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40 Hernien 40.1 Definitionen und Einteilung

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664 Teil 2 ± Spezielle Chirurgie<br />

<strong>40</strong> <strong>Hernien</strong><br />

<strong>40</strong>.1 <strong>Definitionen</strong> <strong>und</strong> <strong>Einteilung</strong><br />

Als abdominelle Hernie �abdomineller Bruch) bezeichnet<br />

man die VorwoÈ lbung von Baucheingeweiden<br />

�Bruchinhalt) in eine abnorme Peritonealaussackung<br />

�Bruchsack). Die BauchfellausstuÈlpung<br />

wird ermoÈ glicht durch eine LuÈcke �Bruchpforte)<br />

der Bauchdecken,des Beckenbodens,Zwerchfells<br />

�s. Kap. 24) oder der RuÈ ckenmuskulatur. Die Bruchpforte<br />

kann angeboren �kongenital) oder erworben<br />

sein.<br />

Nach der Beschaffenheit des Bruchsacks unterscheidet<br />

man:<br />

komplette Hernie: Der Bruchinhalt ist von allen<br />

Seiten von viszeralem Peritoneum uÈ berzogen<br />

�Abb. <strong>40</strong>.1a).<br />

Gleithernie: VorwoÈ lbung von Eingeweiden in eine<br />

Peritonealaussackung,wobei das vorgefallene<br />

Organ Bestandteil der Bruchsackwand ist �2 ± 5 %<br />

aller Leistenhernien) �Abb. <strong>40</strong>.1b). Es sind folglich<br />

ausschlieûlich Eingeweide betroffen,die nur auf<br />

einer Seite von viszeralem Peritoneum uÈ berzogen<br />

sind �z. B. Colon ascendens,ZaÈkum,Colon descendens).<br />

Bei enger Nachbarschaft zur BruchluÈcke<br />

kann das Organ durch LoÈ sung der retroperitonealen<br />

Fixierung durch die BruchluÈ cke gleiten.<br />

Darmwandhernie �Richter-Hernie): VorwoÈlbung<br />

<strong>und</strong> meist Einklemmung von Anteilen der Darmwand<br />

in eine�r) PeritonealausstuÈlpung �Abb. <strong>40</strong>.1c).<br />

EnthaÈlt der Bruchsack ein Meckel-Divertikel,<br />

spricht man von einer LittreÂ-Hernie.<br />

Nach der Lokalisation der Hernie unterscheidet<br />

man:<br />

aÈuûere Hernie: AusstuÈ lpung des Peritoneums<br />

durch die Bauchwand �z. B. bei Leistenhernie,<br />

Schenkelhernie,Narbenhernie) nach auûen<br />

innere Hernie: Hernie innerhalb des Bauchraums,<br />

die aÈuûerlich nicht in Erscheinung tritt �z. B. IleozaÈkalhernie,Treitz-Hernie).<br />

Tabelle <strong>40</strong>.1 <strong>Hernien</strong>klassifikation<br />

L = Laterale Leistenhernie<br />

M = Mediale Leistenhernie<br />

Mc = Kombinierte Hernie<br />

F = Schenkelhernie<br />

I lichte Weite der Bruchpforte I 1,5 cm<br />

II lichte Weite der Bruchpforte 1,5±3 cm<br />

III lichte Weite der Bruchpforte i 3cm<br />

Beispiel: Mediale �direkte) Leistenhernie mit 3,5 cm<br />

Bruchpfortendurchmesser = MIII<br />

Nach der Genese der Hernie unterscheidet man:<br />

angeborene Hernie: kongenital praÈformierter<br />

Bruchsack �z. B. offener Processus vaginalis peritonei<br />

bei der indirekten Leistenhernie,muskelschwache<br />

Bezirke im Zwerchfell,Nabel)<br />

erworbene Hernie: AusstuÈ lpung des Peritoneums<br />

durch erworbene muskelschwache Bezirke �z. B.<br />

Narbe,MuskelschwaÈche der vorderen Bauchwand<br />

bei direkter Leistenhernie)<br />

symptomatische <strong>Hernien</strong>: <strong>Hernien</strong> bei generalisierter<br />

Bauchfellerkrankung,gelegentlich als Erstsymptom<br />

auftretend. Sie sind uÈ berwiegend Ausdruck<br />

pathologischer intraabdomineller Drucksteigerung.<br />

Von der Hernie ist der Prolaps �Vorfall) abzugrenzen.<br />

Hierunter versteht man das Vordringen<br />

von Baucheingeweiden durch eine PeritonealluÈcke,<br />

z. B. nach offenen Verletzungen oder Operationen<br />

�Platzbauch),wobei die Baucheingeweide nicht<br />

von Peritoneum bedeckt sind �s. Abb. <strong>40</strong>.4).<br />

<strong>Hernien</strong> werden unter therapeutischen Gesichtspunkten<br />

nach der GroÈûe der Bruchpforte<br />

klassifiziert. Es gibt verschiedene Klassifikationen,<br />

deren Unterschiede wenig bedeutsam sind. Am einfachsten<br />

ist die Aachener <strong>Hernien</strong>klassifikation �Tab.<br />

<strong>40</strong>.1). Es handelt sich um eine intraoperative Klassifikation,da<br />

die praÈoperative Lokalisation selbst<br />

unter Anwendung der Sonographie unsicher ist.<br />

Abb. <strong>40</strong>.1 a±c <strong>Hernien</strong>typen<br />

Schumpelick/Bleese/Mommsen,Kurzlehrbuch Chirurgie �ISBN 3131271272) c 2006 Georg Thieme Verlag


<strong>40</strong>.2 Øtiologie <strong>und</strong> Epidemiologie<br />

Øtiologie: Angeborenen <strong>Hernien</strong> liegt ein unvollstaÈndiger<br />

praÈnataler Verschluss der Bauchwand zugr<strong>und</strong>e.<br />

Erworbene <strong>Hernien</strong> sind auf einen Verlust der<br />

Bauchwandfestigkeit oder unvollstaÈndige Narbenbildung<br />

zuruÈckzufuÈ hren. Sie treten an Durchtrittsstellen<br />

groÈ ûerer BlutgefaÈûe �Lacuna vasorum,<br />

Schenkelhernie),des Samenstranges �erworbene<br />

Leistenhernie) oder anderen Stellen auf. StoÈ rungen<br />

des Kollagenstoffwechsels scheinen ein wesentlicher<br />

pathogenetischer Faktor zu sein. Als beguÈnstigende<br />

Faktoren gelten auûerdem intraabdominelle<br />

DruckerhoÈhung �haÈufiges Tragen schwere<br />

Lasten [z. B. Maurer],chronische Emphysembronchitis,Aszites,chronischeObstipation,Miktionsbeschwerden<br />

bei Prostatahypertrophie),Schwangerschaft,intraabdominelle<br />

Tumoren <strong>und</strong> Adipositas.<br />

Verletzungen sind als Ursache eine RaritaÈt<br />

<strong>und</strong> nur bei schwerer Gewalteinwirkung mit starker<br />

SchaÈdigung der Bauchwand �Quetschung,Ûberrolltrauma)<br />

aÈtiologisch,z. B. im Rahmen einer Begutachtung<br />

zu akzeptieren.<br />

Epidemiologie: Allgemeine Inzidenz in der BevoÈlkerung:<br />

2±4%,im hoÈ heren Lebensalter bis zu 20 %.<br />

95 % der <strong>Hernien</strong> sind aÈuûere,5 % innere <strong>Hernien</strong>.<br />

75 % aller <strong>Hernien</strong> sind Leistenhernien,10 % Narbenhernien<br />

<strong>und</strong> je 5±7% Nabelhernien,Schenkelhernien<br />

<strong>und</strong> seltene <strong>Hernien</strong>formen. 90 % der Leistenhernien<br />

treten beim Mann auf,ca. 75 % der<br />

Schenkelhernien bei der Frau. Trotzdem ist auch<br />

bei der Frau die Leistenhernie insgesamt �2- bis<br />

3-mal) haÈufiger als die Schenkelhernie.<br />

<strong>40</strong>.3 Diagnostik<br />

Klinische Untersuchung: Inspektion,Palpation,Auskultation<br />

sowie Diaphanoskopie �Durchleuchten<br />

mit starker Lichtquelle,z. B. Kaltlicht) zur Abgrenzung<br />

einer Skrotalhernie �sichtbare Bruchsackbestandteile)<br />

von einer Hydrozele �Transparenz).<br />

Gegenstand der klinischen Untersuchung ist es,<br />

die Bruchpforten <strong>und</strong> ggf. den Bruchkanal auszutasten<br />

sowie den Bruchsackinhalt zu palpieren. Bei inspektorisch<br />

unauffaÈlligem Bef<strong>und</strong> muss der palpierende<br />

Finger �Zeigefinger fuÈ r Erwachsene,Kleinfinger<br />

fuÈ r Kinder) die haÈufigsten Bruchpforten systematisch<br />

untersuchen: Innerer <strong>und</strong> aÈuûerer Leistenring<br />

werden durch Austasten des Leistenkanals<br />

nach EinstuÈ lpung der Skrotal- bzw. Leistenhaut untersucht<br />

�Abb. <strong>40</strong>.2),die Lacuna vasorum medial der<br />

A. femoralis palpiert. Eine kleinen Hernie ist evtl.<br />

<strong>Hernien</strong> Diagnostik<br />

Abb. <strong>40</strong>.2 Palpation des<br />

Leistenkanals<br />

bei Bauchpresse �Husten oder Pressen) aufgr<strong>und</strong><br />

der intraabdominellen DruckerhoÈhung besser zu<br />

tasten. Gr<strong>und</strong>saÈtzlich muÈ ssen beide Seiten untersucht<br />

werden,da in 20 ± 30 % der FaÈlle doppelseitige<br />

Bef<strong>und</strong>e auftreten. Die Untersuchung sollte<br />

moÈ glichst im Stehen ausgefuÈ hrt werden.<br />

Leisten- oder Schenkelhernie: auch die Gegenseite<br />

<strong>und</strong> andere Bruchpforten untersuchen!<br />

Zur Beurteilung der Hernie sind die Konsistenz des<br />

Bruchinhalts �DuÈ nndarm? Netz?),die Ausstreifbarkeit<br />

der Darmschlingen sowie deren ReponibilitaÈt<br />

heranzuziehen.<br />

Bei nichtinkarzerierten <strong>Hernien</strong> ist der Inhalt<br />

reponibel,Bruchpforte,Bruchsack <strong>und</strong> Bruchinhalt<br />

lassen sich eindeutig austasten.<br />

Øltere <strong>Hernien</strong> koÈ nnen durch Verwachsungen,<br />

NetzadhaÈsionen oder ihr Ausmaû �chronifizierte<br />

Riesenhernien,¹der Bruch hat sein Heimrecht im<br />

Bauchraum verlorenª) irreponibel sein,ebenso<br />

Gleithernien. In diesem Fall sind Angaben des Patienten<br />

zu Repositionsversuchen <strong>und</strong> Tragen eines<br />

Bruchbands wichtig. Die groÈûte Bedeutung hat die<br />

IrreponibilitaÈt bei Inkarzeration der Hernie �s. u.).<br />

Spontane Schmerzhaftigkeit,prall elastischer<br />

Tumor <strong>und</strong> lokaler Druckschmerz weisen hierauf<br />

hin �s. u.).<br />

Sonographie �s. Kap. 13): Nachweis von BruchluÈcke<br />

<strong>und</strong> -inhalt. Wichtigstes Hilfsmittel bei klinisch unklaren<br />

Bef<strong>und</strong>en.<br />

Radiologie: Organspezifische Diagnostik �MDP,Koloskopie)<br />

bei Hinweisen in der Anamnese. Bei V. a.<br />

Ileus durch inkarzerierte Hernie AbdomenuÈ bersicht<br />

�DuÈ nndarmschlingen im Bruchsack?).<br />

Hernie: Kein Verfahren kann die klinische Untersuchung<br />

ersetzen!<br />

Schumpelick/Bleese/Mommsen,Kurzlehrbuch Chirurgie �ISBN 3131271272) c 2006 Georg Thieme Verlag<br />

665


666 Teil 2 ± Spezielle Chirurgie<br />

<strong>40</strong>.4 <strong>Hernien</strong>komplikationen<br />

<strong>40</strong>.4.1 Darminkarzeration<br />

Die Einklemmung �Inkarzeration, Abb. <strong>40</strong>.3a) des<br />

Bruchinhalts Darm in der Bruchpforte ist die haÈufigste<br />

Komplikation des Bruchleidens.<br />

Die komplette Inkarzeration �Einklemmung der<br />

gesamten Darmwand) fuÈ hrt zum Passagestopp mit<br />

nachfolgender Darmwandnekrose.<br />

Die inkomplette Inkarzeration bei der Richter-<br />

Hernie �Einklemmung von Teilen der Darmwand)<br />

ohne Passagestopp kann symptomarm verlaufen:<br />

Erst die spaÈtere Wandperforation mit Peritonitis<br />

weist auf sie hin.<br />

Treten Eingeweide durch eine elastische,durch<br />

erhoÈ hten intraabdominellen Druck �Husten,Pressen)<br />

voruÈ bergehend erweiterte Bruchpforte,<br />

kommt es bei Normalisierung des intraabdominellen<br />

Drucks zur elastischen Inkarzeration �Abb. <strong>40</strong>.3b).<br />

Bei der retrograden Inkarzeration �Abb. <strong>40</strong>.3c) ist<br />

durch mehrfache Abknickung des im Bruchsack<br />

vorgefallenen DuÈ nndarms eine intraabdominell gelegene<br />

Schlinge inkarzeriert. Nach Operationen<br />

kommt selten eine retrograde Darmschlingeninkarzeration<br />

bei Prolaps �nicht Hernie!) im Drainkanal<br />

vor �Abb. <strong>40</strong>.4).<br />

Klinik:<br />

komplette, inkomplette oder elastische Inkarzeration:<br />

starke Schmerzhaftigkeit der Bruchgeschwulst,tastbarer,prall<br />

elastischer Tumor,lokale<br />

Umgebungsirritation,kaum tastbarer Bruchring<br />

�= Rand der Bruchpforte),IrreponibilitaÈt,GroÈûenzunahme,kolikartige<br />

Schmerzen,Stuhl- <strong>und</strong> Windverhaltung,Stenoseperistaltik,Ûbelkeit,Erbrechen,<br />

Ileus,spaÈter Darmperforation <strong>und</strong> Peritonitis.<br />

Schocksymptomatik durch Strangulation der GefaÈûe<br />

<strong>und</strong> Nerven der Darmwand <strong>und</strong> des Mesenteriums.<br />

retrograde Inkarzeration: bei wenig auffaÈlliger<br />

Bruchgeschwulst Stuhl- <strong>und</strong> Windverhaltung,<br />

Meteorismus,Stenoseperistaltik,zunehmende<br />

Ileussymptome,spaÈter Peritonitis <strong>und</strong> Schock.<br />

Therapie:<br />

komplette, inkomplette oder elastische Inkarzeration:<br />

Versuch der manuellen Reposition �= Taxis)<br />

in Analgesie <strong>und</strong> Relaxation �s. u.). Bei erfolgloser<br />

Taxis Notfalloperation �s. u.),bei erfolgreicher<br />

Taxis Elektivoperation in den folgenden Tagen.<br />

retrograde Inkarzeration: bei Verdacht Laparotomie,Revision,bei<br />

Wandnekrose DuÈ nndarmresektion,Bruchpfortenverschluss.<br />

Ûber einem eingeklemmten Bruch darf die Sonne<br />

weder auf- noch untergehen!<br />

<strong>40</strong>.4.2 Netzeinklemmung<br />

Vorgefallene Teile des Omentum majus koÈnnen in<br />

der Bruchpforte eingeklemmt werden.<br />

Klinik: HaÈufig druckschmerzhafte,nichtreponible<br />

Bruchgeschwulst bei geringerer BeeintraÈchtigung<br />

des Allgemeinzustands ohne Ûbelkeit,Erbrechen<br />

oder Ileus �keine Darmschlingen!). Erst bei Netznekrose<br />

sek<strong>und</strong>aÈrer paralytischer Ileus.<br />

Therapie: Operative Revision mit aufgeschobener<br />

Dringlichkeit.<br />

Abb. <strong>40</strong>.3 a±c Formen der<br />

<strong>Hernien</strong>inkarzeration<br />

Abb. <strong>40</strong>.4<br />

DuÈnndarm-Vorfall<br />

mit Inkarzeration im<br />

Drainkanal<br />

Schumpelick/Bleese/Mommsen,Kurzlehrbuch Chirurgie �ISBN 3131271272) c 2006 Georg Thieme Verlag


Abb. <strong>40</strong>.5 a±c Formen der Reposition bei<br />

Brucheinklemmung<br />

a erfolgreiche Reposition<br />

b Reposition en bloc<br />

c Pseudoreposition mit Ausriss des<br />

Bruchrings<br />

<strong>40</strong>.4.3 Reposition en bloc <strong>und</strong><br />

Pseudoreposition<br />

Als Reposition en bloc bezeichnet man die Reposition<br />

der Bruchgeschwulst in die praÈperitoneale<br />

Bauchfelltasche infolge unsachgemaÈûer,forcierter<br />

Taxis �s. u.) �Abb. <strong>40</strong>.5b). Die Einklemmung ist nur<br />

scheinbar behoben,die fortbestehende Fesselung<br />

der Darmschlinge im Bruchring fuÈ hrt zur Persistenz<br />

der Inkarzerationssymptome mit lokaler Schmerzhaftigkeit,Ileus<br />

<strong>und</strong> nachfolgender Darmwandnekrose.<br />

Gleiches gilt fuÈ r die forcierte Reposition<br />

mit Ausriss des Bruchrings �Pseudoreposition).<br />

Therapie: Revision,Beseitigung der Inkarzeration,<br />

ggf. Darmresektion,Bruchpfortenverschluss.<br />

<strong>40</strong>.4.4 Pseudoeinklemmung<br />

Im Rahmen einer seit laÈngerem bestehenden Hernie<br />

mit lokaler IrreponibilitaÈt kann auf der Basis<br />

einer anderen intraabdominellen Erkrankung �Ulkusperforation,Appendizitis,Pankreatitis,Cholezystitis,Adnexitis)<br />

das Bild einer Inkarzeration vorgetaÈuscht<br />

werden. Die intraabdominelle Drucksteigerung<br />

durch die entzuÈ ndlichen VeraÈnderungen<br />

wirkt beguÈ nstigend.<br />

<strong>40</strong>.4.5 BruchentzuÈndung<br />

Eitrige VeraÈnderungen des Bauchraums �Appendicitis<br />

acuta,Peritonitis,verjauchende Metastasen)<br />

<strong>und</strong> ReizzustaÈnde des Bruchinhalts �rezidivierende<br />

Inkarzeration,forcierte Taxis) koÈ nnen zu entzuÈndlichen<br />

Reaktionen im Bruchsack fuÈhren.<br />

Klinik: Schwellung,RoÈ tung,ÛberwaÈrmung,<br />

Schmerzhaftigkeit mit Fluktuation,Spontanperforation.<br />

Therapie: Inzision,SpuÈ lung,Drainage,ggf. sek<strong>und</strong>aÈre<br />

Versorgung der BruchluÈ cke. Appendektomie<br />

nur bei akuter Appendizitis.<br />

<strong>Hernien</strong> <strong>Hernien</strong>reposition<br />

<strong>40</strong>.5 <strong>Hernien</strong>reposition<br />

<strong>40</strong>.5.1 Manuelle Reposition �Taxis)<br />

Bei jeder frischen Inkarzeration sollte der Versuch<br />

unternommen werden,die Bruchgeschwulst zu reponieren.<br />

Er sollte jedoch nur in den ersten St<strong>und</strong>en<br />

der Inkarzeration erfolgen,da sonst die Gefahr<br />

der Darmperforation,der Reposition von gangraÈnoÈsem<br />

Darm <strong>und</strong> der Reposition en bloc besteht.<br />

Voraussetzungen: Entspannung des Patienten<br />

durch Analgetika,Spasmolytika oder LokalanaÈsthetika,Entleerung<br />

der Blase <strong>und</strong>,soweit moÈglich,des<br />

Darms.<br />

DurchfuÈhrung: Die Taxis muss unter Kenntnis<br />

der anatomischen Gegebenheiten gefuÈ hlvoll erfolgen.<br />

Vorteilhaft ist es,sie bei entspannten Bauchdecken<br />

�angezogene Knie),ggf. im warmen Wasser<br />

�Badewanne) vorzunehmen. Prinzipiell sollte man<br />

zuerst versuchen,den Darminhalt durch die BruchluÈ<br />

cke mit massierenden Bewegungen auszumelken<br />

<strong>und</strong> dann den Darm zu reponieren. Das Vorgehen<br />

ist bimanuell mit Richtung auf den Bruchring,<br />

wobei eine Hand trichterfoÈ rmig den Bruchhals,<br />

die andere komprimierend,druÈ ckend <strong>und</strong> massierend<br />

den Bruchsack umfasst �Abb. <strong>40</strong>.6).<br />

Weiteres Vorgehen: Nach erfolgreicher Reposition<br />

wird die BruchluÈ cke in den folgenden Tagen<br />

operativ verschlossen. Bis dahin ist der Patient<br />

stationaÈr zu uÈ berwachen. MoÈ gliche SpaÈtfolgen der<br />

Reposition sind sek<strong>und</strong>aÈre ischaÈmische Stenosen<br />

durch Narbenschrumpfung,isolierte GeschwuÈre<br />

oder auch ausgedehnte AdhaÈsionen.<br />

Nach Reposition: Operation der Hernie waÈhrend<br />

des gleichen Klinikaufenthalts<br />

Schumpelick/Bleese/Mommsen,Kurzlehrbuch Chirurgie �ISBN 3131271272) c 2006 Georg Thieme Verlag<br />

667


668 Teil 2 ± Spezielle Chirurgie<br />

<strong>40</strong>.5.2 Operative Reposition<br />

Eine nichtreponible inkarzerierte Hernie muss sofort<br />

operiert werden. Die Taktik besteht in der operativen<br />

Freilegung der Bruchgeschwulst,bevor<br />

diese durch den Bruchring zuruÈckgleiten kann.<br />

Nur hierdurch ist die Beurteilung der VitalitaÈt des<br />

eingeklemmten Bruchinhalts moÈ glich. Erst dann<br />

sollte die BruchluÈ cke gekerbt werden,so dass die<br />

Inkarzeration aufgehoben ist. In der Regel erholt<br />

sich der inkarzerierte Darm rasch,die anfangs blaulivide<br />

VerfaÈrbung verschwindet innerhalb von Minuten.<br />

In EinzelfaÈllen ist der Darm aber bereits so<br />

geschaÈdigt,dass er reseziert werden muss. Kriterien<br />

hierfuÈ r sind Persistenz der lividen VerfaÈrbung,<br />

nichtspiegelnde Serosa,fehlende GefaÈûpulsation<br />

<strong>und</strong> truÈ bes Bruchwasser.<br />

Im Zweifelsfall,vor allem bei ausgedehnten Inkarzerationen,ist<br />

die Anlage eines Laparostomas<br />

mit einer Second-look-Operation innerhalb der ersten<br />

24 St<strong>und</strong>en der primaÈren subtotalen DuÈnndarmresektion<br />

vorzuziehen.<br />

<strong>40</strong>.6 Spezielle <strong>Hernien</strong><br />

Abb. <strong>40</strong>.6 Manuelle<br />

Reposition eines<br />

Leistenbruchs:<br />

WaÈhrend die linke<br />

Hand trichterfoÈrmig<br />

den Eintritt in<br />

die BruchluÈcke<br />

schient, foÈrdert die<br />

rechte Hand durch<br />

melkende Bewegung<br />

die Entlastung<br />

<strong>und</strong> Reposition der<br />

Darmschlingen<br />

<strong>40</strong>.6.1 Leistenhernie �Hernia inguinalis,<br />

Leistenbruch)<br />

HaÈufigste Bruchform �ca. 75 %),in 90 % der FaÈlle<br />

sind MaÈnner betroffen.<br />

Nach der Lokalisation der Bruchpforte in Bezug<br />

auf die epigastrischen GefaÈûe unterscheidet man<br />

die mediale von der lateralen Leistenhernie.<br />

Die mediale Leistenhernie wird als direkte Leistenhernie<br />

bezeichnet,weil sie in der Fossa inguinalis<br />

medialis medial der epigastrischen GefaÈûe �Abb.<br />

a<br />

b<br />

c<br />

Abb. <strong>40</strong>.7 a±c Anatomie der Leistenregion:<br />

a Ventralansicht mit Darstellung der BruchluÈcken<br />

b Ansicht von abdominal her mit Darstellung der abdominellen<br />

BruchluÈcken<br />

c Hesselbach-Dreieck als Locus minoris resistentiae des<br />

medialen Leistenbruchs<br />

1 Leistenband 8 Lacuna vasorum<br />

2 Innerer Leistenring 9 N. A. V. femorales<br />

3 Øuûerer Leistenring 10 Plica umbilicalis medialis<br />

4 M. obliquus externus 11 Vasa epigastrica<br />

5 M. obliquus internus I Indirekte Hernie<br />

6 M. transversus II Direkte Hernie<br />

7 Fascia transversalis III Schenkelhernie<br />

<strong>40</strong>.7) auf direktem Wege durch die Bauchdecke<br />

tritt <strong>und</strong> hier am aÈuûeren Leistenring erscheint.<br />

Die laterale Leistenhernie wird als indirekte Leistenhernie<br />

bezeichnet,weil sie nicht den kuÈ rzesten<br />

Schumpelick/Bleese/Mommsen,Kurzlehrbuch Chirurgie �ISBN 3131271272) c 2006 Georg Thieme Verlag


Weg durch die Bauchwand waÈhlt,sondern am inneren<br />

Leistenring �lateral, Abb. <strong>40</strong>.7a) in den Leistenkanal<br />

eintritt <strong>und</strong> am aÈuûeren Leistenring �medial,<br />

Abb. <strong>40</strong>.7 a,b) in Erscheinung tritt. Die WaÈnde des<br />

Leistenkanals �Abb. <strong>40</strong>.7) sind:<br />

ventral: Aponeurose des M. obliquus externus<br />

dorsal: Fascia transversalis <strong>und</strong> Peritoneum parietale<br />

kranial: Unterrand des M. obliquus internus <strong>und</strong><br />

M. transversus<br />

kaudal: Lig. inguinale.<br />

Ursachen: Der mediale Leistenbruch ist praktisch<br />

immer erworben,der laterale angeboren �s. Kap.<br />

53.7.6) oder erworben �BindegewebsschwaÈche).<br />

Diagnostik: Inspektion,Palpation,Diaphanoskopie,<br />

ggf. Sonographie. Bei Rezidivhernien Hoden-Dopplersonographie<br />

zur ÛberpruÈ fung der Hodendurchblutung.<br />

Indirekte Leistenhernie<br />

Ca. 60 ± 70 % aller Leistenhernien,in 49 % der FaÈlle<br />

rechts,in 36 % links,in 15 % bilateral �haÈufigste<br />

Hernie der Frau).<br />

Pathogenese: Angeboren �partiell oder komplett offener<br />

Processus vaginalis peritonei infolge ausgebliebener<br />

Verklebung) oder erworben.<br />

Bruchpforte: Anulus inguinalis internus,lateral der<br />

Vasa epigastrica inferiora.<br />

Abb. <strong>40</strong>.8<br />

Leistenhernie rechts<br />

Abb. <strong>40</strong>.9 Beidseitige<br />

Leistenhernie bei der<br />

Frau<br />

Abb. <strong>40</strong>.10 Groûe<br />

Skrotalhernie rechts<br />

<strong>Hernien</strong> Spezielle <strong>Hernien</strong><br />

Bruchkanal: Leistenkanal.<br />

Austrittsstelle: Anulus inguinalis externus.<br />

Bruchverlauf: Von lateral oben nach medial unten<br />

entlang dem Samenstrang,oberhalb des Leistenbandes<br />

�Abb. <strong>40</strong>.8, <strong>40</strong>.9). HaÈufig zieht der Bruch bis<br />

ins Skrotum �Skrotalhernie) <strong>und</strong> kann hier exzessive<br />

Ausmaûe annehmen �Abb. <strong>40</strong>.10).<br />

Direkte Leistenhernie<br />

30 ± <strong>40</strong> % aller Leistenhernien,etwa halb so haÈufig<br />

wie die indirekte Leistenhernie.<br />

Pathogenese: MuskelschwaÈche der vorderen Bauchwand<br />

am Hesselbach-Dreieck �Abb. <strong>40</strong>.7c) bei praÈdisponierenden<br />

Faktoren �s. o.). Immer erworben,<br />

meist im fortgeschrittenen Lebensalter auftretend.<br />

Direkte Leistenhernien der Frau sind aufgr<strong>und</strong> des<br />

flachen Hesselbach-Dreiecks eine ausgesprochene<br />

RaritaÈt.<br />

Bruchpforte: Fossa inguinalis medialis.<br />

Bruchkanal: Senkrecht durch die Bauchwand,medial<br />

der epigastrischen GefaÈûe,Beteiligung der<br />

Harnblase moÈ glich,Inkarzeration selten.<br />

Austrittsstelle: An der kranialen Zirkumferenz des<br />

Anulus inguinalis externus.<br />

Differenzialdiagnose: Skrotaltumor,Hodentumor,<br />

Hydrozele.<br />

Therapie<br />

Die Behandlung der Leistenhernie ist operativ. Verschreibung<br />

eines Bruchbandes �externer Verschluss<br />

der Bruchpforte durch komprimierendes Bruchkissen,<br />

Abb. <strong>40</strong>.11) ist therapeutischer Unsinn,da keine<br />

Heilungschance,aber volles Inkarzerationsrisiko.<br />

Leistenbruch: Ohne Operation keine Heilung!<br />

Als AnaÈsthesieverfahren sind in der Elektivsituation<br />

in erster Linie die LokalanaÈsthesie,in zweiter Linie<br />

regionale Verfahren <strong>und</strong> die Intubationsnarkose zu<br />

empfehlen. In der Notfallsituation �z. B. Einklemmung)<br />

ist die Intubationsnarkose die Methode der<br />

Wahl.<br />

Wegen der UngefaÈhrlichkeit der Operation ist<br />

die Indikation auch im Greisenalter groûzuÈgig zu<br />

stellen.<br />

Abb. <strong>40</strong>.11 Leistenhernieninkarzeration<br />

bei liegendem Bruchband<br />

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670 Teil 2 ± Spezielle Chirurgie<br />

Der Operationszeitpunkt der unkomplizierten<br />

Hernie ist vom Patienten frei zu bestimmen: d. h.<br />

klassische Elektivindikation. Nur bei der Inkarzeration<br />

ist keine Zeit zu verlieren.<br />

Das generelle Prinzip der vielen Verfahren zur<br />

<strong>Hernien</strong>reparation ist die VerstaÈrkung der Hinterwand<br />

des Leistenkanals �erstes Verfahren nach<br />

Bassini 1887).<br />

Allen Operationsverfahren gemeinsam ist die<br />

Phase der PraÈparation,die den Bruchsack versenkt,<br />

die BruchluÈ cke darstellt <strong>und</strong> die Reparation vorbereitet.<br />

Hinsichtlich der Reparationsform unterscheiden<br />

sich die einzelnen Methoden: Es gibt<br />

reine Nahtverfahren �Bassini,McVay,Shouldice)<br />

<strong>und</strong> Verfahren mit Einsatz eines alloplastischen<br />

Kunststoffnetzes. Heutige Standardmethoden sind<br />

die Shouldice-Reparation �zweireihige Doppelung<br />

der Fascia transversalis,zweireihige Naht der Internus-<br />

<strong>und</strong> Transversusmuskulatur am Leistenband,<br />

Abb. <strong>40</strong>.12c) <strong>und</strong>dieLichtenstein-Reparation mit Abdeckung<br />

der Bruchpforte durch ein 8 q 12 cm groûes<br />

Kunststoffnetz �z. B. ULTRAPROr,s. Lesezeichen<br />

<strong>und</strong> Abb. <strong>40</strong>.12d). Beide Verfahren koÈ nnen in LokalanaÈsthesie<br />

mit einem postoperativen stationaÈren<br />

Aufenthalt von 3 ± 5 Tagen,bei kooperativen<br />

Patienten auch tageschirurgisch durchgefuÈhrt werden.<br />

Die Shouldice-PraÈparation ist bei kleineren<br />

Bruchdefekten,jungen Menschen <strong>und</strong> Frauen indiziert,bei<br />

groÈ ûeren Defekten <strong>und</strong> Rezidivhernien<br />

sollte in der Regel ein Netz implantiert werden.<br />

Leistenhernienreparation:<br />

Kleine Bruchpforte ± Shouldice<br />

Groûe Bruchpforte <strong>und</strong> Rezidiv ± Lichtenstein<br />

Bei der kindlichen Leistenhernie �s. Kap. 53.7.6) wird<br />

nach Halsted-Ferguson lediglich der Bruchsack abgetragen,ohne<br />

dass eine VerstaÈrkung der Hinterwand<br />

durch Naht oder Netze erforderlich waÈre.<br />

Operationstechnik nach Shouldice: Quere Hautinzision<br />

oberhalb des Leistenbandes,Durchtrennung<br />

der Subkutis,Inzision der Externusfaszie in Faserrichtung<br />

�Schonung des N. ilioinguinalis) vom<br />

aÈuûeren Leistenring aus. Spaltung der Kremastermuskulatur,die<br />

reseziert wird. AnzuÈ geln des Funiculus<br />

spermaticus. Darstellung des inneren Leistenringes<br />

<strong>und</strong> des Bruchsacks. Resektion eines lateralen<br />

Lipoms. EroÈ ffnung des Bruchsacks <strong>und</strong> Freilegung<br />

des Bruchsackinhalts. Nach Reposition des Bruchinhalts<br />

Abtragung �indirekt) oder EinstuÈlpung �direkt)<br />

des Bruchsacks <strong>und</strong> Nahtverschluss. Spaltung<br />

der Fascia transversalis bis zum Os pubis. Ausschlieûen<br />

einer Schenkelhernie. Beginn der Reparation<br />

a Anatomie<br />

b Leistenhernie<br />

c Shouldice<br />

d Lichtenstein<br />

e Bassini<br />

10<br />

f McVay / Lotheissen<br />

8 7<br />

9<br />

1 2 3<br />

4 5 6<br />

Abb. <strong>40</strong>.12 a±f Reparationsverfahren des Leistenbruchs im<br />

Querschnitt:<br />

1 Subkutangewebe 6 Peritoneum<br />

2 Externus-Aponeurose 7 Samenstrang<br />

3 M. obliquus internus 8 Leistenband<br />

4 M. transversus abdominis 9 Lig. Cooperi<br />

5 Fascia transversalis 10 Schambein<br />

Schumpelick/Bleese/Mommsen,Kurzlehrbuch Chirurgie �ISBN 3131271272) c 2006 Georg Thieme Verlag


durch Doppelung der Transversalisfaszie in 2 Reihen<br />

�nichtresorbierbares,atraumatisches Nahtmaterial,<br />

StaÈrke 1). Einengung des inneren Leistenrings,so<br />

dass der Funikulus nicht komprimiert wird. Die<br />

Doppelung erfolgt zur Vermeidung eines suprapubischen<br />

Rezidivs bis weit nach medial. Anschlieûend<br />

Naht der Internusmuskulatur in 2 Reihen an den Unterrand<br />

des Leistenbandes,wobei der innere Leistenring<br />

nicht weiter eingeengt werden darf. Anschlieûend<br />

wird die Externusfaszie uÈ ber dem Funikulus<br />

bis zum aÈuûeren Leistenring verschlossen.<br />

Bei groûen Defekten der Hinterwand kann man<br />

ein Kunststoffnetz praÈperitoneal unter die Fascia<br />

transversalis platzieren,um gleichzeitig die Schenkelbruchpforte<br />

mit abzudecken �transinguinale<br />

praÈperitoneale Netzplastik, TIPP). Bei sehr kleinen<br />

indirekten BruÈ chen junger Patienten hat sich die<br />

alleinige Einengung des Leistenrings nach Zimmerman<br />

als Minimalverfahren bewaÈhrt.<br />

Operationstechnik nach Lichtenstein: PraÈparation<br />

zur Reparation wie bei der Shouldice-Reparation,Platzierung<br />

eines 8 q 12 cm groûen Kunststoffnetzes<br />

�z. B. ULTRAPROr) hinter die Externusaponeurose,die<br />

den inneren Leistenring schwalbenschwanzartig<br />

umfasst <strong>und</strong> so einen neuen inneren<br />

Leistenring schafft.<br />

Modifikationen der VerstaÈrkung der Hinterwand<br />

sind u. a.:<br />

Reparation nach Bassini �Abb. <strong>40</strong>.12e): Fixation des<br />

M. obliquus internus,des M. transversus abdominis<br />

<strong>und</strong> der Fascia transversalis mit EinzelknopfnaÈhten<br />

an das Leistenband<br />

Reparation nach McVay/Lotheisen �Abb. <strong>40</strong>.12f): Fixation<br />

des M. obliquus internus,des M. transversus<br />

abdominis <strong>und</strong> der Fascia transversalis mit EinzelknopfnaÈhten<br />

an das Lig. Cooperi = Lig. pubicum superius.<br />

Laparoskopische Techniken sind die transabdominelle<br />

Netzplastik �TAPP, Abb. <strong>40</strong>.13) <strong>und</strong> die total<br />

extraperitoneale Netzplastik �TEP). Diese neueren<br />

Verfahren,die allerdings eine Narkose erfordern<br />

<strong>und</strong> groûe �15 q 12 cm) Netzimplantate voraussetzen,sind<br />

aufgr<strong>und</strong> der hoÈ heren Kosten,des hoÈ heren<br />

Schwierigkeitsgrades <strong>und</strong> der Komplikationen<br />

�Abb. <strong>40</strong>.14) <strong>und</strong> der unbekannten LangzeitvertraÈg-<br />

Abb. <strong>40</strong>.13<br />

Laparoskopische<br />

<strong>Hernien</strong>reparation<br />

�TAPP)<br />

lichkeit der groûen Netzimplantate �FremdkoÈrperreaktion?)<br />

in den letzten Jahren seltener als PrimaÈrmaûnahme<br />

durchgefuÈ hrt worden <strong>und</strong> mehr den<br />

Rezidivhernien <strong>und</strong> den beidseitigen Bef<strong>und</strong>en aÈlterer<br />

Menschen vorbehalten.<br />

Prognose: Gut. Rezidivrate nach 5 Jahren 1 ± 5 %,je<br />

nach Technik <strong>und</strong> Verfahrenswahl. Bei Re-Rezidiven<br />

wird die <strong>Hernien</strong>reparation technisch zunehmend<br />

schwieriger,ggf. praÈperitoneale Vorgehensweise<br />

mit oder ohne alloplastisches Material �Stoppa,Nyhus,TAPP,TIPP<br />

oder TEP).<br />

AufklaÈrungspflichtige Risiken: Einengung <strong>und</strong><br />

SchaÈdigung der SamenstranggefaÈûe �Hodenatrophie<br />

0,8 %) bzw. des Ductus deferens, Infektion<br />

�1 ± 2 %),chronischer Leistenschmerz �1 ± 5 %),<br />

Thrombembolie �1 %). Rezidiv �1 ± 10 %),LetalitaÈt<br />

unter 0,2 %.<br />

<strong>40</strong>.6.2 Kindliche Leistenhernie<br />

�s. Kap. 53 <strong>und</strong> Kap. <strong>40</strong>.7.2)<br />

<strong>40</strong>.6.3 Schenkelhernie<br />

<strong>Hernien</strong> Spezielle <strong>Hernien</strong><br />

Abb. <strong>40</strong>.14 Netzexplantation<br />

bei<br />

laparoskopischer<br />

Leistenhernienreparation<br />

wegen Netzschrumpfung<br />

�50 %)<br />

<strong>und</strong> chronischer<br />

Irritation des Nervus<br />

femoralis durch verhaÈrtete<br />

Netzkanten<br />

Ca. 5±7% aller <strong>Hernien</strong>,viel seltener als die Leistenhernie.<br />

In ca. 75 % der FaÈlle sind Frauen betroffen,vornehmlich<br />

im fortgeschrittenen Lebensalter.<br />

Aber absolut seltener als die indirekte Leisten-<br />

Abb. <strong>40</strong>.15<br />

Groûe Schenkelhernie<br />

links<br />

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671


672 Teil 2 ± Spezielle Chirurgie<br />

hernie der Frau. Bei 9 % der Frauen <strong>und</strong> 50 % der<br />

MaÈnner besteht gleichzeitig eine Leistenhernie.<br />

Pathogenese: Schenkelhernien sind immer erworben.<br />

Bruchpforte ist die Lacuna vasorum �s. Abb.<br />

<strong>40</strong>.7). Der Bruchinhalt tritt medial der V. femoralis<br />

aus <strong>und</strong> am Oberschenkel in der Fossa ovalis als<br />

Bruchgeschwulst in Erscheinung �Abb. <strong>40</strong>.15).<br />

Klinik <strong>und</strong> Diagnostik: Tastbare Bruchgeschwulst<br />

unterhalb des Leistenbandes medial der A. femoralis.<br />

Bei adipoÈ sen Patienten laÈsst sich eine kleine<br />

Bruchgeschwulst im Leistenfett nur muÈhsam tasten.<br />

HaÈufig besteht lediglich <strong>und</strong>eutlicher Druckschmerz<br />

in dieser Region. Bei der ± haÈufigen ± Inkarzeration<br />

Ileussymptomatik <strong>und</strong> Projektion der<br />

Schmerzen in die Leiste,ins Abdomen <strong>und</strong> an die<br />

Innenseite des Oberschenkels.<br />

Øltere Patientin mit unklarem Ileus:<br />

Inkarzerierte Schenkelhernie?<br />

Bei groÈ ûeren BruÈ chen kann die Abgrenzung zur<br />

Leistenhernie schwierig sein. HaÈufig ist allein sonographisch<br />

eine korrekte Diagnose zu erzielen.<br />

Differenzialdiagnose: EntzuÈ ndliche oder metastatisch<br />

veraÈnderte Lymphknoten,Senkungsabszesse<br />

bei Tbc,Lipome,GangraÈn des HuÈ ftgelenkes.<br />

Schwellung in der Leiste: Lymphadenopathie?<br />

Senkungsabszess? Schenkelhernie? Aneurysma?<br />

Therapie: Operativ: Ûber einen inguinalen oder femoralen<br />

�kruralen) Zugang wird der Bruchsack eroÈ<br />

ffnet,der Bruchinhalt reponiert,der Bruchsack abgetragen<br />

<strong>und</strong> verschlossen sowie nach intraperitoneal<br />

verlagert. Danach wird die Bruchpforte durch<br />

Naht des Leistenbandes an die Fascia pectinea des<br />

Os pubis fixiert. Wegen der hohen Rezidivquote bei<br />

reinen Nahtverfahren hat sich in letzter Zeit die alloplastische<br />

NahtverstaÈrkung zunehmend bewaÈhrt.<br />

AufklaÈrungspflichtige Operationsrisiken: Infektion<br />

�2 %),Blutung �0,5 %),Verletzung oder Kompression<br />

der A. <strong>und</strong> V. femoralis <strong>und</strong> des N. femoralis<br />

�1 %),Thromboembolie �1 %).<br />

Prognose: Gut. LetalitaÈt unter 1 %,Rezidive 2 ± 10 %.<br />

Bei Inkarzeration mit Darmresektion betraÈgt die<br />

LetalitaÈt allerdings immer noch bis zu 20 %.<br />

<strong>40</strong>.6.4 Nabelhernie<br />

Die Nabelpforte stellt eine natuÈ rliche Bruchpforte<br />

der Bauchdecken dar. <strong>Hernien</strong> koÈnnen im SaÈuglings-,Kleinkindes-<br />

sowie im Erwachsenenalter<br />

auftreten. Man unterscheidet:<br />

Omphalozele: Nabelschnurbruch �s. Kap. 53.7.2)<br />

Nabelhernie: VorwoÈ lbung von Baucheingeweiden<br />

durch die FaszienluÈ cke mit Einbeziehung des Nabelbereiches<br />

Nabelhernie des Kleinkindes �s. Kap. 53.7.6)<br />

Nabelhernie des Erwachsenen �Abb. <strong>40</strong>.16): haÈufig<br />

mehrkammerig <strong>und</strong> adhaÈrent,d. h. irreponibel.<br />

Operationsindikation: Bei Diagnosestellung.<br />

Therapie: Reposition der Eingeweide,Abtragen des<br />

Bruchsacks,Verschluss der BruchluÈ cke durch Stoûauf-Stoû-NaÈhte<br />

oder VerstaÈrkung durch alloplastisches<br />

Netzimplantat.<br />

<strong>40</strong>.6.5 Epigastrische Hernie<br />

VorwoÈ lbung von Baucheingeweiden durch praÈformierte<br />

LuÈ cken der Linea alba zwischen Xiphoid<br />

<strong>und</strong> Nabel. Bruchinhalt meist praÈperitoneales Fett,<br />

Peritoneum �ggf. Netz),aÈuûerst selten Magenwandanteile<br />

oder Kolon.<br />

Klinik <strong>und</strong> Diagnostik: Charakteristische lokale<br />

Oberbauchschmerzen im Bereich der oberen<br />

Bauchdecken,die durch KoÈ rperhaltung �Streckung)<br />

oder Anspannung der Bauchmuskulatur �Pressen,<br />

Husten,Lachen,Niesen) verstaÈrkt werden.<br />

Schmerzprovokation durch Bauchpresse. Sonographisch<br />

nachweisbare FaszienluÈcke.<br />

Differenzialdiagnose: Oberbaucherkrankungen<br />

�z. B. Ulcus duodeni,Cholelithiasis,Pankreatitis).<br />

Therapie: Ohne Einklemmung Elektivoperation,bei<br />

Einklemmung Notfalloperation mit Freilegung,<br />

EroÈ ffnung des Bruchsacks,Resektion des inkarzerierten<br />

Gewebes,Verschluss der Bruchpforte<br />

durch Naht,ggf. alloplastische NetzverstaÈrkung.<br />

OberflaÈchlich lokalisierter,bewegungsabhaÈngiger<br />

Schmerz im mittleren Oberbauch: Epigastrische<br />

Hernie?<br />

<strong>40</strong>.6.6 Rektusdiastase<br />

Abb. <strong>40</strong>.16 Groûe<br />

Nabelhernie mit<br />

Inkarzeration<br />

Auseinanderweichen der Rektusmuskulatur in der<br />

Mittellinie �Linea alba) mit wulstfoÈrmiger VorwoÈlbung<br />

der Bauchwand in diesem Bereich. Die Rektus-<br />

Schumpelick/Bleese/Mommsen,Kurzlehrbuch Chirurgie �ISBN 3131271272) c 2006 Georg Thieme Verlag


diastase ist angeboren oder erworben. Die LuÈcke<br />

laÈsst sich beim Anspannen der Bauchmuskulatur<br />

�Aufrichten aus dem Liegen ohne AbstuÈtzen mit<br />

den HaÈnden) gut tasten <strong>und</strong> ist meist zu weit,als<br />

dass sich Baucheingeweide einklemmen koÈ nnten.<br />

Therapie: Die Behandlung ist primaÈr konservativ<br />

<strong>und</strong> besteht in der Empfehlung zur ErtuÈ chtigung<br />

der Bauchmuskulatur oder der Verschreibung<br />

einer Bauchbinde bzw. eines Korsetts. Nur selten<br />

ist ein direkter oder plastischer Nahtverschluss<br />

der Rektusdiastase indiziert. Dieser besteht in der<br />

retroperitonealen Netzimplantation wie bei der<br />

Narbenhernie �s. u.). Ohne Netzimplantat ist die Rezidivrate<br />

ist sehr hoch.<br />

Rektusdiastase: Restriktive OP-Indikation!<br />

<strong>40</strong>.6.7 Narbenhernie<br />

<strong>Hernien</strong> im Bereich einer Narbenregion �Abb. <strong>40</strong>.17)<br />

treten nach operativen Eingriffen in uÈber 10% der<br />

FaÈlle auf.<br />

Ursache: Dehiszenz der Faszie im Bereich des abdominellen<br />

Zugangs. StoÈ rungen des Kollagenstoff-<br />

Abb. <strong>40</strong>.18 RetromuskulaÈreNetzplastik<br />

bei medianer<br />

Narbenhernie:<br />

a Nahtverschluss<br />

des Peritoneums<br />

<strong>und</strong> des hinteren<br />

Blattes der Rektusscheide<br />

<strong>und</strong> retromuskulaÈreImplantation<br />

eines Kunststoffnetzes<br />

b Nahtverschluss<br />

des vorderen<br />

Blattes der<br />

Rektusscheide<br />

a<br />

b<br />

Abb. <strong>40</strong>.17<br />

Ausgedehnte Rezidivnarbenhernie<br />

1<br />

2<br />

<strong>Hernien</strong> Spezielle <strong>Hernien</strong><br />

wechsels scheinen ein wesentlicher pathogenetischer<br />

Faktor zu sein. BeguÈ nstigend wirken Blutung,<br />

Infektion,Eiweiûmangel,Faktor-XIII-Mangel sowie<br />

zu fruÈ he postoperative Bauchpresse �forciertes<br />

Pressen bei Obstipation,heftiges Husten bei mangelhafter<br />

Atemgymnastik <strong>und</strong> Bronchitis). Auch<br />

die SchnittfuÈ hrung ist fuÈ r die Inzidenz der Narbenhernie<br />

von Bedeutung. Die geringste Inzidenz weist<br />

der Wechselschnitt �s. Appendektomie) auf,die<br />

haÈufigste die mediane Laparotomie,wobei dies zugleich<br />

auch der haÈufigste Schnitt ist �s. Abb. <strong>40</strong>.17).<br />

Therapie: Operative Revision ca. 6 Monate ± 1 Jahr<br />

nach der Operation �nach Stabilisation der nahtfaÈhigen<br />

W<strong>und</strong>raÈnder). Operative Abtragung des<br />

Bruchsacks,Reposition der Eingeweide <strong>und</strong><br />

schichtweiser Bauchdeckenverschluss unter Augmentation<br />

des Gewebes mittels eines Kunststoffnetzes<br />

�Abb. <strong>40</strong>.18 ± <strong>40</strong>.20). Ein einfacher Nahtverschluss<br />

mit nichtresorbierbarem Fadenmaterial<br />

sollte nur noch bei kleinen,eindeutig auf technischen<br />

Fehlern beruhenden <strong>Hernien</strong> �Trokarhernien)<br />

erfolgen. Bei allen anderen Narbenhernien<br />

sollte die primaÈre Gewebeaugmentation durch ein<br />

alloplastisches Netz in praÈperitonealer,d. h. retromuskulaÈrer<br />

Position erfolgen �Abb. <strong>40</strong>.18). Besonders<br />

bewaÈhrt haben sich Netze aus Polypropylen mit<br />

weiten Poren <strong>und</strong> geringem FremdkoÈ rperanteil,<br />

die folgenlos in das Gewebe inkorporiert werden.<br />

Das Netz sollte die W<strong>und</strong>raÈnder allseits um ca.<br />

6 cm unterfuÈ ttern <strong>und</strong> stets die gesamte Narbe<br />

abdecken.<br />

Prognose: Rezidivrate bei direkter Naht 30 ± 50 %,<br />

auch nach Fasziendoppelung nach Mayo. Durch praÈperitoneale<br />

Implantation eines alloplastischen<br />

1<br />

1<br />

2<br />

vorderes Blatt<br />

der Rektusscheide<br />

Netz-Prothese<br />

Subkutangewebe<br />

M. rectus abdominis<br />

hinteres Blatt der<br />

Rektusscheide<br />

Peritoneum<br />

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673


674 Teil 2 ± Spezielle Chirurgie<br />

a<br />

b<br />

Netzes laÈsst sich die Rezidivrate auf unter 10 %<br />

senken. Postoperativ ist mit einer erhoÈhten Rate<br />

an Seromen <strong>und</strong> HaÈmatomen �Ausweitung der<br />

W<strong>und</strong>flaÈche,FremdkoÈ rperreaktion) zu rechnen.<br />

Narbenhernie: Netzimplantation obligat<br />

a<br />

b<br />

<strong>40</strong>.6.8 Seltene <strong>Hernien</strong>formen<br />

Abb. <strong>40</strong>.19 a,b<br />

Reparation einer<br />

Narbenhernie.<br />

a Intraoperativer<br />

Situs mit praÈperitonealer,<br />

d. h. retromuskulaÈrerNetzverstaÈrkung<br />

b Postoperativer<br />

Situs mit Redon-<br />

Drainagen<br />

Abb. <strong>40</strong>.20 a,b 3D-Stereographie einer Narbenhernie.<br />

a PraÈoperativ<br />

b Nach Reparation. Man sieht die Bauchdeckenabflachung<br />

durch implantiertes Netz<br />

Spieghel-Hernie �Hernia lineae semilunaris)<br />

Diese Hernie hat ihre Austrittsstelle im muskelschwachen<br />

Bereich zwischen der Aponeurose des<br />

M. obliquus internus <strong>und</strong> dem Auûenrand der Rek-<br />

tusscheide im unteren Mittelbauch. Sie ist sehr selten<br />

<strong>und</strong> wird daher wird haÈufig verkannt.<br />

Klinik: Lokalisierter Bauchdeckenschmerz im beschriebenen<br />

Bereich.<br />

Diagnostik: Sonographie oder CT.<br />

Therapie: Freilegung <strong>und</strong> Abtragung des Bruchsacks,<br />

Verschluss der Bruchpforte.<br />

Hernia obturatoria<br />

Eine Form der Beckenbodenhernien �Abb. <strong>40</strong>.21) mit<br />

Bruchaustritt entlang der Vasa obturatoria <strong>und</strong><br />

des N. obturatorius in das Foramen obturatum. Betroffen<br />

sind meist aÈltere Frauen. HaÈufig verkannt,<br />

da aÈuûerlich nicht sichtbar.<br />

Klinik: Schmerzen im Unterbauch mit Ausstrahlung<br />

im Verlauf des N. obturatorius �an der Innenseite<br />

des Oberschenkels [Romberg-Zeichen]).<br />

Therapie: Transabdominelle oder praÈperitoneale<br />

Freilegung,Reposition <strong>und</strong> Verschluss der Bruchpforte.<br />

Hernia ischiadica<br />

Bruchaustritt durch das Foramen ischiadicum �majus<br />

oder minus) im Bereich des M. glutaeus maximus.<br />

Gelegentlich laÈsst sich der Bruch am Unterrand<br />

des Glutaeus maximus tasten.<br />

Therapie: Abdominelle operative Freilegung <strong>und</strong><br />

Verschluss der Bruchpforte.<br />

Abb. <strong>40</strong>.21 Anatomie des Beckenbodens <strong>und</strong> Bruchpforten<br />

der Beckenbodenhernien:<br />

1 Symphyse a Hernia paravesicalis<br />

2 M. transversus perinei prof<strong>und</strong>us b Hernia retrovesicalis<br />

3 Canalis obturatorius c Hernia obturatoria<br />

4 M. obturatorius d Hernia ischiorectalis<br />

5 Canalis analis e Hernia spinotuberosa<br />

6 M. levator ani fHernia infrapiriformis<br />

7 M. coccygeus g Hernia suprapiriformis<br />

8M.piriformis<br />

9Ossacrum<br />

10 Vertebra lumb. V<br />

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Hernia perinealis<br />

Hernie im Bereich der Fossa ischiorectalis mit Manifestation<br />

am Perineum �Damm) oder in der groûen<br />

Schamlippe. Differenzialdiagnostisch sind Abszesse,Zysten,Bartholinitiden<br />

<strong>und</strong> Lipome abzugrenzen.<br />

Therapie: Operation mit perinealer Freilegung <strong>und</strong><br />

Verschluss der Bruchpforte.<br />

Hernia lumbalis<br />

Hernie im Bereich des oberen Lendendreiecks<br />

�12. Rippe <strong>und</strong> M. sacrospinalis) oder unteren Lendendreiecks<br />

�oberhalb der Crista iliaca),sehr selten.<br />

Differenzialdiagnostisch sind Lipome,Fibrome <strong>und</strong><br />

Senkungsabszesse abzugrenzen.<br />

Therapie: Freilegung <strong>und</strong> operativer Verschluss der<br />

Bruchpforte.<br />

Innere <strong>Hernien</strong><br />

VorstuÈ lpen von Baucheingeweiden in innere ± praÈformierte<br />

oder erworbene ± Bauchfelltaschen. PraÈformierte<br />

Bauchfelltaschen liegen ileozaÈkal �IleozaÈkalhernie),an<br />

der Flexura duodenojejunalis �Treitz-<br />

Hernie),am Foramen Winslowi �Hernia bursae<br />

omentalis) <strong>und</strong> am Sigma �Hernia intersigmoidea).<br />

Erworbene <strong>Hernien</strong> entstehen durch AdhaÈsionsbildung<br />

�nach Laparotomie in ca. 0,2 % der FaÈlle Bridenileus)<br />

oder postoperativ nicht exakt verschlossene<br />

Mesenterialschlitze.<br />

Klinik: Bauchschmerz,Stuhl- <strong>und</strong> Windverhaltung,<br />

zunehmende Ileussymptomatik bis hin zum akuten<br />

Abdomen.<br />

Therapie: Operation,Freilegung,Reposition,Verschluss<br />

der Bruchpforte,ggf. DuÈ nndarmresektion.<br />

Unklarer mechanischer Ileus:<br />

Inkarzerierte innere Hernie?<br />

<strong>40</strong>.7 Operationsatlas:<br />

<strong>Hernien</strong>reparation 1<br />

<strong>40</strong>.7.1 <strong>Hernien</strong>reparation beim<br />

Erwachsenen<br />

PraÈoperatives Vorgehen<br />

Diagnostik: Ggf. Sonographie,Hoden-Doppler-<br />

Sonographie bei Rezidiveingriffen.<br />

1 Abbildungen aus K. Kremer,V. Schumpelick,G. Hierholzer �Hrsg.):<br />

Chirurgische Operationen. Atlas fuÈ r die Praxis. Thieme,Stuttgart ±<br />

New York 1992.<br />

<strong>Hernien</strong> Operationsatlas: <strong>Hernien</strong>reparation<br />

Indikation: Jede Leistenhernie als Elektiveingriff.<br />

DurchfuÈ hrung tageschirurgisch <strong>und</strong> in LokalanaÈsthesie<br />

moÈglich.<br />

AufklaÈrungspflichtige Operationsrisiken: Hodenverlust,SchaÈdigung<br />

des Samenstrangs <strong>und</strong> der Hodendurchblutung<br />

�0,8 %), Leistenschmerzen �1 ± 5 %),<br />

Rezidiv �1 ± 10 %),W<strong>und</strong>infektion �1 ± 2 %).<br />

Vorbereitung: Keine.<br />

Operationstechniken<br />

Operation nach Shouldice: Reines Nahtverfahren,in<br />

LokalanaÈsthesie moÈglich �Abb. <strong>40</strong>.22 ± <strong>40</strong>.29).<br />

Operation nach Lichtenstein: Netzeinlage,in LokalanaÈsthesie<br />

moÈglich.<br />

PraÈperitonealer Zugang �Wantz, Stoppa): Bei Rezidiveingriffen.<br />

Laparoskopische Verfahren: PraÈperitoneal oder<br />

transabdominell,AllgemeinanaÈsthesie,obligate<br />

Netzeinlage.<br />

Postoperatives Vorgehen<br />

VollstaÈndige Mobilisation am Operationstag.<br />

Entfernung der Klammern am 5. Tag.<br />

Kostaufbau: Trinken nach 8 Std. nach Intubationsnarkose,sonst<br />

sofort,anschlieûend Vollkost.<br />

Keine spezielle koÈ rperliche Schonung erforderlich,Belastung<br />

bis zur Schmerzgrenze.<br />

Kontrollen: Sonographie,da nach Implantation<br />

von alloplastischem Material gehaÈuft Serome auftreten.<br />

Sie sollten unter sonographischer Kontrolle<br />

punktiert werden.<br />

I. Reparation nach Shouldice<br />

Abb. <strong>40</strong>.22 Waagerechter<br />

Hautschnitt in der Leistenbeuge.<br />

Spaltung der<br />

Externusaponeurose in<br />

Faserrichtung bis zum<br />

aÈuûeren Leistenring<br />

Abb. <strong>40</strong>.23 Spaltung <strong>und</strong><br />

Resektion der Kremastermuskulatur<br />

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675


676 Teil 2 ± Spezielle Chirurgie<br />

Abb. <strong>40</strong>.24 AnzuÈgeln des<br />

Samenstrangs, Darstellung<br />

des inneren Leistenrings,<br />

des Bruchsacks <strong>und</strong><br />

ggf. Abtragung eines<br />

praÈperitonealen Lipoms<br />

Abb. <strong>40</strong>.25 Spaltung der<br />

Fascia transversalis vom<br />

inneren Leistenring bis<br />

zum Os pubis unter<br />

Schonung der unmittelbar<br />

darunter verlaufenden<br />

Vasa epigastrica<br />

Abb. <strong>40</strong>.26 Nach kranial<br />

Darstellung der Arcus<br />

aponeurosis m. transversi<br />

�¹weiûe Linieª)<br />

Abb. <strong>40</strong>.27 Doppelung<br />

der Fascia transversalis<br />

unter Naht an den<br />

Tractus ileopubicius an<br />

der Basis des Leistenbandes<br />

�von medial nach<br />

lateral <strong>und</strong> zuruÈck, fortlaufend,nichtresorbierbares<br />

Nahtmaterial)<br />

Abb. <strong>40</strong>.28 Naht der<br />

Internusmuskulatur ans<br />

Leistenband, ebenfalls<br />

2-reihig �von lateral nach<br />

medial <strong>und</strong> zuruÈck),<br />

nichtresorbierbares<br />

Nahtmaterial<br />

<strong>40</strong>.7.2 Leistenhernienreparation beim Kind<br />

PraÈoperatives Vorgehen<br />

Diagnostik: Klinischer Bef<strong>und</strong>,auch Beobachtung<br />

einer VorwoÈ lbung in der Leiste durch die Eltern<br />

zur Indikationsstellung ausreichend.<br />

Indikation: Jede Hernie,bei Inkarzeration sofort;<br />

bei Alter I 3 Monaten fruÈ helektiv zum naÈchstmoÈglichen<br />

Zeitpunkt. DurchfuÈ hrung meist tageschirurgisch.<br />

AufklaÈrungspflichtige Operationsrisiken �u. a.): Intubationsnarkose,Rezidiv,Verletzung<br />

von HodengefaÈûen<br />

<strong>und</strong> Samenstrang,Hodenatrophie,Hodenverlust.<br />

Vorbereitung: Keine.<br />

Operationstechniken<br />

Hohe Abtragung des Bruchsacks �Abb. <strong>40</strong>.30 ± <strong>40</strong>.35).<br />

Postoperatives Vorgehen<br />

Tageschirurgisch ambulant: 5 Tage Pflaster,bei<br />

Verwendung von intrakutan versenkten,resorbierbaren<br />

FaÈden keine Entfernung der HautnaÈhte erforderlich.<br />

II. Reparation nach Rehbein/Grob<br />

Abb. <strong>40</strong>.29 Fortlaufender<br />

Verschluss der Externusfaszie<br />

Abb. <strong>40</strong>.30<br />

Hautinzision<br />

1,5±2 cm in der<br />

Hautfalte der<br />

Leistenbeuge<br />

Schumpelick/Bleese/Mommsen,Kurzlehrbuch Chirurgie �ISBN 3131271272) c 2006 Georg Thieme Verlag


Abb. <strong>40</strong>.31 Inzision der<br />

Externusaponeurose in<br />

Faserrichtung<br />

Abb. <strong>40</strong>.32 Stumpfes<br />

Spalten der Kremastermuskulatur<br />

Abb. <strong>40</strong>.33 Darstellen<br />

<strong>und</strong> EroÈffnen des<br />

Bruchsacks, schrittweise<br />

Durchtrennung der Hinterwand<br />

unter Sicht<br />

�Cave: Samenstrang,<br />

HodengefaÈûe)<br />

Abb. <strong>40</strong>.34 Der Bruchsack<br />

wird torquiert, an<br />

der Basis durchstochen<br />

<strong>und</strong> abgetragen, beim<br />

MaÈdchen nach Bastianelli<br />

unter der Muskulatur<br />

fixiert<br />

Abb. <strong>40</strong>.35 Readaptation<br />

der Muskulatur ans<br />

Leistenband, Verschluss<br />

der Externusfaszie, subkutan<br />

<strong>und</strong> intrakutan<br />

versenkte, resorbierbare<br />

HautnaÈhte<br />

<strong>Hernien</strong> Operationsatlas: <strong>Hernien</strong>reparation<br />

Merken<br />

Hernie �Bruch): VorwoÈlbung von Baucheingeweiden<br />

�Bruchinhalt) in abnorme<br />

Peritonealaussackung �Bruchsack)<br />

Gleithernie: Hernie, bei der das vorgefallene<br />

Organ Bestandteil der Bruchsackwand ist<br />

Leisten- oder Schenkelhernie: auch die<br />

Gegenseite <strong>und</strong> andere Bruchpforten<br />

untersuchen!<br />

Diagnostik: klinische Untersuchung<br />

wesentlich! Wichtigstes Hilfsmittel:<br />

Sonographie<br />

Ûber einem eingeklemmten Bruch darf die<br />

Sonne weder auf- noch untergehen!<br />

Nach Reposition Operation der Hernie<br />

waÈhrend des gleichen Klinikaufenthalts<br />

Laterale Leistenhernie �lateral der epigastrischen<br />

GefaÈûe): indirekte Hernie, mediale<br />

Leistenhernie �medial der epiastrischen<br />

GefaÈûe): direkte Hernie<br />

Die indirekte Leistenhernie ist die haÈufigste<br />

Hernie der Frau<br />

Die Therapie des Leistenbruchs ist die<br />

Operation!<br />

Operationsverfahren: Shouldice-Reparation,<br />

Lichtenstein-Reparation �Mesh), endoskopische<br />

Verfahren �extraperitoneal: TEP,<br />

transabdominell: TAPP)<br />

Schenkelhernie immer erworben, in 75 %<br />

Frauen betreffend<br />

Rektusdiastase: Restriktive OP-Indikation!<br />

Narbenhernie: Netzimplantation von<br />

wenigen Ausnahmen abgesehen obligat<br />

Unklarer mechanischer Ileus: inkarzerierte<br />

innere Hernie?<br />

Schumpelick/Bleese/Mommsen,Kurzlehrbuch Chirurgie �ISBN 3131271272) c 2006 Georg Thieme Verlag<br />

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