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Der zumutbaren Fortführung einer familiären Lebensgemeinschaft ...

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<strong>Der</strong> <strong>zumutbaren</strong> <strong>Fortführung</strong> <strong>einer</strong> <strong>familiären</strong> <strong>Lebensgemeinschaft</strong> im Ausland steht nicht<br />

entgegen, dass eine Ausländerin ein minderjähriges Kind deutscher Staatsangehörigkeit hat, für<br />

das sie das alleinige Sorgerecht ausübt. Das deutsche Kind wird dadurch nicht in seinem<br />

Freizügigkeitsrecht (Art. 11 GG) verletzt.<br />

(Amtlicher Leitsatz)<br />

24 K 8586/09<br />

Verwaltungsgericht Düsseldorf<br />

Urteil vom 11.11.2010<br />

Tenor:<br />

Die Klage wird abgewiesen.<br />

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.<br />

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung<br />

durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages<br />

abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des<br />

jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.<br />

Tatbestand:<br />

Die Klägerin wurde am 00.00.2005 in Serbien geboren und hielt sich dort zunächst bei ihrem<br />

serbischen Vater E auf. Die Mutter B lebte und lebt in P. Sie hat ein weiteres, am 00.0.2004 in P<br />

geborenes Kind, F, das auf Grund seines deutschen Vaters die deutsche Staatsangehörigkeit<br />

besitzt. <strong>Der</strong> deutsche Kindesvater, Herr H, ist am 29. März 2008 verstorben.<br />

Die Mutter der Klägerin besitzt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3<br />

AufenthG.<br />

Am 17. Februar 2006 beantragte die Klägerin bei der deutschen Botschaft Belgrad durch ihre<br />

Mutter die Erteilung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung. <strong>Der</strong> Beklagte<br />

erteilte hierfür gegenüber der Botschaft seine Zustimmung. Gleichwohl lehnte die Botschaft die<br />

Erteilung des Visums ab, weil die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht<br />

vorlägen. Die Eltern des Kindes seien verheiratet und übten das Sorgerecht gemeinsam aus. Die<br />

Kindesmutter lebe in Serbien.


2<br />

Die Klägerin reiste darauf hin zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt unerlaubt nach<br />

Deutschland ein und erhielt ab dem 1. März 2007 vom Beklagten Duldungen. Sie wohnt seither<br />

bei ihrer Mutter in P, die Arbeitslosengeld II erhält.<br />

Mit an die deutsche Botschaft Belgrad gerichtetem Schreiben vom 29. Juni 2007 erklärte der<br />

Beklagte seine Vorabzustimmung zur Erteilung eines Visums für die Klägerin zum Zwecke der<br />

Familienzusammenführung. Dem widersprach die deutsche Botschaft Belgrad erneut und verwies<br />

darauf, dass langfristig davon auszugehen sei, dass die Klägerin bei einem Kindernachzug auf<br />

öffentliche Mittel angewiesen sein werde. Hierauf erwiderte der Beklagte mit E-Mail vom 19. Juli<br />

2007, dass an der Zustimmung festgehalten werde, vorausgesetzt, der in Serbien lebende Kindesvater<br />

stimme zu. Denn die Herstellung und Wahrung der Familieneinheit sei höher zu bewerten<br />

als die mögliche finanzielle Belastung der Allgemeinheit.<br />

Durch Bescheid vom 21. Januar 2008 lehnte die Botschaft Belgrad den Visumsantrag mit der<br />

Begründung ab, die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG lägen nicht vor.<br />

Am 1. November 2008 wurde die Mutter der Klägerin von einem weiteren Kind, T, in P<br />

entbunden. Vater dieses Kindes ist wiederum Herr E, der seit dem 30. März 2005 mit der Mutter<br />

der Klägerin verheiratet ist.<br />

Mit an die deutsche Botschaft Belgrad gerichteter E-Mail vom 5. März 2009 erklärte der<br />

Beklagte, er sei nach nochmaliger eingehender Prüfung abschließend zu dem Ergebnis gelangt,<br />

dass dem Einreisebegehren der Klägerin stattzugeben sei. Zwar gehe ihre Mutter k<strong>einer</strong> Erwerbstätigkeit<br />

nach. Vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK und des Art. 6 GG könne auf die<br />

Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes verzichtet werden, wenn es dem Wohl des<br />

Kindes diene.<br />

Nachdem die Klägerin gegen die Ablehnung des Visumsantrags bei der deutschen Botschaft<br />

Belgrad remonstriert hatte, erging unter dem 1. April 2009 ein Remonstrationsbescheid der Botschaft<br />

Belgrad, mit dem der Antrag auf Erteilung eines Visums unter Hinweis auf die fehlende<br />

Sicherung des Lebensunterhalts erneut abgelehnt wurde.<br />

Mit Schreiben vom 15. April 2009 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erteilung <strong>einer</strong><br />

Aufenthaltserlaubnis gemäß § 36 AufenthG, hilfsweise § 25 Abs. 5 AufenthG. Daraufhin teilte ihr<br />

der Beklagte mit Schreiben vom 15. April 2009 mit, es bestehe vor <strong>einer</strong> Besserung der finanziellen<br />

Verhältnisse kein Anlass, über die Erteilung <strong>einer</strong> Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden, da


3<br />

der Antrag auf Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung wegen mangelnder Sicherung<br />

des Lebensunterhalts abgelehnt worden sei. Die Klägerin erwiderte, sie bestehe auf <strong>einer</strong><br />

Bescheidung. Die Passpflicht werde erfüllt, weil sie in den Pass ihrer Mutter mit eingetragen sei.<br />

Zwischenzeitlich reiste auch der Ehemann der Klägerin nach Deutschland ein, wurde der Stadt I<br />

zugewiesen und beantragte seine Umverteilung nach P. Am 29. Dezember 2009 hat die Klägerin<br />

Untätigkeitsklage erhoben und macht geltend:<br />

Selbst wenn die Regelerteilungvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts in ihrem Falle<br />

nicht erfüllt sei, liege auf Grund der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Halbbruders F ein<br />

besonderer, atypischer Umstand vor, der so bedeutsam sei, dass er das sonst Ausschlag gebende<br />

Gewicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG beseitige. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels sei aus<br />

Gründen höherrangigen Rechts zum Zwecke des Familiennachzugs geboten, weil die Herstellung<br />

der Familieneinheit in Serbien nicht möglich sei. Ihrem Halbbruder könne auf Grund s<strong>einer</strong> deutschen<br />

Staatsangehörigkeit nicht zugemutet werden, Deutschland zu verlassen und nach Serbien<br />

auszuwandern, weil <strong>einer</strong> solchen Obliegenheit sein Freizügigkeitsrecht gemäß Art. 11 GG entgegen<br />

stehe. Die Entscheidung der Mutter, den Halbbruder in Deutschland aufwachsen zu lassen,<br />

sei daher auch unabhängig von Art. 6 GG verfassungsrechtlich geschützt. Wenn aber ihrem Halbbruder<br />

nicht zugemutet werden könne, die Bundesrepublik zu verlassen, könne auch ihrer Mutter<br />

nicht zugemutet werden, Deutschland zu verlassen. Anderenfalls könne die Familiengemeinschaft<br />

mit F nicht aufrecht erhalten werden. Wenn ihrer Mutter die Ausreise nicht zugemutet werden<br />

könne, könne sie – die Klägerin – die Familieneinheit mit ihr nur in Deutschland führen.<br />

Die Klägerin beantragt sinngemäß,<br />

den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.<br />

<strong>Der</strong> Beklagte beantragt,<br />

die Klage abzuweisen.<br />

Zur Begründung trägt er vor, die familiäre <strong>Lebensgemeinschaft</strong> könne im gemeinsamen Heimatland<br />

Serbien geführt werden. Alle Personen lebten von öffentlichen Mitteln. <strong>Der</strong> Besitz von<br />

Aufenthaltserlaubnissen hindere nicht an der Ausreise. Die Mutter der Klägerin könne für diese<br />

als Erziehungsberechtigte auch die Entscheidung treffen, die familiäre Gemeinschaft mit ihrem


4<br />

deutschen Kind in Serbien zu leben. Die Klägerin sei minderjährig und den Entscheidungen ihrer<br />

Mutter unterworfen.<br />

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten<br />

und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.<br />

Entscheidungsgründe:<br />

Die als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) zulässige Klage ist nicht begründet.<br />

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung <strong>einer</strong> Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 VwGO).<br />

Die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis im Wege des Kindernachzugs gemäß § 32<br />

Abs. 1 bis 3 AufenthG liegen tatbestandlich offensichtlich nicht vor, weil die ausländischen Eltern<br />

der noch nicht 16 Jahre alten Klägerin keine Aufenthaltserlaubnis bzw. Niederlassungserlaubnis<br />

nach §§ 25 Abs. 1 oder 2 bzw. 26 Abs. 3 AufenthG besitzen (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) und<br />

beide Eltern sorgeberechtigt sind, aber nur die Mutter der Klägerin über eine Aufenthaltserlaubnis<br />

gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG verfügt (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 AufenthG).<br />

Eine besondere Härte im Sinne von § 32 Abs. 4 AufenthG liegt nicht vor, wie die folgenden Ausführungen<br />

zur Frage <strong>einer</strong> außergewöhnlichen Härte im Sinne von § 36 Abs. 2 AufenthG zeigen.<br />

Die Erteilung <strong>einer</strong> Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG kommt nicht in Betracht.<br />

Danach kann einem sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers zum Familiennachzug eine<br />

Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung <strong>einer</strong> außergewöhnlichen Härte<br />

erforderlich ist.<br />

Eine außergewöhnliche Härte liegt nicht vor.<br />

Eine derartige Härte ist anzunehmen, wenn im konkreten Einzelfall gewichtige Umstände vorliegen,<br />

die unter Berücksichtigung des Schutzgebots des Art. 6 GG und im Vergleich zu den sonst<br />

geregelten Fällen des Familiennachzugs ausnahmsweise die Erteilung <strong>einer</strong> Aufenthaltserlaubnis<br />

zum Familiennachzug gebieten.


5<br />

Die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten für den Erhalt der<br />

Familiengemeinschaft müssen nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sein, dass<br />

im Hinblick auf den Zweck der Nachzugsvorschriften, die Herstellung und Wahrung der Familieneinheit<br />

zu schützen, die Ablehnung der Erlaubnis schlechthin unvertretbar ist. Dies setzt<br />

grundsätzlich voraus, dass der im Bundesgebiet oder der im Ausland lebende, die Aufenthaltserlaubnis<br />

beantragende Familienangehörige allein ein eigenständiges Leben nicht führen und die<br />

familiäre <strong>Lebensgemeinschaft</strong> nur im Bundesgebiet geführt werden kann (vgl. BVerwG,<br />

Beschluss vom 25. Juni 1997 - 1 B 236/96 - Buchholz 402.240 § 22 AuslG 1990 Nr. 4 m.w.N.;<br />

VG Hamburg, Urteil vom 8. September 2006 - 17 E 2495/06 - InfAuslR 2006, 459; VGH Hessen,<br />

Beschluss vom 28. Juli 1998 - 13 TG 2789/96 -; Zeitler, HTK-AuslR / § 36 AufenthG / zu Abs. 2<br />

Satz 1 09/2008 Nr.4, Hailbronner, AufenthG, Stand August 2010, § 36 Rn 12).<br />

Das ist hier nicht der Fall.<br />

Zwar ist nicht zweifelhaft, dass die am 31. Dezember 2005 in Serbien geborene Klägerin auf die<br />

familiäre <strong>Lebensgemeinschaft</strong> mit ihrer Mutter bzw. mit ihren Eltern angewiesen ist. Die familiäre<br />

<strong>Lebensgemeinschaft</strong> kann jedoch nicht nur in Deutschland geführt werden.<br />

Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschlüsse vom 9. Januar 2009 – 2 BvR 1064/08<br />

– juris, 1. Dezember 2008 – 2 BvR 1830/08 – juris, 10. August 1994 – 2 BvR 1542/94 – und vom<br />

31. August 1999 – 2 BvR 1593/99 -) ausgeführt, dass die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen,<br />

regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurückdrängt, wenn die bereits gelebte<br />

<strong>Lebensgemeinschaft</strong> zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in Deutschland stattfinden<br />

kann, weil weder dem Kind noch dem anderen Elternteil das Verlassen der Bundesrepublik<br />

Deutschland zumutbar ist.<br />

Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Vielmehr kann der Klägerin, der Kindesmutter,<br />

dem Kindesvater und den Geschwistern der Klägerin die Fortsetzung der <strong>familiären</strong> <strong>Lebensgemeinschaft</strong><br />

in Serbien zugemutet werden. <strong>Der</strong> Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst namentlich<br />

die Freiheit der Eheschließung und Familiengründung sowie das Recht auf ein eheliches und<br />

familiäres Zusammenleben. Art. 6 Abs. 1 GG begründet grundsätzlich keinen unmittelbaren<br />

Anspruch auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene wertentscheidende<br />

Grundsatznorm die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren<br />

die bestehenden <strong>familiären</strong> Bindungen an Personen, die sich berechtigter Weise im Bundesgebiet<br />

aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen zur Geltung zu<br />

bringen. Für die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG


6<br />

ist die Frage, ob es den anderen Familienangehörigen zumutbar ist, die Klägerin in das gemeinsame<br />

Herkunftsland zu begleiten, von erheblicher Bedeutung. Denn wenn die familiäre <strong>Lebensgemeinschaft</strong><br />

nur in der Bundesrepublik Deutschland gelebt werden kann, weil einem beteiligten<br />

Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist - etwa weil ihm dort<br />

flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht -, drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu<br />

schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück. Eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1<br />

GG liegt dagegen fern, wenn die <strong>Lebensgemeinschaft</strong> zumutbar auch im gemeinsamen Herkunftsland<br />

geführt werden kann. Denn Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet nicht das Recht, die<br />

familiäre <strong>Lebensgemeinschaft</strong> in Deutschland zu führen, wenn dies auch in einem anderen Land<br />

zumutbar möglich ist. Auch für die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in den Schutzbereich des<br />

Art. 8 EMRK kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte<br />

der Frage erhebliche Bedeutung zu, ob das Familienleben ohne Hindernisse auch im<br />

Herkunftsland möglich ist oder ob der Nachzug das einzige adäquate Mittel darstellt, in familiärer<br />

Gemeinschaft zu leben (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 – 1 C 3.08 – m. w. N., juris).<br />

Davon ausgehend, steht <strong>einer</strong> gemeinsamen <strong>familiären</strong> Lebensführung der Klägerin, der Kindesmutter,<br />

dem Kindesvater und den Geschwistern der Klägerin in Serbien nichts entgegen. Bis auf F<br />

besitzen alle die serbische Staatsangehörigkeit. Niemand verfügt über flüchtlingsrechtlich begründete<br />

Aufenthaltstitel.<br />

<strong>Der</strong> Besitz <strong>einer</strong> Aufenthaltserlaubnis als solcher führt nicht zur Unzumutbarkeit der Ausreise<br />

(vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 a.a.O.; in dem dort entschiedenen Fall besaß der in<br />

Deutschland aufhältige Ausländer eine Niederlassungserlaubnis).<br />

Daraus ergibt sich lediglich das Recht, sich außer im Herkunftsland auch in Deutschland rechtmäßig<br />

aufzuhalten (vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 8. März 2010 – 18 B 1820/09 –<br />

sowie die ständige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, z.B. Beschluss vom 3. Dezember<br />

2009 – 24 L 1338/09 -).<br />

Von <strong>einer</strong> in Deutschland begründeten Existenzsicherung der Eltern für ihre Familie kann offensichtlich<br />

keine Rede sein. Auch besondere berufliche oder familiäre Bindungen der Eltern, die der<br />

Zumutbarkeit ihrer Ausreise mit den das aufenthaltsrechtliche Schicksal der Eltern teilenden<br />

weiteren minderjährigen Kindern entgegen stehen könnten (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.<br />

Mai 2004 – 18 B 1055/04 -) bestehen nicht.


7<br />

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Kindesmutter aus der Ehe<br />

mit einem am 29. März 2008 verstorben deutschen Staatsangehörigen ein die deutsche Staatsangehörigkeit<br />

besitzendes, am 00.0.2004 in P geborenes Kind - F - hat.<br />

Denn die nach dem Tod des Kindesvaters allein sorgeberechtigte Kindesmutter ist rechtlich nicht<br />

gehindert, ihr deutsches Kind im Rahmen ihres aus der elterlichen Sorge (§§ 1626, 1631 Abs. 1<br />

BGB) fließenden Aufenthaltsbestimmungsrechts mit in das ansonsten gemeinsame Heimatland<br />

nehmen (vgl. dazu Beschlüsse des erkennenden Gerichts vom 21. Mai 2010 – 24 L 354/10 -; vom<br />

15. März 2005 – 24 L 433/05 – und vom 3. November 2006 – 24 L 2115/06 -; OVG NRW,<br />

Beschluss vom 9. Mai 2000 – 17 B 622/00 -).<br />

Das deutsche Kind wird dadurch auch nicht an der Ausübung seines Grundrechts auf Freizügigkeit<br />

(Art. 11 GG) gehindert.<br />

Die Versagung der von der Klägerin beantragten Aufenthaltserlaubnis stellt weder einen unmittelbaren,<br />

d. h. direkten, imperativen Eingriff (vgl. Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz,<br />

Band II, Art. 11 Rn. 111 – 115; Jarass- Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., Art. 11<br />

Rn. 7), noch - auch unter Berücksichtigung von Art. 6 GG - eine zielgerichtete mittelbare, faktische<br />

Einwirkung in das diesbezügliche Grundrecht ihres deutschen Halbgeschwisters dar (a.A.<br />

VG Münster, Urteil vom 11. März 2010 – 8 K 1729/08 -, juris), die zudem nur dann einen Verstoß<br />

gegen Art. 11 GG enthielte, wenn sie objektiv geeignet wäre, einen beherrschenden Einfluss auf<br />

die Willensbildung des Grundrechtsträgers auszuüben (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November<br />

1999 – 5 C 8.99 -,BVerwGE 100, 92 (97, 98)).<br />

Das sechsjährige und damit minderjährige (§ 2 BGB) Kind ist zwar grundrechtsfähig (vgl.<br />

Maunz-Dürig, a. a. O., Art. 11 Rn. 111 – 115), kann sein Grundrecht infolge des Aufenthaltsbestimmungsrechts<br />

s<strong>einer</strong> Mutter aber nicht eigenständig ausüben. Ein unmittelbarer "Eingriff" zu<br />

Lasten des deutschen Kindes könnte somit nur durch die das Aufenthaltsbestimmungsrecht<br />

ausübende Mutter, nicht aber durch die Ausländerbehörde erfolgen. Eine mittelbare Einwirkung<br />

kommt nur in Betracht, wenn – mit dem Ziel der Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes -<br />

in das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter, die als Ausländerin nicht Trägerin des nur<br />

Deutschen vorbehaltenen Freizügigkeitsrechts ist, eingegriffen würde. Das ist hier bei der<br />

Versagung der beantragten Aufenthaltserlaubnis für die Klägerin erkennbar nicht der Fall.<br />

Das Gericht sieht sich insoweit auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.


8<br />

In seinem Beschluss vom 10. Mai 2008 – 2 BvR 588/08 -, Rdnr. 16, juris (betr. Abschiebungsschutz)<br />

hat das Bundesverfassungsgericht nämlich die Fortsetzung der <strong>familiären</strong> <strong>Lebensgemeinschaft</strong><br />

zwischen ausländischen Staatsangehörigen im Heimatland eines Elternteils nicht wegen des<br />

Vorhandenseins eines Kindes mit deutscher Staatsangehörigkeit für unzumutbar erachtet, sondern<br />

verlangt, dass vor der Abschiebung sichergestellt werden müsse, dass nach dem Recht des<br />

Abschiebungszielstaates für alle Familienangehörigen die Möglichkeit bestehe, dort ohne weiteres<br />

Aufenthalt zu nehmen. Dieser vor der Abschiebung vorzunehmenden Ermittlungen hätte es nicht<br />

bedurft, wenn die Abschiebung der Familie per se wegen Verstoßes gegen Art. 11 GG unzulässig<br />

gewesen wäre. Dass das Bundesverfassungsgericht bei s<strong>einer</strong> Entscheidung einen solchen Grundrechtsverstoß<br />

nicht in den Blick genommen haben könnte, ist nicht anzunehmen.<br />

Dass hier nach serbischem Recht keine Möglichkeit bestünde, für das deutsche Kind <strong>einer</strong> serbischen<br />

Mutter ein Aufenthaltsrecht in Serbien zu erlangen, wird von der Klägerin nicht behauptet,<br />

ist nicht ersichtlich und wäre jedenfalls im Verfahren zur Erlangung <strong>einer</strong> Aufenthaltserlaubnis als<br />

anspruchsbegründende Tatsache von der Klägerin darzutun (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.<br />

Februar 1999 1 B 2.99 - InfAuslR 1999, 330; danach ist es zunächst einmal Sache der Ausländer,<br />

für ein gemeinsames Aufenthaltsrecht in einem Staat, dem <strong>einer</strong> von ihnen angehört, Sorge zu<br />

tragen).<br />

Aus den dargelegten Gründen hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erteilung <strong>einer</strong> Aufenthaltserlaubnis<br />

nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK<br />

wegen rechtlicher Unmöglichkeit ihrer Ausreise.<br />

Angesichts dessen bedarf es auch k<strong>einer</strong> Prüfung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des<br />

§ 5 AufenthG.<br />

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit<br />

auf den §§ 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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