Knatterndes Loblied bei der Biker-Wallfahrt nach Werl
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Von Monika Willer
Werl. . Hunderte von PS-starken Pilgern starteten zur Motorradwallfahrt nach Werl. Die Predigt handelt vom Stoßdämpfer – die Auspüffe singen das Loblied.
Schwester Ines legt den Nonnenschleier ab. Das ist eine bewusste Entscheidung, auf die sie sich ein ganzes Jahr lang vorbereitet hat. Sonntagmorgen um 11 Uhr tauscht die Leiterin des Paderborner Immaculata-Hauses ihre Ordenstracht gegen Lederkluft plus Helm. Und fährt als Sozia auf dem Motorrad zur Muttergottes nach Werl.
Auf dem Weg sein: Dieses uralte Pilgermotto lockt gestern wieder Hunderte von Motorradfahrern zur Trösterin der Betrübten. Aus allen Städten und Kreisen Südwestfalens, aus dem Ruhrgebiet, dem Paderborner Raum und dem Münsterland kommen sie, um die Fürbitte Mariens für allzeit sichere Fahrt zu erflehen.
Fachsimpeln gehört zum Programm
Männer und Frauen in schweren Stiefeln, mit Abzeichen auf den Jacken und in T-Shirts mit Club-Schriftzügen schlagen das Kreuzzeichen und beten das Vaterunser. Dass daneben tüchtig gefachsimpelt wird, gehört zum Programm. Und so manches besonders alte, besonders neue oder besonders auffällige Zweirad garantiert staunende Bewunderung.
Das Vorurteil bringt Motorradfahrer ja eher mit Bier und Bratwurst als mit dem Rosenkranz in Verbindung. Doch die gelebte Weltoffenheit der Franziskaner kennt keine Berührungsängste. Für Wallfahrtsleiter Pater Ralf Preker ist die „Moto Maria“ ein Versuch, neue Zielgruppen anzusprechen. Menschen, die vielleicht sonntags nicht unbedingt in die Messe gehen, die aber wissen, dass ein Motorradfahrer jeden Segen brauchen kann.
Motorrad-Wallfahrt nach Werl
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Thomas Mehr ist einer der Erfinder des Motorrad-Pilgerns. Der Referent des Dekanats Lippstadt-Rüthen hat das Angebot der spirituellen Motorradreisen im Erzbistum Paderborn entwickelt. „2010 sind wir zum ökumenischen Kirchentag nach München gefahren. Das gefiel allen so gut, dass wir gesagt haben, Pilgern mit PS, das können wir auch allein.“
Zu den Gründern zählt Pastor Ralf Thelen aus Sundern-Endorf. „Wir bieten in Endorf schon seit über zehn Jahren Gottesdienste für Motorradfahrer an.“ Der Geistliche allerdings hat sein Motorrad unlängst verkauft. „Ich habe erlebt, dass ich in einer Situation ohne den, der mich geschoben hat, gar nicht mehr hier stehen würde.“
Alle Biker sind angesprochen – auch Kirchenferne
Aber immer noch gestaltet er den Wallfahrts-Gottesdienst in seiner Geburtsstadt Werl mit. Der ist ökumenisch, denn alle Motorradfahrer sind angesprochen, auch jene, die gar nicht in der Kirche sind.
Pfarrer Werner Vedder aus Soest ist dagegen mit seinem Moped gekommen, und die Yamaha SR 500 steht jetzt als eine Art Altar-Ersatz vor der Muttergottesstatue auf dem Marktplatz. „Das Thema meiner Predigt handelt vom Stoßdämpfer. Manchmal brauchen wir einen Dämpfer, und manches können wir nicht dämpfen. Das Gebet für die, die auf der Straße geblieben sind, gehört heute dazu.“
Weihwasser scheut der protestantische Geistliche nicht
Das Weihwasser scheut der protestantische Geistliche dabei nicht. „Ich gehe mit meinem lieben Amtsbruder mit dem geweihten Wasser an den Maschinen vorbei. Die Segnung soll daran erinnern, dass der Mensch auf der Maschine das Tempo macht und nicht die Maschine.“
Aus allen vier Himmelsrichtungen sind die PS-starken Pilger als Sternwallfahrt zur Marienstadt gekommen. Treffpunkte waren in Sunden-Endorf, Dortmund-Lichtendorf, Beckum und Salzkotten-Verne. Sie alle eint das Bewusstsein, dass der Mensch auf dem Motorrad zwar das Fliegen lernen kann, aber zugleich verletzlich und ungeschützt ist. Meggy Robben aus Hamm weiß das noch besser als die anderen, denn die Fahrerin einer Enduro ist im Hauptberuf Ärztin. Durch den Motorradclub Hamm hat sie von der Wallfahrt erfahren: „Ich bin einfach mal mitgefahren“.
Motorradfahrer sind unkompliziert und hilfsbereit. Das macht sie zu guten Pilgern. Beim Gottesdienst schauen sie fragend zu Pater Ralf, ob nach seiner Ansprache Klatschen erlaubt ist. Der Wallfahrtsleiter freut sich. „Beifall? Gern! Wir sind in der Kirche immer ein wenig scheu mit Beifall.“
Gewaltiges Loblied auf knatternden Auspuffen
Die Glocken der Basilika schweigen an diesem Moto-Maria-Sonntag. Dafür bringen die Motoren und das Knattern der Auspuffe dem goldenen Gnadenbild ein gewaltiges Loblied dar. Susanne und Christoph Hanke aus Hagen-Haspe finden es nicht ungewöhnlich, als Biker zu pilgern. „Wir sind Christen auf zwei Rädern“, sagt Susanne. „Motorradfahren ist ein Hobby. Aber es hat auch eine spirituelle Komponente“, ergänzt Christoph.
Für den Moped-Korso setzt Schwester Ines wieder den Helm auf. „Es gefällt mir sehr gut. Ich habe keine Angst, ich habe mich richtig in die Kurven gelegt.“ Pater Ralf schürzt seine Kutte, denn er fährt im Patermobil mit, einer knallgelben Maschine mit Beiwagen.
Auf ihrer Fahrt durchs Leben werden viele Moto-Maria-Pilger wohl im nächsten Jahr wieder einen Abstecher zur Gottesmutter in Werl machen. Die Wallfahrt ist erst fünf Jahre alt, aber außerordentlich beliebt. Oder, wie Cristoph Hanke das ausdrückt: „Wenn ich Motorrad fahre, ist mein Chef immer dabei.“