn einer neuen Produktepalette).

Die Nachkriegeszeit mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und dem damit verbundenen Verbesserung des Lebensstandards brachte neue, verfeinerte Verbraucherwünsche. Die eigentliche Herausforderung war die Verbreitung der automatischen Waschmaschine. Sie forderten neue Produkte, die den Waschprozess statt mit angewandter Mechanik durch mehr Chemie erfolgreich hielt. Der Verbrauch von solchen Waschpulvern verdreifachte sich zwischen 1945 und 1955. In diesem dynamischen Zeitabschnitt lancierte Sträuli mit grossem Erfolg unter anderen das erste flüssige Feinwaschmittel, brachte ein Automaten-Spezialwaschmittel auf den Markt und übernahm Lizenzfabrikation und Vertrieb für Metall- und Chromstahlreiniger.

1955 übernahm Sträuli die Vertretung des international namhaften Markenprodukts „CALCON“ und kooperierte mit dessen Hersteller Benckiser GmbH Ludwigshafen/Rhein. 1967, nachdem die Unternehmerfamilie Sträuli ihre Firma während 135 Jahren als reine Familienkollektivgesellschaft geführt hatte, sah sich das Unternehmen mit einer äusserst kritischen wirtschaftlichen Situation konfrontiert. Um das Unternehmen zu retten sah man sich gezwungen, die Selbständigkeit aufzugeben und mit dem bisherigen Partner, dem CALCON-Hersteller Joh. A. Benckiser GmbH aus Ludwigshafen, ein ebenfalls 150-jähriges Familienunternehmen zu vereinen. 1967 wurde die Sträuli AG gegründet, die künftig eine reine Vertriebsgesellschaft darstellte. Das Fabrikationsgebäude an der St. Gallerstrasse 180 wurde an COOP verkauft, wo diese die CWK (COOP Waschmittel und Kosmetik-Herstellung, gegründet 1945) einrichtete. Sträuli AG etablierte sich im Hölderli 19 in Seen, wo 1979/80 ein moderner Geschäftsbau entstand. Er beinhaltete ein Hochregallager mit über 4000 Palettenplätze, einen Speditionstrakt und ein Verwaltungsgebäude. Inzwischen ist Sträuli AG nach Wädenswil weggezogen und hat an Bedeutung verloren.

Mit der Fusion am 3. Dezember 1999 von Reckitt & Colman plc mit der Benckiser-Gruppe entstand weltweit eines der grössten Unternehmen für Haushaltsreiniger, das auf mehr als 150 Jahre Geschichte zurückblicken kann. Mit Winterthur hat sie nichts mehr zu tun. Die CWK-SCS, wie die COOP-Nachfolgefirma heute heisst, floriert am östlichen Stadtrand noch heute sehr gut. Sie beschäftigt 2013 140 Mitarbeitende, die für Mischung, Abfüllung und Vertrieb sämtlicher Produkte zuständig sind. Nach wie vor ist das Unternehmen auf Wasch- und Reinigungsmittel sowie Bodycare-Produkte spezialisiert. Auch das legendäre Schweizer Sonnenschutzmittel Sherpa Tensing oder Maya, auf dem Markt die einzige ökologische Produkte Linie für die professionelle Reinigung , werden mit grossem Erfolg weiter produziert.

Im Februar 2021 wurde publik, dass die Sträuli-Fabrikhalle und auch das Kessel- und Maschinenhaus zu Gunsten eines Neubaus abgerissen werden sollen. Der Stadtrat hat die historischen Gebäude deshalb aus dem Inventar schutzwürdiger Bauten gestrichen.

Bibliografie


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
24.02.2022