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Anspruch auf Ausbildungsunterhalt und Obliegenheiten des ... - DIJuF

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<strong>DIJuF</strong>-Themengutachten<br />

<strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Obliegenheiten</strong> <strong>des</strong><br />

Kin<strong>des</strong><br />

- Antworten <strong>auf</strong> häufig gestellte Fragen -<br />

Inhalt<br />

1. Gegenseitigkeitsprinzip“ beim <strong>Ausbildungsunterhalt</strong><br />

2. Verlust <strong>des</strong> <strong>Anspruch</strong>s <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> durch eigenes<br />

Verschulden <strong>des</strong> Kinde<br />

3. Anforderungen bei Minderjährigen<br />

4. Beurteilung von Schulversagen<br />

DEUTSCHES INSTITUT<br />

FÜR JUGENDHILFE UND<br />

FAMILIENRECHT e. V.<br />

5. <strong>Obliegenheiten</strong> <strong>des</strong> jungen Menschen nach Beendigung der<br />

Schule<br />

6. Wiederholte Obliegenheitsverletzungen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong><br />

7. Diebstahl eines minderjährigen Kin<strong>des</strong> gegen seinen Lehrherrn <strong>und</strong><br />

anschließende Aufhebung <strong>des</strong> Ausbildungsverhältnis: Fragen der<br />

Verwirkung <strong>des</strong> <strong>Anspruch</strong>s <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong><br />

8. Abbruch einer soeben begonnenen Ausbildung durch eine 16jährige<br />

nach Bekanntwerden einer Schwangerschaft: Auswirkungen<br />

<strong>auf</strong> ihren Unterhaltsanspruch<br />

9. Orientierungsphase einer minderjährigen Schulabgängerin nach<br />

Abbruch einer Erstausbildung; Unterhaltsanspruch während der<br />

achtmonatigen Wartephase bis zum Beginn der nunmehr geplanten<br />

Ausbildung<br />

10. Verschwiegener Schulabbruch <strong>und</strong> hierdurch veranlasste Weiterzahlung<br />

von Unterhalt<br />

FORUM FÜR FACHFRAGEN<br />

U 1.400 Dl/K<br />

20.09.2011,<br />

zuletzt geändert<br />

02.12.2011


2<br />

11. Ein Minderjähriger findet nach Schul- bzw Lehrabbruch zunächst keine neue<br />

Ausbildungsstelle <strong>und</strong> durchläuft eine von der Agentur für Arbeit finanzierte<br />

Einstiegsqualifizierung: <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> während dieser Zeit<br />

12. Auswirkungen einer fehlenden Leistungsbereitschaft <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> während einer<br />

beruflichen Qualifizierungsmaßnahme<br />

13. Finanzierung eines Studiums für ein Kind nach mäßigem Schulabschluss <strong>und</strong><br />

mehreren Zwischenjahren<br />

14. Unterhaltsverpflichtung der Eltern nach Beendigung <strong>des</strong> Berufskollegs <strong>und</strong> <strong>des</strong><br />

anschließenden Wehrdienstes sowie vor Beginn einer Berufsausbildung frühestens<br />

in 10 Monaten<br />

15. Ein volljähriges Kind leistet ein freiwilliges soziales Jahr ab: <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Unterhalt,<br />

soweit sein Bedarf nicht durch Leistungen der Beschäftigungsstelle gedeckt<br />

ist<br />

16. Unterschiede zum Unterhaltsbedarf einer Minderjährigen während eines freiwilligen<br />

sozialen Jahres<br />

17. Freiwilliges soziales Jahr <strong>und</strong> Anerkennung als Vorpraktikum für ein Studium der<br />

sozialen Arbeit<br />

18. Bedürftigkeit eines volljährigen Kin<strong>des</strong> während einer „Au-Pair-Tätigkeit“ im<br />

Ausland<br />

19. Ein Kind beginnt nach dem Abitur eine neunmonatige Australienreise. Nach<br />

seiner Rückkehr sind einige Monate bis zur Aufnahme <strong>des</strong> Studiums zu überbrücken:<br />

<strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Unterhalt während dieser Monate


1. Was bedeutet das „Gegenseitigkeitsprinzip“ beim <strong>Ausbildungsunterhalt</strong>?<br />

3<br />

Zwar hat ein Kind <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Finanzierung einer angemessenen, seiner Bega-<br />

bung, Neigung <strong>und</strong> seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung<br />

(§ 1610 Abs. 2 BGB). Dieser unterliegt aber dem unterhaltsrechtlichen Gegenseitig-<br />

keitsprinzip: Der Verpflichtung <strong>des</strong> Unterhaltsschuldners <strong>auf</strong> Ermöglichung einer Be-<br />

rufsausbildung steht <strong>auf</strong> Seiten <strong>des</strong> Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegen-<br />

über, sie mit Fleiß <strong>und</strong> der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener <strong>und</strong> üblicher<br />

Zeit zu beenden (BGH FamRZ 1998, 671 = DAVorm 1998, 515).<br />

2. Wann verliert ein Kind gr<strong>und</strong>sätzlich durch eigenes Verschulden den An-<br />

spruch <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong>?<br />

Unterhaltsleistungen nach § 1610 Abs. 2 BGB sind zweckgeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> werden nur<br />

insoweit geschuldet, als sie für eine angemessene Vorbildung zu einem Beruf erfor-<br />

derlich sind. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu <strong>und</strong> Glauben (§ 242 BGB) Verzö-<br />

gerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die <strong>auf</strong> ein vorübergehen<strong>des</strong> leichteres<br />

Versagen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Ob-<br />

liegenheit, seine Ausbildung planvoll <strong>und</strong> zielstrebig <strong>auf</strong>zunehmen <strong>und</strong> durchzufüh-<br />

ren, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein <strong>und</strong> muss sich dar<strong>auf</strong> verweisen lassen,<br />

seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (BGH aaO unter<br />

Hinweis <strong>auf</strong> seine st. Rspr, vgl FamRZ 1984, 777; FamRZ 1987, 470 <strong>und</strong> FamRZ 1993,<br />

1057, 1059 mwN). Die Verletzung <strong>des</strong> dem § 1610 Abs. 2 BGB innewohnenden Ge-<br />

genseitigkeitsverhältnisses führt also von selbst zum Wegfall <strong>des</strong> Unterhaltsanspruchs,<br />

ohne dass dies an die besonderen Verwirkungsvoraussetzungen <strong>des</strong> § 1611 Abs. 1<br />

BGB geb<strong>und</strong>en wäre (BGH FamRZ 1998, 671).<br />

3. Inwieweit gelten diese strengen Anforderungen auch für Minderjährige?<br />

Der vorgenannte Gr<strong>und</strong>satz kann nicht etwa für Minderjährige von vornherein aus-<br />

geschlossen werden. Zwar gilt § 1611 Abs.1 BGB nicht für Minderjährige, wie die Vor-<br />

schrift in Absatz 2 betont. Wird aber der Wegfall <strong>des</strong> Unterhaltsanspruchs nicht hie-<br />

r<strong>auf</strong> gestützt, ist folglich auch die genannte Einschränkung ohne Bedeutung.<br />

Daher hat zB das OLG Brandenburg (JAmt 2004, 504) entschieden: „Nimmt das min-<br />

derjährige Kind an keiner Ausbildung teil, so trifft es im Verhältnis zu seinen Eltern eine<br />

Erwerbsobliegenheit, also die Verpflichtung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Ver-<br />

stößt das minderjährige Kind dagegen, so muss es sich in erzielbarer Höhe fiktive Ein-


4<br />

künfte, die es bedarfsdeckend einzusetzen hat, zurechnen lassen. Dies kann auch<br />

bei noch nicht 16 Jahre alten Kindern der Fall sein.“<br />

Allerdings kann die Minderjährigkeit <strong>des</strong> Unterhaltsberechtigten im Einzelfall durchaus<br />

eine Rolle spielen bei der Bewertung der Schwere <strong>und</strong> Nachhaltigkeit <strong>des</strong> Versagens<br />

<strong>und</strong> damit der Obliegenheitsverletzung, vgl im Übrigen die zu Frage 11 zitierte Ent-<br />

scheidung <strong>des</strong> OLG Stuttgart.<br />

4. Wie ist in diesem Zusammenhang Schulversagen zu beurteilen?<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich wird bis zum Abschluss der Regelschule <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> geschul-<br />

det. Bei Verzögerungen <strong>und</strong> Unterbrechungen dieser Ausbildung ist entscheidend, in<br />

wessen Risikosphäre sie fallen. Bei Schulversagen ist <strong>auf</strong> den Einzelfall abzustellen.<br />

Einmaliges Sitzenbleiben reicht zB nicht aus, um von einer Obliegenheitsverletzung<br />

<strong>des</strong> Schülers auszugehen (OLG Köln OLG-Report 2005, 40).<br />

Auch bei mehrmaligem Sitzenbleiben kann nicht in jedem Fall angenommen wer-<br />

den, dass der <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Zahlung von <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> entfällt. Bei der Einzel-<br />

fallbeurteilung ist im Rahmen einer Abwägung der beiderseitigen Interessen der Par-<br />

teien zu prüfen, ob es dem Unterhaltsverpflichteten unter Beachtung aller den Fall<br />

prägenden Umstände noch zumutbar ist, trotz <strong>des</strong> wiederholten Schulversagens<br />

<strong>Ausbildungsunterhalt</strong> zu zahlen. Zugunsten der Unterhaltsberechtigten kann spre-<br />

chen, dass die Schulausbildung im Ausland absolviert wird <strong>und</strong> der Schulunterricht<br />

nicht in der Muttersprache gehalten wird (OLG Köln aaO)<br />

Letztlich entscheidend ist, ob trotz der langen Schulzeit noch eine positive Erfolgs-<br />

prognose gestellt werden kann (OLG Köln aaO).<br />

5. Welche <strong>Obliegenheiten</strong> treffen den jungen Menschen nach Beendigung der<br />

Schule?<br />

Auch ein Schulabgänger muss sich im Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen in ange-<br />

messener Zeit darüber klar werden, welche Ausbildungsmöglichkeiten ihm nach sei-<br />

nem jeweiligen Schulabschluss zur Verfügung stehen. Er muss sich alsbald um einen<br />

entsprechenden Ausbildungsplatz bemühen <strong>und</strong> die Ausbildung zielstrebig angehen<br />

(BGH FamRZ 1998, 671 = DAVorm 1998, 515; OLG Schleswig FamRZ 1986, 201 f). Zwar<br />

ist einem jungen Menschen eine gewisse Orientierungsphase zuzugestehen, deren<br />

Dauer von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann <strong>und</strong> sich jeweils nach Alter, Entwick-<br />

lungsstand <strong>und</strong> den gesamten Lebensumständen <strong>des</strong> Auszubildenden richtet. Je


5<br />

älter er in<strong>des</strong>sen bei Schulabgang ist <strong>und</strong> je eigenständiger er seine Lebensverhält-<br />

nisse gestaltet, <strong>des</strong>to mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenver-<br />

antwortung für seinen Berufs- <strong>und</strong> Lebensweg (BGH aaO). Selbst wenn er bisher noch<br />

keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine zu lange Verzögerung dazu führen,<br />

dass sein Ausbildungsanspruch entfällt <strong>und</strong> er sich daher seinen Lebensunterhalt mit<br />

ungelernten Tätigkeiten oder <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> sonstiger Begabungen <strong>und</strong> Fertigkeiten ver-<br />

dienen muss (BGH aaO; vgl auch OLG Hamm FamRZ 1989, 1219, 1220 <strong>und</strong> FamRZ<br />

1995, 1007, 1008).<br />

6. Wie sind in diesem Zusammenhang wiederholte Obliegenheitsverletzungen zu<br />

würdigen?<br />

Hierzu ein Auszug aus einem einschlägigen DIJUF-Gutachten:<br />

„a) Der Abbruch <strong>des</strong> Berufsvorbereitungslehrgangs durch den Minderjähri-<br />

gen stellte bereits einen nicht unerheblichen Verstoß gegen seine Ausbil-<br />

dungsobliegenheit <strong>und</strong> damit das Gegenseitigkeitsprinzip dar.<br />

Möglicherweise hätte dies aber noch entschuldigt werden können im Hin-<br />

blick <strong>auf</strong> fehlende Reife <strong>und</strong> gewisse Schwierigkeiten der Orientierungsfin-<br />

dung nach dem Schulbesuch.<br />

Dass Philipp K aber auch die zweite ihm gebotene Chance nicht genutzt<br />

hat, indem er das Werkstattjahr einschließlich <strong>des</strong> Besuchs <strong>des</strong> Berufskollegs<br />

nicht zielstrebig absolviert hat, dürfte als schwerwiegende Pflichtverletzung<br />

zu werten sein <strong>und</strong> im Streitfall den Einwand begründen, dass der Vater je-<br />

denfalls für den verlorenen Zeitraum seit Januar 2011, womöglich aber dar-<br />

über hinausgehend auch seit Oktober 2010 keinen Unterhalt mehr schulde.<br />

b) Sollte der Jugendliche demnächst nach der Musterung einen freiwilligen<br />

Dienst bei der B<strong>und</strong>eswehr beginnen <strong>und</strong> damit dokumentieren, dass sein<br />

Versuch einer Berufsvorbereitung seit Herbst 2010 damit endgültig abgebro-<br />

chen wurde, dürfte das ein weiteres Argument für den vorläufigen Wegfall<br />

der väterlichen Unterhaltspflicht sein.<br />

c) Im Übrigen schließt das nicht aus, dass der Vater womöglich nochmals für<br />

einen späteren Zeitraum zu Unterhaltsleistungen herangezogen werden<br />

könnte, sofern der demnächst Volljährige nach seinem Wehrdienst <strong>und</strong> nach<br />

einem hoffentlich zu erwartenden Reifeprozess nochmals einen zweiten An-<br />

l<strong>auf</strong> zu einer Berufsausbildung nimmt. Gegenwärtig wäre aber der Versuch,


6<br />

den Vater zur Barunterhaltspflicht für den in Rede stehenden Zeitraum heran-<br />

zuziehen, nämlich durch Vollstreckung aus einem bestehenden Titel, aus den<br />

vorgenannten Gründen mit einem ganz erheblichen Verfahrensrisiko behaf-<br />

tet.“<br />

7. Ein minderjähriges Kind begeht einen Diebstahl gegen seinen Lehrherrn. An-<br />

schließend wird das Ausbildungsverhältnis <strong>auf</strong>gehoben. Wird hierdurch der<br />

<strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> verwirkt?<br />

Hierzu ein Auszug aus einem DIJUF-Gutachten:<br />

„1. Einen unmittelbaren Bezugsfall aus veröffentlichter Rechtsprechung für Ih-<br />

re Fragestellung können auch wir nicht benennen. Für eine Lösung <strong>des</strong> Falles<br />

muss <strong>des</strong>halb <strong>auf</strong> allgemeine Gr<strong>und</strong>sätze zurückgegriffen werden.<br />

2. Zwar ist es <strong>auf</strong> den ersten Blick nachvollziehbar, wenn die Mutter im vorlie-<br />

genden Fall über das Verhalten der Tochter verärgert ist <strong>und</strong> ihr die Verant-<br />

wortung für den Verlust ihrer Lehrstelle zuschreibt sowie für die damit verbun-<br />

dene Einkommensminderung <strong>und</strong> auch Verlängerung ihrer Berufsausbildung<br />

(deren Fortsetzung offenbar derzeit ungewiss ist <strong>und</strong> angesichts der Lage <strong>auf</strong><br />

dem Lehrstellenmarkt auch nicht gesichert erscheint, zumal die Aufhebung<br />

eines Ausbildungsvertrages im zweiten Lehrjahr natürlich von vornherein <strong>auf</strong><br />

ein gewisses Misstrauen bei künftigen Lehrherren stoßen wird).<br />

3. Jedoch ist fraglich, ob dies für eine Verwirkung <strong>des</strong> Unterhaltsanspruchs<br />

ausreicht. Hiergegen sprechen zwei Überlegungen:<br />

a) Zum einen beurteilt die obergerichtliche Rechtsprechung den Abbruch<br />

einer Erstausbildung – jedenfalls ohne Zusammenhang mit einer Straftat – bei<br />

minderjährigen Unterhaltsberechtigten mit einer gewissen Nachsicht.<br />

Als Beispiele aus aktueller Rechtsprechung seien die beiden folgenden Ent-<br />

scheidungen angeführt:<br />

aa) Thüring. OLG in OLG-NL 2005, 110 = FamRZ 2005, 1585<br />

„Der Abbruch der Erstausbildung im Alter von 17 Jahren ist aus unterhaltsrechtlicher<br />

Sicht nicht zu beanstanden. Jedem jungen Menschen ist gr<strong>und</strong>sätzlich zuzubilligen,<br />

dass er sich über seine Fähigkeiten irrt, falsche Vorstellungen über den gewählten<br />

Beruf hat oder mit der Ausbildung aus anderen Gründen nicht klar kommt. Dabei


7<br />

wird ein Ausbildungswechsel um so eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet.<br />

Dies folgt aus dem Gedanken, dass die schutzwürdigen Belange <strong>des</strong> Unterhalts-<br />

pflichtigen es gebieten, sich möglichst frühzeitig dar<strong>auf</strong> einrichten zu können, wie<br />

lange die Unterhaltslast dauern wird (vgl. BGH, FamRZ 2001, 757; FamRZ 1981,<br />

344, 346; FamRZ 1981, 437, 439; Göppinger/Strohal, Unterhaltsrecht, 7. Aufl., Rz.<br />

424; Schwab/Borth, Handbuch <strong>des</strong> Scheidungsrechts, 4. Aufl., Kap. V Rz. 85;<br />

Scholz in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6.<br />

Aufl., § 2 Rz. 71). Die Klägerin hat unverzüglich nach Abbruch der Erstausbildung<br />

eine neue Lehre zur K<strong>auf</strong>frau <strong>auf</strong>genommen, so dass es letztlich zu keiner wesentli-<br />

chen Verzögerung gekommen ist <strong>und</strong> sie insoweit ihrer Obliegenheit, zielstrebig eine<br />

neue Ausbildung zu beginnen, nachgekommen ist.<br />

Auch führt allein der weitere Abbruch der Ausbildung zur K<strong>auf</strong>frau noch nicht zu ei-<br />

ner Verwirkung <strong>des</strong> Unterhaltsanspruchs. Dem Beklagten ist zwar darin zuzustim-<br />

men, dass die Klägerin die neue Ausbildung ohne Energie begleitet hat <strong>und</strong> die Ursa-<br />

chen für die erneute Beendigung der Ausbildung nach dem Ergebnis der Beweis<strong>auf</strong>-<br />

nahme wohl nicht nur beim Arbeitgeber lagen. In der Rechtsprechung wird teilweise<br />

anerkannt, dass nach dem Abbruch der 2. Ausbildung ohne triftigen Gr<strong>und</strong> die Eltern<br />

von der Verpflichtung zur Zahlung von <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> frei werden (vgl. OLG<br />

Hamm, FamRZ 1989, 1219), wobei es jedoch stets <strong>auf</strong> den Einzelfall ankommt.<br />

Im Hinblick dar<strong>auf</strong>, dass die Klägerin ihre Erstausbildung bereits nach knapp 2 Mo-<br />

naten als Minderjährige abgebrochen, jedoch nahtlos eine neue Ausbildung begon-<br />

nen hat, sind dem Beklagten dadurch keinerlei Nachteile aus unterhaltsrechtlicher<br />

Sicht entstanden, da sich die zu finanzierende Ausbildungsdauer wohl nicht verlän-<br />

gert hätte. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist der erneute Abbruch der Ausbildung aus den Ge-<br />

samtumständen heraus nicht als nachhaltige Obliegenheitsverletzung zu charakteri-<br />

sieren. Aus der erstinstanzlichen Beweis<strong>auf</strong>nahme ist vielmehr zu schließen, dass<br />

zwischen dem Ausbilder <strong>und</strong> der Klägerin erhebliche Differenzen bestanden, ohne<br />

dass letztlich die Ursachen deutlich wurden. Es ist zugunsten der Klägerin nicht aus-<br />

zuschließen, dass hier eine gegenseitige Antipathie gegeben war, die letztlich das<br />

Verhalten der Klägerin geprägt hat. Jedenfalls zeigt das weitere Verhalten der Kläge-<br />

rin, dass sie nunmehr offensichtlich zielstrebig versucht, eine angemessene Berufs-<br />

ausbildung zu erhalten. Es ist aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden,<br />

dass sie zunächst das Berufsvorbereitungsjahr absolviert hat, um ihren Hauptschul-<br />

abschluss nachzuholen <strong>und</strong> somit bessere Chancen <strong>auf</strong> dem Arbeitsmarkt zu haben.


8<br />

Das Abschlusszeugnis vom 19.09.2002 belegt zumin<strong>des</strong>t, dass die Klägerin bestrebt<br />

war, diesen Abschluss auch zu erhalten. Fast nahtlos schließt sich nach bestandenem<br />

Hauptschulabschluss dann die Berufsausbildung zur Verkäuferin an.‘<br />

bb) OLG Köln FamRZ 2005, 301<br />

„Der <strong>Anspruch</strong> <strong>des</strong> Klägers <strong>auf</strong> Zahlung von <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> entfällt nach Auf-<br />

fassung <strong>des</strong> Senates nicht <strong>des</strong>wegen, weil er gegen seine aus § 1610 Abs. 2 BGB fol-<br />

gende Verpflichtung gegenüber dem Beklagten verstoßen hat, seine Ausbildung ziel-<br />

strebig anzufangen <strong>und</strong> abzuschließen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der bis-<br />

herige Ausbildungsweg <strong>des</strong> Klägers nicht immer zielstrebig verfolgt worden ist.<br />

Vielmehr hat der Kläger nach Schulabbruch bis zur Aufnahme seiner jetzigen Aus-<br />

bildung mehr als 2 1/2 Jahre weitgehend tatenlos verstreichen lassen. Eine solche<br />

"Ausbildungskarriere" stellt einen Grenzfall dar, bei dem die besonderen Umstände<br />

<strong>des</strong> konkreten Falles zu berücksichtigen sind <strong>und</strong> hier noch zu Gunsten <strong>des</strong> Klägers<br />

ins Gewicht fallen. § 1610 Abs. 2 BGB mutet den Eltern nicht zu, sich gegebenen-<br />

falls noch nach Jahren Ausbildungsansprüchen ausgesetzt zu sehen <strong>und</strong> sich noch<br />

wegen derartiger Unterhaltsansprüche wirtschaftlich einschränken zu müssen. Bei<br />

der gegebenen Sachlage ist also im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung<br />

zu prüfen, ob dem am 23.01.1980 geborenen Kläger gegenüber dem Beklagten ab<br />

Aufnahme der Ausbildung noch ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1610 Abs. 2 BGB<br />

zusteht. Das ist unter den gegebenen Umständen zu bejahen. Dabei hat der Senat die<br />

Persönlichkeitsstruktur <strong>des</strong> Klägers besonders gewürdigt. Aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> in der münd-<br />

lichen Verhandlung vom Kläger gewonnenen Eindrucks ist der Senat zu der Über-<br />

zeugung gelang, dass es sich bei dem Kläger um eine Persönlichkeit handelt, bei der<br />

die Persönlichkeitsbildung noch nicht abgeschlossen ist. Trotz seiner nunmehr 24<br />

Jahre wirkte der Kläger noch unreif <strong>und</strong> wenig gefestigt. Seine Persönlichkeitsstruk-<br />

tur ähnelt dabei noch mehr der eines Jugendlichen als der eines Erwachsenen. Der<br />

Kläger hat <strong>auf</strong> Nachfragen <strong>des</strong> Gerichts nur zögerlich geantwortet. Dies war nach<br />

Auffassung <strong>des</strong> Senates nicht dadurch bedingt, dass er etwa nicht <strong>auf</strong>klärungswillig<br />

gewesen wäre. Vielmehr vermittelte der Kläger den Eindruck, dass er auch heute<br />

noch den Lebensalltag nur schwer bewältigen kann. Dabei spielt - wie der Senat er-<br />

fahren konnte - auch die enge Bindung an die Mutter <strong>und</strong> deren persönliches Schick-<br />

sal eine zentrale Rolle in der Persönlichkeitsentwicklung <strong>des</strong> Klägers. Von daher ist


9<br />

dem Kläger eine größere als die übliche Orientierungsphase bei der Selbst- <strong>und</strong> Be-<br />

rufsfindung zuzubilligen. Hinzu kommt eine etwas labile Ges<strong>und</strong>heit <strong>des</strong> Klägers,<br />

die gerade auch in den besonderen Lebensumständen <strong>des</strong> Klägers mit ihren seeli-<br />

schen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Belastungen begründet sein mag. All dies führte dazu,<br />

dass der Kläger nur schwer seinen Weg finden konnte.“<br />

b) Selbst wenn man aber der Auffassung sein sollte, dass der Verlust eines Ausbil-<br />

dungsplatzes durch eine Straftat ein höheres Maß an „Selbstverschulden“ bedeutet<br />

als der bloße Abbruch einer Lehre wegen Unlust oder Orientierungslosigkeit <strong>und</strong> das<br />

Verlangen nach weiteren Unterhaltszahlungen <strong>des</strong>halb treuwidrig im Sinne von<br />

§ 242 BGB sei, ist doch folgen<strong>des</strong> zu bedenken: Bei einem – noch zumal – minder-<br />

jährigen Unterhaltsberechtigten sollte kein schärferer Maßstab angelegt werden als<br />

im spiegelbildlichen Fall bei einem Unterhaltspflichtigen. Zu diesem hat aber der<br />

BGH (DAVorm 1993, 708) folgen<strong>des</strong> entschieden:<br />

„Ob ein Unterhaltspflichtiger, der infolge eigenen schuldhaften Verhaltens seinen<br />

Arbeitsplatz verloren hat (hier: wegen Schrottdiebstahls beim Arbeitgeber), die<br />

dadurch eingetretene Verminderung seiner Leistungsfähigkeit einem Unterhaltsbe-<br />

rechtigten entgegenhalten kann, ist unter Würdigung aller Umstände <strong>des</strong> Einzelfalles<br />

zu entscheiden.<br />

Danach ist der Fall eines zwar selbst verschuldeten, aber doch ungewollten Arbeits-<br />

platzverlustes unterhaltsrechtlich nicht den Fällen freiwilliger Aufgabe einer versi-<br />

cherungspflichtigen Tätigkeit gleichzustellen. Auch das Schrifttum tritt dafür ein, die<br />

unterhaltsrechtliche Vorwerfbarkeit einer dadurch entstehenden Einkommensminde-<br />

rung <strong>auf</strong> schwerwiegende Fälle zu beschränken <strong>und</strong> Fälle leichteren Verschuldens<br />

auszunehmen, zumal wenn sich das Fehlverhalten nicht gegen den Unterhaltsberech-<br />

tigten gerichtet hat (vgl. etwa Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe <strong>des</strong><br />

Unterhalts, 4. Aufl. Rdn. 563; Mutschler in RGRK-BGB 12. Aufl. § 1603 Rdn. 7;<br />

Griesche in FamGb § 1603 BGB Rdn. 61). Für den unterhaltsrechtlichen Bezug ins-<br />

besondere einer Straftat reicht es nicht aus, dass sie für den Arbeitsplatzverlust kau-<br />

sal geworden ist. Es bedarf vielmehr einer <strong>auf</strong> den Einzelfall bezogenen Wertung da-<br />

hin, ob die der Tat zugr<strong>und</strong>eliegenden Vorstellungen <strong>und</strong> Antriebe sich auch <strong>auf</strong> die<br />

Verminderung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit als Folge <strong>des</strong> strafbaren<br />

Verhaltens erstreckt haben (vgl. dazu schon Senatsurteil vom 26. September 1984<br />

aaO S. 160). Dem werden die Ausführungen <strong>des</strong> Berufungsgerichts nicht voll ge-<br />

recht.


10<br />

Feststellungen dazu, dass der Beklagte sich mit dem ihm zur Last gelegten Diebstahl<br />

bei seinem früheren Arbeitgeber der Unterhaltspflicht hat entziehen wollen oder dass<br />

ihm auch nur bewusst gewesen wäre, er könnte infolge seines Verhaltens leistungs-<br />

unfähig werden, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Dass sich ihm solche Fol-<br />

gen "<strong>auf</strong>drängen" mussten, trifft nicht zu, wenn bei objektiver Betrachtung auch eine<br />

Nachsicht <strong>des</strong> Arbeitgebers oder mildere Sanktionen als eine Kündigung ernsthaft in<br />

Betracht kamen. Der Beklagte hatte dazu geltend gemacht, er habe sich gegen den<br />

Diebstahlsvorwurf <strong>und</strong> die dar<strong>auf</strong> gestützte fristlose Kündigung vom 26. März 1991<br />

<strong>auf</strong> anwaltlichen Rat nicht gerichtlich zur Wehr gesetzt, sondern sich statt <strong>des</strong>sen -<br />

wenn letztlich auch vergebens - um eine Wiedereinstellung bemüht; denn er sei fast<br />

20 Jahre lang bei dieser Firma beschäftigt gewesen <strong>und</strong> seine Tat habe darin bestan-<br />

den, aus einer Kiste einige Teile mitzunehmen, die aus alten, gebrauchten Motoren<br />

ausgebaut <strong>und</strong> in den Schrott gegeben worden seien. Irgendein Zusammenhang zwi-<br />

schen seinem Verhalten <strong>und</strong> der Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin liege nicht<br />

vor; er habe überhaupt nicht damit gerechnet, durch sein Verhalten seinen gut be-<br />

zahlten Arbeitsplatz <strong>auf</strong>s Spiel zu setzen; die Unterhaltspflicht gegenüber der Kläge-<br />

rin, die zeitlich begrenzt <strong>und</strong> im Verhältnis zu seinen Arbeitseinkünften nicht ins<br />

Gewicht gefallen sei, habe keine Rolle gespielt. Er habe nach der Entlassung auch<br />

sofort bei einem Bauunternehmer eine neue, wenn auch schlechter bezahlte Tätigkeit<br />

begonnen <strong>und</strong> bleibe weiterhin intensiv bemüht, eine wieder besser bezahlte Be-<br />

schäftigung zu finden.“<br />

Es ist nicht erkennbar, dass das Berufungsgericht diese Gesichtspunkte hinreichend<br />

in seine Beurteilung einbezogen hätte. Es hat sich auch nicht mit der Frage befasst,<br />

ob eine schwerwiegende Straftat <strong>des</strong> Beklagten oder nur ein leichteres Versagen im<br />

Sinne <strong>des</strong> vorstehend Dargelegten vorliegt. Dass der Beklagte strafrechtlich belangt<br />

worden ist, ist nicht festgestellt. Für den notwendigen unterhaltsrechtlichen Bezug<br />

einer Straftat reicht es nicht aus, dass der dadurch verursachte Arbeitsplatzverlust<br />

sich nicht nur <strong>auf</strong> den Lebensstandard <strong>des</strong> Täters auswirkt, sondern dass <strong>des</strong>sen un-<br />

terhaltsberechtigte Angehörigen mit betroffen werden. Denn derartige Folgen treffen<br />

die Angehörigen auch in einer intakten Familie <strong>und</strong> werden in der Regel als durch<br />

die Wechselfälle <strong>des</strong> Lebens bedingt hingenommen.“<br />

Aus der vorgenannten Rechtsprechung sollte deutlich werden, dass der Un-<br />

terhaltsanspruch der minderjährigen Auszubildenden im vorliegenden Fall


11<br />

nicht schematisch nach der Kategorie: „Verwirkung: ja oder nein“ beurteilt<br />

werden kann, sondern dass im Streitfall ein Familiengericht wohl <strong>auf</strong> die Um-<br />

stände <strong>des</strong> Einzelfalls abstellen würde. Hierzu können nicht nur das allgemei-<br />

ne Ausbildungsverhalten <strong>des</strong> Mädchens gehören, sondern auch die Um-<br />

stände der Straftat (einzelnes Vorkommnis oder Häufung von Diebstählen)<br />

sowie das anschließende Bemühen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> um die Aufnahme einer wei-<br />

teren Ausbildung. Es wäre jedenfalls sinnvoll, wenn das Jugendamt durch<br />

entsprechende vermittelnde Bemühungen einen Rechtsstreit im vorliegen-<br />

den Fall vermeiden helfen könnte. Vielleicht kann hierzu der Vorschlag einer<br />

mehrmonatigen „Sperrfrist“ für den Unterhalt – vergleichbar dem Vorgehen<br />

der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit bei ihren Leistungen – dazu beitragen helfen,<br />

weil er dem „Gerechtigkeitsbedürfnis“ der Mutter entgegenkommt, ohne<br />

aber das Unterhaltsverhältnis langfristig zu belasten.“<br />

8. Eine 16-jährige Unterhaltsberechtigte bricht eine soeben begonnene Ausbil-<br />

dung nach Bekanntwerden einer Schwangerschaft ab. Hat dies Auswirkungen<br />

<strong>auf</strong> ihren Unterhaltsanspruch?<br />

Hierzu ein Auszug aus einem einschlägigen Gutachten:<br />

„1. Ginge es um den Unterhaltsanspruch einer Volljährigen, wäre allein die<br />

Frühphase einer körperlich unkompliziert verl<strong>auf</strong>enden Schwangerschaft kein<br />

Gr<strong>und</strong>, ein Arbeitsverhältnis vor Eintritt <strong>des</strong> Mutterschutzes zu beenden <strong>und</strong><br />

einen Bedarf gegen den Unterhaltspflichtigen geltend zu machen. Auch für<br />

die Annahme einer psychischen Überlastung wäre wohl ein Mehr an Tatsa-<br />

chenvortrag <strong>und</strong> Beweisangeboten erforderlich als lediglich eine Bescheini-<br />

gung der Hausärztin bzw. Gynäkologin der Schwangeren.<br />

2. Hier ist aber zu berücksichtigen, dass es sich um das Ausbildungsverhältnis<br />

einer erst 16-jährigen Jugendlichen handelt.<br />

a) Zum einen beurteilt die obergerichtliche Rechtsprechung den Abbruch<br />

einer Erstausbildung bei minderjährigen Unterhaltsberechtigten häufig mit ei-<br />

ner gewissen Nachsicht, jedenfalls soweit er nicht Anzeichen einer selbstver-<br />

schuldeten Perspektivlosigkeit ist.<br />

Anmerkung:


12<br />

An dieser Stelle <strong>des</strong> Gutachtens wurde die zu Frage 7 unter 3a der Stel-<br />

lungnahme bereits zitierte Rechtsprechung angeführt.<br />

b) Zum anderen erscheint nicht ganz unplausibel, dass die noch sehr junge<br />

Auszubildende tatsächlich durch die kurz nach Beginn ihres Lehrverhältnisses<br />

eingetretene Schwangerschaft <strong>und</strong> deren weitere Gegebenheiten, nament-<br />

lich den noch ebenfalls sehr jungen <strong>und</strong> einkommenslosen Vater ihres erwar-<br />

teten Kin<strong>des</strong>, in einer Weise psychisch belastet wird, dass ihr die Fortsetzung<br />

<strong>des</strong> Ausbildungsverhältnisses derzeit nicht zugemutet werden kann.<br />

Ob im Streitfall das Gericht dieser Einschätzung folgen würde, hängt – neben<br />

einer gr<strong>und</strong>sätzlichen richterlichen Aufgeschlossenheit für die psychische Si-<br />

tuation <strong>des</strong> Mädchens – sicher auch von der Überzeugungskraft <strong>des</strong> ärztli-<br />

chen Zeugnisses ab bzw vom Ergebnis einer vom Gericht möglicherweise<br />

einzuholenden fachpsychologischen Begutachtung. Auch kann eine gewis-<br />

se positive Rolle spielen die Absicht der Minderjährigen, nach dem Erzie-<br />

hungsjahr ihre Ausbildung wieder <strong>auf</strong>zunehmen, wofür offenbar eine Zusage<br />

<strong>des</strong> Ausbildungsbetriebes vorliegt.<br />

Nicht zu verkennen ist natürlich, dass aus der Sicht <strong>des</strong> unterhaltspflichtigen<br />

Vaters sich der Zeitraum seiner Leistungspflicht insgesamt wesentlich verlän-<br />

gert. Schließlich geht es nicht nur um die jetzt strittigen Monate bis zum Be-<br />

ginn <strong>des</strong> Mutterschutzes im letzten Sommer, sondern auch um das anschlie-<br />

ßende Erziehungsjahr. In dieser Zeit ist die Tochter weiterhin unterhaltsbedürf-<br />

tig. Das von ihr bezogene Erziehungsgeld ist nach § 9 BErzGG nicht <strong>auf</strong> ihren<br />

Bedarf anzurechnen.<br />

3. Zusammenfassend ist festzuhalten: Es erscheint nicht von vornherein ver-<br />

fehlt, wenn die gesetzlichen Vertreter der unterhaltsberechtigten Jugendli-<br />

chen <strong>auf</strong> der Durchsetzung <strong>des</strong> vollen Unterhaltsanspruchs bestehen, obwohl<br />

die Ausbildung abgebrochen wird <strong>und</strong> damit ein vor kurzem noch nicht vor-<br />

hergesehener zusätzlicher Bedarfszeitraum von über einem halben Jahr ent-<br />

steht. Wehrt sich der Barunterhaltspflichtige gegen eine Vollstreckung im<br />

Wege der Klage nach § 767 ZPO, bleibt freilich ein nicht sicher einzuschät-<br />

zen<strong>des</strong> Prozessrisiko, welches vor allem durch die oben <strong>auf</strong>gezeigten Ge-<br />

sichtspunkte bestimmt wird.“


13<br />

9. Ist einer Minderjährigen Schulabgängerin eine Orientierungsphase mit Ab-<br />

bruch einer Erstausbildung zuzubilligen? Wie verhält es sich ggf mit ihrem Un-<br />

terhaltsanspruch während der achtmonatigen Wartephase bis zum Beginn der<br />

nunmehr geplanten Ausbildung?<br />

Hierzu ein einschlägiges <strong>DIJuF</strong>-Gutachten:<br />

„Nach erfolgreichem Abschluss der Realschule konnte sich das minderjähri-<br />

ge Kind nicht entscheiden, welchen weiteren Werdegang es einschlagen<br />

sollte. Zur Überbrückung besucht sie nun seit September 2010 die 3-jährige<br />

Hauswirtschaftsschule. Die Eltern sind beide sorgeberechtigt. Die Mutter war<br />

mit dieser Entscheidung einverstanden, der Vater nahm diese Entscheidung<br />

hin, zahlt weiterhin Unterhalt, möchte jedoch, dass seine Tochter umgehend<br />

eine Ausbildung beginnt, damit er in naher Zukunft von seiner Unterhalts-<br />

pflicht entb<strong>und</strong>en ist. Nach nun 3 1/2 Monaten stellt die Tochter fest, dass<br />

dies nicht ihren Fähigkeiten entspricht. Ihr Ziel ist nun eine Ausbildung zur<br />

Fremdsprachenkorrespondentin zu absolvieren <strong>und</strong> hierzu ab September<br />

2011 für 2 Jahre die entsprechende Privatschule zu besuchen. Nach Ansicht<br />

<strong>des</strong> Jugendamts handelt es sich bei dem Entschluss <strong>des</strong> Wechsels nach 3 1/2<br />

Monaten um die sog. angemessene Orientierungsphase, die ihr zugestanden<br />

werden muss. Da nun der Wechsel erst nach insgesamt einem Jahr stattfin-<br />

det (September 2010 - September 2011), der Vater andere ‚Wünsche‘ für<br />

seine Tochter hat, stellt sich die Frage, wie dies unterhaltsrechtlich zu beurtei-<br />

len ist. Zu berücksichtigen ist, dass die Tochter im Oktober 2011 das 18. Le-<br />

bensjahr vollenden wird.<br />

(Anm. Unter Ziff. 1 - 3 der Stellungnahme wurden im Wesentlichen die ein-<br />

gangs zu Fragen 1 bis 5 angesprochenen Gr<strong>und</strong>sätze dargelegt.)<br />

4. Anwendung der Gr<strong>und</strong>sätze <strong>auf</strong> den mitgeteilten Einzelfall<br />

a) Der Minderjährigen kann sicher nicht der Umstand zum Vorwurf gemacht<br />

werden, dass sie bei ihrer Berufswahl zunächst unschlüssig war <strong>und</strong> in der<br />

Rückschau eine falsche Entscheidung getroffen hat, die sie rechtzeitig korri-<br />

giert hat. Insoweit trifft der bereits vom Jugendamt angeführte Hinweis <strong>auf</strong><br />

die zuzubilligende Orientierungsphase zu.


14<br />

Ihr steht <strong>auf</strong> jeden Fall der <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Finanzierung ihres Lebensbedarfs<br />

während <strong>des</strong> von ihr in Aussicht genommenen Besuchs der Privatschule zu,<br />

wo sie die Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin absolvieren will.<br />

b) Hinsichtlich der Überbrückungszeit bis einschließlich August 2011 sollte wie<br />

folgt argumentiert werden: Diese Wartezeit ist nunmehr unvermeidlich, da<br />

der jährliche Ausbildungsturnus im Herbst beginnt <strong>und</strong> ein Einstieg zum jetzi-<br />

gen Zeitpunkt nicht möglich ist. Die Unterhaltsberechtigte wird – was hoffent-<br />

lich auch in der Realität zutrifft! – die Wartezeit zur geeigneten Vorbereitung<br />

(Sprachtraining, Vokabeln lernen usw) nutzen, um den späteren Studiener-<br />

folg zu erhöhen. Außerdem sollte der Vater berücksichtigen, dass die Ausbil-<br />

dungsdauer der Privatschule nur zwei Jahre beträgt, sodass er insgesamt kei-<br />

nen höheren Unterhaltsbeitrag zu leisten hat als wenn die Tochter von vorn-<br />

herein eine übliche dreijährige Berufsausbildung begonnen hätte.<br />

Auf einem anderen Blatt steht freilich, ob das Mädchen nach Abschluss der<br />

Privatschulausbildung realistische Aussichten hat, alsbald eine geeignete<br />

Stelle zu finden. Wir legen allerdings zugr<strong>und</strong>e, dass Mutter <strong>und</strong> Tochter sich<br />

hierüber Gedanken gemacht <strong>und</strong> womöglich auch die Beratung der Agen-<br />

tur für Arbeit eingeholt haben (auch zur Eignung <strong>und</strong> Neigung der Minderjäh-<br />

rigen für diesen Beruf).<br />

c) Jedenfalls kann gegenüber dem Vater die vorgenannte Position einge-<br />

nommen werden. Ob sich seine Unterhaltspflicht mit Eintritt der Volljährigkeit<br />

<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> womöglich vermindert, weil die Mutter ebenfalls Erwerbseinkom-<br />

men bezieht <strong>und</strong> dann anteilig für den Kin<strong>des</strong>bedarfs mithaftet, lässt sich der<br />

Sachverhaltsmitteilung nicht entnehmen. Hier<strong>auf</strong> mag zwar ggf allgemein<br />

hingewiesen werden; allerdings ist dies für sich genommen kein durchschla-<br />

gen<strong>des</strong> Argument für die hier in Rede stehende Problematik, da im gegebe-<br />

nen Fall diese Verringerung seiner Zahllast ohnehin eintreten würde, unab-<br />

hängig davon, ob er auch für die acht Überbrückungsmonate <strong>auf</strong> Unterhalt<br />

haftet. Es mag ihn nur vielleicht etwas einigungsbereiter stimmen.<br />

d) Nicht verschwiegen werden soll, dass die Rechtsprechung bei Volljährigen<br />

einen strengeren Maßstab angelegt. Insbesondere sind Eltern nicht verpflich-<br />

tet, dem volljährigen Kind während einer längeren Wartezeit zur Erlangung<br />

eines Studienplatzes Unterhalt zu leisten; das gilt auch dann, wenn das Kind<br />

während dieser Zeit ein freiwilliges soziales Jahr absolviert (OLG Zweibrücken


15<br />

NJW-RR 1994, 1225; Möller FPR 2008, 347, 348. Etwas Anderes kann jedoch<br />

gelten, wenn das Kind das freiwillige soziale Jahr mit ausdrücklichem Einver-<br />

ständnis seiner Eltern ableistet (OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1353).<br />

Hier mag aber im Streitfall damit argumentiert werden, dass das Kind noch<br />

minderjährig ist <strong>und</strong> die von der Rechtsprechung für Volljährige herangezo-<br />

genen Gr<strong>und</strong>sätze <strong>des</strong>halb keine Anwendung finden.<br />

e) Keinesfalls sollte aber nicht aus dem Blick geraten, dass die vorgeschlage-<br />

nen Erwägungen zwar eine plausible Argumentationslinie darstellen können.<br />

Wie im Streitfall das Familiengericht die Rechtslage beurteilt, lässt sich natur-<br />

gemäß nicht mit Gewissheit vorhersagen.<br />

Unmittelbar für die hier erörterte Fallgestaltung einschlägige Rechtsprechung<br />

kann nicht benannt werden. Hinzuweisen ist lediglich <strong>auf</strong> den Aufsatz von<br />

Borth in FPR 2008, 341 unter dem Titel: „<strong>Ausbildungsunterhalt</strong> - Pflichten <strong>des</strong><br />

Unterhaltsberechtigten“. Dort ist <strong>auf</strong> S. 343 ausgeführt:<br />

‚Kürzere Wartezeiten zwischen Schule <strong>und</strong> praktischer Ausbildung oder der<br />

Aufnahme eines Studiums müssen vom Unterhaltspflichtigen überbrückt<br />

werden. Erzielt ein Schüler in dieser Zeit Einkünfte aus einer beruflichen Tä-<br />

tigkeit, sind diese jedenfalls dann <strong>auf</strong> den Unterhalt anzurechnen, wenn<br />

die Eltern in wirtschaftlich beengten Verhältnissen leben; dies folgt aus der<br />

Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme (§ BGB § 1618a BGB). Bei guten<br />

wirtschaftlichen Verhältnissen dienen solche Einkünfte oft anderen Zwe-<br />

cken als dem Unterhalt (z.B. Finanzieren einer Reise, Anschaffen eines<br />

Pkws) <strong>und</strong> bleiben <strong>des</strong>halb anrechnungsfrei.‘“<br />

10. Welche Auswirkung hat der dem Unterhaltspflichtigen verschwiegene Schul-<br />

abbruch <strong>und</strong> die hierdurch veranlasste Weiterzahlung von Unterhalt?<br />

Der – volljährige – Unterhaltsberechtigte macht sich einer schweren Verfehlung iSv<br />

§ 1611 Abs. 1 BGB schuldig, wenn er dem Unterhaltsverpflichteten einen nicht uner-<br />

heblichen Schaden durch seine schuldhafte Pflichtverletzung zufügt, die darin be-<br />

steht, dass er dem Unterhaltsverpflichteten seinen Schulabbruch nicht mitteilt <strong>und</strong><br />

diesen dadurch veranlasst, weiter Unterhalt zu zahlen, obwohl er hierzu nicht mehr<br />

verpflichtet ist <strong>und</strong> bei pflichtgemäßer Aufklärung die Unterhaltszahlungen auch ein-<br />

gestellt hätte OLG Köln FamRZ 2005, 301). Diese Verfehlung kann unter Abwägung


16<br />

aller Umstände dazu führen, dass der Unterhaltsanspruch bei Wieder<strong>auf</strong>nahme der<br />

Ausbildung ganz oder teilweise verwirkt wird (OLG Köln aaO).<br />

11. Ein Minderjähriger findet nach Schul- bzw Lehrabbruch zunächst keine neue<br />

Ausbildungsstelle <strong>und</strong> durchläuft eine von der Agentur für Arbeit finanzierte<br />

Einstiegsqualifizierung. Besteht während dieser Zeit ein <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Ausbil-<br />

dungsunterhalt?<br />

Findet ein Minderjähriger nach Abbruch von Schule oder Lehre keine (neue) Anstel-<br />

lung <strong>und</strong> durchläuft statt<strong>des</strong>sen eine vom Arbeitsamt finanzierte Einstiegsqualifizie-<br />

rung, so handelt es sich bei der Qualifizierungsmaßnahme nicht um eine unnötige<br />

Warteschleife. Diese ist als echte Ausbildung anzusehen (OLG Stuttgart FamRZ 2007,<br />

1763 hier zit. nach juris mit den dortigen Rn):<br />

„Orientierungssatz<br />

1. Findet ein Minderjähriger nach Verlust <strong>des</strong> ersten Ausbildungsplatzes keine<br />

neue Stelle <strong>und</strong> durchläuft statt<strong>des</strong>sen eine vom Arbeitsamt finanzierte Ein-<br />

stiegsqualifizierung, so handelt es sich bei der Qualifizierungsmaßnahme nicht<br />

um eine unnötige Warteschleife, sondern ist als echte Ausbildung anzusehen.<br />

2. Der Verlust <strong>des</strong> Ausbildungsplatzes während der Minderjährigkeit führt<br />

nicht zur Verwirkung weiteren Unterhalts, da ein Wegfall der Unterhaltsver-<br />

pflichtung von Eltern gegenüber ihrem minderjährigen unverheirateten Kind<br />

gem. § 1611 Abs. 2 BGB von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist.<br />

Gründe<br />

1Aufgr<strong>und</strong> der nunmehr mit der Gegenvorstellung vorgelegten Unterlagen<br />

kann festgestellt werden, dass die Qualifizierungsmaßnahme der Klägerin als<br />

Ausbildung anzusehen ist. Ausweislich <strong>des</strong> Qualifizierungsvertrages sollen der<br />

Klägerin Fähigkeiten vermittelt werden, die sie in die Lage versetzen, eine<br />

Ausbildung anzuschließen, auch besteht die Möglichkeit, dass das Praktikum<br />

zeitlich <strong>auf</strong> die anschließende Ausbildung angerechnet wird. Nachdem der<br />

Beklagte selbst in seinem Schreiben vom 26.10.2006 an das Familiengericht<br />

zu erkennen gibt, dass nach seiner Auffassung der Klägerin diese gr<strong>und</strong>le-<br />

genden Fähigkeiten, eine Ausbildung erfolgreich abzuschließen, also Pünkt-<br />

lichkeit, Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Pflichtbewusstsein, fehlen, handelt es sich bei der


17<br />

Qualifizierungsmaßnahme auch nicht um eine unnötige Warteschleife, son-<br />

dern um eine unabdingbare Voraussetzung für die Ausbildung.<br />

2Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg dar<strong>auf</strong> berufen, die Klägerin<br />

habe ihren ersten Ausbildungsplatz grob fahrlässig verloren. Damals war die-<br />

se noch minderjährig, die Verwirkung eines weiteren Unterhalts somit von Ge-<br />

setzes wegen ausgeschlossen, § 1611 Abs. 2 BGB.“<br />

12. Welche Auswirkung kann eine fehlende Leistungsbereitschaft <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> wäh-<br />

rend einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme haben?<br />

Hierzu ein einschlägiges Urteil:<br />

„AG Kempen Urteil vom 08.03.2006 - 17 F 379/05 = FamRZ 2006, 1708, hier zit.<br />

nach juris m. d. dortigen Rn):<br />

„Orientierungssatz<br />

Ein <strong>Anspruch</strong> gemäß § 1610 Abs. 2 BGB <strong>auf</strong> Unterhaltsleistungen für eine an-<br />

gemessene, der Begabung, Neigung <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit entsprechende<br />

Berufsausbildung eines Kin<strong>des</strong> setzt im Gegenseitigkeitsverhältnis voraus, dass<br />

der Unterhaltsberechtigte die Ausbildung mit Fleiß <strong>und</strong> der gebotenen Ziel-<br />

strebigkeit in angemessener <strong>und</strong> üblicher Zeit durchführt <strong>und</strong> beendet. Bei<br />

fehlender Leistungsbereitschaft <strong>des</strong> volljährigen Kin<strong>des</strong> besteht <strong>des</strong>halb ein<br />

<strong>Ausbildungsunterhalt</strong>sanspruch während der Absolvierung einer sog. Ein-<br />

stiegsqualifizierungsmaßnahme nicht.<br />

Gründe<br />

1Der Kläger ist das Kind <strong>des</strong> Beklagten. Der Kläger ist am geboren. Er lebt<br />

noch bei der Kin<strong>des</strong>mutter. Die Ehe <strong>des</strong> Beklagten mit der Kin<strong>des</strong>mutter ist<br />

geschieden. Hieraus ist ein weiteres Kind, nämlich, hervorgegangen. Der Be-<br />

klagte ist wiederverheiratet. Er hat drei weitere Kinder. Dabei handelt es sich<br />

um.<br />

2Der Kläger hat zunächst das Gymnasium besucht. Er ist aber alsbald wegen<br />

fehlender Leistungen <strong>auf</strong> die Realschule gewechselt. Die Realschule hat der<br />

Kläger bis zum Schuljahr 2002/2003 besucht. Der Kläger hat beginnend mit<br />

dem 1. August 2003 das Berufskolleg besucht. Dabei handelt es sich um ei-<br />

nen zweijährigen Bildungsgang zur Erlangung der Fachhochschulreife. Das<br />

Berufskolleg hat der Kläger nach Abschluss der Klasse 10 <strong>auf</strong> der Realschule


18<br />

besucht. Er hat das Ziel der Jahrgangsstufe 11 im Schuljahr 2003/2004 nicht<br />

erreicht. Nach Wiederholung <strong>des</strong> Schuljahres 2004/2005 hat der Kläger ein<br />

Abgangszeugnis unter dem 1. Juli 2005 erhalten, das in vier Fächern ausrei-<br />

chende Leistungen ausgewiesen hat, in einem Fall mangelhafte Leistungen,<br />

in einem Fall ungenügende Leistungen <strong>und</strong> in einem Fall gute Leistungen.<br />

Der Kläger hat <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> dieses Zeugnisses nicht mehr die Möglichkeit erhal-<br />

ten, die Jahrgangsstufe 12 zu besuchen. Der Kläger hat sich danach beim<br />

Arbeitsamt arbeitssuchend gemeldet. Er hat durch das Arbeitsamt eine Ein-<br />

stiegsqualifizierung im Gastgewerbeservice erhalten. Hierfür erhält er eine<br />

Vergütung in Höhe von 192,– EUR monatlich. Darüber hinaus erhält die Kin-<br />

<strong>des</strong>mutter das Kindergeld.<br />

3 - 8 Der Kläger trägt vor, er habe ein Halbjahreszeugnis bei dem Berufskolleg<br />

nicht erhalten. Er habe daher nicht sicher gewusst, dass er die Schule habe<br />

verlassen müssen.<br />

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn l<strong>auf</strong>enden Kin-<br />

<strong>des</strong>unterhalt in Höhe von 526,– EUR zu zahlen.<br />

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung, dass die<br />

schulischen Bemühungen <strong>des</strong> Klägers unzureichend sind <strong>und</strong> meint daher,<br />

dass der Kläger sich habe frühzeitig <strong>auf</strong> Ausbildungsstellen bewerben müs-<br />

sen.<br />

10Die Klage ist unbegründet.<br />

11Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Kin<strong>des</strong>unterhalt.<br />

12Gr<strong>und</strong>sätzlich haben zwar auch volljährige Kinder Unterhaltsansprüche<br />

gegen ihre Eltern, wenn sie bedürftig sind gemäß §§ 1601 ff. BGB. Ob <strong>und</strong> in-<br />

wieweit der Beklagte insoweit leistungsfähig ist <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> der Tatsache, dass<br />

er mehreren weiteren Berechtigten unterhaltsverpflichtet ist, kann vorliegend<br />

dahinstehen, da <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> der fehlenden Leistungsbereitschaft <strong>des</strong> Klägers<br />

ein <strong>Ausbildungsunterhalt</strong>sanspruch gemäß § 1610 Abs. 2 BGB vorliegend<br />

nicht besteht.<br />

13Ein Unterhaltsanspruch nach § 1610 Abs. 2 BGB <strong>auf</strong> Unterhaltsleistungen für<br />

eine angemessene, der Begabung, Neigung <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit entspre-<br />

chenden Berufsausbildung eines Kin<strong>des</strong> steht nämlich im Gegenseitigkeits-<br />

verhältnis voraus, dass der Unterhaltsberechtigte die Ausbildung mit Fleiß <strong>und</strong>


19<br />

der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener <strong>und</strong> üblicher Zeit durchführt<br />

<strong>und</strong> beendet. Hieran fehlt es nach der Überzeugung <strong>des</strong> Gerichts <strong>auf</strong> der<br />

Seite <strong>des</strong> Klägers hier. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits<br />

Mitte 2003 die Realschule abgeschlossen hat. Der Kläger hat dann im August<br />

2003 das Berufskolleg besucht mit dem Ziel, einen Abschluss der Sek<strong>und</strong>arstu-<br />

fe II, das heißt die Fachoberschulreife, zu erreichen. Dieses Ausbildungsziel<br />

hat der Kläger trotz Wiederholung eines Schuljahres nicht erreicht, wobei die<br />

Dokumentation der Leistungen <strong>des</strong> Klägers <strong>auf</strong> dem vorliegenden Zeugnis<br />

zeigen, dass der Kläger nicht in der Lage war oder nicht willens war, das<br />

Ausbildungsziel zu erreichen.<br />

14Zwar ist der Unterhaltsverpflichtete gehalten, Verzögerungen in der Ausbil-<br />

dung hinzunehmen. Auch ein zwischenzeitliches leichtes Versagen <strong>des</strong> Un-<br />

terhaltsberechtigten in der schulischen Ausbildung führt nicht dazu, dass ein<br />

Unterhaltsanspruch entfällt. Nachdem der Kläger aber, wie sich aus den Un-<br />

terlagen ergibt, bereits ein Mal das Ausbildungsziel der Klasse 11 <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong><br />

fehlender Leistungen nicht erreicht hat, <strong>und</strong> die Klasse 11 wiederholen muss-<br />

te, war der Kläger verpflichtet, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln<br />

dafür zu sorgen, dass nunmehr die Klasse 11 <strong>des</strong> Berufskollegs erfolgreich ab-<br />

geschlossen werden kann. Für den Fall, dass der Kläger bereits <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> der<br />

Leistungen am Ende <strong>des</strong> Schuljahres 2003/2004, in dem er nicht versetzt wor-<br />

den ist, hat sehen können, dass auch bei erheblichen Anstrengungen das<br />

Schulziel für ihn nicht erreichbar war, hätte er bereits im August 2004 mit dem<br />

Schreiben von Bewerbungen <strong>auf</strong> Ausbildungsstellen hin beginnen müssen.<br />

Wenn der Kläger für sich aber erkannt hat, dass er das Schulziel <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> sei-<br />

ner Leistungen doch erreichen kann, hätte er sich entsprechend bemühen<br />

müssen. Das Abgangszeugnis vom 1. Juli 2005 zeigt aber, dass entsprechen-<br />

de Bemühungen <strong>des</strong> Klägers nicht vorgelegen haben. Das Zeugnis weist so-<br />

gar ungenügende Leistungen in Mathematik aus trotz der Wiederholung <strong>des</strong><br />

Unterrichtsstoffes, der dem Kläger <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> der Wiederholung der Klasse hät-<br />

te bekannt sein müssen. Dies lässt <strong>auf</strong> einen fehlenden Leistungswillen schlie-<br />

ßen.<br />

15Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, dass er kein Halbjahres-<br />

zeugnis erhalten habe <strong>und</strong> daher quasi durch das Abgangszeugnis <strong>und</strong> die


20<br />

darin enthaltenen Noten überrascht worden sei, so dass er sich nicht frühzei-<br />

tig <strong>auf</strong> eine Lehrstelle hin habe bewerben können.<br />

16Zum einen geht das Gericht davon aus, dass von Seiten der Schule dem<br />

Kläger durchaus bewusst gemacht worden ist, dass er zum zweiten Mal das<br />

Klassenziel nicht wird erreichen können. Selbst wenn die Schule dies aber un-<br />

terlassen hätte, so war dem Kläger <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> seiner Leistungen im Unterricht<br />

<strong>und</strong> Leistungsabfragen während <strong>des</strong> Schuljahres durchaus bewusst, dass er<br />

entsprechende Noten erhalten wird. Ungenügende <strong>und</strong> mangelhafte Zensu-<br />

ren fallen nämlich nicht vom Himmel. Der Kläger war daher gehalten, frühzei-<br />

tig eine Ausbildungsstelle zu suchen <strong>und</strong> sich zu bewerben. Dass er hierzu in<br />

der Lage ist, zeigen die Bewerbungen seit 2006. Der Kläger war aber gehal-<br />

ten, sich spätestens nach dem 1. Halbjahr <strong>des</strong> Schuljahres 2004/2005 <strong>auf</strong><br />

Ausbildungsplätze hin zu bewerben, um seinen Unterhaltsbedarf durch eige-<br />

nes Einkommen sicher zu stellen. Solche Bewerbungen liegen allerdings nicht<br />

vor. Es fehlen im Übrigen auch Bewerbungen <strong>des</strong> Klägers nach Erhalt <strong>des</strong><br />

Abgangszeugnisses, dem 1. Juli 2005. Allein die Arbeitsplatzsuche durch Vor-<br />

sprache beim Arbeitsamt ist dabei ungenügend. Auch insoweit hat der Klä-<br />

ger nichts vorgetragen <strong>und</strong> sich auch wohl nicht entsprechend beworben.<br />

17Unterhaltsrechtlich ist demnach davon auszugehen, dass der Kläger bei<br />

gehöriger Anstrengung einen Ausbildungsplatz hätte erhalten können, mit<br />

dem er seinen Unterhaltsbedarf hätte selbst abdecken können. Dabei ist<br />

noch zu berücksichtigen, dass <strong>auf</strong> den Unterhaltsbedarf <strong>des</strong> Klägers das volle<br />

Kindergeld in Höhe von 154,– EUR angerechnet werden muss.“<br />

13. Kann ein Kind nach mäßigem Schulabschluss <strong>und</strong> mehreren Zwischenjahren<br />

noch die Finanzierung eines Studiums verlangen?<br />

§ 1610 Abs. 2 BGB mutet den Eltern nicht zu, sich ggf nach Abl<strong>auf</strong> mehrerer Jahre, in<br />

denen sie nach den schulischen Ergebnissen <strong>und</strong> dem bisherigen Werdegang <strong>des</strong><br />

Kin<strong>des</strong> nicht mehr mit der Nachholung der Hochschulreife <strong>und</strong> der Aufnahme eines<br />

Studiums rechnen mussten, einem Ausbildungsanspruch <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> ausgesetzt zu<br />

sehen. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass es sich dabei um Zeiträume handelt, in de-<br />

nen steuerliche Erleichterungen, Kindergeld oder kindbezogene Gehaltsbestandteile<br />

<strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> <strong>des</strong> fortgeschrittenen Alters <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> unabhängig von seinem Ausbil-<br />

dungsstand wegfallen (BGH FmRZ 1998, 671; vgl auch OLG Frankfurt FamRZ 1994,


21<br />

1611, das bei einer Orientierungsphase von 31 Monaten den Unterhaltsanspruch ver-<br />

sagt hat).<br />

Allerdings kann bei der Dauer der dem Unterhaltsberechtigten zuzubilligenden Orien-<br />

tierungsphase <strong>des</strong>sen gesamte Persönlichkeitsstruktur nicht außer Betracht gelassen<br />

werden. Ein (erneuter) <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> kann daher im Einzelfall<br />

– bei erheblichen Reifeverzögerungen <strong>des</strong> inzwischen volljährigen Kin<strong>des</strong> – auch<br />

dann noch bestehen, wenn der Unterhaltsberechtigte nach Schulabbruch bis zur<br />

Aufnahme seiner Ausbildung mehr als 2 1/2 Jahre weitgehend tatenlos hat verstrei-<br />

chen lassen (OLG Köln FamRZ 2005, 301).<br />

14. Besteht eine Unterhaltsverpflichtung der Eltern nach Beendigung <strong>des</strong> Berufs-<br />

kollegs <strong>und</strong> <strong>des</strong> anschließenden Wehrdienstes sowie vor Beginn einer Berufs-<br />

ausbildung in frühestens in 10 Monaten?<br />

Hierzu ein einschlägiges Gutachten:<br />

„Der Volljährige hat im Juli 2008 das Berufskolleg – Schulform: Berufsfachschu-<br />

le Informationstechnik – beendet. Danach hat er Wehrdienst bei der B<strong>und</strong>es-<br />

wehr geleistet.<br />

Ursprünglich wollte sich der Volljährige im Anschluss an den Gr<strong>und</strong>wehrdienst<br />

bei der B<strong>und</strong>eswehr für 12 Jahre verpflichten; hat es sich dann jedoch anders<br />

überlegt. Hierdurch hat er versäumt, sich rechtzeitig um einen Ausbildungs-<br />

platz zu bemühen <strong>und</strong> ist daher zurzeit „ausbildungsplatzsuchend" beim Ar-<br />

beitsamt gemeldet.<br />

Es stellt sich nun die Frage, inwieweit die Eltern noch unterhaltsverpflichtet sind.<br />

Nach Meinung <strong>des</strong> Jugendamts ist der Volljährige bis zum Antritt einer Ausbil-<br />

dungsstelle – voraussichtlich erst im August nächsten Jahres – verpflichtet, je-<br />

der ungelernten Tätigkeit nachzugehen <strong>und</strong> seinen Lebensunterhalt selber<br />

sicher zu stellen. Mit Antritt einer Ausbildungsstelle sind die Eltern wieder in der<br />

Unterhaltspflicht, da dem Volljährigen eine Finanzierung einer angemesse-<br />

nen Berufsausbildung noch nicht in rechter Weise erfüllt wurde.<br />

Zu dieser Einschätzung fehlen dem Jugendamt jedoch die rechtlichen Gr<strong>und</strong>-<br />

lagen. Es bittet um Stellungnahme unter Angabe der Rechtsgr<strong>und</strong>lagen bzw<br />

der jeweiligen Rechtsprechung.<br />

1. a) Unterhaltsleistungen nach § 1610 Abs. 2 BGB sind zweckgeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

werden nur insoweit geschuldet, als sie für eine angemessene Vorbildung zu


22<br />

einem Beruf erforderlich sind. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu <strong>und</strong><br />

Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die <strong>auf</strong><br />

ein vorübergehen<strong>des</strong> leichteres Versagen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zurückzuführen sind.<br />

Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll<br />

<strong>und</strong> zielstrebig <strong>auf</strong>zunehmen <strong>und</strong> durchzuführen, büßt es seinen Unterhalts-<br />

anspruch ein <strong>und</strong> muss sich dar<strong>auf</strong> verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt<br />

durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (BGH inst. Rspr, vgl FamRZ 1984,<br />

777; FamRZ 1987, 470 <strong>und</strong> FamRZ 1993, 1057,1059 mwN).<br />

Für den <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> gem. § 1610 Abs. 2 BGB gilt als<br />

konkreter Gr<strong>und</strong>satz: Das Kind hat sich nach dem Schulabgang um die Auf-<br />

nahme einer ihm angemessenen Ausbildung zu bemühen (BGH FamRZ 1998,<br />

671). Ihm ist zwar eine gewisse Orientierungsphase – mit der Folge eines Un-<br />

terhaltsanspruchs nach bestandenem Abitur – zuzubilligen. Falls jedoch der<br />

Zeitraum bis zur Aufnahme <strong>des</strong> Studiums den Rahmen <strong>des</strong> üblichen über-<br />

schreitet, muss das volljährige Kind selbst für die Sicherstellung seines Bedarfs<br />

sorgen. Gleiches gilt für den Zeitraum zwischen der Beendigung <strong>des</strong> Wehr-<br />

/Zivildienstes <strong>und</strong> dem Beginn der Ausbildung (OLG Zweibrücken FamRZ<br />

2007, 165; Reinken FPR 2008, 334, 337).<br />

b) Wenn es nach dem mitgeteilten Sachverhalt der Unentschlossenheit <strong>des</strong><br />

Unterhaltsberechtigten zuzuschreiben ist, dass er nicht nahtlos – oder allen-<br />

falls mit einem zeitlichen Abstand im Rahmen <strong>des</strong> üblichen – im Anschluss an<br />

die Ableistung <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>wehrdienstes eine Ausbildungsstelle antreten konn-<br />

te, kann er die finanziellen Folgen nicht <strong>auf</strong> seine unterhaltspflichtigen Eltern<br />

abwälzen. Wir teilen <strong>des</strong>halb im Ausgangspunkt die Einschätzung, dass der<br />

Volljährige zwar gr<strong>und</strong>sätzlich weiterhin <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Finanzierung einer an-<br />

gemessenen Ausbildung hat, da er bisher nicht über eine abgeschlossene<br />

Berufsausbildung verfügt. Solange er sich aber nicht erneut in einer Ausbil-<br />

dungsphase befindet, kann er nicht die Deckung <strong>des</strong> Bedarfs durch seine El-<br />

tern verlangen.<br />

2. a) Soweit die „reine Lehre“. Zu überlegen ist allenfalls folgen<strong>des</strong>: Der Voll-<br />

jährige beabsichtigt nicht etwa ein Studium, welches möglicherweise über<br />

Jahre hinweg die Eltern mit entsprechenden Verpflichtungen belasten wür-<br />

de, sofern kein <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Leistungen nach dem BAföG besteht. Vielmehr<br />

strebt er offensichtlich eine Ausbildung an, in der er aller Voraussicht nach<br />

von Anfang an eine Vergütung erhalten wird, welche seinen Bedarf zumin-


23<br />

<strong>des</strong>t teilweise deckt. Ob er insoweit bereits konkrete Vorstellungen über sei-<br />

nen Ausbildungsberuf hat <strong>und</strong> wie seine Aussichten <strong>auf</strong> eine Lehrstelle im<br />

nächsten Jahr stehen, lässt der mitgeteilte Sachverhalt allerdings offen.<br />

b) Die – im Rahmen der von den Eltern noch zu finanzierenden Ausbildung –<br />

absehbaren Unterhaltsleistungen werden aller Voraussicht nach sowohl zeit-<br />

lich als auch der Höhe nach begrenzt sein. Sofern seine Eltern in einigerma-<br />

ßen zuträglichen wirtschaftlichen Verhältnissen leben sollten <strong>und</strong> zudem das<br />

Verhältnis <strong>des</strong> Volljährigen zu ihnen nicht als zu ungünstig beurteilt werden<br />

müsste, könnten sie womöglich um Verständnis für seine Situation gebeten<br />

werden.<br />

Immerhin mag es vielleicht nachvollziehbare Gründe dafür geben, dass der<br />

junge Mann seinen ursprünglichen Entschluss, sich als Zeitsoldat <strong>auf</strong> 12 Jahre<br />

zu verpflichten, revidiert hat. Wenn man insoweit den Gr<strong>und</strong>wehrdienst als<br />

„Orientierungsphase“ ansehen würde <strong>und</strong> berücksichtigt, dass womöglich<br />

<strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> von Ereignissen oder Erkenntnissen, die nicht von Anfang an ab-<br />

sehbar waren, der Entschluss zu einer Ausbildung erst spät gefasst werden<br />

konnte, lässt sich vielleicht eine gewisse Aufgeschlossenheit der Eltern für die-<br />

se Situation erwecken.<br />

c) Im Rahmen der Beratung <strong>und</strong> Unterstützung durch das Jugendamt sollten<br />

zumin<strong>des</strong>t die tatsächlichen Gr<strong>und</strong>lagen im vorgenannten Sinne mit dem<br />

Volljährigen abgeklärt werden. Vielleicht ist es dann möglich, ihm eine gewis-<br />

se Argumentationshilfe gegenüber den Eltern zu bieten, sodass diese sich uU<br />

für eine freiwillige Überbrückungsfinanzierung der Zeit bis zum Beginn der<br />

Ausbildung gewinnen ließen. Möglicherweise hätte dies eine höhere Aussicht<br />

<strong>auf</strong> Erfolg, wenn der junge Volljährige bereits konkrete <strong>und</strong> realisierbare Vor-<br />

stellungen hinsichtlich seiner künftigen Ausbildung entwickelt hätte <strong>und</strong> zu-<br />

dem glaubhaft vorbringen könnte, dass er die Zeit bis zum nächsten August<br />

sinnvoll nutzen werde (für ausbildungsbezogene Fortbildung, Sprachtraining<br />

oder Ähnliches).<br />

d) Zugleich sollte ihm aber von vornherein reiner Wein dahingehend einge-<br />

schenkt werden, dass die vorstehenden Überlegungen in erster Linie an den<br />

guten Willen seiner Eltern appellieren müssen. Im Streitfall hätte er jedenfalls<br />

keine guten Karten, wenn er seinen verbleibenden Unterhaltsbedarf bis zum


24<br />

Beginn der Ausbildung im Spätsommer 2010 gegenüber seinen Eltern gericht-<br />

lich geltend machen wollte.“<br />

15. Ein volljähriges Kind leistet ein freiwilliges soziales Jahr ab. Kann es in dieser<br />

Zeit Unterhalt beanspruchen, soweit sein Bedarf nicht durch Leistungen der Be-<br />

schäftigungsstelle gedeckt ist?<br />

Der Unterhaltsanspruch während der Dauer eines freiwilligen sozialen Jahres kann<br />

nicht ohne nähere Prüfung der Gegebenheiten <strong>des</strong> Einzelfalles bejaht werden.<br />

a) Beim „freiwilligen sozialen Jahr“ handelt es sich um einen sozialen Freiwilligendienst<br />

für Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene, die die Vollzeitschulpflicht erfüllt, aber das<br />

27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Dieser Dienst dauert min<strong>des</strong>tens sechs,<br />

höchstens 18 Monate. Er muss min<strong>des</strong>tens 11 Monate betragen, wenn er den Zivil-<br />

dienst vollständig ersetzen soll. Das freiwillige soziale Jahr kann auch im Ausland ab-<br />

geleistet werden.<br />

Die Arbeitszeit richtet sich zwar nach den jeweiligen Einsatzstellen, ist aber durch die<br />

in öffentlichen Tarifen vereinbarten Wochenst<strong>und</strong>enregelungen begrenzt (in der Re-<br />

gel ca 39 Wochenst<strong>und</strong>en). Die Vergütung (Taschengeld, Verpflegung, Unterkunft,<br />

Fahrtkostenerstattung) wird nach den Gegebenheiten <strong>des</strong> Trägers bezahlt. Dies kön-<br />

nen ua die in der B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege zusam-<br />

mengeschlossenen Verbände <strong>und</strong> ihre Untergliederungen sein. In Betracht kommen<br />

aber auch Religionsgemeinschaften mit dem Status einer öffentlich-rechtlichen Kör-<br />

perschaft sowie Gebietskörperschaften. Das freiwillige soziale Jahr wird pädagogisch<br />

begleitet. Für die Dauer <strong>des</strong> freiwilligen sozialen Jahres bis zum Erreichen der gesetz-<br />

lich festgelegten Altersgrenze wird gem. § 32 IV Nr 2 lit. d EStG Kindergeld gezahlt<br />

(vgl zum Ganzen Möller FPR 2008, 347, 348).<br />

b) Das freiwillige soziale Jahr wird unterhaltsrechtlich gr<strong>und</strong>sätzlich wie ein Praktikum<br />

beurteilt (hierzu eingehend Möller aaO). Es kommt auch insoweit maßgeblich dar<strong>auf</strong><br />

an, ob der Unterhaltsberechtigte sich hierbei konkret in der Vorbildung zu einem Be-<br />

ruf befindet. Dient die soziale Tätigkeit nicht der Vorbereitung zu einem Studium oder<br />

als Voraussetzung für eine andere Ausbildung, besteht kein Unterhaltsanspruch (OLG<br />

Naumburg NJW-RR 2007, 1380; Scholz, in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der<br />

familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 2 Rn 348a; Reinken aaO). Insbesondere sind die<br />

Eltern nicht verpflichtet, dem volljährigen Kind Unterhalt zu leisten, das während der<br />

Wartezeit zur Erlangung eines Studienplatzes ein freiwilliges soziales Jahr absolviert


25<br />

(OLG Zweibrücken NJW-RR 1994, 1225; Möller aaO). Etwas anderes kann jedoch gel-<br />

ten, wenn das Kind das freiwillige soziale Jahr mit ausdrücklichem Einverständnis sei-<br />

ner Eltern ableistet (OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1353).<br />

Allerdings hat nunmehr das OLG Celle in einem Beschluss vom 06.10.2011 (Az 10 WF<br />

300/11, zit. nach Juris mit den dortigen Rn) die gr<strong>und</strong>legend abweichende Meinung<br />

vertreten:<br />

„Volljährige Kinder können während <strong>des</strong> freiwilligen sozialen Jahres auch<br />

dann einen Unterhaltsanspruch haben, wenn dies nicht zwingende Voraus-<br />

setzung für einen bereits beabsichtigten weiteren Ausbildungsweg ist.“<br />

In den Gründen der Entscheidung ist hierzu ausgeführt:<br />

„Zwar wird die vom Amtsgericht vertretene Auffassung, während der Absol-<br />

vierung eines freiwilligen sozialen Jahres bestehe nur dann ein Unterhaltsan-<br />

spruch, wenn es sich dabei um die notwendige Voraussetzung für ein beab-<br />

sichtigtes Studium oder eine beabsichtigte Ausbildung (zu einem sozialen Be-<br />

ruf) handelt (vgl. OLG Naumburg FamRZ 2008, 86; OLG Schleswig OLGR 2008,<br />

196; OLG München FamRZ 2002, 1425 (Leitsatz) = OLGR 2002, 142;<br />

Wendl/Dose/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen<br />

Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 489; Palandt/Brudermüller BGB 70. Aufl. § 1610 Rn. 19;<br />

Seiler in: Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein Handbuch <strong>des</strong> Fachanwalts<br />

Familienrecht 8. Aufl. 6. Kapitel Rn. 239; Botur in: Büte/Poppen/Menne Unter-<br />

haltsrecht 2. Aufl. § 1610 BGB Rn. 40) oder die Eltern einverstanden gewesen<br />

seien (OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1353), in Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur all-<br />

gemein geteilt. Zur Begründung wird dabei dar<strong>auf</strong> verwiesen, dass ein nicht<br />

zur weiteren Ausbildung erforderliches freiwilliges soziales Jahr selbst keine<br />

angemessene Vorbildung zu einem Beruf im Sinne <strong>des</strong> § 1610 Abs. 2 BGB dar-<br />

stelle.<br />

7<br />

2. Diese Rechts<strong>auf</strong>fassung kann jedoch nach Ansicht <strong>des</strong> Senats angesichts<br />

der geltenden Rechtslage nicht <strong>auf</strong>recht erhalten werden.<br />

8<br />

a) Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB erstreckt sich der Unterhaltsanspruch eines Kin-<br />

<strong>des</strong> <strong>auf</strong> die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Die El-<br />

tern schulden dem Kind eine seiner Begabung angemessene Ausbildung, die


26<br />

die Perspektive einer späteren eigenständigen Finanzierung <strong>des</strong> Lebensun-<br />

terhalts bietet (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2001, 440; Palandt/Brudermüller<br />

a.a.O. Rn. 18). Die einzelnen Ausbildungsschritte müssen dabei gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

<strong>auf</strong>einander folgen <strong>und</strong> in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Dies<br />

hat der BGH z. B. für die <strong>auf</strong>einander bezogenen Ausbildungsschritte Lehre-<br />

Abitur-Studium bejaht (BGHZ 107, 376; FamRZ 2001, 1601). Über die konkrete<br />

Gestaltung der Ausbildung kann das volljährige Kind gr<strong>und</strong>sätzlich selbst ent-<br />

scheiden, sofern es dabei <strong>auf</strong> die berechtigten Belange seiner Eltern Rück-<br />

sicht nimmt (vgl. Wendl/Dose/Klinkhammer a.a.O. Rn. 481 f.; Botur a.a.O.<br />

Rn. 37). Danach kommt es entscheidend dar<strong>auf</strong> an, ob die Absolvierung ei-<br />

nes freiwilligen sozialen Jahres überhaupt als Abschnitt einer angemessenen<br />

Gesamtausbildung anzusehen ist <strong>und</strong> ob die Finanzierung (auch) dieses Ab-<br />

schnitts <strong>und</strong> der damit u. U. verb<strong>und</strong>enen Verlängerung der Gesamtausbil-<br />

dung den Unterhaltspflichtigen zuzumuten ist.<br />

9<br />

b) Die bisher veröffentlichte Rechtsprechung, <strong>auf</strong> die die zitierten Literatur-<br />

stimmen Bezug nehmen, ist noch zu den früher geltenden gesetzlichen Rege-<br />

lungen über den Jugendfreiwilligendienst ergangen. Zuletzt galt das Gesetz<br />

zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres in der Fassung der Bekannt-<br />

machung vom 17. Juli 2002 (BGBl. I S. 2596). Danach war das freiwillige sozia-<br />

le Jahr als überwiegend praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten<br />

Einrichtungen konzipiert, die pädagogisch begleitet wurden <strong>und</strong> dem Ziel<br />

dienten, Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl zu stärken sowie<br />

soziale <strong>und</strong> interkulturelle Erfahrungen zu vermitteln. Der Ausbildungsgedanke<br />

trat danach noch nicht in den Vordergr<strong>und</strong>.<br />

10<br />

Die bisherigen rechtlichen Vorschriften sind in<strong>des</strong>sen durch das Gesetz vom<br />

16. Mai 2008 (BGBl. I S. 842) <strong>auf</strong>gehoben <strong>und</strong> durch das Gesetz zur Förderung<br />

von Jugendfreiwilligendiensten (Jugendfreiwilligendienstegesetz - JFDG) er-<br />

setzt worden. Nach § 1 dieses Gesetzes fördern Jugendfreiwilligendienste die<br />

"Bildungsfähigkeit" der Jugendlichen. Das freiwillige soziale Jahr wird zwar<br />

weiterhin als überwiegend praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten<br />

Einrichtungen geleistet. Es wird aber ausdrücklich im Gesetz hervorgehoben,<br />

dass die ausgeübte Tätigkeit "an Lernzielen orientiert" ist. Außerdem wird die -<br />

weiterhin vorgesehene - pädagogische Begleitung der Tätigkeit von einer


27<br />

zentralen Stelle eines zugelassenen Trägers sichergestellt, womit das Ziel ver-<br />

folgt wird, "soziale, kulturelle <strong>und</strong> interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln<br />

<strong>und</strong> das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl zu stärken" (§ 3 <strong>des</strong><br />

Gesetzes). Noch stärker kommt der Ausbildungszweck in den Gesetzesmate-<br />

rialien zum Ausdruck: So wird in der Gesetzesbegründung der B<strong>und</strong>esregie-<br />

rung hervorgehoben, dass die Jugendfreiwilligendienste "Orte informeller Bil-<br />

dung" sind <strong>und</strong> dass die Freiwilligen "neben beruflicher Orientierung <strong>und</strong> Ar-<br />

beitserfahrung … wichtige personale <strong>und</strong> soziale Kompetenzen (erwerben),<br />

die als Schlüsselkompetenzen auch die Arbeitsmarktchancen verbessern<br />

können" (BT-Drs. 16/6519 S. 11). Der Jugendfreiwilligendienst wird als "ein an<br />

Lernzielen ausgerichteter Bildungsdienst" angesehen (a.a.O. S. 12). Auch in<br />

der Stellungnahme <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esrats wird betont, die Freiwilligendienste dien-<br />

ten der Verbesserung sozialer Kompetenzen <strong>und</strong> zur Förderung der Bildungs-<br />

<strong>und</strong> Beschäftigungsfähigkeit. Der Schwerpunkt der Durchführung dieser<br />

Maßnahme liege <strong>auf</strong> der Jugendbildung (BT-Drs. 16/6967 S. 3 f.). In den Aus-<br />

schussberatungen wurde als Ziel der neuen Regelungen genannt, den Frei-<br />

willigendienst stärker als Lerndienst auszugestalten <strong>und</strong> die Selbstbestim-<br />

mung, die Selbstverantwortung <strong>und</strong> das Selbstbewusstsein junger Menschen<br />

zu stärken sowie die beruflichen Chancen gerade von benachteiligten Ju-<br />

gendlichen (z. B. mit Migrationshintergr<strong>und</strong>) zu verbessern (BT-Drs. 16/8256 S.<br />

21). Diese Ziele fanden ihren Niederschlag in den letztlich Gesetz geworde-<br />

nen Beschlüssen <strong>des</strong> Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend.<br />

11<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> kann nach Auffassung <strong>des</strong> Senats die Absolvierung<br />

eines freiwilligen sozialen Jahres nunmehr im Rahmen einer Gesamtausbil-<br />

dung zu einem Beruf auch dann als ein angemessener Ausbildungsschritt an-<br />

zusehen sein, wenn - wie im vorliegenden Fall - bei Beginn dieses Ausbil-<br />

dungsabschnitts noch nicht feststeht, ob die Ausbildung später tatsächlich in<br />

einen sozialen Beruf münden <strong>und</strong> das freiwillige soziale Jahr sich somit konk-<br />

ret "auszahlen" wird. Es spricht viel dafür, dass das freiwillige soziale Jahr<br />

schon <strong>des</strong>halb gr<strong>und</strong>sätzlich als angemessener Ausbildungsabschnitt ange-<br />

sehen werden kann, weil es geeignet ist, die Bildungsfähigkeit Jugendlicher<br />

zu fördern <strong>und</strong> ihre Chancen <strong>auf</strong> dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach Ab-<br />

schluss ihrer Ausbildung zu verbessern. Hinzu kommt, dass die pädagogisch<br />

begleitete praktische Tätigkeit in einer sozialen Einrichtung auch geeignet ist,


28<br />

den Jugendlichen Klarheit darüber zu verschaffen, ob sie sich für einen sozia-<br />

len Beruf eignen. Das freiwillige soziale Jahr stellt sich damit auch als eine<br />

Orientierungsphase dar. Es ist allgemein anerkannt, dass ein Kind seinen An-<br />

spruch <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> während einer gewissen Orientierungsphase<br />

nicht verliert (vgl. BGH FamRZ 1998, 671, 672; im Hinblick <strong>auf</strong> ein freiwilliges so-<br />

ziales Jahr ausdrücklich BGH Beschluss vom 29. Juni 2011 - XII ZR 127/09 -).<br />

12<br />

3. Danach kommt ein <strong>Anspruch</strong> <strong>des</strong> Antragstellers auch für die Zeit der Ab-<br />

solvierung <strong>des</strong> freiwilligen sozialen Jahres gr<strong>und</strong>sätzlich in Betracht.“<br />

Die Begründung der Entscheidung ist nicht von der Hand zu weisen. Es bleibt abzu-<br />

warten, inwieweit ihr weitere Gerichte folgen werden.<br />

16. Gibt es insoweit Unterschiede zum Unterhaltsbedarf einer Minderjährigen wäh-<br />

rend eines freiwilligen sozialen Jahres?<br />

Hierzu ein einschlägiger Gutachten-Fall:<br />

„Das Jugendamt ist Unterhaltsbeistand nach § 1712 BGB für ein 16-jähriges<br />

Mädchen (geb. Nov. 1994). Sie beendet im Sommer die Realschule <strong>und</strong> wird<br />

zum 01.08.2011 in einem Altenheim ein freiwilliges soziales Jahr beginnen. Sie<br />

wird während dieser Zeit weiterhin im Haushalt der Mutter leben. Vom Träger<br />

der Einrichtung erhält sie mtl. 290,00 €. Es entstehen Fahrkosten von <strong>und</strong> zum<br />

Altenheim (Mutter fährt die Tochter hin <strong>und</strong> zurück, einfache Entfernung ca.<br />

12 km). Der Vater hat bisher den Min<strong>des</strong>tunterhalt für seine Tochter gezahlt<br />

(mtl 334 EUR). Ist er auch während <strong>des</strong> sozialen Jahres zum Unterhalt ver-<br />

pflichtet?<br />

Nach verschiedenen Gerichtsentscheidungen besteht für ein volljähriges<br />

Kind gr<strong>und</strong>sätzlich während eines FSJ`s kein Unterhaltsanspruch. Sieht das<br />

während der Minderjährigkeit <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> anders aus? Wird das Einkommen<br />

<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> während <strong>des</strong> sozialen Jahres evtl so angerechnet <strong>auf</strong> den Unter-<br />

haltsanspruch wie eine Ausbildungsvergütung?<br />

1. Wie in der Anfrage zutreffend bemerkt wird, können Volljährige während<br />

eines Freiwilligen sozialen Jahres regelmäßig keinen Unterhalt von ihren Eltern<br />

beanspruchen, weil dieser Zeitraum gr<strong>und</strong>sätzlich nicht als Ausbildung zählt.<br />

Ausnahmsweise kann dies anders sein, wenn das Freiwillige Soziale Jahr ganz


29<br />

oder teilweise als Praktikumszeit in der weiteren Ausbildung angerechnet<br />

wird.<br />

Zu näheren Einzelheiten nehmen wir <strong>auf</strong> die Anlagen 1 <strong>und</strong> 2 Bezug.<br />

(Anm: Darin sind im Wesentlichen die oben zu Frage 16 dargelegten<br />

Gr<strong>und</strong>sätze enthalten.)<br />

2. Rechtsprechung, die bei Minderjährigen einen gr<strong>und</strong>legend anderen<br />

Maßstab anlegen würde, können wir nicht benennen. Allerdings mag im Ein-<br />

zelfall bei Minderjährigen wohl die Notwendigkeit einer Orientierungsphase<br />

bezüglich der Berufsfindung die Beurteilung beeinflussen können. Als Beispiel<br />

fügen wir Anlage 3 bei, auch wenn diese Ausarbeitung einen etwas anders<br />

gelagerten Sachverhalt betrifft.<br />

(Anm: Vgl das zu Frage 9 dargestellte Gutachten.)<br />

Ferner beziehen wir uns <strong>auf</strong> die Ausführungen von Möller, FPR 2008, 347, die<br />

offenbar – abgesehen vom Einverständnis beider Elternteile mit dem FSJ –<br />

keinen wesentlichen Unterschied in der <strong>Anspruch</strong>sberechtigung von Minder-<br />

jährigen <strong>und</strong> Volljährigen <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> während dieser Zeit er-<br />

kennen will.<br />

3. Jedoch mag es im Einzelfall vom Verhandlungsgeschick <strong>des</strong> Beistands ab-<br />

hängen, ob der barunterhaltspflichtige Elternteil akzeptiert, dass dieses Jahr<br />

der Persönlichkeitsreifung <strong>und</strong> damit auch der Berufsfindung <strong>des</strong> Minderjähri-<br />

gen dienen kann. Im Streitfall ist aber nicht gesichert, dass das Familienge-<br />

richt einer solchen Auslegung folgen würde.<br />

4. Zu näheren Einzelheiten über die Anrechnung der von der Minderjährigen<br />

während <strong>des</strong> Freiwilligen Sozialen Jahres bezogenen „Vergütung“ verweisen<br />

wir wiederum <strong>auf</strong> die Ausführungen von Möller aaO. Die 290 EUR sind gr<strong>und</strong>-<br />

sätzlich ähnlich wie eine Ausbildungsvergütung je zur Hälfte <strong>auf</strong> den Barun-<br />

terhalt <strong>und</strong> den Betreuungsunterhalt anzurechnen.<br />

Wenn es auch im konkreten Fall zutreffen sollte, dass die Minderjährige<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> eine kostenfreie Unterkunft durch den Heimträger<br />

hätte, kann sie von vornherein keine Fahrtkosten für den Weg von der müt-<br />

terlichen Wohnung zum Altenheim geltend machen.<br />

Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, führt der tägliche Transport durch die<br />

Mutter in deren Pkw nicht ohne weiteres zu eigenen Aufwendungen <strong>des</strong> Kin-


30<br />

<strong>des</strong>. Davon könnte allenfalls gesprochen werden, wenn das Kind kraft aus-<br />

drücklicher Vereinbarung mit der Mutter dieser die Fahrtkosten aus seiner<br />

Vergütung erstatten würde. Es soll an dieser Stelle nicht vertieft werden, ob<br />

<strong>und</strong> unter welchen Voraussetzungen die Minderjährige eine solche Verein-<br />

barung überhaupt wirksam mit ihrer Mutter schließen könnte, ohne dass ein<br />

Ergänzungspfleger eingeschaltet werden muss (vgl § 181 BGB).“<br />

17. Wie verhält es sich, wenn ein freiwilliges soziales Jahr unter bestimmten Um-<br />

ständen als Vorpraktikum für ein Studium der sozialen Arbeit anerkannt wird?<br />

„Eine Volljährige hat im August 2009 ein Freiwilliges Soziales Jahr begonnen<br />

<strong>und</strong> möchte nächstes Jahr ein Studium mit der Fachrichtung "Soziale Arbeit"<br />

beginnen. Für dieses Studium muss sie ein Vorpraktikum von 13 Wochen<br />

nachweisen. Ein FSJ wird ebenfalls als Vorpraktikum anerkannt. Soweit aus<br />

den Kommentierungen ersichtlich, besteht gr<strong>und</strong>sätzlich während <strong>des</strong> FSJ<br />

kein Unterhaltsanspruch. Dies gilt jedoch nicht, wenn die soziale Tätigkeit als<br />

Voraussetzung für eine andere Ausbildung bzw Studium gefordert wird. Da<br />

das volljährige Kind seinen Bedarf aus seinem Einkommen nicht decken<br />

kann, hat das Jugendamt beide Elternteile <strong>auf</strong>gefordert, Unterhalt zu leisten.<br />

Die Mutter ist jedoch nur bereit, Unterhaltszahlungen für 13 Wochen zu leis-<br />

ten, anschließend wird sie die Zahlungen einstellen.<br />

Sollte das volljährige Kind dann aber nach 13 Wochen das FSJ abbrechen,<br />

würde dies nicht als Vorpraktikum für ihr Studium anerkannt werden. Dies<br />

wurde ihr von der Hochschule in Bremen mitgeteilt.<br />

Das Jugendamt bittet um Stellungnahme, ob das Kind während <strong>des</strong> FSJ ei-<br />

nen Unterhaltsanspruch hat <strong>und</strong> wenn ja, ob dieser <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> 13 Wochen<br />

begrenzt ist.<br />

(Anm: In dem Gutachten wurden zunächst unter Ziff. 1 <strong>und</strong> die bereits oben<br />

zu Frage 15 dargestellten Gr<strong>und</strong>sätze erörtert.)<br />

3. a) Im vorliegenden Fall würde somit der <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong><br />

für die Dauer <strong>des</strong> freiwilligen Sozialdienstes entfallen, wenn dieser nur der<br />

Überbrückung der Zeit bis zur Aufnahme eines Studiums dienen würde. Dies<br />

ist ein wohl unbestrittener allgemeiner Gr<strong>und</strong>satz.


31<br />

b) Wenn aber die Angabe der jungen Volljährigen zutrifft, dass das freiwillige<br />

soziale Jahr ihr nach Studienbeginn im Sinne eines abzuleistenden Praktikums<br />

angerechnet würde, kann im Gr<strong>und</strong>satz der <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Ausbildungsunter-<br />

halt für diesen Zeitraum nach den dargelegten Gesichtspunkten nicht ver-<br />

neint werden. Denn dann müsste das FSJ als Teil einer Ausbildung gewertet<br />

werden, welches schließlich auch die spätere Dauer <strong>des</strong> Studiums <strong>und</strong> damit<br />

<strong>des</strong> <strong>Anspruch</strong>s <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> verkürzt. Hierbei ist naturgemäß zu<br />

unterstellen, dass sie nach wie vor das beabsichtigte Studium ernsthaft an-<br />

strebt <strong>und</strong> dass auch eine halbwegs vernünftige Aussicht dar<strong>auf</strong> besteht, es<br />

in absehbarer Zeit <strong>auf</strong>nehmen zu können.<br />

c) Klärungsbedürftig ist allenfalls die zeitliche Übereinstimmung von freiwilli-<br />

gem sozialen Jahr <strong>und</strong> hierdurch erspartem Praktikum: Wird im Rahmen <strong>des</strong><br />

Studiums nur eine 13-wöchige Praktikantenzeit verlangt, kann die junge Voll-<br />

jährige nicht gegenwärtigen Unterhalt für die Dauer von 12 oder gar 18 Mo-<br />

naten beanspruchen. Die überschießende Zeit müsste dann als reine Warte-<br />

zeit <strong>auf</strong> das Studium betrachtet werden mit der Folge, dass der Unterhaltsan-<br />

spruch insoweit entfiele. Da das freiwillige soziale Jahr entsprechend den<br />

obigen Hinweisen nicht etwa eine Min<strong>des</strong>tdauer von 12 Monaten umfasst,<br />

kann auch hieraus kein weitertragen<strong>des</strong> Argument zugunsten der Unter-<br />

haltsberechtigten abgeleitet werden.<br />

4. a) Wenn die junge Volljährige vor Beginn <strong>des</strong> Studiums vor der Wahl stand,<br />

die erforderliche Qualifikation durch ein 13-wöchiges Praktikum oder ein we-<br />

sentlich längeres freiwilliges soziales Jahr zu erwerben, durfte sie diese Ent-<br />

scheidung nicht ohne Rücksicht <strong>auf</strong> die Interessen ihrer Eltern als Unterhalts-<br />

schuldner treffen. Hierzu verpflichtete sie das sog. Gegenseitigkeitsprinzip.<br />

Zwar hat ein Kind <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Finanzierung einer angemessenen, seiner Be-<br />

gabung, Neigung <strong>und</strong> seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbil-<br />

dung (§ 1610 Abs. 2 BGB). Dieser unterliegt aber dem unterhaltsrechtlichen<br />

Gegenseitigkeitsprinzip: Der Verpflichtung <strong>des</strong> Unterhaltsschuldners <strong>auf</strong> Er-<br />

möglichung einer Berufsausbildung steht <strong>auf</strong> Seiten <strong>des</strong> Unterhaltsberechtig-<br />

ten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß <strong>und</strong> der gebotenen Zielstrebig-<br />

keit in angemessener <strong>und</strong> üblicher Zeit zu beenden (BGH FamRZ 1998, 671 =<br />

DAVorm 1998, 515).


32<br />

Unterhaltsleistungen nach § 1610 Abs. 2 BGB sind zweckgeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> wer-<br />

den nur insoweit geschuldet, als sie für eine angemessene Vorbildung zu ei-<br />

nem Beruf erforderlich sind. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu <strong>und</strong><br />

Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die <strong>auf</strong><br />

ein vorübergehen<strong>des</strong> leichteres Versagen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zurückzuführen sind.<br />

Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll<br />

<strong>und</strong> zielstrebig <strong>auf</strong>zunehmen <strong>und</strong> durchzuführen, büßt es seinen Unterhalts-<br />

anspruch ein <strong>und</strong> muss sich dar<strong>auf</strong> verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt<br />

durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (BGH aaO unter Hinweis <strong>auf</strong> seine<br />

st. Rspr, vgl FamRZ 1984, 777; FamRZ 1987, 470 <strong>und</strong> FamRZ 1993, 1057, 1059<br />

mwN). Die Verletzung <strong>des</strong> schwerlich widersprochen werden § 1610 Abs. 2<br />

BGB innewohnenden Gegenseitigkeitsverhältnisses führt also von selbst zum<br />

Wegfall <strong>des</strong> Unterhaltsanspruchs, ohne dass dies an die besonderen Verwir-<br />

kungsvoraussetzungen <strong>des</strong> § 1611 Abs. 1 BGB geb<strong>und</strong>en wäre (BGH FamRZ<br />

1998, 671).<br />

b) Wenn sich hier ein Elternteil dar<strong>auf</strong> beruft, dass er im Rahmen <strong>des</strong> ge-<br />

schuldeten <strong>Ausbildungsunterhalt</strong>s nur für den Zeitraum <strong>auf</strong>kommen müsse,<br />

der im Sinne der Studienvoraussetzungen zwingend notwendig war – nämlich<br />

die 13 Wochen Praktikumszeit –, kann dem schwerlich widersprochen wer-<br />

den. Als einzig theoretisch denkbarer Einwand käme in Betracht, dass es der<br />

jungen Volljährigen nicht möglich gewesen wäre, in überschaubarer Zeit ei-<br />

nen geeigneten Praktikumsplatz zu finden, sodass sie das FSJ als einzig ver-<br />

bleibende Alternative wählen musste. Ob dies aber wirklich mit überzeugen-<br />

den Gründen geltend gemacht werden könnte, erscheint fraglich.<br />

c) Der jungen Volljährigen kann <strong>des</strong>halb – vorbehaltlich neuer Erkenntnisse<br />

im letztgenannten Sinne – nur geraten werden, von einer Unterhaltsforderung<br />

gegen die Mutter für die 13 Wochen übersteigende Zeitdauer <strong>des</strong> freiwilligen<br />

sozialen Jahres Abstand zu nehmen, weil ein solcher <strong>Anspruch</strong> kaum mit Er-<br />

folg durchgesetzt werden könnte. Dass sie ohne entsprechende Prüfung der<br />

unterhaltsrechtlichen Auswirkungen das FSJ gewählt hat, obwohl es vermut-<br />

lich die Alternative eines kürzeren Praktikums für sie gab, ist ihr Risiko.<br />

aa) Hierbei ist zum einen zu bedenken, dass sie höchstwahrscheinlich im<br />

Rahmen <strong>des</strong> FSJ Sozialleistungen beziehen dürfte, die ihren Bedarf zumin<strong>des</strong>t<br />

teilweise decken (inwieweit dies bereits jetzt gegenüber den unstrittig dem


33<br />

Gr<strong>und</strong>e nach zu erbringenden Unterhaltszahlungen der Eltern berücksichtigt<br />

wurde, ist der Anfrage nicht zu entnehmen).<br />

bb) Zum anderen ist daran zu erinnern, dass nach hiesigen Informationen –<br />

wie bereits ausgeführt – das FSJ nicht wenigstens 12 Monate dauern muss,<br />

sondern eine Min<strong>des</strong>tdauer von sechs Monaten hat. Wenn sich junge Voll-<br />

jährige <strong>auf</strong> diesen Zeitraum beschränkt, wären letztlich nur drei Monate ohne<br />

Unterhaltsforderung gegen die Eltern (bzw die Mutter, die sich anscheinend<br />

bisher allein gegen die anteilige Heranziehung für den strittigen Zeitraum<br />

wehrt) zu überbrücken.<br />

Es ist zwar verständlich, dass die Hochschule ein nach 13 Wochen abgebro-<br />

chenes FSJ nicht als gleichwertig anerkennen will. Andererseits ist nicht vor-<br />

stellbar, dass sie tatsächlich <strong>auf</strong> vollen 12 Monaten besteht, wenn die gesetz-<br />

liche Min<strong>des</strong>tdauer sechs Monate beträgt <strong>und</strong> ein alternatives Praktikum in<br />

der halben Zeit abgeleistet werden kann. Die junge Volljährige sollte <strong>des</strong>halb<br />

diese Frage alsbald mit der Hochschule klären <strong>und</strong> auch mit ihrem ‚Dienst-<br />

herrn‘ für das FSJ absprechen, ob <strong>und</strong> unter welchen Voraussetzungen der<br />

Zeitraum verkürzt werden kann, falls sie sich bereits für ein volles Jahr ver-<br />

pflichtet haben sollte.“<br />

18. Ist ein volljähriges Kind während einer „Au-Pair-Tätigkeit“ im Ausland bedürf-<br />

tig?<br />

Die Vorschrift <strong>des</strong> § 1602 Abs.1 BGB definiert die Unterhaltsberechtigung wie folgt:<br />

„Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.“<br />

Insoweit bestehen unter mehreren Gesichtspunkten Bedenken gegen einen derzeit<br />

fortdauernden Unterhaltsanspruch <strong>des</strong>/der Volljährigen gegen den/die Verpflichte-<br />

te/n.<br />

a) Zum einen hat ein Kind nach Abschluss seiner Schulausbildung nur dann noch das<br />

Recht, Unterhalt von seinen Eltern zu fordern, wenn es sich in einer notwendigen Be-<br />

rufsausbildung befindet.<br />

Für den <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> gem. § 1610 Abs. 2 BGB gilt als Gr<strong>und</strong>satz:<br />

Das Kind hat sich nach dem Schulabgang um die Aufnahme einer ihm angemesse-<br />

nen Ausbildung zu bemühen (BGH FamRZ 1998, 671). Ihm ist zwar eine gewisse Orien-<br />

tierungsphase – mit der Folge eines Unterhaltsanspruchs nach bestandenem Abitur –


34<br />

zuzubilligen. Falls jedoch der Zeitraum bis zur Aufnahme <strong>des</strong> Studiums den Rahmen<br />

<strong>des</strong> üblichen überschreitet, muss das volljährige Kind selbst für die Sicherstellung sei-<br />

nes Bedarfs sorgen. Gleiches gilt für den Zeitraum zwischen der Beendigung <strong>des</strong><br />

Wehr-/Zivildienstes <strong>und</strong> dem Beginn der Ausbildung (OLG Zweibrücken FamRZ 2007,<br />

165; Reinken FPR 2008, 334, 337).<br />

Deshalb kann auch gr<strong>und</strong>sätzlich die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres kei-<br />

ne Unterhaltsforderung gegen die Eltern rechtfertigen. Dient die soziale Tätigkeit<br />

nicht der Vorbereitung zu einem Studium oder als Voraussetzung für eine andere<br />

Ausbildung, besteht kein Unterhaltsanspruch (OLG Naumburg NJW-RR 2007, 1380;<br />

Scholz, in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis,<br />

7. Aufl., § 2 Rn 348a; Reinken aaO). Insbesondere sind die Eltern nicht verpflichtet,<br />

dem volljährigen Kind Unterhalt zu leisten, das während der Wartezeit zur Erlangung<br />

eines Studienplatzes ein freiwilliges soziales Jahr absolviert (OLG Zweibrücken NJW-RR<br />

1994, 1225; Möller aaO). Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn das Kind das frei-<br />

willige soziale Jahr mit ausdrücklichem Einverständnis seiner Eltern ableistet (OLG<br />

Stuttgart FamRZ 2007, 1353).<br />

Für eine Au-Pair-Tätigkeit im Ausland können aber gr<strong>und</strong>sätzlich keine anderen Maß-<br />

stäbe gelten.<br />

b) Unabhängig von den vorstehend dargestellten Erwägungen muss die/der Volljäh-<br />

rige sich ohnehin die bezogene Vergütung sowie die von den Gasteltern gewährten<br />

Sachleistungen bedarfsdeckend anrechnen lassen. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist zu unterstellen,<br />

dass ihr/ihm spezifischer Bedarf während <strong>des</strong> Aufenthalts im Ausland hierdurch ge-<br />

deckt ist. Für eine hiervon abweichende Behauptung wäre die/der Unterhaltsbe-<br />

rechtigte darlegungs- <strong>und</strong> beweispflichtig.<br />

c) Im Ergebnis ist daher festzuhalten: Für die Dauer der Au-Pair-Tätigkeit dürfte aus<br />

den vorgenannten Gründen kein Unterhaltsanspruch bestehen.<br />

19. Ein Kind beginnt nach dem Abitur eine neunmonatige Australienreise. Nach<br />

seiner Rückkehr sind einige Monate bis zur Aufnahme <strong>des</strong> Studiums zu über-<br />

brücken. Hat er während dieser Monate <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Unterhalt?<br />

Hierzu ein einschlägiges Gutachten:<br />

„In einer Beratungssache sprach ein junger Volljähriger im Jugendamt vor. Er<br />

hat nun sein Abitur gemacht <strong>und</strong> wird für voraussichtlich 9 Monate durch


35<br />

Australien reisen. In diesem Zeitraum (ab sofort) kann er gegenüber seinen El-<br />

tern keine Unterhaltsansprüche begründen. In 2011 will er jedoch mit dem<br />

Studium beginnen <strong>und</strong> begründet dadurch wieder gr<strong>und</strong>sätzlich einen An-<br />

spruch. Wie gestaltet es sich jedoch in der Zeit zwischen Wiederkehr nach<br />

Deutschland <strong>und</strong> Beginn <strong>des</strong> Studiums? Dieser Zeitraum wird sich über meh-<br />

rere Monate erstrecken können. Gr<strong>und</strong>sätzlich gibt es zwischen Schulab-<br />

schluss <strong>und</strong> direkt anknüpfenden Studium oder Ausbildung eine Übergangs-<br />

regelung, in der der weiterhin Unterhalt begründet wird. Nach Ansicht <strong>des</strong><br />

Jugendamts begründet sich hier jedoch erst wieder mit Aufnahme <strong>des</strong> Studi-<br />

ums <strong>und</strong> nicht mit Rückkehr nach Deutschland ein Unterhaltsanspruch.<br />

1. Für den <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> <strong>Ausbildungsunterhalt</strong> gem. § 1610 Abs. 2 BGB gilt als<br />

Gr<strong>und</strong>satz: Das Kind hat sich nach dem Schulabgang innerhalb einer ange-<br />

messenen Orientierungsphase um die Aufnahme einer ihm angemessenen<br />

Ausbildung zu bemühen (BGH FamRZ 1998, 671). Ihm ist zwar eine gewisse<br />

Orientierungszeit – mit der Folge eines Unterhaltsanspruchs nach bestande-<br />

nem Abitur – zuzubilligen. Falls jedoch der Zeitraum bis zur Aufnahme <strong>des</strong><br />

Studiums den Rahmen <strong>des</strong> üblichen überschreitet, muss das volljährige Kind<br />

selbst für die Sicherstellung seines Bedarfs sorgen. Gleiches gilt für den Zeit-<br />

raum zwischen der Beendigung <strong>des</strong> Wehr-/Zivildienstes <strong>und</strong> dem Beginn der<br />

Ausbildung (OLG Zweibrücken FamRZ 2007, 165; Reinken FPR 2008, 334, 337).<br />

2. Würde der junge Volljährige nach bestandenem Abitur im Jahr 2010 –<br />

vermutlich war dieses spätestens im L<strong>auf</strong>e <strong>des</strong> Monats Juni abgeschlossen –<br />

ein Studium bereits im Wintersemester 2010/2011 <strong>auf</strong>nehmen, wäre nicht in<br />

Abrede zu stellen, dass er sich mit hinreichender Zügigkeit um die Fortsetzung<br />

seiner Ausbildung bemüht. Sein Unterhaltsanspruch für die dazwischen lie-<br />

genden Monate bis zum regelmäßig Mitte Oktober liegenden Semesterbe-<br />

ginn – also etwa für die Monate Juli bis September – stünde außer Zweifel.<br />

3. Dass der Unterhaltsberechtigte seinen neunmonatigen Australien<strong>auf</strong>ent-<br />

halt – so lehrreich <strong>und</strong> persönlichkeitsbildend er auch sein mag – nicht <strong>auf</strong><br />

Kosten seiner Eltern absolvieren kann, wenn diese damit nicht einverstanden<br />

sind, sollte keiner vertieften Diskussion bedürfen <strong>und</strong> wird auch vom Jugend-<br />

amt so gesehen.


36<br />

4. Würde der junge Volljährige nach neun Monaten, also voraussichtlich En-<br />

de März 2011, wieder zurückkehren, bestünde uE gr<strong>und</strong>sätzlich kein Hindernis,<br />

im Sommersemester 2011 ein Studium <strong>auf</strong>zunehmen (es sei denn, es handelt<br />

sich um ein Studienfach, welches gr<strong>und</strong>sätzlich nur im Wintersemester be-<br />

gonnen werden kann).<br />

Insoweit sollte sich das Problem überhaupt nicht stellen, weil dann ein nahtlo-<br />

ser Übergang vom Auslands<strong>auf</strong>enthalt in das Studium gewährleistet wäre<br />

(vorausgesetzt, die Einschreibformalitäten usw wären von ihm rechtzeitig ge-<br />

regelt <strong>und</strong> der Studienbeginn würde nicht an bürokratischen Hindernissen<br />

scheitern).<br />

5. Wenn der junge Mann allerdings in wenig verständlicher Weise seine Aus-<br />

landsreise so geplant hätte, dass er nicht rechtzeitig zum Sommersemester<br />

2011 zurückkehren kann, sondern danach – ohne triftigen Gr<strong>und</strong>, etwa we-<br />

gen einer nur im Winter möglichen Studien<strong>auf</strong>nahme – weitere sechs Monate<br />

bis zum Studienbeginn warten muss, wird er kaum seine Eltern mit Erfolg dazu<br />

veranlassen können, diesen gesamten Zeitraum zu finanzieren. Bei pragmati-<br />

scher Betrachtung könnte der Sohn allenfalls argumentieren: Hätte ich mein<br />

Studium sofort in 2010 begonnen, wäre wohl unstrittig der Unterhalt für die<br />

zwischen Abitur <strong>und</strong> Semesterbeginn liegenden vollen drei Monate zu zahlen<br />

gewesen. Es wäre fair, mir diesen nunmehr gewissermaßen zeitversetzt in<br />

2011 ‚nachzuzahlen‘.<br />

Einen darüber hinausgehenden <strong>Anspruch</strong> wird er aber wohl kaum durchset-<br />

zen können. In einem Rechtsstreit würde sich sogar die nahe liegende Frage<br />

<strong>auf</strong>drängen, ob es im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Obliegenheit zur<br />

zügigen Aufnahme der Ausbildung nicht von vornherein geboten war, das<br />

Studium spätestens im Sommersemester 2011 zu beginnen (auch wenn dann<br />

per Saldo die Eltern einige Monate Unterhalt sparen würden: Die Australien-<br />

reise müssen sie nicht finanzieren; die bei regulärem Verl<strong>auf</strong> anfallende<br />

Überbrückungsphase von ca 3 Monaten entfällt).<br />

6. In einem Rechtsstreit, zu dem es hoffentlich nicht kommt, würde ein um-<br />

sichtiger Familienrichter voraussichtlich einen Vergleich im Sinne der Über-<br />

nahme einer dreimonatigen Unterhaltszahlung in dem ansonsten ‚vergam-<br />

melten‘ Sommer 2011 vorschlagen, nämlich vor dem Hintergr<strong>und</strong> der oben<br />

angesprochenen pragmatischen Überlegungen. Einen solchen Vorschlag


37<br />

könnte auch das Jugendamt im Rahmen seiner Beratung dem jungen Voll-<br />

jährigen unterbreiten <strong>und</strong> womöglich auch mit einigen wenigen Zeilen zum<br />

rechtlichen Hintergr<strong>und</strong> ggf den Eltern ‚schmackhaft machen‘.<br />

Im Übrigen bleiben wir dabei, dass sich die Frage vermutlich überhaupt nicht<br />

stellen würde, wenn der Unterhaltsberechtigte bereits rechtzeitig zu Semes-<br />

terbeginn im April 2011 zurückkehren würde <strong>und</strong> – bei gr<strong>und</strong>sätzlich mögli-<br />

chem Studienbeginn im Sommersemester – auch seine Einschreibeformalitä-<br />

ten zuvor erledigt hätte.“

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