Mit Spannung werden die Sondierungsgespräche der vier Parteien verfolgt
Wer kann’s mit wem am besten?

Sondierungsgespräche der vier Parteien | Foto: Vier Parteien und die große Frage: Wer wird mit wem eine Regierungskoalition eingehen?
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Region. Ampel, Jamaika oder doch eine rot-schwarze GroKo? Nach der Bundestagswahl stellt sich für die ganze Republik die Frage: Wie wird es jetzt weitergehen? Welche Parteien werden die neue Regierungskoalition bilden?
In den aktuell laufenden Sondierungsgesprächen sind die Liberalen und Bündnis 90/Die Grünen in einer völlig neuen, ja fast historischen Position als Kanzlermacher. Nicht wie bisher, sucht sich die Fraktion mit dem besten Wahlergebnis ihren Partner aus, sondern zuerst muss abgewartet werden, ob und wie die Juniorpartner sich einigen. Derweil ist bei den verschiedenen Annäherungsversuchen alles offen: die Grünen loten mit den Liberalen hinter verschlossenen Türen Gemeinsamkeiten aus und prägen durch eine neue, themenbezogenen Verhandlungskultur den Findungsprozess, der eine raschere Regierungsbildung als vor vier Jahren verspricht.
Die Sozialdemokraten umgarnen die Grünen und die FDP für ihre favorisierte Ampelkoalition ebenso wie die Christdemokraten Verbündete für ein Jamaika-Bündnis suchen. Allerdings hat die Union stark mit innerparteilichen Problemen zu kämpfen, da Armin Laschet zunehmend von eigenen Parteikollegen in Frage gestellt wird.
Inhaltlich gibt es zwischen allen vier Parteien Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Letztere hervorzuheben und sich den unterschiedlichen Positionen zu nähern, wird die Herausforderung der nächsten Gespräche sein. So betonte FDP-Chef Christian Lindner nach der ersten Runde zwischen Grünen und FDP, dass »es jetzt darum gehe, die Brücken zu suchen«. Überzeugt sind sowohl die Liberalen wie die Grünen, dass »diese Wahl uns allen einen Auftrag gegeben hat, ein neues Bündnis zu schaffen«, wie die grüne Spitzenkandidatin Annalena Baerbock betonte. Sie sprach von »einem historischen Moment, weil es eine Politik voraussetze, die für einen neuen Aufbruch sorge«.
Doch wer findet die meisten Gemeinsamkeiten, um diesen Aufbruch zu gestalten? Wer kann die unterschiedlichen Positionen in Sachen Finanzen, Klimapolitik und Soziales am besten überbrücken, ohne dass ein Partner zu viel an Profil verliert und zu viele Zugeständnisse macht, um an die Regierungsmacht zu kommen? Wen holen sich Grüne und Liberale mit ins Boot? Wer kann's mit wem am besten?
Diese Fragen stellten wir den frisch gewählten Bundestagsabgeordneten Andreas Jung (CDU), Lina Seitzl (SPD) und Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP) wie auch Sebastian Lederer von Bündnis 90/Die Grünen, der allerdings kein Mandat erringen konnte.

Andreas Jung (CDU): »Das Wahlergebnis ist klar, da gibt es nichts dran zu deuteln und das akzeptieren wir. Daraus folgt, dass für die CDU kein Regierungsanspruch besteht. Aber wir sind offen für konstruktive Gespräche mit demokratischen Parteien in den Sondierungsgesprächen – da schlagen wir keine Türen zu. Unabhängig von den Sondierungsgesprächen und davon, ob wir in der Regierung oder Opposition sein werden, ist ein Prozess der Erneuerung notwendig, der aufzeigt, wofür die CDU steht und wie sie sich positioniert. Über die unterschiedlichen politischen Ebenen müssen die Inhalte in den Mittelpunkt gerückt werden, um gemeinsam nach vorne zu kommen. Und es müssen Fragen beantwortet werden, zum Beispiel warum wir für die Erstwähler nicht so attraktiv sind.«

Dr. Lina Seitzl (SPD): »Ich war schon fast die ganze letzte Wochen in Berlin und berichtete letzten Donnerstag in einer Zoom-Konferenz den SPD-Genossen des Kreisverbands von meinen ersten Eindrücken zum Zusammenwachsen der neuen Fraktion. Schließlich sind es rund 100 Abgeordnete, die hier erstmals in den Bundestag einziehen. Mein Standpunkt hat sich in den letzten Tagen noch verfestigt: Klar ist, dass wir die stärkste Kraft sind, und deshalb wäre eine Ampel-Koalition auch die beste Lösung, denn daraus kann eine Regierung werden, die die wichtigen Aufgaben, die vor uns stehen, meistern kann. Wie sich die Lage aktuell darstellt, könnte es aus meiner Sicht vielleicht schon in der nächsten Woche von den Sondierungen in Koalitionsverhandlungen gehen, die dann ihre Zeit bräuchten. Die Grünen haben ja inzwischen angekündigt, ihre Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen zu lassen, bei der SPD ist das aber noch ›offen‹. Vor vier Jahren gab es dort eine solche Abstimmung, aber damals waren auch ganz andere Bedingungen.«

Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP): »Wichtig ist, dass nun in Ruhe Gespräche in alle Richtungen geführt werden und mit Geduld und Respekt auf ein regierbares Ergebnis hingearbeitet wird. Ich sehe zwar nach wie vor mit der CDU viele Schnittstellen, jetzt muss aber angesichts des Wahlergebnisses auch eine Zusammenarbeit mit der SPD intensiv geprüft werden. Mit Blick auf die vielen Zukunftsaufgaben ist derzeit eine Zusammenarbeit mit den Grünen natürlich eine spannende Option. Klar ist für mich, dass die Bürger keine große Koalition mehr wollen, sondern einen Wandel und Veränderungen. Diese Aufbruchstimmung ist spürbar. Allerdings wird die Politik am Ende leider nicht alle WählerInnen glücklich machen, bei der Koalitionsfindung wird es immer Enttäuschte geben. Die neue Gesprächskultur bei den Sondierungen finde ich super, es ist wichtig, dass zuerst Vertrauen aufgebaut wird und in Ruhe die einzelnen Themen besprochen werden, ohne dass alles nach außen dringt.«

Sebastian Lederer (Bündnis 90/Die Grünen): »Das sind spannende Fragen. Ich sehe die Ampelkoalition von den Menschen und Wählern gewollt, da ja die SPD Wahlsiegerin der Bundestagswahl 2021 ist. Bei den Sondierungsgesprächen werden wir die Überschneidungen mit den anderen Parteien ausloten. Sicher ist, dass das Thema Klimaschutz übergreifend eine Rolle spielen muss. Beim Thema Sozialpolitik haben wir mit der SPD mehr Übereinstimmung, bei den Themen liberale Gesellschaft und Digitalisierung mit der FDP. Die neue Verhandlungskultur mit einem konstruktiven Verständnis, die sich in den ersten Sondierungsgesprächen entwickelt hat, tut der Politik gut. Grundsätzlich sollte sich die Politik mehr an Zielen und Inhalten orientieren. So kann man gemeinschaftlich zu dem Punkt kommen, den wir erreichen wollen.«

Autor:

Ute Mucha aus Moos

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