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Gemüse vom Dach auf den Teller

Vom Dach auf den Teller. Diesen Weg soll bald Gemüse in Kehlen verfolgen. Die Vereinigung ATP will ein Gewächshaus auf dem Dach der eigenen Werkstatt errichten. Erste Erfahrungswerte mit Gemüseproduktion in luftiger Höhe werden derweil in Bettemburg gesammelt.

Das Dachgewächshaus in der Bettemburger Aktivitätszone dient zu Versuchszwecken. Eine Umsetzung des 
Konzeptes soll nun in Kehlen erfolgen.
Das Dachgewächshaus in der Bettemburger Aktivitätszone dient zu Versuchszwecken. Eine Umsetzung des 
Konzeptes soll nun in Kehlen erfolgen. Foto: Christophe Olinger

„Als wir dem Restaurant nebenan unsere Salate angeboten haben, haben die uns gesagt, dass sie besser als die ,Bio‘ schmecken“, erzählt Gärtner Emile Unsen nicht ohne Stolz. Über 200 Stück schätzt er geliefert zu haben, während hinter ihm, das Plätschern des Bewässerungssystem des Gewächshauses zu hören ist.

Doch um diese Lieferungen zu tätigen, reichte es nicht, einfach die Salate rüberzubringen. Zuvor musste das Gemüse mehrere Stockwerke hinunter transportiert werden. Denn das Gewächshaus, in dem Emile Unsen tätig ist, befindet sich auf einem Dach. Dies mitten in der Aktivitätszone Krakelshaff in Bettemburg.

Das Gewächshaus befindet sich auf dem Dach der Firma Neobuild in der Bettemburger Aktivitätszone Krakelshaff.
Das Gewächshaus befindet sich auf dem Dach der Firma Neobuild in der Bettemburger Aktivitätszone Krakelshaff. Foto: Christophe Olinger

CO2 aus dem Gebäude, Regenwasser vom Dach

Emile Unsen zeigt auf den stellenweise durchlöcherten Boden des Gewächshauses: „Durch diese Löcher erhalten wir das CO2 aus dem Gebäude. Damit wachsen die Pflanzen schneller“. Das Bewässerungswasser stammt auch ursprünglich vom Dach: Regenwasser, das in Zisternen im Keller gesammelt wird und bei Bedarf wieder hochgepumpt wird.

„Etwa 250 Liter sind in unserem Kreislauf drin“, sagt er. Im Winter muss er zehn bis zwölf Liter pro Woche hinzufügen. Im Sommer mehr.

Auf einem Dach in Bettemburg

„In der Natur braucht ein Salat 300 Liter Wasser, um zu wachsen. Hier sind es etwa zehn“, erklärt er. Hier, das ist in diesem Fall auf dem Dach der Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft Neobuild. Als diese Firma, die unter anderem mit öffentlichen Gelder finanziert wird, das Projekt Dachgewächshaus entwickelte, suchte sie nach einem Partner für die eigentliche Gärtnerarbeit.

Emile Unsen arbeitet seit drei Jahre im Dachgewächshaus.
Emile Unsen arbeitet seit drei Jahre im Dachgewächshaus.  Foto: Christophe Olinger

Sie wurde bei der Vereinigung ohne Gewinnzweck "Association d’aide par le travail thérapeutique pour personnes psychotiques" (ATP) fündig, die Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen betreut und ihnen eine Beschäftigung gibt. Die ATP beschäftigt Personen unter anderem in ihrer Werkstatt in Kehlen aber auch im Haff Ditgesbaach in Ettelbrück.

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So kam Emile Unsen nach Bettemburg und die ATP auf die Idee, selber ein Gewächshaus auf dem Dach ihrer Werkstatt in Kehlen zu errichten. Damit könnte das von der ATP im gleichen Gebäude betriebene Restaurant mit frischen Produkten beliefert werden. „Unser Gewächshaus soll etwa 100 Quadratmeter groß sein“, erklärt ATP-Direktorin Sandrine Bem.

Bei Wind bewegt sich das Gewächshaus. Das würde man jedoch nicht merken, so Emile Unsen.
Bei Wind bewegt sich das Gewächshaus. Das würde man jedoch nicht merken, so Emile Unsen.  Foto: Christophe Olinger

Umbauarbeiten am Dach notwendig

Doch es gibt einen Haken: die Finanzierung. Nicht nur das eigentliche Gewächshaus muss bezahlt werden, sondern es müssen auch Arbeiten am Gebäude durchgeführt werden. So sollen auch am Kielener Atelier Gebäudewärme und Regenwasser wiederverwertet werden. Ohne den eigentlichen Zugang zum Dach zu vergessen.

Doch konnte das Projekt die Oeuvre Nationale de Secours Grande-Duchesse Charlotte überzeugen. Im Rahmen der Initiative „Yes we care“ wurden zehn Projekte im Bereich der Kreiswirtschaft ausgewählt, unter 40 die eingereicht worden waren. „Die Jury war überzeugt, dass es sich um eine technische Innovation handelt, während gleichzeitig eine soziale Komponente besteht“, so Oeuvre-Direktor Gilles Rod über das Dachgewächshausprojekt. „Wir hoffen auch, dass es andere ermuntern wird, es nachzuahmen“.

Zukunft für Gemüseanbau

Die Pflanzen wachsen nicht in Erde, sondern in Kokosfaser. Kleine Tonkugeln lockern diese auf und speichern das Wasser. Ein Irrigationssystem sorgt für die ständige Bewässerung.
Die Pflanzen wachsen nicht in Erde, sondern in Kokosfaser. Kleine Tonkugeln lockern diese auf und speichern das Wasser. Ein Irrigationssystem sorgt für die ständige Bewässerung.  Foto: Christophe Olinger

Dass Dachgewächshäusern die Zukunft gehört, davon ist Francis Schwall, Direktor von Neobuild überzeugt. „Auf dem Dach des IFSB (Institut de formation sectoriel du bâtiment) werden wir ein 500 Quadratmeter großes Gewächshaus anlegen, um das interne Restaurant zu beliefern“, erzählt er und zeigt auf eine weitere Dachfläche nur wenige Meter entfernt.

Damit eine Produktion wirtschaftlich rentabel sei, sei eine Dachfläche von zwischen 1 500 und 2 000 Meter notwendig, schätzt er ein. Einzige Voraussetzung: Die Gebäudestatik muss eine solche Dachkonstruktion erlauben. Er zeigt auf das große Gebäude der Logistiksparte der CFL, das ebenfalls in der Aktivitätszone liegt. „Von dort aus werden Supermärkte beliefert. Würde es da nicht Sinn machen, auf dem Dach Gemüse zu produzieren?“

„Vielleicht ein Crowdfunding“

Konkreter ist bereits das Projekt in Kehlen. Auch wenn sich noch Schwierigkeiten stellen, allen voran die Finanzierung, wie Präsident Jean-Paul Reuter erklärt. Die 150 000 Euro, die die Vereinigung von den Oeuvre erhält, werden voraussichtlich nicht ausreichen.

Es brauche noch andere Finanzierungsquellen: „Vielleicht ein Crowdfunding“, so Jean-Paul Reuter. Ziel bleibt es, das Projekt im Frühjahr 2019 umzusetzen. Damit in Kehlen frischer Salat direkt vom Dach auf den Teller kommt.

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