Gastronomie-Jobs Mit 17.000 Euro Monatslohn gegen den Fachkräfte-Mangel

Der Fachkräftemangel in der Gastronomie ist besonders hoch Quelle: dpa

Ein Kellner wird in einem Restaurant in der Schweiz am Gewinn beteiligt und verdient umgerechnet knapp 17.000 Euro in einem Monat. Wie das funktioniert und ob dieses Modell auch in Deutschland möglich wäre.

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Lange Arbeitstage, körperliche Anstrengung – und dafür meist nur der Mindestlohn. So sieht der Alltag in den meisten Berufen im Gastgewerbe aus. Wie in Deutschland kämpfen auch in der Schweiz Restaurants und Hotels mit tausenden unbesetzten Stellen. Allein in Deutschland gibt es laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft knapp 44.000 offene Stellen, denen nur gut 29.000 entsprechend qualifizierte Arbeitslose gegenüberstehen.

Mit diesem Problem hatten auch Szenegastronom Michel Péclard und sein Partner Florian Weber in der Schweiz im letzten Sommer zu kämpfen. „Wir konnten letztes Jahr keine Mitarbeiter finden und mussten alle nehmen, die sich beworben haben, eine Auswahl gab es nicht“, erinnert sich Péclard. „Das nervte mich unglaublich, die Leute waren nicht motiviert, die waren nicht lustig und die Kundinnen und Kunden haben sich über sie beschwert“.

Eine Lösung musste her. Im letzten Winter überlegten Péclard und Weber, wie sie gutes Servicepersonal an Board bekommen: „Wir haben uns dann für Umsatzlöhne in einigen unserer 16 Betriebe entschieden.“

Bei Umsatzlöhnen bemisst sich der Lohn nach dem vom Arbeitnehmer erzielten Umsatz. Péclards Angestellte verdienen nun also sieben bis acht Prozent des Umsatzes, den sie über den Monat im Restaurant erreichen – durchschnittlich 8000 bis 12.000 Franken im Monat. Im Juni erzielte einer seiner Kellner mit stolzen 16.500 Franken, umgerechnet knapp 17.250 Euro, ein Rekordgehalt.

Und das zeigt Wirkung. Die Zahlen der Bewerbungen sind massiv gestiegen, Péclard und sein Partner könnten jetzt aus einer viel größeren Gruppe an Menschen auswählen. „Bei uns bewerben sich jetzt die besten der Branche“, sagt Péclard. „Das war das Beste, was wir machen konnten“.

Für den Gastronom ist das eine Win-Win-Situation: Nicht nur die Kellnerinnen und Kellner bekommen jetzt mehr Lohn, die Betriebe erzielen außerdem deutlich höhere Umsätze. Seit Einführung des neuen Modells ist der Umsatz um 30 Prozent gewachsen, was vor allem an engagierten Mitarbeitenden liegt. „Das ist jetzt nicht mehr nur unsere Firma, sondern auch die der Mitarbeiter“ – die Angestellten seien seltener krank und motivierter, mit guter Arbeit mehr zu erwirtschaften. „Dadurch konnten wir an anderen Stellen sparen, sodass wir die Personalkosten gegenüber dem Umsatz um vier Prozent senken konnten“.

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Doch was passiert in den weniger rentablen Wintermonaten, in denen vor allem die Außengastronomie wegfällt? „Wir garantieren einen vertraglichen Mindestlohn von 4500 Franken“, so Péclard. So sei gesichert, dass die Mitarbeitenden auch bei reduziertem Umsatz entlohnt werden.

Nicht alles Gold, was glänzt

Was auf den ersten Blick nach der Lösung des Fachkräftemangels klingt, lässt bei Gewerkschaften die Alarmglocken klingeln. Mark Baumeister, Referatsleiter für Gastgewerbe bei der NGG, kritisiert die Unsicherheit dieses Systems: „Die Umsatzlöhne sind nicht planbar und bringen die Beschäftigten in die Situation, dass sie verantwortlich für den Ablauf im Betrieb sind.“

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So handele es sich bei der Umsatzbeteiligung um nichts anderes als Bonusmodelle, auf die Kellnerinnen und Kellner nicht zählen könnten. „Wenn die Angestellten weniger Lohn bekommen, heißt das ja nicht, dass auch die Miete weniger wird“, sagt Baumeister. Vor allem in Deutschland sei ein solches Modell nicht anwendbar, da die Löhne im Gastgewerbe in der Schweiz um einiges höher seien als hierzulande. „Die Angestellten brauchen ein sicheres Einkommen, daran sollte mit Tariflöhnen angesetzt werden“, außerdem müsse der Beruf grundsätzlich attraktiver gemacht werden, zum Beispiel durch kürzere Arbeitszeiten.

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