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Zur Sonnenfinsternis am Freitag

Als Tintin die Inkas hinters Licht führte

Sonnenfinsternis? Da werden Erinnerungen wach. Etwa an das Tintin-Album „Le Temple du Soleil“. Der belgische Comic-Zeichner Hergé hat darin eine Sonnenfinsternis zum Schlüsselelement gemacht. Nur sind ihm dabei einige Fehler unterlaufen.

Die Sonnenfinsternis kann beginnen...
Die Sonnenfinsternis kann beginnen... Foto: Album Tintin - Le Temple du Soleil

Von Marc Thill

Und warum nicht zur Sonnenfinsternis das Tintin Album „Le Temple du Soleil“ - in deutscher Übersetzung „Der Sonnentempel“ - hervorkramen? Darin rettet nämlich eine Sonnenfinsternis den pfiffigen Tintin, den ungehobelten Kapitän Haddock und den abgehobenen Professor Tournesol vor dem Scheiterhaufen. Eine Sonnenfinsternis ist das Schlüsselelement, und das ausgerechnet im Reich der sonnenverliebten Inkas...

Zur Geschichte: Auf der Suche nach dem entführten Professor Tournesol durchqueren Tintin und Kapitän Haddock die Anden und den peruanischen Dschungel. Sie gelangen zu dem geheimnisvollen und bis dahin noch nie entdeckten Sonnentempel der Inkas.

Hergé, dem Meister der erzählerischen Verflechtung von Abenteuer und Naturwissenschaften, sind allerdings einige Fehler unterlaufen. Zum Beispiel, dass Tintin die Inkas mit einer Sonnenfinsternis „hinters Licht führen“ konnte, ist an und für sich eine Frechheit. Denn die Inkas waren in der Lage, den Verlauf der Himmelskörper genau zu berechnen und konnten demnach auch Sonnenfinsternisse vorausplanen.

Hergé hat sich vor allem im Roman "L'épouse du soleil" von Gaston Leroux die Inspiration geholt, aber auch bei Christoph Kolumbus. Der hatte nämlich bei seiner vierten Amerika-Fahrt im Jahr 1504 die Indios in Jamaika mit einer im Voraus angekündigten Mondfinsternis gefügig gemacht.

Merci, ô astre souverain!... Merci, ô Soleil!... Tu as entendu ma prière ... Voici que tes rayons déclinent...

Bei Hergé findet man einige Ungereimtheiten, wie etwa diese: Im Comicbuch dauert das Spektakel am Himmel nur wenige Minuten. In Wirklichkeit sind es aber bei Sonnenfinsternissen mehrere Stunden, die der Mond braucht, um sich zwischen Sonne und Erde zu schieben. Hergé hat da zwei Dinge verwechselt. Wenige Minuten dauert nur ein Teil des himmlischen Rendezvous, und zwar die totale Verdeckung der Sonne, und das wohlgemerkt an einem fixen Standpunkt.

Die Sonnenfinsternis von 1937 oder 1944?

Hergés Comic-Album ist im Jahr 1949 erschienen. Zwei totale Sonnenfinsternisse, die in Peru sichtbar waren, gab es in den Jahren vor der Veröffentlichung des Albums: Am 8. Juni 1937 und am 25. Januar 1944. Beide könnten demnach auf die erzählte Geschichte zutreffen.

Auch bei der Darstellung der Sonnenfinsternis ist Hergé ein Fehler unterlaufen. Die Sonnenfinsternis verläuft bei Hergé von rechts nach links, da aber Peru auf der Südhalbkugel der Erde liegt, müsste der Ablauf von links nach rechts sein.
Auch bei der Darstellung der Sonnenfinsternis ist Hergé ein Fehler unterlaufen. Die Sonnenfinsternis verläuft bei Hergé von rechts nach links, da aber Peru auf der Südhalbkugel der Erde liegt, müsste der Ablauf von links nach rechts sein. Foto: Album Tintin "Le Temple du Soleil"

In Hergés Geschichte schiebt sich der Erdtrabant gegen 11 Uhr zwischen Sonne und Erde. Da die Sonnenfinsternis von 1937 am späten Nachmittag kurz vor Sonnenuntergang stattfand, kann man schon mal festhalten, dass es nicht diese Sonnenfinsternis war, die Hergé inspiriert hat.

Bleibt also die von 1944. Sie durchquerte Peru zwischen 9 Uhr und 9.30 Uhr, und verlief dann weiter quer durch Brasilien. Um 11 Uhr, als Tintin, Haddock und Tournesol am Marterpfahl stehen, war die Sonne nicht in Peru total verdeckt, sondern südlich des brasilianischen Manaus am 60. Längengrad West und dem 8. Breitengrad Süd, 15000 Kilometer von der peruanischen Küste entfernt.

Hergé hat demnach keine „echte“ Sonnenfinsternis in sein Comic hineingezeichnet, und man wird auch nie anhand seiner fiktiven Sonnenfinsternis den geheimnisvollen Sonnentempel ausfindig machen, den Tintin und Kapitän Haddock im peruanischen Dschungel aufgespürt haben.

Die entscheidende Szene im Zeichentrickfilm "Le Temple du Soleil":

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