Menschenunwürdig
Solche „Ekel-Buden” gibt's im Mühldorfer Obdachlosenheim

07.07.2017 | Stand 27.07.2023, 18:22 Uhr
−Foto: n/a

Hubert Berglehner suchte ein Dach über dem Kopf und ­bekam die Schlüssel zu einem ekelerregenden Albtraum

MÜHLDORF Am Dienstag, 29. Januar, steht Hubert Berglehner plötzlich in der Mühldorfer Wochenblatt-Redaktion und meint: „Das müssen Sie sich unbedingt anschauen, so etwas haben Sie noch nicht gesehen!” Wie sich herausstellt war der gebürtige Burghauser erst wenige Tage vorher aus der Justizvollzugsanstalt Bernau entlassen worden – unter anderem wegen Diebstahls habe er dort viereinhalb Monate verbracht. Das ist einerseits sicherlich kein Ruhmesblatt für den 52-Jährigen, aber andererseits auch noch lange kein Grund, ihn in die vermutlich abscheulichste Unterkunft zu schicken, die Mühldorf zu bieten hat.

Aber von vorne: Weil sein zuständiger Betreuer keine Wohnung für den 52-Jährigen gefunden hat, wurden ihm am Montag, 25. Januar, von der Stadt Mühldorf die Schlüssel für eine Wohnung im Mühldorfer Obdachlosenheim (Altöttinger Straße 27, an der Rennbahn) übergeben. Als Berglehner aber das erste Mal die Tür zum neuen Dach über dem Kopf aufsperrte, traute er seinen Augen kaum: „Da drin schaut es ganz furchtbar aus! Außerdem gibt’s keine Duschgelegenheit, keine Heizung, keinen Ofen, nur kaltes Wasser, ein Waschbecken und eine total ekelige Toilette”, berichtet er aufgebracht. Und in der Tat, bei der gemeinsamen Besichtigung bewahrheiten sich die Schilderungen des nun erneut Obdachlosen.

Das sagt Bürgermeister Günther Knoblauch dazu

Wir konfrontieren Bürgermeister Günther Knoblauch mit den Vorwürfen und schicken per E-Mail ein paar Beweisfotos, da es sich beim Obdachlosenheim um städtisches Eigentum handelt und die Stadt als Vermieter fungiert. Knoblauch räumt ein, dass da etwas schief gelaufen sei: „Normalerweise wird vom Bauhof eine grobe Reinigung durchgeführt, wenn dort jemand auszieht. Manchmal bekommen wir das aber gar nicht mit”, meint das Stadtoberhaupt zunächst. Als er sich näher erkundigt, bestätigt sich sein erster Verdacht: „Nach unseren Unterlagen hätte das Objekt eigentlich bewohnt sein müssen.” Da in den größeren Wohnungen eine Zweierbelegung möglich sei, habe man Hubert Berglehner die Schlüssel für diese Wohnung ausgehändigt, die eigentlich in Ordnung sein sollte.

Nachdem die Bauhof-Arbeiter noch am gleichen Tag die Wohnung ausgeräumt hatten, stand fest: „Der Vormieter ist draußen und hat sich nicht bei uns abgemeldet”, so Günther Knoblauch, der betont, dass die Stadt Mühldorf jährlich etwa 20000 Euro für die Instandhaltung des Obdachlosenheims ausgebe.

Angesichts der Problematik für die Stadt Mühldorf, als offizieller Vermieter nicht einfach nach Belieben in die Wohnungen „hineinspazieren” zu können, um die jeweilige Wohnsituation zu kontrollieren, haben wir uns bei der Stadt Altötting erkundigt, wie dort mit dem Thema Obdachlosenunterbringung umgegangen wird.

Herbert Hofauer: So wird es in Altötting gehandhabt

„Früher hatten wir auch so ein Stadthaus, aber das war dann nicht mehr vertretbar”, erklärt Bürgermeister Herbert Hof­auer. Heute arbeite die Stadt Altötting im Bedarfsfall, der jedoch eher selten vorkomme, mit einer Gaststätte und mehreren Privatvermietern zusammen.

Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass die Stadt Mühldorf offensichtlich gar nicht genau weiß, ob die Wohnungen ihres Obdachlosenheims überhaupt noch bewohnt sind oder ob der Mieter schon das Weite gesucht hat. Deshalb haben wir beim Mühldorfer Landratsamt nachgefragt, wie es sich mit eventuellen (Miet-)Zahlungen zum Beispiel vom Sozialamt an die Stadt verhält. Hier die Antwort:

Landratsamt Mühldorf gibt dieses Statement ab

„Bis zum 31.12.2012 wohnte eine Person im Obdachlosenheim und erhielt Leistungen der Grundsicherung, dazu gehören auch Kosten für die Unterkunft. Der Fall ist zum 31.12.2012 ausgelaufen – im Januar ist also keine Zahlung erfolgt. Aktuell liegt ein neuer Antrag für eine andere Person vor, dessen Bewilligung momentan bearbeitet wird.”

Hubert Berglehner musste nicht auf der Straße schlafen. Er hat zumindest für die ersten Nächte Obdach bei einem Bekannten gefunden. „Da kann ich aber nicht lange bleiben”, sagt der 52-Jährige etwas ratlos. Zur Rennbahn will er jedenfalls nie wieder zurück.

Kommentar

von Edi Hutterer

Ekelerregend und menschenunwürdig!

Ganz ehrlich, bevor Hubert Berglehner bei uns auftauchte, habe ich gar nicht gewusst, dass Mühldorf ein Obdachlosenheim besitzt. Bis ich durch die Tür dieser Wohnung trat, habe ich es auch nicht für möglich gehalten, dass es bei uns derartig heruntergekommene Wohnungen gibt – und das auch noch städtisch. Der Anblick sowie der Geruch waren schlicht und ergreifend ekelerregend und schockierend zugleich. Hier zu wohnen empfinde ich zutiefst als menschenunwürdig und das kann nur durch eine umfangreiche Generalsanierung geändert werden.

Aber ich verstehe auch die Problematik, wie sie von Bürgermeister Günther Knoblauch geschildert wurde. Wie soll die Stadt denn wissen, was in ihrem Obdachlosenheim los ist, wenn man nicht regelmäßig nach dem Rechten sehen darf? Wie soll sie mitbekommen, wann sich einer ihrer Mieter wieder einmal „verdünnisiert” hat? Da könnte höchstens ein Hausmeister oder noch besser ein Sozialarbeiter helfen, der Kontakt zu den Mietern hält – aber vor allem Letzterer kostet natürlich entsprechend Geld, das man vermutlich nur ungern für dieses Klientel ausgeben möchte.

Den Altöttinger Weg finde ich sehr clever und vor allem auch praktikabel. Unterkünfte für Obdachlose auf „stand by” bereitzuhalten, erscheint mir angesichts der geschilderten Problematik am sinnvollsten. Dann finden die Obdachsuchenden vernünftige Wohnumstände vor und die Stadt würde sich sogar noch jede Menge Geld sparen – vorausgesetzt es müssen, wie in Altötting, nur hin und wieder Menschen untergebracht werden. Und aus dem städtischen Gebäude an der Rennbahn ließe sich bestimmt auch was richtig Schönes machen ...

Mühldorf a.Inn