«Das geheime Leben der Bäume»: Deutschlands eitelster Förster

Nr. 5 –

Der Bestsellerautor Peter Wohlleben, seine Wälder und gewagten Thesen sind jetzt auf der grossen Leinwand zu sehen: Ein Kinobesuch gemeinsam mit Waldfachleuten.

Wird mit dem richtigen Wald alles gut? Baumfreund und Filmregisseur Peter Wohlleben. Still: Praesens-Film

Gegen Ende des Films wird Anton Bürgi ungeduldig: «Jetzt will ich mal Lösungen sehen!» Bürgi ist Waldmanagementspezialist an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Die WOZ hat ihn und seinen WSL-Kollegen Frank Hagedorn ins Kino eingeladen. Denn der Film handelt von ihrem Fachgebiet: «Das geheime Leben der Bäume» präsentiert die Thesen des Bestsellerautors und ehemaligen Försters Peter Wohlleben. Auf die Lösungen wartet Bürgi leider bis zum Schluss vergebens.

«Das geheime Leben der Bäume» ist eines der erfolgreichsten deutschsprachigen Sachbücher der vergangenen Jahrzehnte. Regisseur Jörg Adolph scheint tief beeindruckt: Er filmt nicht wie einer, der einer Sache auf den Grund gehen will, sondern wie ein Fan. Wir sehen Peter Wohlleben in Talkshows, beim Signieren, auf Reisen nach Polen, Schweden, Kanada – und nie stellt jemand eine kritische Frage. Wohlleben spricht nicht mit KritikerInnen, er spricht über sie. Oft wirkt er unerträglich selbstgefällig: Er kokettiert dauernd damit, bescheiden geblieben zu sein.

Hippiemystik im Wald

Aber eitel sind viele – wie steht es mit Wohllebens Thesen, die so grossen Anklang finden? Eigentlich ist es ja sympathisch: In Wohllebens Natur gibt es keinen «Kampf ums Dasein», sondern viel Liebe. Laut Wohlleben stillen Bäume ihre Kinder, sprechen sich ab, wann sie blühen wollen, können Schmerzen fühlen und schreien sogar um Hilfe. Das ist nicht einfach aus der Luft gegriffen: Viele neuere Forschungsergebnisse klingen tatsächlich fast wie Hippiemystik. Bäume kommunizieren mit Duftstoffen, sie leben in Symbiose mit Wurzelpilzen, die Netzwerke durch den ganzen Wald bilden. Wenn ein Insekt Blätter oder Nadeln anknabbert, kann der Baum die Inhaltsstoffe so verändern, dass sie ungeniessbar werden. Wohlleben stützt sich auf solche Forschungen – meist ohne zu erwähnen, von wem sie stammen. Die Vermenschlichung stammt allerdings von ihm.

«Wir wissen so vieles nicht», sagt Frank Hagedorn. «Zum Beispiel, wie sich eine Wurzel bewegt. Wenn es in der Nähe phosphorreiches Gestein gibt, wachsen die Wurzeln genau in diese Richtung. Wie geht das? Ich finde es gerade faszinierend, dass wir nicht alles wissen.» Anton Bürgi ergänzt: «Ein Grundsatz hat sich nicht geändert: Mit jeder Antwort entstehen fünf neue Fragen.» Ausgerechnet diese Faszination geht in Wohllebens Interpretationen verloren: Bäume sind eben fast wie wir. Das wird den Pflanzen, die in vielem grundlegend anders funktionieren, nicht gerecht. Es wirkt kindisch.

Und das Holz?

«Wenn Sie was für den Wald tun wollen, dann unterlassen Sie es, darin rumzusägen», sagt Wohlleben im Film. Er möchte zurück zum Buchenwald, der einst grosse Teile Deutschlands bedeckte – und den sollen Menschen dann möglichst nicht mehr beeinflussen.

«Dass er alte Bäume und Totholz fördern will, hat seine Berechtigung», betont Frank Hagedorn. «Aber nicht im gesamten Wald. Wohlleben sagt, er sei nicht gegen die Holznutzung, aber wo und wie das Holz produziert werden soll, sagt er nicht.» Holz als Bau- und Brennstoff kann eine wichtige Rolle für den Klimaschutz spielen, wenn es nachhaltig in vielfältigen Wäldern geschlagen wird (siehe WOZ Nr. 15/2019 ). Darauf geht der Film überhaupt nicht ein – er stellt plakativ wunderschöne alte Laubwälder abschreckenden Fichten- und Föhrenplantagen gegenüber. Tatsächlich sind in der deutschen Forstwirtschaft Monokulturen, Kahlschläge und Insektizidbehandlungen verbreitet. Dass es aber auch Beispiele guter Nutzung gibt, zeigt der Film nicht. Das sind die Lösungen, die Anton Bürgi vermisst: «Das Hauptproblem ist das gleiche wie in der Landwirtschaft: Es soll vernünftig produziert werden, darf aber nichts kosten. Wenn man dreimal mehr für das Holz bekäme, gäbe es ganz viele Probleme nicht, die man im Film sieht.»

Noch mehr erstaunt, dass das Thema Klima nur kurz vorkommt. «Möchte man Wälder zum Kampf gegen den Klimawandel nutzen, müssen wir sie alt werden lassen»: Das ist eine von Wohllebens Lieblingsthesen. «Ich kenne die Studie, auf die er sich bezieht», sagt Frank Hagedorn. «Alte Bäume produzieren gleich viel oder mehr Biomasse als junge. Das stimmt für den einzelnen Baum – aber in einem alten Wald stehen viel weniger Bäume pro Fläche.» Darum absorbiere ein jüngerer Wald mehr CO2 als ein alter. «Das unterschlägt Wohlleben, und so macht er es häufig: Er stellt den richtigen Befund in den falschen Zusammenhang.»

«Bäume würden nicht Trump wählen»

Im Magazin der Deutschen Bahn behauptete Wohlleben kürzlich sogar, Mischwälder aus Buchen und Eichen kämen «gut klar» mit der dramatischen Hitze und Trockenheit der letzten zwei Jahre. Bürgi und Hagedorn widersprechen vehement: «Bei uns im Aargau sind auch Eichen vertrocknet – das hätte ich nie für möglich gehalten», sagt Bürgi. «Das macht schon Angst.»

Wohlleben verbreitet hingegen beruhigende Botschaften: Mit dem richtigen Wald wird alles gut. Von Bäumen könnten wir Entspannung lernen: «Wir müssen uns nicht ständig schuldig fühlen.» Und: «Bäume würden nicht Donald Trump wählen.» Gut zu wissen. Obwohl der Regisseur das ganz sicher nicht beabsichtigt hat: Dieser Film ist ziemlich entlarvend für den berühmtesten Förster Deutschlands. Darüber täuschen auch die wirklich tollen Aufnahmen aus dem Wald nicht hinweg.

Das geheime Leben der Bäume. Regie: Jörg Adolph. Deutschland 2019