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01 "Schreiben ohne Schrauben" - PraxisInstitut

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<strong>Schreiben</strong> <strong>ohne</strong> Schrauben<br />

Ein Text-Workshop<br />

Inhalt<br />

Checklisten<br />

1 Schreiberfahrungen<br />

2 Workshop<br />

3 Textbearbeitung<br />

4 Zeitung<br />

5 Überschriften<br />

6 Wie fange ich an?<br />

7 Nachricht oder Kommentar?<br />

8 Verständlich schreiben<br />

9 Korrigieren<br />

10 Wie komme ich auf gute Ideen?<br />

11 Visualisierungen<br />

12 Empfehlungen<br />

Übungen<br />

1 Medienvielfalt<br />

2 3 Übungen<br />

Textausschnitte<br />

1 Kurt Tucholsky über den schlechten Redner und den guten Redner<br />

2 Wolfgang Neuss über das Juristendeutsch<br />

3 Vaclav Havel zur Amtssprache


Checkliste 1<br />

Schreiberfahrungen<br />

Was lese ich überhaupt gerne?<br />

◗ Nur wer liest, weiß, daß vorher geschrieben werden muß.<br />

◗ Welche Texte bevorzuge ich?<br />

◗ Welche Autoren mag ich gerne?<br />

◗ Von welchen lerne ich - gerade wenn ich schreibe?<br />

Was habe ich bisher geschrieben?<br />

◗ Auflistung aller möglichen Medien vom Brief bis zur Zeitung.<br />

◗ Was habe ich nach Schule und Ausbildung alles selbst schon<br />

geschrieben?<br />

Womit und wie wird geschrieben?<br />

◗ Tagebuch? Notizen auf Papierzettel?<br />

◗ Wird eine Kladde zum Vorschreiben benutzt?<br />

◗ Wird lieber diktiert?<br />

◗ Was hat Diktieren mit <strong>Schreiben</strong> zu tun?<br />

◗ <strong>Schreiben</strong> mit Schreibmaschine?<br />

◗ <strong>Schreiben</strong> mit Computer? Ändert das etwas?<br />

Welche Hindernisse gibt es beim <strong>Schreiben</strong>?<br />

◗ Zeit, Ort<br />

◗ Wo fällt mir was ein?<br />

◗ Angst<br />

◗ Hemmungen ...<br />

◗ Lassen Sie Fragen zu?<br />

Was möchte ich gern schreiben können?<br />

◗ Möchte ich ein Dichter sein?<br />

◗ Vorbilder, Beispiele ...<br />

◗ Nur die Anforderungen erfüllen? Welche?<br />

Was möchte in diesem Workshop lernen?<br />

◗ Rezepte?<br />

◗ Mut zum <strong>Schreiben</strong>?<br />

◗ Freiwerden durch <strong>Schreiben</strong>?<br />

◗ Mehr für den neuen Job?<br />

◗ Oder mehr für mich selbst?


Checkliste 2<br />

Der Workshop<br />

1. Kenne ich die Richtung?<br />

◗ Das Leitbild<br />

◗ Das Selbstverständnis<br />

◗ weitere Grundsätze und Orientierungen<br />

◗ Selbstbild/Fremdbild<br />

In unserem Fall:<br />

◗ Aufgabe meiner Einrichtung<br />

◗ Politisches Programm für das Thema<br />

◗ Maßnahmeplan der Einrichtung zum Thema<br />

2. In welchem Medium schreibe ich?<br />

◗ Zeitung<br />

◗ Flugblatt<br />

◗ Informationsblatt<br />

◗ Geschäfstbericht…<br />

siehe Übung 1: Medienvielfalt<br />

3. Welche Form hat der Text?<br />

◗ Meldung<br />

◗ Nachricht<br />

◗ Interview<br />

◗ Reportage…<br />

siehe Übung 1: Medienvielfalt<br />

4. Worum geht es?<br />

◗ Überblick über das Thema<br />

◗ Stichwortsammlung<br />

◗ Wie komme ich an Ideen?<br />

◗ Zentrale Botschaften<br />

(max. 3-7 große Gedanken)<br />

5. Was weiß ich von den Leserinnen und Lesern?<br />

◗ Kennen sie uns?<br />

◗ Welche Erwartungen haben sie?<br />

◗ Wieviel Zeit haben sie?<br />

◗ Wie wichtig ist es, daß sie gerade diesen Text<br />

lesen?<br />

6. Wie fange ich an?<br />

◗ Zitat<br />

◗ Reportage…<br />

siehe Chekliste 6: Einstiege<br />

7. Was schreibe icb oben drüber?<br />

◗ Headline<br />

◗ Zitat als Titel…<br />

siehe Checkliste 5: Überschriften<br />

8. Schreibe ich einen guten Text?<br />

siehe Checkliste 8: Verständlich schreiben<br />

9. Nichts ist auf Anhieb gut<br />

◗ Korrigieren durch lautes Lesen<br />

siehe Checkliste 9: Korrigieren<br />

10. Visualisierungen<br />

◗ Gliederung in Abschnitte<br />

◗ Info-Kästchen<br />

◗ Schaubilder<br />

◗ Fotos<br />

◗ Landkarten…


Checkliste 3<br />

Textbearbeitung<br />

Zielgruppe<br />

◗ Was wissen die Leserinnen und Leser?<br />

◗ Was wollen die Leserinnen und Leser?<br />

◗ Welchen Nutzen sollen sie aus dem Text ziehen? (Die zentrale Botschaft)<br />

Die Überschrift<br />

◗ Ist sie interessant, originell, positiv formuliert?<br />

◗ Welche Assoziationen weckt sie?<br />

◗ Trifft sie den Kern?<br />

◗ Ist sie länger als drei Worte? Wenn ja, warum?<br />

Textanfang<br />

Welcher Einstieg?<br />

◗ Mit den wichtigsten «W´s»?<br />

◗ Das lokale und/oder historische Ereignis?<br />

◗ Reportage-Element? (Persönliches) Erlebnis?<br />

◗ Zitat?<br />

◗ Frage?<br />

◗ Heißmacher?<br />

◗ Zwingt der Anfang zum Weiterlesen?<br />

◗ Stehen die wichtigsten Informationen des Textes im ersten Abschnitt?<br />

◗ Erhalten die Leserinnen und Leser dort Antworten auf die wichtigsten »W´s«?<br />

Der Schluß<br />

Wie hört der Text auf?<br />

◗ Bleibt die Formulierung lange im Ohr?<br />

- Wenn es so sein sollte: Ist der Schluß wirklich der Höhepunkt?<br />

◗ Wird etwas offen gelassen, was Spannung erzeugt?<br />

◗ Wird die wichtigste Frage der Leserinenn und Leser noch einmal beantwortet?<br />

Gibt es eine Zusammenfassung?<br />

◗ Appell, Forderung nach Taten und Maßnahmen?<br />

◗ Ankündigung von Taten und Maßnahmen?<br />

Verständlich schreiben<br />

...2


...2<br />

Checkliste 3<br />

Textbearbeitung<br />

Habe ich vermieden...<br />

◗ Schachtelsätze,<br />

◗ Wortungetüme,<br />

◗ Fremdwörter,<br />

◗ Übertreibungen,<br />

◗ Doppelte Verneinungen,<br />

◗ Füllwörter,<br />

◗ Konjunktive?<br />

Sind die Aussagen…<br />

◗ konkret statt allgemein?<br />

◗ komprimiert statt weitschweifig?<br />

◗ Bringt der Text Beweise statt Behauptungen?<br />

◗ Stehen die Hauptsachen im Hauptsatz und nicht im Nebensatz?<br />

◗ Sind die Sätze kurz (maximal 9 Wörter)?<br />

◗ Welche Sätze haben mehr als 20-30 Wörter?<br />

◗ Warum konnten die langen Sätze nicht gekürzt werden?<br />

◗ Erscheinen mäßig kurze und mäßig lange Sätze im Wechsel?<br />

Weil es nicht interessant ist:<br />

Weglassen, …<br />

◗ was sich die Leserinnen und Leser sowieso selber denken können.<br />

◗ was ihnen z.B. ein Bild sagt.<br />

◗ was ihnen nichts sagt.<br />

Erscheinen im Text…<br />

◗ Personen?<br />

◗ Schauplätze und anschauliche Details?<br />

◗ Zitate und wörtliche Rede?<br />

◗ Bilder und Vergleiche?<br />

◗ neue, treffende Begriffe statt altbekannter, harmloser Wörter?<br />

◗ Stehen im Text Aktivsätze statt Passivkonstruktionen?<br />

Wo lassen sich...<br />

◗ Hauptwörter durch Verben ersetzen?<br />

◗ Adjektive vermeiden?<br />

Wo sind starke, anschauliche Verben möglich statt solcher, ...<br />

◗ die sich mit einem Substantiv verheiraten (z.B. «Abhilfe schaffen»)?<br />

◗ die Luftwörter (z.B. «bewerkstelligen») sind?<br />

◗ die auf «…ieren» enden?


Checkliste 4<br />

Zeitung<br />

Warum überhaupt eine Zeitung?<br />

◗ Klärung der Ziele<br />

◗ Warum ist eine Zeitung das richtige Medium?<br />

◗ Welche inhaltliche Stoßrichtung soll<br />

das Blatt haben?<br />

Für wen ist die Zeitung<br />

◗ Zielgruppe<br />

◗ Angehörige der Einrichtung/Institution<br />

◗ Arbeitgeber<br />

◗ Öffentlichkeit (welche?)<br />

◗ für uns, die Zeitungsmacher<br />

Herausgabekonzept<br />

◗ Wer ist der Herausgeber?<br />

◗ Wer gehört zur Redaktion?<br />

◗ Ist die Redaktion selbständig?<br />

◗ Gibt es ein Readaktionsstatut?<br />

◗ Wie oft erscheint die Zeitung?<br />

◗ Wann und wie regelmäßig?<br />

◗ Termin- und Ablaufpläne?<br />

◗ Wer zahlt?<br />

Arbeitsweise der Redaktion<br />

◗ Wer gehört dazu?<br />

◗ Verbindlichkeit der Mitarbeit<br />

◗ Wann und wo und wie oft kommt<br />

die Redaktion zusammen?<br />

◗ Gibt es „Freigestellte“?<br />

◗ Zeitpläne?<br />

◗ Schlußredaktion<br />

Wer macht was?<br />

◗ <strong>Schreiben</strong><br />

◗ Recherchieren<br />

◗ Texte bearbeiten<br />

◗ Informationen besorgen<br />

◗ Fotografieren<br />

◗ Zeichnen<br />

◗ Gestalten<br />

◗ Zeitungsvertrieb<br />

Technik<br />

◗ Lay-Out-Ausstattung<br />

◗ Arbeitsräume<br />

◗ Nutzen von Ressourcen<br />

Wie soll die Zeitung aussehen?<br />

◗ Formate:<br />

hoch, DIN, quadratisch ...<br />

◗ Erscheinungsbild und eiserne Gestaltungsregeln<br />

◗ Satzspiegel<br />

◗ Farben<br />

◗ Verwendung von Fotos<br />

◗ Schriften:<br />

→ Überschriften<br />

→ Lauftext<br />

→ Zwischenüberschriften<br />

→ Bildunterschriften<br />

Wie ist die Zeitung aufgebaut?<br />

◗ Kommentare<br />

◗ Titelgeschichten<br />

◗ Enthüllungen<br />

◗ Nachrichten<br />

◗ Termine<br />

◗ Rubriken<br />

◗ Was steht wo?<br />

◗ Gibt es feste Plätze?<br />

◗ Mischung der verschiedenen journalistischen<br />

Stilformen<br />

Name<br />

◗ Wie findet man einen Namen?<br />

◗ Was soll er aussagen?<br />

◗ Anmutung<br />

◗ Anspielungen<br />

◗ Abkürzungen


Checkliste<br />

Überschriften<br />

Sie sind von zentraler Bedeutung. Von Ihnen hängt oft ab, ob sich eine<br />

Leserin oder ein Leser überhaupt dem Text zuwendet. Was ist zu<br />

beachten?<br />

Lesegewohnheiten<br />

Die Gewohnheiten der Leute, sie sind nicht so, wie wir uns das als<br />

Schreiber von Texten wünschen. Die Aufmerksamkeit von<br />

Zeitungsleserinnen und -lesern richtet sich zuerst natürlich nicht auf<br />

unseren Text. Die Reihenfolge der Wahrnehmung:<br />

Was sehen die Leserinnen und Leser zuerst?<br />

➔ Bilder ➔ Bildunterschriften ➔ Grafiken ➔ Überschriften<br />

➔ Textvorspann ➔ Zwischenüberschriften ➔ Text<br />

Auch die Überschrift muß sich also durchsetzen. Welche Möglichkeiten<br />

haben wir?<br />

Die Überschrift kann sein:<br />

◗ kurz<br />

In der Kürze liegt die Würze<br />

Die Überschrift muß kurz sein: am besten nicht mehr als 3 Worte.<br />

◗ originell<br />

Sie muß originell sein.<br />

Es lohnt sich, mit den Wörtern zu spielen, Assoziationen zu finden,<br />

neue Wörter zu basteln. Die Überschrift kann auch in gewolltem<br />

Widerspruch zum Text, vor allem aber zur hauptsächlichen<br />

Textillustration stehen.<br />

◗ positiv<br />

Positive Formulierung<br />

Auch wenn wir über weniger schöne Angelegenheiten informieren:<br />

die Leute mögen es positiv. Sie können es auch bekommen. Denn wir<br />

selbst wollen ja (in der Regel) etwas Positives erreichen.<br />

◗ provokativ<br />

Provokation und Satire<br />

Auch völlig Unangemessenes kann möglich sein. „Krieg im Westen“<br />

schrieben wir über einen Artikel, der von Dienstverpflichtungen für<br />

Pflegepersonal im Krankenhaus des Bremer Westens handelte.<br />

◗ unerwartet<br />

Altbekannte Parolen vermeiden<br />

Auch viele gute Schlagworte verbrauchen sich mit der Zeit. Die<br />

Flugblattüberschrift „Abbau des Sozialstaats“ haben die Leute nun<br />

schon genug gelesen, auch wenn sie Parole immer noch stimmt.<br />

Überschriftenmachen soll Spaß machen<br />

Man muß sich nur zusammensetzen. In der Regel wird es amüsant.<br />

(Beispiel: Wirtschaftsteil der FR)


Checkliste 6<br />

Wie fange ich an?<br />

Beispiele für alle Texte, die wir zu schreiben haben.<br />

Diese Hinweise sind auch beim <strong>Schreiben</strong> einer Rede nützlich.<br />

Die sieben W´s<br />

Wer tut was wann und wo. Wie ist es?<br />

Warum geschieht es und woher weiß ich es?<br />

Dieser Einstieg ist von Interesse, wenn eines der W´s sehr wichtig ist.<br />

Beispiele: »Helmut Kohl kam selbst zur Eröffnung des Buffets...«<br />

»Am 24. Dezember legte uns die Geschäftsleitung um 10 Uhr eine<br />

Kündigung auf den Tisch...«<br />

Und ähnlich die anderen Ws.<br />

Das Ereignis<br />

Hier geht es hauptsächlich um das Geschehen selbst.<br />

Beispiel: »Frisch gestrichen wurde jetzt zum siebentenmal in diesem Jahr<br />

der Raucherraum.«<br />

Der klassische Einstieg bei einer Reportage<br />

Das Erleben und/oder Empfinden des Beobachters kommt zuerst. Der<br />

Schreiber schlüpft in die Rolle.<br />

Beispiel: »Das Gewicht war so nicht zu halten. Kranführer Fritz K. weiß,<br />

daß der die Ladung runterlassen muß, will er nicht...«<br />

Das Zitat<br />

Wörtliche Rede als Einstieg.<br />

Beispiel: »“Der Lohnzuschlag muß her, und zwar sofort“, das waren die<br />

eindeutigen Worte gestern auf der Betriebsversammlung.«<br />

Die Frage<br />

Wenn die Leute sich die Frage selbst stellen oder beim Lesen auch sofort<br />

haben, ist dies ein sehr aktueller Einstieg.<br />

Beispiel: »Wie lange sollen die Putzfrauen noch auf ihren Lohnzuschlag<br />

warten?« Oder: »Ist die Landesregierung eingeschlafen?«<br />

Besondere Heißmacher<br />

Der Leser wird richtig reingezwungen in den Text, etwa mit einer<br />

Übertreibung, einem verblüffenden Wort.<br />

Beispiel: »Mord und Totschlag wird es nicht geben, aber bei diesen<br />

Preiserhöhungen in der Kantine...«


Checkliste 7<br />

Nachricht oder Kommentar<br />

Wer das nicht auseinanderhält, gerät in den Verdacht zu manipulieren.<br />

Was ist eine Nachricht?<br />

Eine Nachricht ist eine Information über Tatsachen.<br />

Die Nachricht ist für den Leser neu.<br />

Sie teilt ihm mit, was er vermutlich bisher nicht wußte.<br />

Sie ist interessant, sonst würden wir sie nicht mitteilen.<br />

Unterschied<br />

◗ zum Kommentar: Verzicht auf die eigene Meinung.<br />

◗ zur Reportage: Verzicht auf subjektive Elemente,<br />

Eindrücke, Empfindungen.<br />

◗ zum Korrespondentenbericht: Verzicht auf Deutungen von<br />

Vorgängen und Ereignissen.<br />

◗ zum Feature: Verzicht auf unterhaltende Elemente.<br />

(Dies muß nicht ganz so streng genommen<br />

werden, weil Nachrichten<br />

auch Unterhaltungswert haben dürfen).<br />

Was ist ein Kommentar?<br />

Ein Kommentar übt Kritik, wertet die Dinge und Vorgänge, drückt eine<br />

Meinung aus. (Auch: Editorial, Kolumne, »Zu dieser Ausgabe«...)<br />

◗ Leitartikel: längerer Meinungsartikel.<br />

◗ Kommentar: mittlere Länge.<br />

◗ Glosse: kurze kritische Anmerkung.<br />

Vorsicht: Nicht selten sind Leitartikel und Kommentare verkleidete Berichte,<br />

nur Erklärungen und Erläuterungen. Wenn die eigene Meinung fehlt, ist es<br />

kein Kommentar. Es gibt auch andere Möglichkeiten zusätzlicher<br />

Erklärungen (etwa in einem Kasten):<br />

◗ Hintergrundbetrachtungen und -informationen,<br />

◗ »Gebrauchsanweisungen«, Tips ...<br />

Trennung von Kommentar und Nachricht<br />

Diese Trennung wird verwischt, wenn der Leitartikel nur<br />

Hintergrundinformationen enthält, oder wenn der Korrespondent im<br />

Nachrichtenteil Meinungen einfließen läßt. Das gilt auch für Überschriften!<br />

Schlechte Beispiele: Spiegel und Bild-Zeitung<br />

Nachricht und Meinung können wir trennen.


Checkliste 8<br />

Gut schreiben<br />

Einige Erfahrungen.<br />

<strong>Schreiben</strong>, wie man spricht.<br />

Gute Texte sind überarbeitete Alltagssprache. Merkwürdigerweise reden<br />

wir anders, wenn wir anfangen zu schreiben. Am deutlichsten ist dies<br />

beim <strong>Schreiben</strong> von Briefen.<br />

Kurze Sätze und einfache Wörter<br />

Als optimal gilt: 9 Wörter pro Satz. Maximal sollte man 20 bis 30 Wörter<br />

pro Satz verwenden. Redaktionen schreiben ihren Journalisten oft eine<br />

maximale Satzlänge vor.<br />

Keine Schachtelsätze<br />

Diese Anforderung ist wichtig, weil wir leider oft verschachtelt denken.<br />

Manche Dinge sind selbst so vertrackt und verschachtelt, daß sie uns die<br />

Schachtelsätze machen. Dennoch: Wer soll das lesen?<br />

Keine Sprachhülsen und Wortungetüme, Fremdwörter vermeiden<br />

»Berufsfachgruppendelegiertenversammlungen« und »artikulierte<br />

Konnotationen« kann es geben. <strong>Schreiben</strong> kann man sie nicht. Wenn<br />

man sie aussprechen muß, klingen sie nicht besser.<br />

Keine doppelten Verneinungen<br />

Auch wenn es Ihnen nicht unschlecht erscheint, doppelte Verneinungen<br />

helfen nicht, Unklarheiten zu vermeiden.<br />

Keine Übertreibungen<br />

»Die größte Ungerechtigkeit aller Zeiten« wird auch bei Ihnen erst noch<br />

kommen.<br />

Keine sinnlosen Füllwörter<br />

Allenthalben werden anscheinend einigermaßen viele offenbar<br />

schlichtweg überflüssige Wörter geschrieben, deren lange Liste im Buch<br />

von Wolf Schneider auf Seite 120 bis 122 abgedruckt ist.<br />

Interessant schreiben<br />

Verben symbolisieren Dynamik und Engagement. Nicht: »Die Trinkung<br />

des Schnapses erfolgt durch die Bergleute.« Sondern: »Trinken wir einen<br />

Schnaps mit den Bergleuten.« (Lieblingsbeispiel von Johannes Rau zum<br />

bürokratischen Reden.)<br />

Adjektive sind häufig nichtssagend und erzeugen Langeweile.<br />

»Außerordentliche Freude, vollendete Tatsachen, schwere Verwüstungen,<br />

begriffliche Bestimmung...«<br />

Anschaulich schreiben<br />

Phantasie und Assoziationen werden durch sinngemäße Zitate oder<br />

wörtliche Rede geweckt. Namen von Personen, Orten und Einrichtungen<br />

in den Text. Bilder und Vergleiche.


Checkliste 9<br />

Korrigieren<br />

Zuhören und Feilen<br />

»Von der Schrift zur Rede läßt sich eine Brücke schlagen mit einem<br />

einfachen Trick: Soll der Text länger halten als bis zum nächsten Tag, so lese man<br />

ihn laut vor, einem anderen oder sich selbst. Es ist überraschend heilsam, das<br />

Geschriebene dem Gehörtwerden auszusetzen: Kleine Unebenheiten, über die<br />

der schweigende Leser hinweghuschte, erweisen sich als Stolpersteine; Füllwörter<br />

und ungewollte Wiederholungen stellen sich plötzlich borstig auf; bei hölzernem<br />

Rhythmus kracht es hörbar im Gebälk; und Sätze, die uns kurzatmig oder<br />

langatmig geraten sind, entlarvt unser keuchender Atem. Schreibe für die Ohren!<br />

So ist das laute Lesen ein wichtiger, vielleicht der eigentlich unentbehrliche<br />

Teil jeder Arbeit, auf die viele Schreiber die Hälfte ihrer zeit verwenden oder noch<br />

mehr: am Manuskript zu basteln und zu feilen. Drei Viertel sogar, sagte Fontane -<br />

drei Viertel seiner ganzen literarischen Tätigkeit seien das Korrigieren und Feilen<br />

gewesen. Wie er’s trieb, hat er nicht übermittelt. Ich treibe es so:<br />

• Laut lesen.<br />

• Dabei oder danach: die meisten Füllwörter und möglichst viele<br />

Adjektive streichen; bei fahrlässigen Wiederholungen andere Wörter<br />

einsetzen; rote Schlangenlinien an Stellen des Mißvergnügens<br />

machen.<br />

• Den logischen Aufbau prüfen.<br />

• Den dramaturgischen Aufbau prüfen.<br />

• Alle Stellen überarbeiten, die eine Schlangenlinien bekommen haben.<br />

• Die Passagen überarbeiten, die den Gegenlesern mißfallen haben.<br />

• Nochmal laut lesen.<br />

Das klingt mühsam und zeitaufwendig. Bei allen Texten, die ich für wichtig<br />

hielt, habe ich es gleichwohl so gehalten. Wenn ich nach all den Mühen einen<br />

Text immer noch mißraten finde, greife ich zum letzten Mittel: Ich schreibe ihn<br />

noch einmal, ganz von vorn, mit nur gelegentlichem Blick auf die verworfene<br />

Fassung, und mit der Hand natürlich.<br />

„Gesegnet seien alle zerrissenen Briefe, ausgestrichenen Adjektive und in<br />

den Papierkorb geworfenen ersten Entwürfe“, schreibt Süskind.«<br />

Aus: Wolf Schneider, Deutsch für Profis. Wege zum guten Stil.<br />

Goldmann Taschenbuch. Stern-Bücher. 1989 (7. Auflage) Seite 117-118


...2<br />

Checkliste 10<br />

Wie komme ich auf neue und gute Ideen?<br />

Sechs Vorschläge, die praktikabel sind.<br />

1. Brainstorming<br />

Am besten in einer kleinen Gruppe.<br />

Jede Idee wird aufgeschrieben.<br />

4 Grundregeln:<br />

1. Eigene und fremde Gedanken werden nicht kritisiert.<br />

oder bewertet (das ist nicht so einfach, muß aber sein).<br />

2. Freies und ungehemmtes Äußern von Gedanken,<br />

auch von außergewöhnlichen Ideen.<br />

3. Aufgreifen und verfolgender Ideen anderer und<br />

4. Produzieren möglichst vieler Ideen <strong>ohne</strong> Rücksicht<br />

auf Qualität.<br />

Alles, was aufgeschrieben wurde, wird gemeinsam durchgegangen,<br />

was verworfen wird, wird beiseite gelegt, was neu hinzukommt,<br />

aufgeschrieben.<br />

2. Zehn Stichworte<br />

Ich schreibe mir zum Thema 10 Stichworte auf.<br />

Zu jedem Stichwort schreibe ich mir wieder 10 Stichworte auf.<br />

Später gehe ich alles durch, sortiere, wähle aus.<br />

3. Das Bild zum Thema<br />

Das Thema ist vorgegeben.<br />

Ich stell mir nun dies Thema vor als<br />

Mahlzeit<br />

Farbe<br />

Landschaft<br />

Tier<br />

...


...2<br />

Checkliste 10<br />

Wie komme ich auf neue und gute Ideen?<br />

4. Bewegung<br />

Wer sich bewegt, wird auch im Kopf beweglich.<br />

Gute Ideen kommen gerne beim Fahrrad fahren, Spazierengehen, etc.<br />

5. Gute Zeitplanung<br />

Sie haben einen Text geschrieben.<br />

Seien Sie erstmal zufrieden mit Ihrer Arbeit.<br />

Lassen Sie den Text mindestens über Nacht liegen.<br />

Am nächsten Tag gucken Sie den Text wieder an.<br />

Erst jetzt bearbeiten Sie den Text.<br />

Für Ihre Zeitplanung also:<br />

→ Immer die Nacht dazwischen!<br />

→ Schon vorher daran denken!<br />

Gute Ideen brauchen Zeit<br />

6. Viel schreiben<br />

<strong>Schreiben</strong> Sie unstrukturiert auf.<br />

<strong>Schreiben</strong> Sie alles, was Ihnen so einfällt, auch ungeordnet.<br />

Malen Sie große Bilder zu Ihrem Thema.<br />

→ 3 Übungen: 1.<br />

→ 3 Übungen: 2.<br />

→ 3 Übungen: 3.


Checkliste 11<br />

Visualisierungen<br />

Wenn der Redner das Mittel der Visualisierung einsetzen will, dann muß<br />

das Medium gut bedacht sein.<br />

Dias<br />

Vorbereitungen sind notwendig. Dafür wird Zeit gebraucht. Es müssen<br />

Fotoprofis angesprochen werden…<br />

Vorteile<br />

◗ Alle Gestaltungsmöglichkeiten<br />

◗ Für große Veranstaltungen<br />

Nachteile<br />

◗ Verdunkelung<br />

◗ Referent muß die Technik beherrschen<br />

◗ Referent ist an die Reihenfolge gebunden<br />

Folien<br />

Vorbereitungen sind notwendig. Auch Folien wollen gut gestaltet sein.<br />

Dafür wird Vorbereitungszeit gebraucht. Es müssen Gestaltungsprofis<br />

angesprochen werden…<br />

Vorteile<br />

◗ Raum bleibt einigermaßen hell.<br />

◗ Für Veranstaltungen aller Größe<br />

◗ Änderungen sind ad hoc möglich<br />

Nachteile<br />

◗ Umständliches hantieren<br />

◗ Referent muß geübt sein (mit den konkreten Folien)<br />

◗ Ungewünschte Rückwirkungen (Lesen vs. Hören)<br />

Flip Chart<br />

Kommt eigentlich nur in Frage, wenn der Redner das wünscht und in<br />

einem kleinen Kreis auftreten wird. Dann müssen im Rahmen der<br />

Redevorbereitung evt. Vorlagen (Entwürfe) erstellt werden.<br />

Vorteile<br />

◗ Sehr dynamisch<br />

◗ Beteiligte erleben die Entwicklung mit<br />

◗ Hören, Sehen eigenes Lernen bleiben zusammen<br />

Nachteile<br />

◗ Kleine Fläche (s.u. 2 Flip Charts)<br />

◗ Kleine Gruppen (man muß noch lesen können)<br />

◗ Referent muß das können<br />

Gut sind 2 Flip Charts nebeneinander:<br />

Vorteile<br />

◗ mehr Platz<br />

◗ Vielfältigere Gestaltung mit Vor- und Zurückblättern


Checkliste 12<br />

10 Empfehlungen<br />

Kreatives Schaffen können wir nicht erzwingen.<br />

Hier sind zehn Empfehlungen, die auf den praktischen Erfahrungen vieler<br />

Menschen aufbauen, die vor einer Aufgabe stehen, die mit Schema F<br />

nicht zu bewältigen ist.<br />

1. Ideen festhalten!<br />

Ideen kommen plötzlich, oft gerade dann, wenn wir mit dem Problem<br />

gar nichts zu tun haben. Plötzliche Ideen müssen wir uns aufschreiben,<br />

auf einen Zettel, in ein Notizbuch ... Sie verschwinden sonst zu leicht<br />

wieder.<br />

2. Zeit lassen bei der Kritik!<br />

Frisch gefundene Idee nicht zu früh bewerten. Zwischen Analyse,<br />

Ideenproduktion und Bewertung sollten immer 24 Stunden liegen.<br />

Ideen, die heute unrealistisch sind, sind später vielleicht nützlich.<br />

Schaffen wir uns einen »Ideenpool«.<br />

3. Sorgen wir für unsere eigene Motiviation!<br />

Wir überzeugen uns von der Wichtigkeit unserer Aufgabe. Was wir nicht<br />

mit Routine lösen können, braucht »Inkubationszeit«. Teilziele und<br />

Zwischentermine überlisten unsere Alltagsstreß-Reaktionen.<br />

4. Frage: Warum?<br />

Die Frage nach den Gründen fördert die Identifikation mit der Aufgabe,<br />

sie erhellt die Ursachen und führt zu Problemsensibilität.<br />

5. Streßfreier Arbeitsplatz!<br />

Der Arbeitsplatz strahlt Ruhe aus. Wenn uns auf dem Schreibtisch immer<br />

anderes Unerledigtes »anguckt«, kommen wir zu nichts.<br />

Wir brauchen unser »Zeitpolster«.<br />

... 2


...2<br />

Checkliste 12<br />

10 Empfehlungen<br />

6. Distanz zu den Dingen!<br />

Aktuelle Probleme wollen mit Distanz betrachtet werden, sonst entstehen<br />

Fehler. Nicht vorschnell entscheiden. Nur dringliche Dinge erledigen sich<br />

von selbst, wichtige nicht.<br />

7. Vorsicht bei schnellen Lösungen!<br />

Selbstverständliche Lösungen sind mit Vorsicht zu genießen.<br />

Schnelle Euphorie oder Übereinstimmung aller Beteiligten sind ein<br />

Warnsignal: was sofort und »logisch« gut und richtig erscheint,<br />

verhindert oft neue Ideen und Wege.<br />

8. Problementfernung!<br />

Pausen, Wochenenden, Schlaf und Urlaub sind problemlösende Zeiten.<br />

Entspannung, Abstand zu den Dingen macht frei für neue Ideen.<br />

9. Selbstbesinnung!<br />

Einmal in der Woche den Mut finden, sich den Anforderungen aus<br />

Familie, Freizeit und Beruf zu entziehen. Wir müssen schon immer wieder<br />

zu uns selbst finden. Für Problembewältigung ist das eine wesentliche<br />

Voraussetzung.<br />

10. Positives Umweltklima!<br />

Für neue Ideen und gute Problemlösungen brauchen wir ein Klima von<br />

Offenheit und Vertrauen. Wir sind besser dran, wenn wir im Anderen<br />

keinen Rivalen sehen.


Übung<br />

Medienvielfalt<br />

Medienvielfalt heißt nicht nur: Video und Filme, Dia-Ton-Show und<br />

Desk-Top-Präsentation. Die Vielfalt fängt beim <strong>Schreiben</strong> schon an.<br />

Machen wir uns eine Liste und notieren dazu jeweils mit ein oder zwei<br />

Worten, was für das <strong>Schreiben</strong> in diesem Medien typisch ist:<br />

Flugblatt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Presseerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Broschüre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Prospekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Zeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Aushang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Rundschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Plakat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Geschäftsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

weitere: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Und es gibt verschiedene literarische Formen, die wir auch benutzen<br />

können. Auch hierzu bitte jeweils ein oder zwei Charakteristika:<br />

Nachricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Satire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Erzählung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Gedicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Schlagzeile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Motto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Aphorismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Glosse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

weitere: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .


3 Übungen<br />

1. Bilder entstehen lassen<br />

Begriffe in der Politik haben einen nachvollziehbaren Inhalt oft nur für<br />

diejenigen, die täglich mit ihnen umgehen. Manchmal auch für diese<br />

nicht. Was gemeint ist, ist oft mehr eine wissenschaftliche Definition als<br />

ein alltagsbezogenes Ereignis. Von solchen Dingen soll gesprochen<br />

werden. Also müssen sie bildhaft und verständlich gemacht werden.<br />

Strukturwandel<br />

Sozialer Fortschritt<br />

Standortsicherung<br />

Sozialabbau<br />

Dies sind solche Begriffe. Diese sollen so in einen Text eingehen, daß vor<br />

den inneren Augen der Leserinnen und Leser ein Bild entsteht, in dem sie<br />

sich selbst wiederfinden können, mit ihren Erfahrungen und ihrem<br />

Vorstellungsvermögen. Darum ist es wichtig, den Kontext des Textes zu<br />

berücksichtigen.<br />

2. Beobachtungen ausdrücken:<br />

Alltagssituationen und Charaktere genau beschreiben<br />

Zuerst muß die Situation genau beschrieben werden, dann läßt sich über<br />

Zusammenhänge und Probleme reden. Zuerst müssen wir wissen, mit<br />

wem wir es zu tun haben, dann können wir über menschliche<br />

Möglichkeiten, Aufgaben und anderes reden. Themen für eine solche<br />

Übung (bitte eines auswählen):<br />

• Der Regionalexpreß fährt in den Hauptbahnhof ein.<br />

• Ich gebe in der Hauptpost ein Einschreiben auf.<br />

• Morgens wird das Kind im Kindergarten abgegeben.<br />

• Schuhputzmittel einkaufen.<br />

3. Das Langweilige interessant finden<br />

Bei dieser Übung wollen wir uns an ein Problem heranmachen, das im<br />

politischen Alltag leider nicht selten ist: Es soll über Dinge geredet<br />

werden, die eigentlich gar nicht spannend und interessant sind. Aber es<br />

muß dazu etwas gesagt werden.<br />

Im folgenden stehen vier beispielhafte Ereignisse, die niemanden vom<br />

Hocker reißen. Darum haben wir sie schon mal etwas spannender<br />

gemacht. Zu einem der Ereignisse machen wir nun einen kurzen Text.<br />

• Der neue Fahrplan des Verkehrsbundes ist so interessant wie keiner<br />

seiner Vorgänger.<br />

• Die neue Verordnung über die Schreibweise von Straßennamen.<br />

• Warum ich beim Lesen im Telefonbuch immer Herzklopfen kriege.<br />

• Wenn ich endlich meine Akten für die neue Registratur beschriften<br />

kann, kommen für mich glückliche Zeiten.


Texte 1<br />

Tucholsky: Ratschläge für einen schlechten Redner<br />

Kurt Tucholsky schrieb 1930 einen Text für einen schlechten Redner. Was er damals<br />

beobachtete und vorschlug ist immer noch ganz aktuell.<br />

Fang nie mit dem Anfang an, sondern immer drei Meilen vor dem<br />

Anfang! Etwa so:<br />

»Meine Damen und meine Herren! Bevor ich zum Thema des<br />

heutigen Abends komme, lassen Sie mich kurz…«<br />

Hier hast Du schon so ziemlich alles, was einen schönen Anfang<br />

ausmacht: eine steife Anrede; der Anfang vor dem Anfang; die<br />

Ankündigung, daß und was du zu sprechen beabsichtigst und das<br />

Wörtchen kurz. So gewinnst du im Nu die Herzen und die Ohren der<br />

Zuhörer.<br />

Denn das hat der Zuhörer gern: daß er deine Rede wie ein schweres<br />

Schulpensum aufbekommt; daß du mit dem drohst, was du sagen<br />

wirst, sagst und schon gesagt hast. Immer schön umständlich.<br />

Sprich nicht frei, das macht einen so unruhigen Eindruck. Am besten<br />

ist es: du liest deine Rede ab. Das ist sicher, zuverlässig, auch freut es<br />

jedermann, wenn der lesende Redner nach jedem viertel Satz<br />

mißtrauisch hochblickt, ob auch noch alle da sind.<br />

Wenn du gar nicht hören kannst, was man dir so freundlich rät, und<br />

du willst durchaus und durchum frei sprechen… du Laie! Du<br />

lächerlicher Cicero! Nimm dir doch ein Beispiel an unseren<br />

professionellen Rednern, an den Reichtagsabgeordneten - hast du die<br />

schon mal frei sprechen hören? Die schreiben sich sicherlich zu Hause<br />

auf, wann sie »Hört! hört!« rufen… ja, also wenn du denn frei<br />

sprechen mußt:<br />

Sprich, wie Du schreibst. Und ich weiß wie du schreibst.<br />

Sprich mit langen, langen Sätzen - solchen, bei denen du, der du dich<br />

zu Hause, wo du ja die Ruhe, deren du so sehr benötigst, deiner<br />

Kinder ungeachtet, hast, vorbereitest, genau weißt, wie das Ende ist,<br />

die Nebensätze schön ineinandergeschachtelt, so daß der Hörer,<br />

ungeduldig auf seinem Sitz hin und her träumend, sich in einem<br />

Kolleg wähnend, in dem er früher so gerne geschlummert hat, auf<br />

das Ende solcher Periode wartet… nun, ich habe dir eben ein Beispiel<br />

gegeben. So mußt du sprechen.<br />

Fang immer bei den alten Römern an und gib stets, wovon du auch<br />

sprichst, die geschichtlichen Hintergründe der Sache. Das ist nicht nur<br />

deutsch - das tun alle Brillenmenschen. Ich habe einmal in der<br />

Sorbonne einen chinesischen Studenten sprechen hören, der sprach<br />

glatt und gut französisch, aber er begann zu allgemeiner Freude so:<br />

»Lassen Sie mich Ihnen in aller Kürze die Entwicklungsgeschichte<br />

meiner chinesischen Heimat seit dem Jahre 2000 vor Christi<br />

Geburt…« Er blickte ganz erstaunt auf, weil die Leute so lachten.<br />

...2


...2<br />

Texte 1<br />

Tucholsky: Ratschläge für einen schlechten Redner<br />

So mußt du das auch machen. Du hast ganz recht: man versteht es ja<br />

sonst nicht, wer kann denn das alles verstehn, <strong>ohne</strong> die geschichtlichen<br />

Hintergründe… sehr richtig! Die Leute sind doch nicht in<br />

dienen Vortrag gekommen, um lebendiges Leben zu hören, sondern<br />

das, was sie auch in den Büchern nachschlagen können… sehr<br />

richtig! Immer gibt ihm Historie, immer gib ihm,<br />

Kümmere dich nicht darum, ob die Wellen, die von dir ins Publikum<br />

laufen, auch zurückkommen - das sind Kinkerlitzchen. Sprich<br />

unbekümmert um die Wirkung, um die Leute, um die Luft im Saale;<br />

immer sprich, mein Guter, Gott wird es dir l<strong>ohne</strong>n.<br />

Du muß alles in die Nebensätze legen. Sag nie: »Die Steuern sind zu<br />

hoch.« Das ist zu einfach. Sag: »Ich möchte zu dem, was ich soeben<br />

gesagt habe, noch kurz bemerken, daß mir die Steuern bei<br />

weitem…« So heißt das.<br />

Trink den Leiten ab und zu einen Schluck Wasser vor - man sieht das<br />

gern. Wenn du einen Witz machst, lach vorher, damit man weiß, wo<br />

die Pointe ist.<br />

Eine Rede ist, wie könnte es anders sein, ein Monolog. Weil doch nur<br />

einer spricht. Du brauchst auch nach 14 Jahren öffentlicher Rederei<br />

noch nicht zu wissen, daß eine Rede nicht nur ein Dialog, sondern ein<br />

Orchesterstück ist: eine bestimmte Masse spricht nämlich<br />

ununterbrochen mit. Und das mußt du hören. Nein, das brauchst du<br />

nicht zu hören. Sprich nur, lies nur, donnere nur, geschichtele nur.<br />

Zu dem, was ich soeben über die Technik der Rede gesagt habe,<br />

möchte ich noch kurz bemerken, daß viel Statistik eine Rede immer<br />

sehr hebt. Das beruhigt ungemein, und da jeder imstande ist, zehn<br />

verschiedene Zahlen mühelos zu behalten, so macht das viel Spaß.<br />

Kündige den Schluß deiner Rede lange vorher an, damit die Hörer vor<br />

Freude nicht einen Schlaganfall bekommen. (Paul Lindau hat einmal<br />

einen dieser gefürchteten Hochzeitstoaste so angefangen: »Ich<br />

komme zum Schluß.«) Kündige den Schluß an, und dann beginne<br />

deine Rede von vorn und rede noch eine halbe Stunde. Dies kann<br />

man mehrere Male wiederholen.<br />

Du mußt dir nicht nur eine Disposition machen, du mußt sie auch den<br />

Leuten vortragen - das würzt die Rede.<br />

Sprich nie unter anderthalb Stunden, sonst lohnt es sich gar nicht erst<br />

anzufangen.<br />

Wenn einer spricht, müssen die anderen zuhören - das ist deine<br />

Gelegenheit! Mißbrauche sie..<br />

...3


...3<br />

Texte 1<br />

Tucholsky: Ratschläge für einen schlechten Redner<br />

Tucholsky: Ratschläge für einen guten Redner<br />

Kurt Tucholsky schrieb 1930 einen Text mit Ratschlägen für einen<br />

schlechten Redner. Er hängte aber noch ein paar positive Ratschläge an:<br />

Ratschläge für einen guten Redner<br />

Hauptsätze. Hauptsätze. Hautsätze.<br />

Klare Disposition im Kopf - möglichst auf wenig Papier.<br />

Tatsachen, oder Appell an das Gefühl. Schleuder oder Harfe. Ein Redner<br />

sei kein Lexikon. Das haben die Leute zu Hause.<br />

Der Ton einer einzelnen Sprechstimme ermüdet; sprich nie länger als<br />

vierzig Minuten. Suche keine Effekte zu erzielen, die nicht in deinem<br />

Wesen liegen. Ein Podium ist eine unbarmherzige Sache - da steht der<br />

Mensch nackter als im Sonnenbad.<br />

Merk Otto Brahms Spruch: Wat gestrichen is, kann nicht durchfalln.<br />

aus: Kurt Tucholsky, Ratschläge für einen schlechten Redner.<br />

Gesammelte Werke (rororo Reinbeck 1975), Band 8 (1930), S. 290-292


Texte 2<br />

Wolfgang Neuss zum Juristendeutsch<br />

Juristendeutsch hat etwas Besonderes. Den einfachen Menschen verwirrt diese<br />

Sprache. Wie man sie derart auf die Spitze treiben kann, daß aus der Verwirrung eine<br />

Enthüllung der Sprache und des hinter der Sprache stehenden Ansinnens wird, zeigt<br />

dies Beispiel von Wolfgang Neuss aus seinem Programm „Neuss Testament“ (nach<br />

einem Gedicht von H.M. Enzensberger).<br />

Es wird bestraft<br />

wegen staatsgefährdender Störung<br />

in Tateinheit mit schwerem Forstwiderstand<br />

wer Gegenstände böswillig verschleiert<br />

wer die Verschönerung der öffentlichen Wege mißdeutet<br />

wer die Überwachung von Abhörgeräten<br />

plumpvertraulich<br />

durch schlichte Nichtbenutzung von Telefonen stört<br />

wer den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln unterläßt<br />

(zum Beispiel: ich distanziere mich)<br />

wer dem Dichter Uwe Johnson hinterfotzig<br />

Kommas und Semikolons in die Fließbandsprache streut<br />

wer eine Frau zur Gestattung des Beischlafs verleitet<br />

oder einen anderen Irrtum in ihr erweckt...<br />

wer auf einem Eisenbahnhof<br />

mittels Abschneiden eines wichtigen Gliedes<br />

eine Amtsperson dezimiert<br />

wer Geigerzähler verkauft<br />

die erst nach dem Tode durch Verseuchung<br />

durch radioaktive Strahlen zu ticken beginnen<br />

wer den Verdacht nährt<br />

Ermekeilkaserne und Pretoria<br />

bauen gemeinsam Atombomben<br />

wer <strong>ohne</strong> sich was zu denken<br />

an Spaniens Küste badet<br />

wer Bernard Buffet für den König der<br />

Pflastermaler hält und wer behauptet<br />

Jesus war ein Gammler<br />

...2


...2<br />

Texte 2<br />

Wolfgang Neuss zum Juristendeutsch<br />

wer Briefmarken leckt und dadurch glaubt<br />

der Übervölkerung der Erde entgegenzuwirken<br />

wer sich unwiderruflich entschließt<br />

mitten in einer Zweier-Ehe<br />

eine dritte Sache zur gemeinsamen zu machen<br />

Samen machen ist genauso verboten<br />

wie Sperma-Tankstellen eröffnen<br />

aber auch<br />

wer gegen Siemens und Gomorrha verstößt<br />

wer KONKRET liest und trotzdem nicht<br />

den proletarischen Grundgedanken vernachlässigt<br />

wer meint mit links ist es schöner<br />

weil er meint’s sei ein Fremder<br />

wer Abonnent der Zeitschrift<br />

DEUTSCHES PANORAMA ist<br />

und trotzdem Schlaftabletten kauft...<br />

wer durch Drohungen mit einem empfindlichen Übel<br />

oder gröblich<br />

oder grobfahrlässig<br />

ungebührlicherweise<br />

oder etwa fahrlässig unter Benutzung des Leichtsinnes<br />

oder nach sorgfältiger Abwägung<br />

oder fix wohlüberlegt spontan<br />

oder wer dem Turniertanz nichts Fröhliches abgewinnen kann<br />

oder in einer anderen Sitte und Anstand verletzenden Weise<br />

den Bestand des Staates bezweifelt<br />

oder den Skeptizismus zur Befriedigung des Geschlechtstriebes einer<br />

alten Dame praktiziert<br />

oder wer als Deutscher<br />

Heimat-Triebverbrecher wird<br />

oder sich sonstwie eigenmächtig am Hosenschlitz rumfummelt<br />

oder solche Handlungen herbeiführt oder abwendet<br />

oder erschwert<br />

oder betreibt vergeht verübt verwirkt<br />

oder beeinträchtigt und befördert<br />

oder nicht beeinträchtigt und befördert<br />

oder beeinträchtigt und nicht befördert<br />

Oder Neiße<br />

das Nähere regelt die Bundesregierung<br />

aus: Wolfgang Neuss, Neuss Testament,<br />

rororo-Taschenbuch 891, Reinbeck b. Hamburg 1966


Texte 3<br />

Václav Havel zur Amtssprache<br />

Amtsprache ist etwas Besonderes. Sie erzieht uns zum Parieren.<br />

Sie täuscht Genauigkeit vor. Und wir kopieren sie so gerne.<br />

Diesbezüglich bezugnehmend auf die letztmalige Zurkenntnisnahme<br />

der in unserem Hause üblichen Amtssprache schreiben<br />

wir genauso. Lassen wir uns also Abschrecken mit folgendem<br />

»Vordruck«.<br />

Er stammt von Václav Havel, aus seinen Antikoden, die 1966<br />

erschienen sind. Der Mann hat es zum Staatspräsidenten<br />

gebracht.<br />

In den letzten Jahren konnten wir auf<br />

unserem . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

..........................................<br />

..zweifellos viele hervorragende Erfolge<br />

verzeichnen. Wir dürfen uns jedoch nicht<br />

verhehlen, daß es auf diesem Gebiet auch<br />

weiterhin noch einige kleinere Mängel<br />

gibt. Insbesondere auf den Sektoren .....<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

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..........................................<br />

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..........................................<br />

..........................................<br />

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..........................................<br />

..........................................<br />

..........................................<br />

.............erwartet uns noch viel Arbeit.<br />

Václav Havel:<br />

»Das Gartenfest. Die Benachrichtigung. Zwei Dramen. Essays. Antikoden.«<br />

Rowohlt-Verlag rororo-TB 967. Reinbeck b. Hamburg 1966

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