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ensuite<br />

Nr. 50 Februar 2007 | 5. Jahrgang<br />

k u l t u r m a g a z i n<br />

Der mit dem Koffer Seite 4<br />

Simon Ho schaut in die Luft!<br />

Flanieren mit dem<br />

Mansarden-Walser Seite 15 / 33<br />

Auf Robert Walsers Spuren<br />

Von Zwangsunterricht<br />

und Fingerspässen Seite 16<br />

Auftakt Musikfestival Bern<br />

Kulturkritisches aus<br />

der Provinz Seite 6 / 7<br />

Warum die Mühle Hunziken motzt


Theater<br />

Kafka – Der<br />

zerrissene<br />

Fisch<br />

Theater Waidspeicher, Erfurt<br />

Kafka – Der zerrissene Fisch<br />

Nach «Das Urteil» von Franz Kafka –<br />

Figurentheater für Erwachsene<br />

Auditorium, Zentrum Paul Klee<br />

Do 8. Februar, 20 Uhr<br />

Sa 10. Februar, 18 Uhr<br />

<br />

<br />

www.zpk.org<br />

andrea heinrich coiffure & maquillage schulweg 11 3013 bern<br />

* bus nr. 20, haltestelle gewerbeschule. der<br />

schulweg ist an der lorrainestrasse, die erste rechts.<br />

tel. 031 331 11 88<br />

Spitalgasse 4 / 3. UG / CH-3011 Bern<br />

Vorverkauf 031 311 61 00<br />

Mo.- Fr. 16.00 -19.30 Sa . 14.30 - 16.30 Uhr<br />

www.theater-am-kaefigturm.ch<br />

«URCHIGI CHOSCHT»<br />

Lustspiel in zwei Akten von Hans Wälti, Regie Hans Fuchs.<br />

«Urchigi Choscht» verbindet verbale Schlagabtausche,<br />

komplizierte Liebeserklärungen mit einem Happy-End und<br />

einem Schuss Dramatik sowie einer gehörigen Portion Witz.<br />

www.liebhaberbuehnebiel.ch<br />

2. und 3. Februar jeweils 20 Uhr<br />

4. Februar um 17 Uhr<br />

«ABRASSO»<br />

Regie: Pierre Byland / Spiel: Ahtiv Chanlen & Manuel Rytz<br />

Ein Türrahmen auf einer leeren Bühne. Im Rahmen stehen<br />

zwei Männer, vom Licht überrascht. Gemeinsam betreten<br />

sie den Raum, umarmen sich und singen ihr Lied: abrasso<br />

(Umarmung). Das bilderreiche Theaterstück geht voller<br />

Poesie den Weg zwischen Tragik und Komik, lässt<br />

Kleinigkeiten gross erscheinen und berührt durch seine<br />

Herzlichkeit. www.company-perron2.ch<br />

8. bis 10., 15. bis 17. Februar jeweils 20 Uhr<br />

«SEXSWISSWELL»<br />

1. Schweizer Doppelbettkongress<br />

Lachen kann Ihre Gesundheit fördern. «Sexswisswell» ist<br />

für Singles und Longplayers, Entfesselte, Verletzte,<br />

Aphrodisierte und Aufschnaubende. Sinnlich, verrückt,<br />

erotisch, entrückt. Soloprogramm mit Rosetta Lopardo,<br />

bekannt aus dem Komikerduo Fatal Dö.<br />

27. & 28. Februar,1. – 3. März jeweils 20 Uhr


INHALT<br />

impressum<br />

Herausgeber: Verein WE ARE, Bern Redaktion: Lukas Vogelsang<br />

(vl); Stephan Fuchs (sf); Anna Vershinova (av) // Andrea Baumann<br />

(ab), Peter J. Betts (pjb), Jean-Luc Froidevaux (jlf), Till<br />

Hillbrecht (th), Michael Imoberdorf (mi), Sonja Koller (sk), Andy<br />

Limacher (al), Belinda Meier (bm), Monique Meyer (mm), Eva<br />

Mollet (ev), Magdalena Nadolska (man), M<strong>art</strong>a Nawrocka (mn),<br />

Eva Pfirter (ep), Nicolas Richard (nr), Caroline Ritz (cr), Benedikt<br />

S<strong>art</strong>orius (bs), Monika Schäfer (ms), Anne-Sophie Scholl (ass),<br />

Karl Schüpbach (ks), Sarah Stähli (ss), Tabea Steiner (ts), Sara<br />

Trauffer (st), Kathrina von W<strong>art</strong>burg (kvw), Simone Wahli (sw),<br />

Sonja Wenger (sjw) C<strong>art</strong>oon: Bruno Fauser, Bern; Telefon 031 312<br />

64 76 Kulturagenda: kulturagenda.ch; ensuite - kulturmagazin,<br />

Bewegungsmelder AG, allevents, Biel; Abteilung für Kulturelles<br />

Biel, Abteilung für Kulturelles Thun, interwerk gmbh. Korrektorat:<br />

Monique Meyer (mm)<br />

Abonnemente: 58 Franken für ein Jahr / 11 Ausgaben. Abodienst:<br />

031 318 60 50<br />

ensuite – kulturmagazin erscheint monatlich. Auflage: 10‘000<br />

Anzeigenverkauf: anzeigen@ensuite.ch Layout: interwerk gmbh:<br />

Lukas Vogelsang Produktion & Druckvorstufe: interwerk gmbh,<br />

Bern Druck: Fischer AG für Data und Print Vertrieb: Gratisauflage<br />

an 350 Orten im Kanton Bern; passive attack, Telefon 031 398<br />

38 66 Web: interwerk gmbh<br />

Hinweise für redaktionelle Themen (nicht Agendaeinträge!)<br />

erwünscht bis zum 11. des Vormonates. Über die Publikation<br />

entscheidet die Redaktion. Bildmaterial digital oder im Original<br />

beilegen.<br />

Agendahinweise bis spätestens am 18. des Vormonates. Redaktionsschluss<br />

der Ausgabe ist jeweils am 18. des Vormonates.<br />

(siehe auch www.ensuite.ch - menü: veranstalter)<br />

Die Redaktion ensuite - kulturmagazin ist politisch, wirtschaftlich<br />

und ethisch unabhängig und selbständig. Die Texte repräsentieren<br />

die Meinungen der Autoren/innen, nicht jene der Redaktion.<br />

Copyrights für alle Informationen und Bilder liegen beim Verein<br />

WE ARE in Bern und der edition ■ ensuite.<br />

Redaktionsadresse:<br />

ensuite – kulturmagazin<br />

Sandrainstrasse 3<br />

3007 Bern<br />

Telefon 031 318 6050<br />

mail: redaktion@ensuite.ch<br />

Bild Titelseite und rechts:<br />

DUBQUEST SESSION PRESENTS:<br />

Missill (Paris)<br />

Samstag, 3. Februar 2007<br />

Kulturhallen Dampfzentrale Bern<br />

Fotos: zVg. / CD-Cover<br />

www.ensuite.ch<br />

Eigentlich, eigentlich...<br />

■ Überraschung: Statt mehr Geld für die Kultur<br />

kriegen wir weniger: 1 Million Franken wollen die<br />

Stadtpolitiker der Kultur wieder abknöpfen – noch<br />

vor fünf Monaten forderte der Kultursekretär 8,7<br />

Millionen Franken mehr Geld für die städtische<br />

Kultur. Hallo? Da scheint ein Loch in der Realität zu<br />

sein. Und statt sich für mehr Geld zu wehren und<br />

zu kämpfen, wirft die Kulturstelle auch gleich das<br />

Handtuch und damit die Berner Kultur über Bord.<br />

Wofür haben wir denn eine Abteilung Kulturelles?<br />

Sie ist doch zuständig dafür, die Kommunikation<br />

zwischen der Politik und der Kulturszene<br />

zu koordinieren und eine Lobby aufzubauen. Seit<br />

drei Jahren wird in Bern scheinbar planlos und mit<br />

vielen Versprechungen, die nie eingehalten werden<br />

können, die Kulturszene unter Druck gesetzt<br />

- doch wirklich geschehen ist nichts. Und statt,<br />

dass die kulturell Grossen etwas von ihren grossen<br />

Ideen zurückstecken, wird jetzt bei den Kleineren<br />

der Geldhahn zugedreht. Von wegen Förderung!<br />

Es sind wieder die «kleinen» KünstlerInnen und<br />

Institutionen, welche die Sparrunden zu bezahlen<br />

haben – denn gemäss dem Kultursekretär sind die<br />

grossen Verträge so gut wie unterzeichnet. Deswegen<br />

werden jetzt die «Brotbrösmeli» zusammengekratzt<br />

- doch das Kornhaus zu schliessen, ist<br />

sicher falsch und auch BeJazz braucht die Stadt<br />

Bern - mit dem VIDMAR-Projekt sowieso.<br />

Viel Vertrauen wurde verspielt, viel Geld zum<br />

Fenster rausgeworfen, viele Möglichkeiten enden<br />

mit Pilzbefall. Bern war in einer Ausnahmesituation<br />

mit dem kulturellen Angebot, mit freiwilligen<br />

Denkern und Helfern und war Tümpel von künstlerischem<br />

Mut und Einfallsreichtum. Eigentlich eine<br />

Traumsituation für eine Kulturabteilung. Doch –<br />

und irgendwie will niemand wirklich darüber reden<br />

– herrscht in der Berner Kultur seit drei Jahren das<br />

totale Chaos. Und jetzt geht’s um Existenzen. Jetzt<br />

heisst es jeder gegen jeden. Viel Spass.<br />

Lukas Vogelsang<br />

KULTUR & GESELLSCHAFT<br />

kulturdebatte 6 | bern ist zum beispiel - noch 29<br />

LITERATUR<br />

victor klemperer, tanja kummer, alex popov 14 |<br />

aus dem leben eines einsamen flaneurs 15<br />

BÜHNE<br />

«der blaue engel» kommt nach bern 9 | vaginas<br />

statt valentinsrosen 11 | ausblick bühne 11 | ein büchner<br />

für bern 12 | abrasso - eine umarmung in bern<br />

13 | wenn die liebe... 18<br />

KINO / FILM<br />

kino zwischen kopf und bauch 22 | el custodio 23<br />

| filmtipp 23 | das kurze leben des josé antonio<br />

gutierrez 24 | look both ways 25 | das andere kino<br />

26 | nicht blink, blink - sondern blink, bumm 28<br />

MUSIK<br />

der koffer steht vor der türe 4 | chorwerk von<br />

hohem ethos 16 | glänzendes mattschwarz 19 | die<br />

kunst der täuschung 21 | ECM listening post 21 |<br />

raphelson - musik in tiefer traurigkeit 30<br />

LIFESTYLE<br />

insomnia 30 | stadt und land: in einer stadt, vom<br />

fluss gleichsam umarmt 35 | reiseziel hotel: basel<br />

zeigt pioniergeist 36 | reisen: diesmal vancouver<br />

35<br />

DIVERSES<br />

leserbriefe 8 | stadtläufer 17 | tratschundlaber 25<br />

| von menschen und medien / fauser c<strong>art</strong>oon 31<br />

| berner kulturmenschen: tanzen und hundert nebenjobs<br />

32<br />

KULTUR-PUBLIREPORTAGE<br />

tintensaufen - living poets, live! 61 | das laboratorium<br />

für kreative arbeit 62 | heimspiel - tanz aus<br />

bern 65 | ihnen zuhören macht hell im kopf - und<br />

erst noch spass 69 | «der spiegel ist nichts weiter<br />

als eine fläche, die - selbst passiv - ein bild zurückwirft.»<br />

73<br />

KULTURAGENDA<br />

kulturagenda bern 53 | biel 80 | thun 85<br />

Kunstbeilage:<br />

Neu mit mehr inhaltlichen Seiten:<br />

<strong>art</strong>ensuite ab Seite 37<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 3


fokus<br />

Foto: Lukas Vogelsang<br />

MUSIK<br />

der koffer steht vor der türe<br />

Interview von Lukas Vogelsang mit dem wohl wichtigsten Musiker von Bern: Simon Ho<br />

■ Wenn man in Bern herumfragt, kennt man ihn<br />

kaum. Bei Simon Hostettler, mit Künstlername<br />

Simon Ho genannt, steht ein Koffer vor der Türe.<br />

Er selber steht zwischen Zügen, Flugzeugen und<br />

Konzerten. Doch wer ist er, der unter anderem für<br />

das Berner Stadttheater Musik schreibt, mit dem<br />

Holländer Henk Hofstede von The Nits zusammen<br />

singt, mit den Värttinä-Frauen aus Finnland Konzerte<br />

gibt, in New York mit Shelley Hirsch zusammen<br />

arbeitet und seine Musik in John Zorn’s Label<br />

«Tzadik» veröffentlicht werden? Die Auftritte im<br />

Februar in Bern geben zu reden, die neuen Songs<br />

auch und vor allem er selbst:<br />

Wenn man Dir auf der Strasse begegnet, so<br />

siehst Du aus, als wärst Du aus einem grossen<br />

Traum gestiegen. Wovon träumst Du? Was sind<br />

Deine Bilder und Vorstellungen von Deinem Leben?<br />

Ich glaube schon, dass man eine eigene Fantasie<br />

haben muss – oder besser: Ich brauche eine<br />

eigene, damit ich mit all diesen Fakten und Situationen<br />

umgehen kann. Obschon, es ist ja nicht so,<br />

dass mir diese Dinge einfach zugeworfen werden.<br />

Ich suche diese ja auch oder gehe darauf zu. Und in<br />

den letzten Jahren und so, wie ich jetzt lebe, habe<br />

ich mich eben dadurch hierher bewegt. Wohin dieser<br />

Weg eigentlich führt, ich muss ehrlich sagen,<br />

ich habe keine Ahnung. Ich kann dir nicht sagen,<br />

ich will mit diesem Label einen Vertrag haben oder<br />

in dieser Stadt möchte ich das Altersheim aussuchen.<br />

Aber man riecht etwas, eine Sehnsucht. Das<br />

Wort Traum ist gut, denn der Traum ist nicht real.<br />

Er ist vielleicht einem Ziel etwas näher, aber noch<br />

in den Wolken. Zum Beispiel ein Song von mir «Fishing<br />

Hut» ist ein Traumbild, aber wenn du die Augen<br />

öffnest siehst du dieses Bild, überall. Und es ist<br />

die Kunst, dich in beiden Welten zu bewegen. Das<br />

ist nicht immer einfach – manchmal halte ich die<br />

Realität auch zurück. Aber schlussendlich geht’s<br />

es vielleicht doch darum, dass du deinen Traum<br />

leben kannst. Da spielen viele äussere Umstände<br />

mit, Alter, Geld. Ich bin jetzt nicht einfach der freie<br />

Mensch, der macht was er will, aber ich versuche<br />

schon, viele Freiheiten zu haben in diesem Leben.<br />

Lebst Du mehr im Traum als in der Realität?<br />

Ich kann das gar nicht so trennen. Weisst du,<br />

die Realität macht auch Spass, wenn du Hunger<br />

hast und einkaufen gehst und diese Gemüse und<br />

den Fisch siehst… Ich bin froh, dass es nicht nur<br />

eine Vision ist, das Hungergefühl zu stillen. Die<br />

Nähe eines Menschen zu spüren oder eine Zigarette,<br />

wie sie kratzt…<br />

Du schreibst viel Theatermusik oder Musik<br />

für die Bühne – ebenfalls eine grosse Traumwelt.<br />

Was reizt Dich an dieser Art von Musik?<br />

Mich interessieren wieder die Geschichten, die<br />

erzählt werden. Mir gefällt die Zusammenarbeit mit<br />

Schauspielern, Regisseuren, mit Lichtdesignern,<br />

mit Bühnenbildnern. Für mich geht das in Richtung<br />

Gesamtkunstwerk – ich helfe mit, dass etwas rüberkommt<br />

und habe eine dienende Funktion. Darin<br />

kann ich so viel oder so wenig dazugeben, dass bei<br />

den Zuhörern etwas zurückbleibt. Seit 1988 bin ich<br />

zum Beispiel mit Peter Rinderknecht live unterwegs<br />

und immer wieder auf Tournee und jedes Mal<br />

ist das Stück verschieden.<br />

Ich finde auch, dass das Theater ein bisschen<br />

wie das Leben ist. Es ist eben wie das Traumwandlerische,<br />

welches du vorher angesprochen hast. Wo<br />

ich mir meine Rolle selber aussuchen kann oder<br />

manchmal bekomme. Ich kann dann entscheiden,<br />

ob ich weitergehen oder ob ich etwas anderes will.<br />

Und das hilft mir oft, das Leben von dieser Seite zu<br />

betrachten. Das fasziniert mich auch.<br />

Sind es auch die Träume, die Dich für neue<br />

Songs inspirieren oder woher nimmst Du Deine<br />

Töne?<br />

Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Die eine<br />

ist, dass ich in mir etwas höre, mir etwas in den<br />

Kopf kommt und danach spielt es da weiter. Alles<br />

bleibt vorerst in der Fantasie. Das hat dann nichts<br />

mit einer Textvorlage oder einem Lied oder einem<br />

Theaterstück zu tun Das kommt aus einer Stimmung<br />

raus. Eine andere Möglichkeit ist, dass ich<br />

ans Klavier sitze und einfach zu spielen beginne.<br />

Es ist wie Zeichnen und entwickelt sich Schritt<br />

für Schritt. Da bin ich Instrument und das Klavier<br />

ist mein Freund. Es entsteht ein Wechselspiel: Ich<br />

gebe hier etwas rein und da entsteht dieser Oberton.<br />

Es entsteht ein Dialog und wir bauen etwas<br />

daraus. Ich mag aber auch konzeptionelle Kompositionen.<br />

Eine strukturelle Vorgabe, eine Serie von<br />

Tönen oder was auch immer das Stück bestimmt.<br />

Hast Du musikalische Vorbilder?<br />

Ja, ich habe schon ein paar, aber ich höre diese<br />

gar nicht, weil ich selber viel zu selten Musik höre.<br />

Stimmlich finde ich Elvis Costello wunderbar. Mit<br />

ihm möchte ich gerne mal ein paar Lieder schreiben.<br />

Stravinski – ich würde gerne mal Strawinski<br />

«samplen» (digitalisieren) und seine Motive oder<br />

seine wahnsinnigen Klangapparate, die er geschrieben<br />

hat, neu bearbeiten. Schon nur grafisch<br />

wäre das eine sehr schöne Arbeit. Musik hat für<br />

mich nicht nur mit Zuhören und Gefühl zu tun, sondern<br />

es ist auch etwas für das Auge. Eine P<strong>art</strong>itur,<br />

rein das Notenbild gibt viel her. Auch bei unseren<br />

Wintersongs habe ich das jetzt wieder gesehen.<br />

Und ich habe auch immer Freude, wenn ich die Noten<br />

physisch in der Hand habe.<br />

Was ist Bern für Dich? Du bist einer der<br />

umtriebigsten Berner Musiker – in den letzten<br />

Jahren bist Du zwischen New York und Bern<br />

gependelt und hast hervorragende CDs produziert.<br />

Trotzdem nimmt man Dich in Bern nicht<br />

als Star war. Fühlst Du Dich in Bern zu Hause?<br />

Was macht für Dich Heimat aus?<br />

Als Künstler? Manchmal hatte ich in New York<br />

oder Brooklyn das Gefühl: «Doch, das ist meine<br />

Heimat.» Obschon ich eine andere Sprache spreche,<br />

einen anderen Pass, eine andere Religion,<br />

Erziehung und Kultur habe. Dort hat es so viele<br />

verschiedene Menschen. Ich frage mich oft, warum<br />

geben sie ihr Leben auf? All die Mexikaner und<br />

Südamerikaner, die könnten ja auch auf dem Land<br />

leben statt in der Grossstadt. Warum nehmen sie<br />

den ganzen Stress auf sich, um in der Stadt leben<br />

zu können? Das ist ein echt h<strong>art</strong>es Leben. Doch<br />

die haben dort ihre Gemeinschaften, sind unter<br />

sich, haben ihre Qu<strong>art</strong>iere. Sie machen ihre eigenen<br />

Städte in der Stadt. Und daher habe ich nicht<br />

das Gefühl, dass Heimat etwas Örtliches ist. So ist<br />

Heimat nicht Bern mit seinen Stadtbild und dem<br />

Geruch der Aare. Aber es ist das Gefühl, dass man<br />

eine Familie hat, Geschichten, die dir bekannt sind.<br />

Meine Heimat ist nicht einfach auf Bern definiert.<br />

Bern ist natürlich meine Heimatstadt und ich habe<br />

viele Erinnerungen hier – aber nicht gerade Hochgefühle.<br />

Meine Ansprüche zu Bern haben sich<br />

verändert. Ich erw<strong>art</strong>e nicht mehr, dass Bern sich<br />

verändert. Schon rein vor der Stadt her kann und<br />

geht das ja nicht. Jetzt baut man zum Beispiel die<br />

Überbauung Brünnen und man zieht die Menschen<br />

aus der Stadt raus. Und man soll jetzt dort Baden<br />

und Einkaufen gehen. Wenn man das vergleicht<br />

mit New York, haben die Schweizer keine Beziehung<br />

zu neuen Städten. Dort herrscht ständiger<br />

Aufbruch. Und Bern hat diesbezüglich eine andere<br />

Kultur. Hier schielt man immer auf die Stadtgründung<br />

vom Jahr 1291. Doch die Heimat ist eben<br />

4<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 5


fokus<br />

schlussendlich nur in dir selbst, in deinem Herz.<br />

Und trotzdem bist Du immer wieder zurückgekommen.<br />

Ja, ich habe Familie hier und Freunde und vielleicht<br />

klingt es komisch, aber ich habe auch so etwas<br />

wie eine Aufgabe hier. Ich will meine Arbeit<br />

hier zeigen können – ich habe auch etwas erhalten<br />

von dieser Stadt. Also nicht nur Förderungsgeld<br />

und so.<br />

Mit Henk Hofstede hat sich Deine Musik in<br />

eine ganz andere Dimension entwickelt. Jetzt<br />

spielst Du mit anderen Leuten zusammen, an<br />

den unterschiedlichsten Plätzen auf der Welt.<br />

Was sind Deine Eindrücke?<br />

Hofstede heisst ja auch Hostettler und das<br />

kommt ja von «Hostet». Also eigentlich sind wir<br />

zwei Schnapsbrenner – er, der holländische und<br />

ich, der schweizerische. Henk und mich verbindet<br />

nicht nur die Leidenschaft an der Musik, sondern<br />

mich fasziniert auch seine Offenheit. Er ist ein<br />

hervorragender Künstler und kann sehr gut auf<br />

eine Situation eingehen, er gibt seinen Mitmusikerinnen<br />

viel Platz – das ist mir sehr wichtig. Ich<br />

muss nicht im Vordergrund stehen, ich möchte mit<br />

meiner Musik etwas ermöglichen. Henk ist ein sehr<br />

interessanter P<strong>art</strong>ner, der scharf beobachtet und<br />

seine Ideen dann auch umsetzen kann. Wir haben<br />

jetzt auch die Idee, dass wir zusammen für das Ho-<br />

Orchestra komponieren.<br />

Ich merke immer wieder, wie es Musik braucht,<br />

um neue Menschen kennenzulernen. Aber es<br />

ist nicht so, dass wir immer in Kontakt sind. Ich<br />

bin ein Projektmensch, ich habe keine Band.<br />

Zwischendurch denke ich, es wäre schön, eine<br />

Band zu haben – eine Gruppe, die seit zwanzig<br />

Jahren zusammenspielt. Nun, ich habe viele musikalische<br />

Freunde und alles ist halt ein wenig verstückelt<br />

– je älter ich werde, auch geografisch. Ich<br />

mag diese Vielfalt, die verschiedenen Kulturen,<br />

doch ich bezahle auch meinen Preis dafür. Man ist<br />

auch viel allein darin.<br />

Simon Ho & Friends kommen jetzt mit neuen<br />

Songs wieder auf die Bühne. Was erw<strong>art</strong>et uns?<br />

Ich hoffe, die Sängerinnen können die neuen<br />

Lieder lernen (lacht). Ich bin musikalisch wieder<br />

etwas experimenteller geworden, es geht wieder<br />

mehr Richtung Avantgarde. Natürlich hat’s noch<br />

immer Ohrwürmer, dieses Element bleibt. Mich<br />

interessiert aber vermehrt wieder der Sound, die<br />

Textur: Ist es rund, laut, eckig, rau, ist es minimalisiert,<br />

gross? – Ich will mehr mit dieser Dynamik<br />

arbeiten. Textlich habe ich seriöse, ernsthaftere<br />

Themen aufgegriffen. Zum Beispiel zwei Lieder<br />

über den Winter, Leben und Tod, Sehnsüchte. Ich<br />

bin nicht gerne oberflächlich. Wir werden mehr mit<br />

Stimmungen arbeiten. Das Licht in den Songs wird<br />

wichtig sein, wir werden die Musik mehr inszenieren.<br />

Du bist in Deiner Kreativität sehr breit und<br />

machst stilistisch jeweils einen Spagat. Was<br />

möchtest Du musikalisch noch erreichen?<br />

Ich würde gerne für ein grosses Symphonieorchester<br />

spielen. Ich glaube nicht, dass ich «klassische<br />

Musik» schreiben würde, aber mich interessiert<br />

der Klangkörper eines solchen Orchesters<br />

als solches. Auch für einen Chor, mit zum Beispiel<br />

120 Stimmen, würde ich gerne wieder mal was machen.<br />

Das fasziniert mich.<br />

Simon Hostettler<br />

Neben dem Ho Orchestra und den Friends-Konzerten<br />

ist Simon Ho Gastkomponist am Staatstheater<br />

Stuttg<strong>art</strong>, am Stadttheater Bern und<br />

erhält Auftragskompositionen von verschieden<br />

Theatergruppen und Theatern aus dem In- und<br />

Ausland. Er schreibt Musik für freie Tanzgruppen<br />

und Ballettensembles, für Spiel- und Dokumentarfilme.<br />

Er arbeitet mit und für Kinder und junge<br />

Erwachsene, schreibt Lieder und Musiktheaterstücke,<br />

Opern und führte in einigen Stücken Regie.<br />

www.simonho.ch<br />

Aktuelle CDs:<br />

«IF»<br />

Live-CD des Ho Orchestra - «A normal Sunday»<br />

Simon Ho & Friends<br />

Simon Ho - Piano, Componist, Musician<br />

Shirley Grimes - Voc.<br />

Vera van der Poel - Voc. (Mimezine/Nits)<br />

Oli H<strong>art</strong>ung - Guit. (Shirley Grimes Band)<br />

Andi Hug - Drums (Patent Ochsner)<br />

Monic Mathys - Basses (Patent Ochsner)<br />

8.2. St. Gervais, Biel<br />

9.2. Scala, Wetzikon<br />

15.2. P<strong>art</strong>erre, Basel<br />

17.2. PROGR, Bern<br />

18.2. Taverne, Adelboden<br />

22.2. Moods, Zürich<br />

24.2. Chollerhalle, Zug<br />

25.2. La Fourmi, Luzern<br />

EXKLUSIV:<br />

■ Hören Sie jetzt übers Internet einen noch<br />

unveröffentlichten Wintersong von Simon Ho!<br />

www.ensuite.ch -> Exklusiv!<br />

Liebe RubigerInnen,<br />

Dreikönigstag, 6. Januar 2007. Ich bin mit meinem<br />

Leben zwei Wochen in Verzug. Egal. Bevor im Mai<br />

die AHV ins Haus flattert, will ich aufräumen und<br />

Euch endlich die alte Geschichte erzählen. Im Frühling<br />

1973 kam ich nach Rubigen und im Herbst 03<br />

übergab ich die Mühle Hunziken meiner Frau Pia<br />

und den Kindern Thomas und Catherine. Alle drei<br />

haben seit bald 20 Jahren ihren festen Platz im<br />

Konzertbetrieb. Die Mühle gibt es als Treffpunkt in<br />

der Region seit dem Kinderzirkus im Sommer ‘76.<br />

Rund 3000 Anlässe, Weltstars jeder Couleur bis<br />

zum Schneevomorn aus der Region. Jazz, Rock,<br />

Blues, Folk, World, Latin, Afro... Musikpreis, Sisyphus-Preis<br />

Stadt Bern, Grosser Kulturpreis Kanton<br />

Bern. X Konzert-Aufzeichnungen von Radio DRS<br />

und Schweizer Fernsehen. Umbau, Infrastruktur<br />

und Betrieb wurden ohne Steuergelder bezahlt.<br />

Das war die Vergangenheit. Die Zukunft hat mit<br />

der Gründung der Regionalen Kulturkonferenz RKK<br />

begonnen.<br />

BZ, 21. März 1998: Der Kulturbatzen kann<br />

anrollen Die 4,3 Millionen Franken, zu denen die<br />

84 Gemeinden verpflichtet werden sollen, würden<br />

direkt dem Stadttheater, dem Sinfonieorchester,<br />

dem historischen Museum und dem Kunstmuseum<br />

zukommen. Somit muss die Stadt Bern rund 1,3 Millionen<br />

Franken weniger an diese vier Institutionen<br />

entrichten. Davon profitieren vor allem die kleineren<br />

Kulturtreibenden. «Die Stadt Bern hat zugesichert,<br />

13 kleinere Institutionen wie die Dampfzentrale<br />

oder das Schlachthaus zu unterstützen», sagt<br />

Isabelle Meyer von der RKK.<br />

Das war vor 9 Jahren. Seither machen sich alte<br />

wie neue Veranstalter den goldenen Subventionskuchen<br />

streitig. Leitungsteams überbeissen. Profilierungsneurosen<br />

blühen in allen Farben. Politiker<br />

rühmen sich über allen Klee.<br />

Und die alte Mühle Hunziken in the middle of<br />

pampa? Natürlich machte uns das Gross-Stadt-Treiben<br />

aus dem allzu nahen Bern Angst. Wurden doch<br />

dank Subventionen immer mehr ‹unserer› Künstler<br />

abgeworben, um vor der Haustüre mit dem Prädikulturdebatte<br />

Wir publizieren hier den Original-Brieftext<br />

von Peter Burkhard zur Situation<br />

Mühle Hunziken. In den Medien gab‘s<br />

zu reden darüber... Es ging darum:<br />

SUBVENTIONEN FÜR DIE<br />

MÜHLE HUNZIKEN<br />

■ Ab 2008 will die Gemeinde Rubigen die Mühle<br />

Hunziken mit 35 000 Franken pro Jahr unterstützen<br />

- «Mühli-Pesche» hat aber Vorbehalte.<br />

Freitag, 20. Oktober 2006<br />

6<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


fokus<br />

kat «Erstmals in Bern» präsentiert zu werden. Oder<br />

altbewährte Agenturverbindungen wurden mit der<br />

Bitte «Versteh mich doch, die bezahlen sehr gut»<br />

strapaziert. Kunststück ohne Miete und Risiko. Das<br />

ist die Rückseite der Subventionsmedaille.<br />

Ziemlich naiv dachte ich, die RKK ist auch noch<br />

da.<br />

Der Bund, Juni 1999: Mühle-Pesche ist glücklich,<br />

nicht wunschlos ...Was ihm manchmal fehle,<br />

sei Anerkennung und Unterstützung im «Kleinen»,<br />

eine Geste des Goodwills. Zum Beispiel: Von den 84<br />

Mitgliedgemeinden der Regionalen Kulturkonferenz<br />

habe nur eine - nämlich Rubigen ein eigenes Kulturzentrum,<br />

das auch Leute aus der Stadt und dem<br />

ganzen Kanton anziehe, sagt Burkh<strong>art</strong>. ...Er frage<br />

sich nun, warum die Kulturkonferenz nicht auf die<br />

Idee komme, von Rubigen keine Beiträge zu verlangen,<br />

damit es vielleicht das eigene Kulturzentrum<br />

unterstützen könne.<br />

Angst vor einer Lawine Grossrat Walter Frey,<br />

Präsident der Regionalen Kulturkonferenz, kann<br />

sich nicht erinnern, dass die Auswahl der vier<br />

städtischen Kulturinstitutionen, die mit Beiträgen<br />

der Regionsgemeinden unterstützt werden «damals<br />

zu reden gegeben hätte.» Grundsätzlich sei<br />

es zwar denkbar, dass auch die Mühle Hunziken auf<br />

die Liste der Unterstützten der Kulturkonferenz<br />

gesetzt würde. Aber es sei «nicht wahrscheinlich»,<br />

dass über diese Liste diskutiert werde, sagt Frey.<br />

Und er warnt auch davor, denn: «Das würde eine<br />

Lawine auslösen.»<br />

Das hoff‘ ich doch, Herr Frey: «Und mit einer<br />

mittleren Lawine deckte es die blöde Bande zu»<br />

(Erich Kästner).<br />

Trotzdem, drei Jahre später bat ich die Gemeinde<br />

Rubigen, zu prüfen, den Geldfluss an die Kultur<br />

Stadt Bern für eine Weile in die Kultur Provinz<br />

Hunziken umzuleiten. Begründung: Es besuchen<br />

mehr Berner Hunziken als RubigerInnen Bern. Am<br />

12. März 02 stellte der Gemeinderat Rubigen das<br />

«Gesuch um Sistierung der Leistung für das Jahr<br />

2003» an die Regionale Kulturkonferenz Bern und<br />

bekam postwendend eine freundliche Abfuhr.<br />

2004 suchte ich das Gespräch mit dem kantonalen<br />

Amt für Kultur und der Abteilung Kulturelles der<br />

Stadt Bern. Hüben wie drüben besorgte Gesichter,<br />

viel Verständnis, sogar ein Anflug von Anteilnahme.<br />

Ende der Durchsage. Später im Winter 04/05 Post.<br />

Vermutlich ein Freund: «Lieber Pesche, Gemäss Tel.<br />

mit Deiner Frau schicke ich Dir hier die RKK-Verordnung,<br />

die ich eben zum ersten Mal gelesen habe.<br />

Art. 9 könnte Dich interessieren... Gruss!» Ab auf<br />

die Gemeinde, die Gemeinde Ende 05 an RKK, und<br />

die RKK grüsst im April 06 immer noch freundlich.<br />

19. Oktober, 6:15 Uhr aus heiterem Himmel die<br />

telefonische Anfrage der «Bund»-Redaktion «Stadt<br />

& Region» um eine Stellungnahme. Natürlich hätte<br />

ich mir mehr Zeit und Platz gewünscht für meine<br />

Antworten. Trotzdem Dank: Einmal mehr bewies die<br />

Zeitung Kompetenz, veröffentlichte sie die Story<br />

nicht etwa unter der Rubrik «Kultur».<br />

Nun sind wir endlich mitten drin und ich werde<br />

versuchen, meine Vorbehalte zumindest aber einige<br />

Gedanken zur Kultur in Stadt und Region, vor allem<br />

aber zur Kultur der Exponenten des RKK Bern<br />

Präsidiums, darzulegen.<br />

Also zur Verordnung über die regionale Kulturkonferenz<br />

Bern (VRKK Bern) vom 28. Mai 1997.<br />

(meinem 55.!) Art. 9 Absatz 2 Beitragspflichtige<br />

umliegende Gemeinden haben Anspruch auf eine<br />

angemessene Reduktion ihrer Beiträge, wenn sie<br />

sich selber wesentlich an der Finanzierung wichtiger<br />

kultureller Institutionen von mindestens regionaler<br />

Bedeutung im Sinne von Art. 11 KFG beteiligen,<br />

die auf ihrem Gemeindegebiet domiziliert sind.<br />

Warum nur machte Walter Frey im Juni ‘99 die<br />

Gemeinde Rubigen nicht auf den «Anspruch auf<br />

eine angemessene Reduktion ihrer Beiträge» aufmerksam?<br />

Kannte er weder das Gesetz noch die<br />

Mühle oder schwieg er absichtlich? Als ehemaliger<br />

YB-Präsident sollte er wissen: Wer die Regeln missachtet<br />

und unfair spielt, wird vom Platz gepfiffen.<br />

Im Kl<strong>art</strong>ext: Der Gemeinde Rubigen steht die Reduktion<br />

ihrer Beiträge seit der Gründung der RKK<br />

Bern zu!<br />

Zurück zur Zeitung: Rubigen müsste ab 2008<br />

fast 67‘000 Franken in den RKK-Topf zuschiessen.<br />

Nun kann die Gemeinde 25‘000 Franken davon in<br />

Abzug bringen – das entspricht rund 40 Prozent<br />

der Beiträge und ist gemäss RKK «entsprechend<br />

«Die Mühle Hunziken ist gesamtschweizerisch<br />

eines<br />

der wichtigsten Konzertlokale,<br />

das Rubigen zu einem<br />

Punkt auf der internationalen<br />

Landk<strong>art</strong>e macht.»<br />

Peter Schranz, stellvertretender Leiter, Abt.<br />

Kulturelles der Stadt Bern.<br />

der Wichtigkeit der Kulturmühle angemessen».<br />

Wie François Wasserfallen vom kantonalen Amt für<br />

Kultur sagt, können die Beiträge einer Gemeinde<br />

um höchstens 50 Prozent reduziert werden – das<br />

habe sein Amt so festgelegt. «Das ist ein subjektiver<br />

Entscheid», sagt Vorstandsmitglied Wasserfallen.<br />

Die durch sein Amt festgelegte Höchstgrenze von<br />

33‘500 Franken habe man nicht ausgeschöpft, weil<br />

die Mühle Hunziken nicht vergleichbar sei mit Institutionen<br />

wie dem Historischen Museum in Bern.<br />

Das ist ziemlich freundlich von Herrn Wasserfallen.<br />

Auch ich will sein Amt nicht mit dem Museum<br />

vergleichen. Mit den Prozenten habe ich auch keine<br />

Mühe, nicht weil sein Amt willkürlich und ohne gesetzliche<br />

Grundlage die 50 Prozent Höchstgrenze<br />

festlegte, nein – weil 40 Prozent der Beiträge entsprechend<br />

der Wichtigkeit der Mühle angemessen<br />

sind. Da bin ich mächtig stolz. Nur, die Mühle steht<br />

leider leider in der falschen Gemeinde.<br />

Stellt Euch vor, liebe RubigerInnen die Mühle<br />

stünde 5 km flussabwärts bei der alten Hunzikenbrücke.<br />

Du Schande. Trotzdem: 40 Prozent wären<br />

40 Prozent und in Muri ca. 200‘000 Franken. Fast<br />

so viel wie die Mokkasubvention. Oder halt nicht an<br />

der Aare dafür in Köniz. Da wären 40 Prozent fette<br />

415‘000. Oder wieder an der grünen Aare?<br />

In Bern kassierten wir Hunziker satte 8 Millionen.<br />

Für das Geld würde ein Abriss und Wiederaufbau<br />

drinliegen! Oder machen wir einen Überlegungsfehler?<br />

Herr Wasserfallen, würden in Bern nur 0,3125%<br />

Prozent bezahlt? 25‘000 Fr?<br />

Fragen wir uns lieber, was entspricht «entsprechend<br />

der Wichtigkeit der Kulturmühle» und was ist<br />

«angemessen». 25‘000 Fr. Unterstützung pro Jahr<br />

entspricht z. B. der Subvention für: gut sechs Wochen<br />

Cafe Mokka in Thun und in der Kultur Stadt<br />

Bern reicht das Geld für vier Wochen Progr Zentrum,<br />

vielleicht auch für zwei Wochen Dampfzentrale,<br />

zehn Tage Schlachthaus, keine zwei Tage Zentrum<br />

Paul Klee oder ziemlich genau zehn Stunden<br />

Stadttheater.<br />

«95‘966 Menschen haben 2005 das Stadttheater,<br />

das 22‘398‘000 Franken Subventionen ausweist,<br />

besucht; Eigenwirtschaftlichkeit 23,3 Prozent.<br />

Bei einem durchschnittlichen Eintrittspreis<br />

von 59 Franken wird jede besuchende Person also<br />

mit 233 Franken öffentlicher Gelder für ihre Liebhaberei<br />

belohnt.» (Peter J. Betts langjähriger Kultursekretär<br />

der Stadt Bern, im ensuite-kulturmagazin<br />

Dezember 2006.)<br />

Dreissig Jahre Mühle Hunziken. Eigenwirtschaftlichkeit<br />

100 Prozent. 110 Konzerte und ca. 25‘000<br />

Besucher pro Jahr. Neu, ev. ab 2008: 25‘000 Franken<br />

Subvention von der Regionalen Kulturkonferenz<br />

RKK Bern, d. h. 228 Franken oder genau ein<br />

Fünfliber weniger öffentliche Gelder pro Konzert als<br />

für eine gozeinzige Stadttheaterliebhaberin.<br />

Ich weiss, sich mit der Kultur Stadt Bern zu messen<br />

ist vermessen, «entsprechend der Wichtigkeit»<br />

der ignoranten, arroganten Platzanweisermentalität<br />

des RKK Präsidiums jedoch «angemessen».<br />

Ä gueti Zyt u bis bald<br />

Pesce<br />

www.muehlehunziken.ch<br />

PS: Wie sagte doch Friedrich Kuhn (1926-1972), von<br />

ihm ist unser Signet, die Palme: Kunscht isch umsunscht.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 7


LESERBRIEFE<br />

leserbrief@ensuite.ch<br />

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Thema «Arrogant und ignorant»<br />

Der Bund, 11. Januar 2007, Seite 23<br />

«E vive i mediocri !»<br />

«Es leben die Mittelmässigen !»<br />

(Salieri im Film «Amadeus»)<br />

■ Die Schweiz, das europäische Land ohne ästhetische<br />

Tradition, ist kunstfeindlich, Bern insbesondere.<br />

Wir haben zwar eine Städtische Abteilung<br />

für Kultur und sogar ein Bundesamt für Kultur;<br />

sehr gut möglich, dass es kein Land gibt, das mehr<br />

Geld für Kultur ausgibt als die Schweiz. Trotzdem<br />

— es geht nicht um die Höhe der Gelder, sondern<br />

darum, wer diese wem und wofür zuteilt. Bedauerlicherweise<br />

wird vorwiegend die Pflege des Mittelmasses<br />

und des Paris-Hilton-<strong>art</strong>ig-Modischen<br />

gefördert.<br />

Mühle Hunziken und Stadttheater Bern, ein<br />

Vergleich. Die Mühle Hunziken – abgelegen im<br />

Rubiger Niemandsland – hat seit dreissig Jahren<br />

ohne Subventionen und ohne Sponsoring Hunderte<br />

von Weltklassekonzerten im Bereich Jazz, Blues<br />

und Rock durchgeführt. Kaum ein Name der ganz<br />

Grossen fehlt. Gleichzeitig bot sie kleinen, lokalen<br />

Bands die Möglichkeit, sich zu präsentieren. «Wer<br />

nur von Musik etwas versteht, versteht auch von<br />

dieser nichts», erkannte bereits Kurt Weill, und so<br />

reichen Burkh<strong>art</strong>s Interesse und Verständnis weiter;<br />

auch Kaspar Fischer, Franz Hohler, Massimo<br />

Rocchi, die Geschwister Pfister und viele andere<br />

waren regelmässig in der Mühle zu Gast, bisweilen<br />

gab es Autorenlesungen.<br />

Ganz nebenbei war Burkh<strong>art</strong> als Mäzen tätig,<br />

bot verschiedenen Künstlern ein temporäres Zuhause<br />

und schuf rund um seine Mühle einen Skulpturenpark<br />

mit schrägen Fundstücken, aber auch<br />

Werken renommierter Künstler.<br />

Die Konzertplakate liess er von Georg Steinmann<br />

und Stephan Bundi gestalten. Letztere wurden<br />

international ausgezeichnet und vermittelten<br />

im Ausland den (leider falschen) Eindruck, Bern<br />

sei eine Kulturstadt und pflege die Plakatkunst.<br />

Apropos Plakatkunst — die Plakatausstellung des<br />

weltberühmten Günter Kieser im Kornhausforum<br />

wurde von Burkh<strong>art</strong> organisiert und finanziert.<br />

Kurz: da ist einer, der ohne Steuergelder effiziente<br />

und qualitativ hoch stehende Kulturförderung betreibt.<br />

Leserbriefe:<br />

■ Senden Sie uns Ihre Kommentare und Leserbriefe<br />

zum Kulturgeschehen in Bern oder auch<br />

Kritiken (es darf natürlich auch mal ein Lob sein...)<br />

an die ensuite-Redaktion. Wir wollen den Kulturdialog<br />

in Bern nicht nur fördern, sondern auch<br />

eine aktive Plattform für kulturelle Meinungen<br />

sein.<br />

Das Stadttheater Bern – in bester Lage – mit<br />

27 Mio. jährlich hoch subventioniert, betreibt Kulturbeamtentum.<br />

Während die Sp<strong>art</strong>e Oper unter<br />

Aviel Cahn insgesamt doch Überraschendes bietet,<br />

pflegt Chefdramaturg Kerber ideen- und phantasielos<br />

kulturelles Trittbrettfahren. Dass man die<br />

Geschwister Pfister nun auch im Musical sehen<br />

kann, nachdem sie seit zehn Jahren in der Mühle<br />

auftreten, ist zwar schön, braucht aber keinen Entdeckergeist.<br />

Auch der gross<strong>art</strong>ige Max Goldt las<br />

im Theater, nachdem er schon fast überall in Bern<br />

gelesen hatte. Wer es nicht verpasst hat, konnte in<br />

der Mühle Astor Piazzola live erleben, oder – Jahre<br />

später – als Tangomusical ohne Piazzola im Stadttheater<br />

absitzen. Die Kopie als Piazzolaverschnitt<br />

im subventionierten Theater zum etwa dreifachen<br />

Preis.<br />

Braucht es dafür ein Stadttheater? Wer als<br />

Lohnempfänger ohne wirtschaftliches Risiko ein<br />

Programm zusammenstellen darf, sollte einfallsreicher<br />

und mutiger sein, als bloss einen Bestseller<br />

(z. B. «Am Hang» oder die «Buddenbrooks») als<br />

mimisches Hörspiel zu präsentieren. Bereits seinen<br />

Einstand gab Kerber mit Shakespeares «Der<br />

Sturm»; die Premiere zur Hälfte mit Claqueuren<br />

bestückt (was der gescheite Bund-Kritiker Linsmayer<br />

natürlich ge- und vermerkt hat) half nicht,<br />

das pseudowilde Stück zu retten. Theater als missverstandene<br />

Performance-Theater-Kopie – nicht<br />

das Original, die Imitation wird gepflegt.<br />

Dabei fragt man sich, wieso Kerber, der in Zürich<br />

nicht Wiedergewählte, für Bern gut genug sein soll?<br />

Sein Nachfolger in der Zürcher Gessnerallee hatte<br />

bereits im ersten Jahr 50 Prozent mehr Besucher...<br />

Linke Politiker müssten Burkh<strong>art</strong> unterstützen,<br />

weil er mit niedrigen Preisen gross<strong>art</strong>ige Musiker<br />

präsentiert und künstlerisch begabte Einzelgänger<br />

fördert. Rechte Politiker müssten Burkh<strong>art</strong> unterstützen,<br />

weil er zeigt, dass Leistung zählt und dass<br />

es – zumindest bezüglich der Berner Kulturpolitik<br />

– mit weniger Staat besser gehen kann.<br />

16.1.07 F. Meschter, Münsingen<br />

Einsendungen an:<br />

leserbrief@ensuite.ch<br />

oder auf dem Postweg:<br />

ensuite - kulturmagazin<br />

Leserbriefe<br />

Sandrainstrasse 3<br />

3007 Bern<br />

Telefon: 031 318 6050<br />

8<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


veranstaltungen<br />

«The Kraut» Susanne Bard zum künstlerischen Höhepunkt<br />

ihrer bisherigen Karriere. Mit ihren charismatischen<br />

Gesten, ihrer enorm wandlungsfähigen<br />

Stimme und dem sensiblen und vitalen Gesang<br />

zeigt Susanne Bard eine Marlene Dietrich, deren<br />

Ausdruck fesselt.<br />

Das von Dirk Heidicke geschriebene Stück erforderte<br />

eine sehr intensive Recherchearbeit. Heidicke<br />

ist bei seinen Nachforschungen auf viele spannende<br />

Details gestossen, die ins Stück eingeflossen<br />

sind und dem Zuschauer viel bisher Unbekanntes<br />

über die Dietrich liefern. Susanne Bard sagte hierzu<br />

einmal in einem Interview, der Aufhänger des<br />

Stücks wäre die sensationelle (und authentische)<br />

Mutmassung Marlene Dietrichs, dass sie selbst womöglich<br />

als einziger Mensch auf Erden den Zweiten<br />

Weltkrieg hätte verhindern können.<br />

«The Kraut» verspricht, ein musikalisch hochwertiger<br />

Abend zu werden, den uns Susanne Bard<br />

als Marlene Dietrich bescheren wird. Wer den Mythos<br />

der berühmten Schauspielerin und Sängerin<br />

wieder in Erinnerung rufen, wer die Musik wieder<br />

aufleben lassen und darüber hinaus bisher Verschwiegenes<br />

erfahren möchte, sollte diesen Abend<br />

nicht verpassen. Und sollte das alles noch immer<br />

nicht reichen, so scheint doch sicherlich zu interessieren,<br />

in welcher Weise sich die Dietrich als mögliche<br />

Weltkriegbewahrerin gesehen hat.<br />

Buch: Dirk Heidike<br />

Marlene Dietrich: Susanne Bard<br />

Regie und Ausstattung: Klaus Noack<br />

Musikalische Leitung: Jens-Uwe Günther<br />

BÜHNE<br />

«der blaue engel»<br />

kommt nach bern…<br />

Von Belinda Meier (Bild: zVg.)<br />

■ «The Kraut», so nennt sich das Theaterstück<br />

über Marlene Dietrich – gespielt und verkörpert<br />

von Susanne Bard. «The Kraut»? Weshalb diese<br />

deutsch-englische Symbiose und was hat das<br />

Kraut denn überhaupt mit Marlene Dietrich zu<br />

tun? Ganz einfach: «The Kraut» ist der Spitzname,<br />

den Ernest Hemingway dem deutschen Weltstar<br />

Marlene Dietrich gab. Die beiden waren über dreissig<br />

Jahre miteinander befreundet. Und obwohl die<br />

Bezeichnung sonst als Schimpfwort galt, empfand<br />

Marlene Dietrich sie aus dem Munde Hemingways<br />

zeitlebens als Kompliment. Beide reisten in den<br />

Kriegsjahren mit der US-Armee und kämpften so<br />

jeweils auf ihre eigene Art und Weise gegen das<br />

Dritte Reich an.<br />

Das Konzert-Theaterstück «The Kraut» spielt<br />

im Jahre 1987 in Paris, genauer in der Avenue<br />

Montaigne Nr. 12. Der Weltstar Marlene Dietrich,<br />

freiwillig gefangen in der eigenen Wohnung und<br />

der eigenen Legende, plant seine Beerdigung. Sie<br />

wühlt in alten K<strong>art</strong>ons, die voller Leben stecken<br />

und zahlreiche Erinnerungen wachrufen. Indem<br />

Dietrich auf diese Weise über ein halbes Jahrhundert<br />

bewegten Lebens resümiert, steht das private<br />

Jetzt mit dem Glamour des Vergangenen in einer<br />

Wechselbeziehung. Gerade weil Marlene Dietrich<br />

auf der Bühne als Privatperson agiert und nicht als<br />

gefeierter Star, wie es in ihren Nachkriegs-Auftritten<br />

der Fall war, steckt «The Kraut» in inhaltlicher<br />

wie auch musikalischer Hinsicht voller Überraschungen.<br />

In der Rolle der Marlene Dietrich bietet uns<br />

Susanne Bard einen musikalischen Soloabend, der<br />

die Vielfalt ihrer musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten<br />

zur Entfaltung bringt.<br />

Das in Magdeburg produzierte Stück, welches<br />

verschiedene Gastspiele in Deutschland und eines<br />

davon auch in Bulgarien verbuchen konnte, wurde<br />

2004 in Bern zur Uraufführung gebracht. Weshalb<br />

nun das Stück nach drei Jahren wieder aufgenommen<br />

wurde, hat mit dem grossen Publikumserfolg<br />

von damals zu tun. Damit einhergehend verhalf<br />

Aufführung am 25.2. um 20:00 h im ONO<br />

(Tel. 031 312 73 10)<br />

Susanne Bard – Zu ihrer Person:<br />

Susanne Bard wurde am 17. März 1963 in Lübz/<br />

Mecklenburg geboren. Nach einer siebenjährigen<br />

Klavierausbildung absolvierte sie von 1982<br />

bis 1986 das Studium an der Theaterhochschule<br />

«Hans Otto» in Leipzig. Zwischen 1987 und<br />

1990 hatte sie verschiedenste Engagements an<br />

den Bühnen der Stadt Magdeburg, so etwa im<br />

Stück «Happy End» von Hauptmann/Brecht. In<br />

derselben Zeit erhielt sie weitere Hauptrollen<br />

in zahlreichen Hörspielproduktionen. Von 1990<br />

bis 2001 gehörte sie dem Ensemble der Freien<br />

Kammerspiele in Magdeburg an. Seit 2001 arbeitet<br />

sie nun als freischaffende Schauspielerin<br />

und hat dabei bereits zahlreiche Engagements<br />

verbuchen können, in denen sie die Hauptrolle<br />

besetzen durfte (z. B. als Elisabeth in «Glaube<br />

Liebe Hoffnung», als Celimene in «Der Menschenfeind»,<br />

als Antonia in «Offene Zweierbeziehung»,<br />

als Yerma im gleichnamigen Stück,<br />

als Mephisto in «Faust» sowie als die Kaiserin in<br />

«Die Europäer»). Nebst ihrer Schauspieltätigkeit<br />

auf der Bühne konnte man Susanne Bard bereits<br />

verschiedentlich auf der Leinwand sehen (z. B. in<br />

«Der Affe als Mensch» (1987), «Der Verdacht»<br />

(1988) und «Soko Leipzig» (2005)).<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 9


1 von 311 Haltestellen:<br />

Rossfeld.


veranstaltungen<br />

AUSBLICK BÜHNE<br />

Gastspiel des jungen theater basel im<br />

Schlachthaustheater<br />

Leonce und Lena<br />

Von Georg Büchner (schweizerdeutsche Fassung<br />

von Lukas Holliger)<br />

BÜHNE<br />

vaginas statt valentinsrosen<br />

Von Magdalena Nadolska – Der «V-Day Bern 2007», am 14. Februar im Tojo.<br />

■ Wie bereits 2005 findet der V-Day in Bern dieses<br />

Jahr wieder im Tojo statt. Zu hören und sehen<br />

gibt es ein Konzert, spoken word und eine Lesung<br />

der Vagina-Monologe. Ausserdem ist der Anlass<br />

eine Benefiz-Veranstaltung für das Berner Frauenhaus.<br />

Die amerikanische Autorin Eve Ensler hat anhand<br />

von Interviews mit rund 200 Frauen die<br />

Vagina-Monologe verfasst. Es waren Frauen unterschiedlichsten<br />

Alters, verschiedener Nationalitäten<br />

und sozialer Hintergründe. Ensler befragte<br />

sie über ihr Verhältnis zu ihrer Vagina. Die Beschreibungen<br />

reichen von einer Vergewaltigung<br />

in Bosnien über die ersten sexuellen Erfahrungen<br />

einer 13-Jährigen bis hin zu Erzählungen einer<br />

über siebzig Jahre alten Frau. Es zeigt sich, dass<br />

die weiblichen Geschlechtsteile aus Frauensicht<br />

noch immer eine ziemlich unbekannte Gegend mit<br />

unaussprechlichem Namen sind. Doch nur was einen<br />

Namen hat, existiert auch im Bewusstsein. Die<br />

Monologe enthalten überraschende, vergnügliche,<br />

schockierende, lustvolle, z<strong>art</strong>e und nachdenklich<br />

stimmende Texte und Berichte von «da unten».<br />

Rund um die Lesung der Monologe wuchs die<br />

politisch unabhängige V-Day-Bewegung. Das V in<br />

der Bezeichnung steht für Valentine, Vagina, Violence<br />

und Victory. Die Bewegung hat zum Ziel, die<br />

breite Öffentlichkeit weltweit mit der Tatsache zu<br />

konfrontieren, dass Gewalt an Frauen und Mädchen<br />

immer noch eine erschreckende Realität ist,<br />

welche nicht länger toleriert werden darf. Man<br />

möchte Mut zum Handeln machen, sowie Gelder<br />

für Projekte und Kampagnen zugunsten von<br />

Frauen in Not sammeln. Unter www.vday.org und<br />

www.vdayeurope.org gibt es mehr Informationen<br />

zu Gruppierungen und Projekten in diesem Zusammenhang.<br />

Um einen Einblick von der letztgenannten<br />

Homepage zu erhalten, die folgenden Zitate:<br />

We proclaim Valentine‘s Day as V Day, to celebrate<br />

women, vagina-friendly men, and end violence<br />

against women and girls. V Day is a fierce,<br />

wild, unstoppable movement and community.<br />

When the violence stops, women and girls will be:<br />

Allowed to be born in China, India and Korea<br />

Keeping their clitorises in Africa and Asia<br />

Enjoying sex<br />

Loving their bodies<br />

Running the world<br />

Der erste V-Day fand am 14. Februar 1998 in<br />

New York City statt und machte sogleich Furore.<br />

Seither ist der V-Day eine alljährliche Veranstaltung<br />

mit einer Lesung der Vagina-Monologe und<br />

wird in möglichst vielen Städten der Welt gleichzeitig<br />

abgehalten. Mit seiner Tradition entwirft dieser<br />

Tag die Vision einer Welt, in der Frauen Raum für<br />

sich und ihre Bedürfnisse haben und in Sicherheit<br />

leben können.<br />

Alle Teilnehmerinnen des «V-Day Bern 2007»<br />

im Tojo verzichten auf Gagen und Honorare. Die<br />

Einnahmen und Spendengelder gehen an das Berner<br />

Frauenhaus.<br />

Die Vagina-Monologe lesen unter anderem Patricia<br />

Bornhauser, welche im Tojo Theater zuletzt<br />

in «Anarchie in Bayern» vom Club 111 zu sehen war,<br />

Sylvia Garatti, die neben dem Schauspielen mit<br />

Vorliebe Jodel und Rock singt und Renate Müller<br />

– bekannt aus zahlreichen Hörspielen des Radios<br />

DRS. Von Betti Synclar, der Slammerin, Performance<br />

Poetin, Vocalistin und Minirockfetischistin<br />

gibt es spoken word. Weiter findet ein Konzert<br />

der Elvissisters (Stella Brunner und Sandra Künzi)<br />

statt und zum Abschluss wird DJane Not. H. from<br />

crash helmet das Tojo-Haus rocken.<br />

14. Februar, 20:30 h im Tojo<br />

Infos: www.tojo.ch oder 031 306 69 69<br />

(Bild: zVg.)<br />

■ «Leonce und Lena» ist eine märchenhaftkomödiantisches<br />

Lustspiel des genialen Dichters<br />

und Bühnenautors Georg Büchner. Er verstarb<br />

1837 im Alter von 24 Jahren in Zürich. Büchner<br />

erzählt in «Leonce und Lena» die Geschichte von<br />

Leonce, einem Königssohn, der von zu Hause abhaut,<br />

weil sein Vater ihn mit einer Unbekannten<br />

verheiraten will. Auf der «Flucht» trifft er Lena.<br />

Die beiden verlieben sich. Es stellt sich heraus,<br />

dass auch Lena vor einer Zwangsheirat flüchtete.<br />

Die sozialrevolutionären Ansichten Büchners<br />

schwingen auch in diesem Text unterschwellig<br />

mit, wenn auch in ihrer sanftesten Form - der Ironie.<br />

(mi)<br />

Nähere Informationen zur «Leonce und Lena»-<br />

Produktion des jungen theater basel finden sich<br />

im Artikel «Ein Büchner für Bern» in dieser Ausgabe<br />

von ensuite - kulturmagazin.<br />

Regie: Rafael Sanchez<br />

Mit: Mark Staehelin, Cécile Bauer, Edgar Eckert,<br />

Anna Fries und Hans Jürg Müller<br />

Aufführungsdaten: 15., 16. und 17. Februar um<br />

20:30 h.<br />

Stadttheater Bern<br />

Traumspiel<br />

Von August Strindberg<br />

■ In Strindbergs Traumspiel sind die Gesetze<br />

der Logik aufgehoben. Es entsteht auf der Bühne<br />

ein «traumähnlicher Bewusstseinszustand», in<br />

dem sich übernatürliche und zauberhafte Vorkommnisse<br />

zutragen. Aber die Traumspiel–<br />

Produktion des Stadttheaters handelt nicht nur<br />

von «Wundern», sondern ist selbst auch ein<br />

kleines «Wunder»: Erstmals stehen bei einer grossen<br />

Stadttheaterproduktion das Schauspiel- und<br />

Tanzensemble gemeinsam auf der Bühne. Regie<br />

führt übrigens der Starregisseur Linus Tunström.<br />

Unter anderem wurde er für seinen Kurzfilm «to<br />

be continued» am Filmfestival Cannes mit dem<br />

Kritikerpreis ausgezeichnet. (mi)<br />

Regie: Linus Tunström<br />

Mit: Schauspiel- und Tanzensemble des Stadttheater<br />

Bern<br />

Premiere: 6. Februar um 19:30 h.<br />

Weitere Spieldaten: www.stadttheaterbern.ch.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 11


veranstaltungen<br />

BÜHNE<br />

ein büchner für bern<br />

(Bild: zVg.)<br />

Von Michael Imoberdorf - Das junge theater basel spielt im Schlachthaustheater Bern Georg Büchners «Leonce und Lena»<br />

■ Ähnlich grotesk wie uns heute beispielsweise<br />

der Gedanke erscheint, dass Florian Asts «Daneli»<br />

irgendwann in die Kirchengesangbücher aufgenommen<br />

werden könnte, erschien wohl den meisten<br />

Menschen um 1830 der Gedanke, dass die Texte des<br />

blutjungen literarischen Delinquenten Büchner einst<br />

in den Kanon klassischer Literatur aufgenommen<br />

werden sollten. Ob Ast es mit seiner Musik je in die<br />

Kirchengesangbücher schaffen wird, sei dahingestellt.<br />

Fakt ist, dass das literarische Werk Büchners,<br />

trotz der ablehnenden Haltung seiner Zeitgenossen,<br />

heute einen festen Bestandteil der deutschen Literatur-<br />

und Dramengeschichte darstellt. Die Texte des<br />

politischen und literarischen Rebellen Büchner, die<br />

in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Leserschaft<br />

provozierten, zählen heute zu den Klassikern<br />

der deutschen Literatur. Das Werk des «enfant terrible»<br />

Büchner wirkt aber heute auf Leser eher schöngeistig<br />

denn provokativ.<br />

Das junge theater basel zeigt vom 15. bis zum<br />

17. Februar 2007 im Schlachthaustheater Bern<br />

seine Les<strong>art</strong> von Büchners Lustspiel «Leonce und<br />

Lena». Regisseur Rafael Sanchez und Dramaturg<br />

Uwe Heinrich versuchten das «Skandalon» des<br />

Dramas «freizuschaufeln», d. h. jene Komponenten<br />

herauszuarbeiten, die den Text für Büchners Zeitgenossen<br />

so unmöglich und «ab<strong>art</strong>ig» machten.<br />

In der Auseinandersetzung mit dem Text stiessen<br />

sie auf die Unzufriedenheit, Wut und Verzweiflung<br />

eines jungen Autors, der seine Gefühle mit einer<br />

zünftigen Portion Zynismus literarisch verarbeitete.<br />

Die Inszenierung des jungen theater basel versucht<br />

die Büchnersche Wut dynamisch umzusetzen.<br />

Das Resultat ist (endlich wieder einmal) eine<br />

kurzweilige Produktion von «Leonce und Lena».<br />

Das junge theater basel existiert seit dreissig<br />

Jahren. Während der ersten zwanzig Jahre wurden<br />

verschiedene theatrale Stilrichtungen erprobt. Vor<br />

rund zehn Jahren endete der «(theater)stilistische<br />

Evolutionsprozess» in einem eigenen und einzig<strong>art</strong>igen<br />

Theaterstil. Es ist ein sehr rhythmischer<br />

Stil, der mit musikalischen und tänzerischen Elementen<br />

arbeitet. Die Produktionen wirken somit<br />

sehr frisch, jugendlich und «unverbraucht». Die<br />

an sich schon dynamische Les<strong>art</strong> von Leonce und<br />

Lena wird durch die Spielpraxis des jungen theater<br />

basel zusätzlich intensiviert. So entsteht eine für<br />

das «handlungsarme» Drama «Leonce und Lena»<br />

ungewohnt hohe Bühnendynamik.<br />

Trotz der Bühnendynamik wirkt das Stück aber<br />

nicht hektisch - die Schauspieler nicht überdreht.<br />

Regisseur Rafael Sanchez versteht es, in dynamischen<br />

Passagen Fahrt aufzunehmen und den<br />

Schwung in die längeren Textblöcke hineinzutra-<br />

gen, in denen sich das Tempo allmählich verflüchtigt.<br />

Es entsteht so ein kurzweiliger und kraftvoller<br />

Theaterabend, dessen Herausforderung nicht<br />

(primär) auf der intellektuellen Ebene liegt, der<br />

aber überraschende Analogien zwischen «historischen»<br />

und «aktuellen» Lebensgefühlen aufzeigt.<br />

Wie alle Produktionen des jungen theater basel<br />

wird auch «Leonce und Lena» auf schweizerdeutsch<br />

gespielt. Der Schriftsteller Lukas Holliger<br />

übersetzte im Auftrag des jungen theater basel das<br />

Stück aus einer distanzierten Autorenperspektive<br />

heraus in ein zeitgemässes Schweizerdeutsch. Dabei<br />

bewies er viel Fingerspitzengefühl: Er schafft<br />

es, viele «Bilder» von Büchner ins Schweizerdeutsche<br />

«herüberzuretten», ersetzt aber auch unzeitgemässe<br />

«Bilder» durch neue.<br />

Spieldaten und Informationen zum Stück: Ausblick<br />

Bühne in dieser Ausgabe von ensuite - kulturmagazin<br />

oder<br />

www.schlachthaus.ch<br />

Informationen zu Theaterkursen und Aufführungen<br />

des jungen theater basel:<br />

www.jungestheaterbasel.ch<br />

12<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


veranstaltungen<br />

BÜHNE<br />

abrasso - eine umarmung in bern<br />

Von Manuel Rytz - selber ein Mitspieler von Company Perron 2 (Bild: zVg.)<br />

■ Die Company Perron 2 mit Ahtiv Chanlen und<br />

Manuel Rytz zeigt während zwei Wochen ihr Erstlingswerk<br />

«abrasso» im Theater am Käfigturm. Das<br />

bilderreiche Theaterstück geht voller Poesie den<br />

Weg zwischen Tragik und Komik, lässt Kleinigkeiten<br />

gross erscheinen und berührt durch seine Herzlichkeit.<br />

Eine Umarmung ist eine verbindende und positive<br />

Kraft. «abrasso» verbindet die Schauspieler<br />

auf der Bühne mit sich und dem Raum, der Situation<br />

und dem Publikum. In dieser Verbundenheit entsteht<br />

«abrasso» jeden Abend aufs Neue, mal wunderbar<br />

komisch, dann wieder tragisch berührend.<br />

Eine Umarmung entsteht im Moment. Aus<br />

einem Bedürfnis nach menschlicher Nähe, und<br />

bleibt trotz eines scheinbaren Einander-Fassen oft<br />

unfassbar. Die Suche nach genau diesem Moment,<br />

das Finden des Gerade-Jetzt, hat uns von Anfang<br />

an begleitet. Mit einer Tür auf dem Autodach sind<br />

wir ins sonnige Tessin gefahren, haben in einer<br />

Turnhalle geprobt und sind immer wieder durch<br />

unsere Tür eingetreten. Und dann - Dasein, gerade<br />

jetzt. So, dass sich der Weg von selbst offenb<strong>art</strong>,<br />

das Stück aus dem Moment heraus entsteht, weiterwachsen<br />

kann. Ideen eintreten lassen und auch<br />

wieder verabschieden können. Was nicht immer<br />

so leicht war. Zu gerne hielten wir an Gefundenem<br />

fest und wollten sofort fertigbauen, was noch Skizze<br />

sein durfte. In Zusammenarbeit mit dem legendären<br />

Regisseur und Theatermann Pierre Byland<br />

entwickelten wir daher neben unserem eigenen<br />

Stil und dem Stück auch diese Offenheit. Verrückte<br />

Ideen sind entstanden, einige geblieben und viele<br />

wieder vergangen. Fast wäre es ein Wasserstück<br />

geworden, vom tropfenden Wasserhahn bis zur<br />

sintflut<strong>art</strong>igen Überschwemmung gesteigert. Hätte<br />

auch Spass gemacht, trotz des Umstands einer<br />

einzigen Aufführung. Schliesslich braucht es konsequenterweise<br />

nach jeder Sintflut einen Neuanfang.<br />

Irgendwann kam die Musik durch die Tür, oder<br />

hat durch das brasilianische Kinderlied «abraço»<br />

einfach ihren Fuss in die Tür gehalten. Dass meine<br />

Freude am Cello nach jahrelanger Abwesenheit<br />

wieder erwachte, ist ebenfalls dieser Produktion zu<br />

verdanken.<br />

Eine Umarmung als Leitmotiv. Entgegen der<br />

Tendenz vieler Produktionen, mit schnellen und<br />

multimedialen Szenen zu arbeiten, gingen wir genau<br />

in die andere Richtung. Umarmung braucht<br />

Zeit, darf sich Zeit nehmen. Komik braucht Zeit,<br />

darf sich Zeit nehmen. Poesie braucht Zeit, hat eine<br />

andere Zeit. Indem wir uns Raum und Zeit liessen,<br />

wurde die Wichtigkeit des Alltäglichen immer grösser.<br />

Unscheinbares und Nebensächliches rückte<br />

plötzlich in den Mittelpunkt des Geschehens. Das<br />

schlichte Bühnenbild mit der weissen, freistehenden<br />

Tür, die wenigen Requisiten, der Umgang der<br />

beiden Männer und ihre Rituale. Eine neue Intensität<br />

entstand.<br />

Die folgenden Probewochen waren erfüllt von<br />

Spiellust und Entdeckungsfreude. Mit dem Auftrag,<br />

die Umarmung als Element so oft wie möglich<br />

einzubauen, ist «abrasso» mehr und mehr zu dem<br />

geworden, was es heute ist. Ein berührend komisches<br />

Stück voller Herzlichkeit. In dieser positiven<br />

Stimmung sind uns Sachen in den Schoss gefallen,<br />

die nie planbar gewesen wären. Noch jetzt erfüllt<br />

es mich mit Freude, Abend für Abend diese kleinen<br />

Goldstücke zum Glänzen zu bringen und so dem Publikum<br />

ein Strahlen davon zu schenken.<br />

Seit der Uraufführung im Teatro Dimitri in<br />

Verscio im März 2006 hat sich «abrasso» ständig<br />

weiterentwickelt. Immer noch vermag es uns zu<br />

überraschen und begleitet durch den Alltag. Sei es<br />

durch eine Umarmung oder durch die stille Freude<br />

an all den kleinen, wunderbaren Alltäglichkeiten,<br />

die sich plötzlich offenbaren. Schön, wenn uns<br />

Feedbacks von Leuten erreichen, die nach einem<br />

halben Jahr plötzlich am Strand von Sardinien «abrasso»<br />

summen oder trotz Zeitdruck schmunzelnd<br />

mit einem abgefallenen Türgriff vor geschlossener<br />

Haustür stehen. «abrasso» scheint gerade durch<br />

seine poetische Einfachheit und Schlichtheit den<br />

Menschen zu begegnen. Da, wo sie gerade sind.<br />

Aufführungen:<br />

8./9./10. und 15./16./17. Februar<br />

Theater am Käfigturm, 20:00 h<br />

Reservationen: Telefon 031 311 61 00<br />

www.company-perron2.ch<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 13


literatur<br />

«Ich lebe ganz fatalistisch von Tag zu Tag.»<br />

Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen...<br />

Befindlichkeiten von Ewigadoleszenten<br />

Tanja Kummer: Platzen vor Glück. Kurzgeschichten.<br />

Mission: Impossible<br />

Alex Popov: Mission: London. Roman.<br />

■ Akribisch dokumentiert Klemperer, von 1920<br />

bis 1935 ordentlicher Professor für Romanistik an<br />

der Technischen Hochschule Dresden, die über die<br />

Monate und Jahre zunehmende Ausgrenzung der<br />

Juden in Deutschland. Er selbst, 1912 zum protestantischen<br />

Glauben konvertiert und mit einer Nichtjüdin<br />

verheiratet, repräsentiert die Schicht jener<br />

assimilerten jüdischer Intellektueller, welche sich<br />

als Aktivdienstler im Ersten Weltkrieg nicht mehr so<br />

sehr über ihre jüdische Herkunft definierten, sondern<br />

sich voll und ganz als Deutsche fühlten.<br />

Umso tiefgreifender mussten sie ihre Entmachtung<br />

erleben. Viele von ihnen zogen es vor, ins nahe<br />

und ferne Ausland zu emigrieren. Nicht so Klemperer.<br />

Er verblieb in Nazi-Deutschland, auch nachdem<br />

er 1935 gezwungen worden war, sein Amt an der TH<br />

niederzulegen. In der nachfolgenden Zeit konzentrierte<br />

er sich auf sein Werk «Die Geschichte der<br />

französischen Literatur im 18. Jahrhundert», solange<br />

bis es ihm als Juden verunmöglicht wurde, eine<br />

Bibliothek zu betreten oder Abonnent einer Zeitung<br />

oder Zeitschrift zu sein. Seiner wissenschaftlichen<br />

Tätigkeit gänzlich beraubt widmete er sich seinen<br />

Tagebucheinträgen, die den Grundstein für sein<br />

Werk «Lingua Tertii Imperii» legten, und begann<br />

1938 die Arbeit an seiner «Vita». 1940 mussten<br />

die Klemperers ihr geliebtes Haus in Dresden-Dölzschen<br />

verlassen und fortan in sogenannten «Judenhäusern»<br />

auf sehr beengtem Raum leben. Die<br />

Nacht vom 13. auf den 14. Februar, welche Dresden<br />

in Schutt und Asche legte, rettete das Ehepaar vor<br />

der drohenden Deportation.<br />

Die Tagebücher Victor Klemperers gelten bislang<br />

als eines der wichtigsten zeitgeschichtlichen<br />

Dokumente und gehören seit ihrem Erscheinen<br />

im Aufbau-Verlag 1996 zum Standardwerk für den<br />

gymnasialen Geschichts- und Deutschunterricht.<br />

Wenn wundert‘s, denn die beklemmenden Einträge<br />

ermöglichen es auch dem heutigen Leser, jene Zeit<br />

aus der Perspektive eines Verfolgten, jedoch nicht<br />

Gebrochenen, zu erleben. (sw)<br />

Klemperer, Victor: Ich will Zeugnis ablegen bis<br />

zum letzten. Tagebücher 1933-1945. Eine Auswahl.<br />

Erschienen in der Spiegel-Edition, Bd 23. Spiegel-<br />

Verlag Rudolf Augstein. Hamburg 2007. ISBN-10:<br />

3-87763-023-5.<br />

Mehr zur Spiegel-Edition, die vom 14. August<br />

2006 bis zum 14. Mai 2007 erscheint, unter<br />

www.spiegel-edition.de.<br />

■ Tanja Kummer, welche bisher mit den Lyrikbänden<br />

«vermutlich vollmond» und «unverbindlich»<br />

vor allem als Lyrikerin von sich reden machte, debütierte<br />

im Frühling letzten Jahres mit ihrem Kurzgeschichtenband<br />

«Platzen vor Glück».<br />

Die insgesamt 28 Kurzgeschichten, die grösstenteils<br />

nur wenige Seiten umfassen, erscheinen als<br />

Momentaufnahmen, ähnlich einer Fotografie oder<br />

eines Kurzfilms. Dies erklärt sich möglicherweise<br />

durch die berufliche Tätigkeit der Autorin, zunächst<br />

als Produzentin beim Musiksender VIVA, heute als<br />

TV-Redakteurin beim Schweizer Fernsehen.<br />

Wenn auch das vorliegende Buch nun der Prosa<br />

zuzurechnen ist, scheint die Sprache nach wie<br />

vor stark von der Lyrik beeinflusst zu sein. Dem<br />

souveränen Umgang mit der Sprache jedoch ist<br />

es insbesondere zu verdanken, dass die Geschichten<br />

nicht gänzlich in der Banalität versinken. Denn<br />

obwohl mit «Meine Generation» eine Sittenbild der<br />

heute 30-Jährigen mehr als gelungen ist – «Meine<br />

Generation ist an einem Morgen über sich selber<br />

erschrocken: Sie dreht im Badezimmer das Radio<br />

an und hört sich DRS 1 anstelle von DRS 3 an, auch<br />

wenn sie weiss, dass sie DRS 3 hören müsste, weil<br />

man das so macht, wenn man jung ist, schafft sie<br />

es kaum mehr, den Sender zu wechseln.» (S. 21) -<br />

sind «HastHast» oder «Keine Zeit» möglicherweise<br />

als längere Gedichte interessant, geeignet auch als<br />

Beitrag an einem Poetry Slam, als Kurzgeschichten<br />

aber vermögen sie wenig zu überzeugen.<br />

Wenn auch der zuweilen sprunghafte Stil der<br />

Autorin, welcher immer wieder von einzelnen Wortwiederholungen<br />

durchbrochen wird, Ausdruck des<br />

heutigen Zeitgeists sein mag, erschwert er das<br />

Eintauchen in eine Erzählung. Hinzu kommt, dass<br />

die meisten Figuren sich irgendwie ähneln, allein<br />

in einer hübschen Wohnung in der Stadt wohnen,<br />

eine Katze besitzen, verlassen werden oder selbst<br />

verlassen und ab und zu sogar in andere Leben abtauchen.<br />

Dennoch ist der Band durchaus lesenswert und<br />

lässt auf Weiteres hoffen, insbesondere seit wir<br />

wissen, dass Tanja Kummer nun an einem Roman<br />

arbeitet. (sw)<br />

Kummer, Tanja: Platzen vor Glück. Kurzgeschichten.<br />

Zytglogge Verlag. Oberhofen am Thunersee 2006.<br />

ISBN 3-7296-0708-1.<br />

■ Bei der beschriebenen Mission handelt es sich<br />

nicht etwa um eine christliche, sondern um die bulgarische<br />

Botschaft in London, in welcher der neue<br />

Botschafter Varadin Dimitrov bei seinem überraschenden<br />

Stellenantritt auf geradezu desolate Zustände<br />

trifft. So auf einen verkaterten bulgarischen<br />

Bürgermeister und einen mürrischen Koch, zu dessen<br />

geheimen Machenschaften mit der Russen-Mafia<br />

das Einlagern von gekidnappten und getöteten<br />

Enten in der Kühltruhe der Botschaft gehört. Dummerweise<br />

ist ein Teil der Enten mit einem Mikrochip<br />

markiert, was nebst dem Parkwächter auch Scotland<br />

Yard auf den Plan ruft, welcher jedoch glücklicherweise<br />

mit einem haarsträubenden Manöver in<br />

die Irre geführt werden kann.<br />

Dies sind nur die ersten Hürden, die der neue<br />

Repräsentant Bulgariens in der westlichen Welt zu<br />

nehmen hat. Alsbald stellt sich heraus, dass es ihm<br />

wenig hilft, dass Bulgarien zwar mit der Erfindung<br />

des WCs eine herausragende Kulturleistung erbracht<br />

hat, er selbst aber offenbar nicht imstande<br />

ist, seinen Vorgänger zu einer Rückkehr in die ungeliebte<br />

Heimat zu bewegen.<br />

Dann gibt es da auch noch Frau Seljanova, verheiratet<br />

mit einem nicht weiter in Erscheinung tretenden<br />

bulgarischen Potentaten, die sich in den<br />

Kopf gesetzt hat, eine Wohltätigkeitsveranstaltung<br />

zugunsten bulgarischer Waisenkinder zu organisieren<br />

beziehungsweise durch Dimitrov organisieren<br />

zu lassen, an der niemand Geringeres als die Queen<br />

erscheinen soll. Und mit Hilfe der Agentur «Famous<br />

Connections» gelingt dem Botschafter vielleicht<br />

sogar das scheinbar Unmögliche. Denn nebst vieler<br />

anderer Prominenz findet zumindest der Geist Lady<br />

Dianas in Gestalt der Studentin und Putzfrau Katja<br />

so etwas wie eine Wiedergeburt.<br />

Der 1966 geborene Sprachwissenschaftler Alex<br />

Popov legt nach sechs Erzählbänden mit «Mission:<br />

London» nun seinen ersten Roman vor. Mit diesem<br />

rasanten Debüt ist ihm ein postkommunistischer<br />

Roadmovie gelungen, situiert in einer urwestlichen<br />

Metropole, dessen Leichtigkeit zuweilen den bitteren<br />

Ernst des Erzählten vergessen macht. (sw)<br />

Popov, Alex: Mission: London. Roman. Aus dem<br />

Bulgarischen von Alexander Sitzmann. Residenz<br />

Verlag. St Pölten – Salzburg 2006. ISBN-10 3-7017-<br />

1457-6.<br />

14<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


Bild: Paul Klee<br />

(Elfenau) Vor-Frühling, 1898<br />

Bleistift auf Papier auf K<strong>art</strong>on<br />

8,5 x 12,7 cm<br />

Zentrum Paul Klee, Bern, Leihgabe aus Privatbesitz<br />

literatur<br />

LITERATUR<br />

aus dem leben eines einsamen flaneurs<br />

Von Monique Meyer<br />

■ Just zur Eröffnung der Ausstellung «Robert<br />

Walser zu Gast bei Paul Klee» hüllt sich ihre Beherbergung,<br />

das Zentrum Paul Klee, sowie die Umgebung<br />

in eine weisse Pracht. Es schneit leise, die<br />

Sonne schimmert fahl durch die Schneewolken,<br />

die winterliche Stille bringt uns dem Schriftsteller<br />

(1878-1956), zu dessen 50. Todestag die Ausstellung<br />

eingerichtet wurde, vielleicht ein Stück näher.<br />

Walser setzte sich zeit seines Lebens mit dem Element<br />

Schnee, der «weissen Beschwerde», auseinander,<br />

in Prosastücken, in Gedichten oder einfach<br />

in Gedanken, die ihn während seiner zahllosen<br />

Spaziergänge in der Natur prägten. So ist es auch<br />

bezeichnend, dass er auf einem Winterspaziergang<br />

im Schnee verstarb.<br />

Die von Bernhard Echte, dem ehemaligen Leiter<br />

des Robert Walser-Archivs, initiierte und konzipierte<br />

und von Heinz Kriesi gestaltete Ausstellung<br />

– nach Stationen in Frankfurt, Berlin und Prag nun<br />

hier in Bern – versucht, das Werk und Leben des<br />

Dichters auf kleinem Raum einzufangen und dem<br />

Besucher auf anschauliche Weise zu vermitteln.<br />

Bemerkenswert erscheint, dass die Ausstellung<br />

dem Ruf einer allzu textlastigen Literaturausstellung<br />

ganz und gar nicht entspricht. Denn nur in Vitrinen<br />

präsentierte Archivdokumente würden dem<br />

Wesen Walsers bestimmt nicht gerecht werden. So<br />

inszeniert die Ausstellung in dem zur Verfügung<br />

stehenden Raum fünf kleine Räume, in denen Bedeutendes<br />

aus Walsers Leben und Werk präsentiert<br />

wird.<br />

Der Parcours durch Walsers Kosmos führt den<br />

Besucher zuerst in ein Kontor. Dieses Leben eines<br />

«Commis», welches er selbst bis zum 27. Lebensjahr<br />

in Banken und Versicherungen kennenlernte,<br />

hat er in seinem literarischen Schaffen verarbeitet<br />

und das «Gehülfen»-Dasein als Topos in der Literatur<br />

manifestiert. Als Reminiszenz zu Walsers<br />

lange gehegtem Wunsch, selbst Schauspieler zu<br />

werden, wird der Besucher in ein kleines Theater<br />

geleitet. Die Installation vermag hier jedoch nicht<br />

viel mehr als die Kulisse zu vermitteln. Weiter kann<br />

eine eingerichtete Mansarde betreten werden,<br />

die zeigt, wie Walser während vieler Jahre einsam<br />

und in armen Verhältnissen lebte. Wie er von<br />

Stadt zu Stadt zog – u. a. Biel, Stuttg<strong>art</strong>, Zürich,<br />

Berlin, Bern –, so wohnte er immer nur in kleinen<br />

Schnee<br />

Es schneit, es schneit, bedeckt die Erde<br />

mit weisser Beschwerde, so weit, so weit.<br />

Es taumelt so weh hinunter vom Himmel<br />

das Flockengewimmel, der Schnee, der Schnee.<br />

Das gibt dir, ach, eine Ruh‘, eine Weite,<br />

die weissverschneite Welt macht mich schwach.<br />

So dass erst klein, dann gross mein Sehnen<br />

sich drängt zu Tränen in mich hinein.<br />

(Robert Walser, Juni 1900 in «Die Insel»)<br />

Dachstuben, in denen aber ein Grossteil seines literarischen<br />

Werkes entstand ist. Im Zentrum der<br />

Ausstellung befindet sich ein kleines Kabinett<br />

– eine «Schatzkiste» –, wo in Vitrinen ausgestellte<br />

Briefe, Mikrogramme und Manuskripte betrachtet<br />

werden können. Wie Walser die letzten zwei Jahrzehnte<br />

seines Lebens verbrachte, nämlich in psychiatrischen<br />

Kliniken, wird uns in einem Raum, der<br />

nicht betreten werden kann, vor Augen geführt.<br />

Nur durch Spiegelungen erhalten wir Einblick, die<br />

gebrochenen Bilder lassen uns seiner Rätselhaftigkeit<br />

gewahr werden.<br />

An zwei Wänden wird anhand von einigen Bildern<br />

der Bezug Walsers zu Paul Klee geschaffen.<br />

Obwohl Walser und Klee Zeitgenossen waren und<br />

einige Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden<br />

können, sind sich die beiden vermutlich nie begegnet.<br />

Berührungspunkte bilden dennoch zum einen<br />

die Sprache, die sich bei Klee in Gelegenheitsdichtungen<br />

und vor allem in aussergewöhnlichen Bildtiteln<br />

und Bildinhalten mit Sprachzeichen erkennen<br />

lässt. Zum andern begeisterte sich auch Klee für<br />

die Natur, in welcher er als passionierter Flaneur<br />

herumstreifte und wie Walser den unbeachteten<br />

Dingen und Menschen besondere Aufmerksamkeit<br />

schenkte, um dann diese Beobachtungen in Bildern<br />

zu verarbeiten. Beide entnehmen der Realität<br />

Versatzstücke und fügen sie zu einer neuen Welt<br />

zusammen.<br />

Walsers rastloses Wesen drückt sich in seinem<br />

ständigen Aufbrechen und Umherziehen, aber auch<br />

in seinen Spaziergängen deutlich aus. Das unentwegte<br />

Flanieren durch Natur, Metropole und Kleinstadt<br />

brauchte er notwendigerweise, um durch genaues<br />

Beobachten und Empfinden sich in der Welt<br />

der Flüchtigkeit zurechtzufinden und seine Werke<br />

entstehen zu lassen: «Ohne Spazieren wäre ich<br />

tot, und mein Beruf, den ich leidenschaftlich liebe,<br />

wäre vernichtet.» Dieser Eigenschaft wird die Ausstellung<br />

besonders gerecht, der Besucher befindet<br />

sich nämlich gleichsam auf einem Spaziergang<br />

zwischen Bäumen und Bänken, Textsäulen und Vitrinen<br />

mit wunderbaren Dokumenten. Schliesslich<br />

wird auf dem Ausstellungsspaziergang das Motiv<br />

des Schnees in inspirierender Weise in Form von<br />

«Textschnee» aufgenommen. Die kleinen, überall<br />

verstreuten mit prägnanten Walser-Zitaten beschriebenen<br />

Zettelchen dürfen aufgehoben und<br />

sogar mitgenommen werden, sollen dem Besucher<br />

ein Stückchen Walser mit auf dem Weg geben und<br />

zu eigener Lektüre anregen.<br />

Robert Walser zu Gast bei Paul Klee<br />

Ausstellung zum 50. Todestag von Robert Walser<br />

(1878-1956); Zentrum Paul Klee, Forum<br />

Bis Sonntag, 25. Februar<br />

Genaue Infos: www.zkp.org<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 15


musik<br />

KLASSIK<br />

chorwerk von hohem ethos<br />

Von Hanspeter Renggli - Musikfestival Bern / Veress 07 (Bild: zVg.)<br />

■ Am ersten März-Wochenende steht in Bern<br />

das musikalische Geschehen wiederum ganz im<br />

Zeichen des Komponisten Sándor Veress. Das Berner<br />

Symphonie-Orchester führt unter der Leitung<br />

des Chefdirigenten Andrey Boreyko im 3. Symphoniekonzert<br />

des Blauen Abonnements am 1. und 2.<br />

März u. a. Ballettmusiken von Veress’ namhaften<br />

Lehrern Béla B<strong>art</strong>ók und Zoltán Kodály auf. Im<br />

zweiten Teil erklingen zwei Werke von Veress, eine<br />

grosse Orchesterklage zum Tode des in den USA<br />

1945 verstorbenen Lehrers und künstlerischen<br />

Übervaters Bártok sowie ein bedeutendes Chorwerk.<br />

Veress’ «Psalmus» nach einem Text des<br />

Kirchenlehrers Augustinus, der gleichermassen<br />

den Abschluss und die Krönung des Programms<br />

des Symphonie-Orchesters bilden wird, schrieb<br />

Veress 1943 und 1944 während des Krieges und<br />

vollendete es kurz vor dem Einmarsch der Nationalsozialisten<br />

in Ungarn. Der Komponist spricht<br />

an seine Landsleute, die zwischen Opposition und<br />

Duldung einer faschistischen Zukunft schwankten,<br />

eine zwar verschlüsselte aber unmissverständliche<br />

Warnung aus: noch ist es Zeit, den zwar unbequemen<br />

aber rechten Weg zu gehen. Sie wurde leider<br />

nicht gehört. Das Werk ist ein Schlüsselwerk für<br />

Veress’ humanes Engagement, für seinen «unglaublichen<br />

Ethos», wie bereits der Schüler Ligeti<br />

vermerkt hatte. Zu einem spezifisch Ereignis wird<br />

das Konzert nicht allein dadurch, dass das Werk in<br />

Bern kaum erklungen ist, insbesondere auch durch<br />

die Mitwirkung des Chors der Ehemaligen und des<br />

Kammerchors Gymnasium Neufeld.<br />

Intermezzo I: Zwangsunterricht Sándor Veress,<br />

dessen Musik, die Musik seiner Lehrer, seiner<br />

Schüler und seiner «Enkelschüler» im Zentrum<br />

des ersten Musikfestivals Bern stehen und somit<br />

die Musik eines ganzen Jahrhunderts und ihren<br />

faszinierenden Weg eröffnen, war in erster Linie<br />

Lehrer. Am Berner Konservatorium unterrichtete<br />

er Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition.<br />

Zugleich übernahm er den Unterricht in allgemeiner<br />

Musikpädagogik, mit der er ein neues ständiges<br />

Lehrfach und zugleich eine vergleichende Kulturgeschichte<br />

anbot. Aber der Unterricht des Pädagogen<br />

mit Leib und Seele liess dem Komponisten zugleich<br />

kaum Musse zum kreativen Arbeiten.<br />

Am 13. April 1961 schrieb Veress an den<br />

deutschen Musikwissenschaftler und Pädagogen<br />

Erich Doflein, mit dem er zahlreiche geistesverwandte<br />

Züge teilte: «Wie immer, befinde ich mich<br />

in grosser Zeitnot. Zwar bin ich seit Weihnachten<br />

auf Urlaub, aber anfangs Mai muss ich mit dem<br />

Unterricht wieder beginnen. Ich musste dieses Opfer<br />

auf mich nehmen (hier bekommt man keinen<br />

bezahlten Urlaub, wenn man künstlerisch arbeiten<br />

will, nur wenn man vor Krankheit stirbt), weil, sonst<br />

hätte ich nicht komponieren können. Ich arbeite seit<br />

Monaten an zwei neuen Werken ... aber beide Werke<br />

sind noch nicht fertig und ich arbeite fieberhaft, um<br />

noch wenigstens das letztere Stück unter Dach zu<br />

bringen, bevor das Damokles-Schwert des Zwangsunterrichts<br />

meinen Komponisten-Kopf wieder zerschmettert.»<br />

Fingerspässe In Wirklichkeit lassen sich Unterrichten<br />

und Komponieren bei Veress nicht trennen.<br />

Dies demonstrieren am 2. und 3. März Schüler und<br />

Lehrer der Klavierklassen der Musikschule Konservatorium<br />

Bern in zwei einstündigen Konzerten. Sie<br />

präsentieren einen bunten Strauss an ungarischer<br />

Klaviermusik, hinter dessen Vorbereitung viel Engagement<br />

und Geduld steckt. Dass alle Kultur im<br />

Spiel ihren Ursprung hat, darüber bestand für<br />

Veress kein Zweifel. Aufgrund dieser Überzeugung<br />

schuf er beispielsweise auch die «Fingerlarks», 88<br />

kleine Klavierstücke, in denen aus dem Spiel mit<br />

den Tönen, resp. den Fingern eine eigene Sprache<br />

entsteht. Im Titel «Fingerlarks» steckt ein Wortspiel.<br />

Es bedeutet einerseits Spiele, Spässe oder<br />

Streiche mit den Fingern. «Larks» heisst aber auch<br />

Lerchen. Das Wort «fingerlarks» spielt zugleich auf<br />

die schnellen Schwanzbewegungen der Lerche an,<br />

die diese zum Fliegen braucht wie der Mensch die<br />

Fingerbewegungen zum Klavierspiel, das, wenn es<br />

gekonnt und überlegt ist, manchen Spass bereitet,<br />

das aber, wenn denn die Finger nicht wollen, dem<br />

Spieler oder der Spielerin den einen oder andern<br />

Streich spielen.<br />

Intermezzo II: Tieftraurige Augen Wer einmal<br />

in Veress’ Unterricht gesessen hat, für den oder<br />

die hat sich jene einzig<strong>art</strong>ige Atmosphäre für alle<br />

16<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


Zeiten eingeprägt. Veress war weder ein Mensch<br />

der Kathedershow noch ein multimedialer Entertainer.<br />

Heinz Holliger hat seine Eindrücke treffend<br />

und wohl für alle Schüler gültig formuliert:<br />

«Ohne die tieftraurigen Augen und die schmalen,<br />

manchmal fast sarkastisch zusammengepressten<br />

Lippen von Sándor Veress ist für mich eine ganze<br />

Generation von Schweizer Musikern undenkbar.<br />

Zwar vergrösserte die Wortkargheit von Veress nur<br />

noch die Einsamkeit, die er ausstrahlte, doch das<br />

leise, sparsame, fast monologische Sprechen flösste<br />

neben Ehrfurcht auch grosses Zutrauen ein.»<br />

Roland Moser wiederum hat den engen Zusammenhang<br />

von Unterrichten und Komponieren, von<br />

Volksmusik und Kunstmusik bei Veress aus seiner<br />

Sicht dargestellt: «Für Veress ist die Musik eine<br />

Einheit, Volksmusik und Kunstmusik aller Zeiten<br />

und Länder umfassend. Der Musiker ist dieser Ganzheit<br />

gegenüber verantwortlich. Ein Vergehen an<br />

der Musik’ muss ihn deshalb persönlich treffen. Das<br />

Gefälle zwischen hohem Verantwortungsbewusstsein<br />

und geringen Einflussmöglichkeiten ist sein<br />

grösstes Problem. Für Veress ist das Unterrichten<br />

– und darüber hinaus der pädagogische Auftrag<br />

allgemein – deshalb von so zentraler Bedeutung.<br />

Die Vorstellung, an einem Ganzen zu arbeiten, von<br />

dem immer nur Teile sichtbar und bearbeitbar sind,<br />

hat sich mir in den Stunden mit Sándor Veress tief<br />

eingeprägt. Diesem Ganzen verpflichtet sein heisst<br />

aber nicht, sich mit allem beschäftigen zu müssen.<br />

Es zählt die Intensität, die ganze Hingabe, die Ausdauer,<br />

den als richtig erkannten Weg so weit wie<br />

möglich zu gehen.»<br />

Die Lange Nacht Am Samstag, den 3. März,<br />

laden die Internationale Gesellschaft für Neue<br />

Musik (IGNM) in Bern und das Festival Veress 07<br />

zu einer Langen Nacht in die Grosse Halle der<br />

Hochschule der Künste ein – zu einem Strauss an<br />

Musik, wie ihn Bern nur selten gesehen und gehört<br />

hat. An diesem siebenstündigen Event stehen mit<br />

Veress die Schüler, in erster Linie aber die «Enkelschüler»<br />

im Zentrum. Das Mondrian Ensemble,<br />

ein auf neue und neueste Musik spezialisiertes<br />

Klavierqu<strong>art</strong>ett spielt Uraufführungen von Isabel<br />

Klaus und Wanja Aloe, Werke, die die IGNM für diese<br />

Lange Nacht in Auftrag gegeben hat. Ausserdem<br />

werden Kammermusikwerke von Dieter Amman<br />

und Michel Roth gespielt. Sie alle, Klaus, Aloe, Amman<br />

und Roth sind Schüler von Roland Moser, also<br />

gleichsam «Enkelschüler» des gefeierten Komponisten.<br />

Dass überdies das SWR Vokalensemble<br />

Stuttg<strong>art</strong> unter der Leitung von Michael Alber, einer<br />

der herausragendsten Chöre schlechthin, die in der<br />

Schweiz kaum je gehörten faszinierenden Madrigale<br />

«Songs of the Seasons» von Veress und Teile<br />

aus Holligers «Jahreszeiten» interpretieren, verleiht<br />

dieser «Langen Nacht» eine exquisite Note.<br />

Nicht genug damit, werden dem Publikum, das gegen<br />

Mitternacht vom einzig<strong>art</strong>igen DKMS Donkey<br />

Kong’s Multi Scream X-Large Ensemble mit Free-<br />

Funk unterhalten wird, auch ungarische Spezialitäten<br />

serviert. Wer möchte diese Nacht der Sinne<br />

und Sinnlichkeiten verpassen?<br />

Intermezzo III: Bergs sinnliche Lippen Ort:<br />

Hörsaal des Musikwissenschaftlichen Seminars der<br />

Universität Bern, Zeit: Semesterbeginn um die Mitte<br />

der siebziger Jahre. Veress beginnt seine Vorlesung<br />

über den Komponisten Alban Berg. Er lässt während<br />

Minuten eine Grossprojektion des Portraits des<br />

Komponisten Berg auf die Anwesenden wirken, um<br />

daraufhin Einzelheit um Einzelheit dieses Gesichts<br />

zu analysieren. Insbesondere die sinnlichen Lippen<br />

des Schönberg-Schülers haben es Veress angetan.<br />

Wie kann sich dieser sichtlich sinnliche Mensch<br />

einem rein rationalen Diktat, wie die Zwölftonmethode<br />

seines Lehrers Schönberg, unterwerfen?<br />

Dies ist die zentrale Frage der Vorlesung im Verlauf<br />

der kommenden Wochen. Veress gab sich ebenso<br />

distanziert gegenüber der, wie er sagte «starren,<br />

dem wahren Wesen der Kunst entgegengesetzten<br />

Festbindung» durch das Zwölftonsystem, wie er<br />

gleichzeitig fasziniert war von Berg: «Welche Art<br />

von Kunstwerk der wahre Künstler zustande bringt,<br />

hängt selbstverständlich nicht vom System ab. Wer<br />

sucht die ‹Reihe› bei Alban Berg?»<br />

Wyttenbachs Bescherung Nein, gerade offenkundig<br />

sind die Spuren, die Veress beim Schüler<br />

Jürg Wyttenbach hinterlassen hat, nicht. Aber<br />

Veress hat bekanntlich im Kompositionsunterricht<br />

weder seinen eigenen Stil gelehrt, noch eine auf<br />

ihn zentrierte Schule bilden wollen. Ist es das virtuose<br />

Spiel mit den Elementen der Musik, mit ihren<br />

Gebärden und Spässen, die in Wyttenbachs Musik<br />

an Veress erinnern lassen? Wer komödiantische<br />

Brillanz, szenische Spritzigkeit und geigerisches<br />

Können in ein und demselben Stück erleben will,<br />

besucht am Sonntag, 4. März, die Uraufführung<br />

von Wyttenbachs Geigenkonzert im Konzert des<br />

Berner Kammerorchesters. Was heisst hier Geigenkonzert?<br />

Patricia Kopatchinskaja wird dem<br />

Publikum – musikalisch-szenisch gesprochen – eine<br />

multimediale Bühnenschau präsentieren, agierend,<br />

singend, geigend ... usw. Schon seit Jahren<br />

habe sich Patricia ein Stück von ihm gewünscht,<br />

in dem sie nicht nur ihre famosen Geigenkünste<br />

vorführen, bzw. «spienzle» könne, sondern auch<br />

singen und tanzen dürfe, sagt Wyttenbach. Nun hat<br />

sie die Bescherung! Allein der Titel dieses Stücks,<br />

das viel mehr als bloss ein Violinkonzert sein wird,<br />

« marcia FUN.... konzertante Szenen für Patricia<br />

Kopatchinskaja, Johannes Schlaefli und das Berner<br />

Kammerorchester», verspricht ein vielseitiges<br />

Spektakel. Ganz zu schweigen von den Satztiteln<br />

– oder handelt es sich eher um Regiebemerkungen,<br />

wenn da von Trugsch(l)üssen, Generalpausen,<br />

Schweige-Minuten, Trauermärschen, glücklichen<br />

Zusammenspielen, einem Tango vibratissimo, üblen<br />

Nachspielen oder gar einer t@r@ntell@ die Rede<br />

ist?<br />

Fazit: Das Musikfestival Bern – Veress 07 ist nicht<br />

allein Festival für Neu- und Altgierige, es ist ein Festival<br />

für viele Sinne!<br />

Informationen:<br />

www.musikfestivalbern.ch<br />

STADTLÄUFER<br />

Von Andy Limacher<br />

musik<br />

nr. 28 // baldachin. Als eine der schönsten<br />

Barockkirchen der Schweiz gilt sie, die Heiliggeistkirche,<br />

von den Einheimischen schlicht HG<br />

genannt, was ich nie verstehen konnte, weil die<br />

Abkürzung bei mir eher negative Assoziationen<br />

weckt.<br />

Passenderweise sorgt die HG seit einiger Zeit<br />

für politischen Sprengstoff. Oder besser gesagt:<br />

Der geplante Baldachin tut es. Das Hauptargument<br />

der Kritiker ist, dass die historische Bausubstanz<br />

durch das gläserne Dach nicht mehr<br />

richtig zur Geltung kommen würde.<br />

Dabei ist die Heiliggeistkirche auf dem Bahnhofplatz<br />

heute optisch viel präsenter als früher.<br />

Der Blick vom Hirschengraben her auf die Westfassade<br />

zum Beispiel trat erst richtig in Erscheinung,<br />

als Mitte des 19. Jahrhunderts der Christoffelturm<br />

abgerissen wurde, der das Bild bis anhin<br />

dominiert hatte.<br />

Auch der Umbau des Hauptbahnhofs kam der<br />

Anfang des 18. Jahrhunderts erbauten Kirche zu<br />

Gute. Vor der Neueröffnung im Jahr 2003 gelangte<br />

man durch zwei enge Tunnels ans Tageslicht<br />

– das erste, was auffiel, war die chaotische<br />

Verkehrsführung. Heute hingegen schweift der<br />

Blick dank des grosszügigen Portals, dass die HG<br />

regelrecht einrahmt, hinauf zur Fassade und zum<br />

Glockenturm.<br />

Nun wird also kritisiert, die Aussenansichten<br />

würden durch den gläsernen Baldachin verunstaltet.<br />

Dabei sorgt gerade die Kombination mit<br />

neuer Bausubstanz oft dafür, dass alte Bauten<br />

überhaupt wieder wahrgenommen werden. Will<br />

heissen: Die Heiliggeistkirche wird durch die Neugestaltung<br />

des Bahnhofplatzes zum noch grösseren<br />

Hingucker.<br />

Und zu guter Letzt: So lange der Verkehr auf<br />

dem Bahnhofsplatz nicht beruhigt, vielleicht eingeschränkt<br />

oder sogar verboten wird, brauchen<br />

wir uns um die Fassaden der Gebäude keine Sorgen<br />

zu machen. Wir nehmen sie nämlich kaum<br />

wahr, da wir viel zu beschäftigt sind, nicht als<br />

Verkehrstote zu enden.<br />

www.ensuite.ch<br />

Ein Abo macht Sinn.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 17


veranstaltungen<br />

BÜHNE<br />

wenn die liebe...<br />

Von Lukas Vogelsang - «Du & ich – klipp & unklar» (Bild: zVg.)<br />

■ Vor genau einem Jahr zeigte das Museum für<br />

Kommunikation in Bern eine akkustische Ausstellung<br />

mit vertonten Liebesbriefen aus dem wohl<br />

grössten «Liebesbriefarchiv» mit über 5000 Briefen.<br />

Diese Sammlung stammt von Dr. Eva Lia Wyss<br />

aus Zürich, welche diese einst für eine sprachwissenschaftliche<br />

Untersuchung der Liebeskommunikation<br />

gesammelt hat. Ein aussergewöhnlicher<br />

Fundus, mit dem wir uns noch eine Weile anfreunden<br />

wollen.<br />

In der «La Cappella» wird dazu am 21., 24.<br />

und 25. Februar ein spezieller Auszug dieser Liebesbriefe<br />

auf die Bühne gebracht – in Musik und<br />

Sprache. Unter dem Titel «Du & Ich – klipp und unklar»<br />

haben sich die Bieler Altistin Anne Schmid,<br />

der Berner Schauspieler Stefan Suske, die Oboenspielerin<br />

Katharina Maria Suske, der Cellist M<strong>art</strong>in<br />

Birnstiel und der Lautenspieler Jonathan Rubin zu<br />

diesem eher speziellen Liebescollagenensemble<br />

zusammengefunden.<br />

Im Pressetext steht geschrieben: «Unter die<br />

liebes-, leides- und sehnsuchtstrunkenen Kantaten<br />

von Händel, Scarlatti und Lotti mischt sich unversehens<br />

ein verliebter Briefschreiber unserer Zeit.<br />

Monteverdis ‹Lettera amorosa› oder sein ‹Lamento<br />

d’Arianna› finden ein fieberndes Echo. Als Moz<strong>art</strong><br />

‹Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers<br />

verbrannte› (KV520) erwidert ihr Robert Walser,<br />

indem ‹Der Gute schrieb...› Unmerklich entsteht<br />

so aus den vielfältigen Texten zum immergleichen<br />

Thema ein buntes Wortgewebe. Zwischen der Musik<br />

blitzt ein Text auf, verschwindet wieder, hinterlässt<br />

seine Spur in der Musik, die ihrerseits mäandert<br />

durch das weite Feld zwischen ‹du & ich› – das<br />

Schlachtfeld der Gefühle, wo Amor seine Pfeile<br />

schiesst.»<br />

Wir können uns auf liebesschwangere Abende<br />

freuen. Die Protagonisten auf der Bühne werden<br />

uns zu verführen versuchen – wenn nicht in die<br />

Verliebtheit, so doch in eine skurrile Welt zwischen<br />

liebender Musik und Text, Irritation und Poesie.<br />

Aufführungen:<br />

Mittwoch 21.2., 20:00 h<br />

Samstag 24.2., 20:00 h<br />

Sonntag 25.2., 17:00 h<br />

www.la-cappella.ch<br />

DER FRÜHLING KOMMT<br />

BESTIMMT!<br />

GOLDENE REGELN ZUM LIEBESBRIEF -<br />

ODER DIE KUNST GEFÜHLE ZU ZEIGEN<br />

■ Und so mancher Liebesbrief wird leider nie geschrieben.<br />

Die Sprache des Herzens in Worte zu<br />

fassen ist wesentlich einfacher als man denkt. Perfektion<br />

ist nicht gefragt - allein das Öffnen eines<br />

Briefes löst viele Gefühle aus. Der Inhalt - nun der<br />

kann aus den magischen drei Worten bestehen -<br />

und es wird die gleichen Gefühle auslösen, wie der<br />

schönste Liebesroman.<br />

Einige Tipps (Zusammengestellt aus dem Internet...<br />

man geht mit der Zeit...):<br />

❤ Schreiben Sie immer von Hand, Ihre Schrift<br />

kann jede/jeder lesen, vor allem wenn der Brief<br />

mit Liebe betrachtet wird.<br />

❤ Halten Sie sich nicht lange mit der Anrede auf<br />

- da scheitern schon die meisten Vorhaben - beginnen<br />

Sie mit dem ersten Satz und setzen Sie<br />

die Anrede später ein.<br />

❤ Versuchen Sie nicht die grossen Romantiker<br />

zu imitieren - aber lassen Sie sich auch nicht<br />

davon abhalten, diese schönen Sätze auch in<br />

Ihrem Brief anzuwenden. Es ist alles schon gesagt<br />

worden in den letzten 5000 Jahren - wiederholen<br />

ist erlaubt - aber es muss ehrlich sein<br />

- Wahrheit findet die richtigen Worte!<br />

❤ Schreiben Sie über schöne gemeinsame Momente<br />

- ein Liebesbrief besteht aus tausend<br />

kleinen Bildern und vielen gemeinsamen Erinnerungen.<br />

Worte, die Bilder malen sind Fantasien<br />

der Seele - die Liebe wird Ihre Feder führen.<br />

❤ Schreiben Sie eindringlich - Eindringlichkeit<br />

aber verlangt nach kurzen Sätzen - zu viele<br />

Worte zerstören die Botschaft. Man kann eine<br />

Liebeserklärung auch schriftlich zerreden.<br />

❤ Demut ist ein wichtiges Wort. Geben Sie Ihre<br />

Schwächen zu, beschönigen Sie gar nichts -<br />

sehr wahrscheinlich werden Sie gerade wegen<br />

Ihrer Schwächen geliebt.<br />

❤ ABER: Viele Liebesbriefe sind eigentlich<br />

Schmerzensbriefe - es geht um Abschied, um<br />

verletzt sein - um Trauer. Doch die Vorgaben<br />

bleiben die gleichen - Gefühle, Ehrlichkeit und<br />

Demut - sagen sie deutlich was sie sagen wollen.<br />

Geheimnisvolle Umschreibungen werden<br />

nicht verstanden (weil sie vielleicht gar nicht<br />

verstanden werden wollen....).<br />

❤ Denken Sie daran - das geschriebene Wort<br />

wiegt noch immer schwerer als das Gesagte.<br />

Darum nochmals: es zählen Ehrlichkeit und<br />

Demut.<br />

18<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


musik<br />

MUNDART<br />

glänzendes mattschwarz<br />

Von Till Hillbrecht - Angenehm simpel: Unverschnörkelt spielt Musiker Matt mit der Art des Mundes (Bild: zVg.)<br />

■ Mund<strong>art</strong>musik aus Bern scheint den Eidgenossen<br />

zu liegen. Mund<strong>art</strong>musik aus Bern scheint der<br />

Eidgenosse zu lieben. Die lange Tradition des Berner<br />

Liedermachertums ist eine Erfolgsstory, deren<br />

Wurzeln tief im letzten Jahrhundert liegen. Häufig<br />

sind sichere Werte gesetzt, wenn Bären zum Mikrofon<br />

greifen.<br />

Alles andere als ein sicherer Wert sei er eben,<br />

sagt Musiker Matt über sich selbst. Ein sicherer<br />

Wert hätte einen Vertrag erhalten und einen Vertrieb<br />

für seine Platte, die im März getauft wird,<br />

gefunden. Trotzdem hat der Berner den Weg zu<br />

seinem Erstling gepackt. Ein erstes Werk, eine erste<br />

Matt-Scheibe, nach doch schon langem Musikerdasein:<br />

Matt spielte vor über zehn Jahren während<br />

seiner Schulzeit schon bei «The Others» , «Dearsirs»<br />

und «Lost in Ease», danach waren die Klänge<br />

seiner Gitarre nur noch für die eigenen Ohren bestimmt.<br />

«Zit geit eifach so verbi u i wirde gäng nume<br />

euter» , singt er im ersten Stück seiner CD «Mattschwarz»<br />

zu lockeren, groovenden Gitarrenriffs.<br />

Bevor Matts Zeit einfach so vorbeigeht, erfüllt er<br />

sich nun seinen Traum der eigenen CD. Wie so oft<br />

auch dies entstanden durch einen schönen Zufall:<br />

An einem Familienfest packt Matt wieder einmal<br />

seine Gitarre hervor und performt aus dem Handgelenk<br />

geschüttelt einige Mani-Matter-Stücke. Ein<br />

Verwandter, gerade zurück von seinem Kompositionsstudium<br />

in Liverpool und angetan von Matts<br />

Sound, zieht ihn kurzerhand ins neu aufgebaute<br />

Studio, um eine Scheibe aufzunehmen.<br />

Zwölf Musikfrüchte sind dabei für die Platte<br />

herangereift, einige erfrischend wie Zitrus, andere<br />

süss wie Nektar. Garniert mit ein wenig Chanson<br />

hier, eine Prise Pop da und dann und wann einfach<br />

Matt plus Gitarre. Milde Pianoakkorde und schlichte<br />

Drums füllen die Fruchtsalatschüssel. Grossgezogen,<br />

begossen und gepflegt hat Matt den Soundg<strong>art</strong>en<br />

in Eigenregie und darüber hinaus wird er<br />

auch den Vertrieb sowie die Tourorganisation mit<br />

eigener Hacke und Schaufel kultivieren müssen.<br />

Ob er die Früchte seiner Platte auch gewinnbringend<br />

ernten können wird? Nicht mal so wichtig.<br />

Für Matt. Dass er den Schritt gemacht hat, dass<br />

er ein Album produziert, eine Tour organisiert hat,<br />

das ist wichtig. «Dann habe ich meinen Traum erfüllt»,<br />

sagt Matt, «und entweder entsteht daraus<br />

etwas oder eben nichts. Ich bin realistisch. Aber<br />

ich muss mir mit 60 Jahren nicht vorwerfen, die<br />

Chance nicht gepackt zu haben.»<br />

Ungezwungen und authentisch tönt demnach<br />

auch das Musikpaket «Mattschwarz». Das Album<br />

live und analog eingespielt, kein Effekt noch hier<br />

und da. Puristisch gehalten, lebendig behalten. Lebendig<br />

ruhig. Melancholisch schön, minimalistisch<br />

und hie und da angenehm eingängig.<br />

Mund<strong>art</strong> passt zu Matt, obwohl ihm das Ausdrücken<br />

in seiner Muttersprache oftmals auch<br />

Mühe bereitet. Einen gesunden Respekt vor dem<br />

Berndeutsch habe er, da dabei der Grat zwischen<br />

gradlinigen Aussagen und kitschig seichten Texten<br />

sehr schmal sei. «Aber die Leute erkennen mich<br />

in berndeutschen Songs eher wieder, als wenn ich<br />

auf Englisch singe», meint Matt.<br />

Dass seine Texte oft auch in düsterem Licht<br />

erscheinen und traurige Themen ansprechen, erkennt<br />

Matt meist erst im Nachhinein. Es steckt im<br />

Entstehungsprozess: Matt schreibt zu Zeiten, die<br />

persönlich wenig rosig sind, in denen es ihm weniger<br />

gut geht. Songwriting ist ein Ventil, ein Medium,<br />

um Situationen zu verarbeiten. Was dabei herauskommt,<br />

ist für ihn selbst meist unvorhersehbar<br />

und überraschend.<br />

So hält sich Matt auf seiner CD einmal für ein<br />

«risegrosses Arschloch», dann und wann kommt<br />

ihm alles «zimlech schpanisch vor», aber «meischtens<br />

isch es guet so wies isch», wenn er vor der<br />

Türe hockt und ihm die Sonne ins Gesicht brennt.<br />

zehn Jahre sind seit dem letzten Konzert verstrichen,<br />

zehn Jahre kaum Kontakt in der Musikszene,<br />

zehn Jahre blieben ihm, um seine Songs gedeihen<br />

zu lassen. Jetzt wieder auf die Bühne zu stehen, ist<br />

nicht einfach. Der Plattentaufe am 3. März im ONO<br />

sieht Matt aber zuversichtlich entgegen. Unterstützung<br />

erhält er vom jungen Schlagzeuger Andri<br />

Rothenbühler und dem Kontrabassisten Matthias<br />

Schweizer.<br />

Ein neuer musikalischer Rahmen für die drei<br />

Musiker, aber auch für den Zuhörer. «Mattschwarz»<br />

– ein Album zum Berieseln lassen, um Ruhe in den<br />

Raum strömen zu lassen. Eine Platte, die sich heraushält,<br />

wo sie nichts zu suchen hat. Aber sich wie<br />

Schnee über alles legt, wo es sie hin verschlägt.<br />

Konzertdaten<br />

3. März, 21:00 h ONO, Bern<br />

4. März, 20:00 h Alpenrösli, Thun<br />

7. März, 20:30 h P<strong>art</strong>erre, OPEN MIC, Basel<br />

17. März, 21:00 h H<strong>art</strong>holz, Zürich<br />

22. März, 20:00 h Eisenbeiz im Eisenwerk,<br />

Frauenfeld<br />

19. April, 21:00 h Holästei.BAR, Glarus<br />

5. Mai, 21:00 h Vario Bar, Olten<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 19


Gestaltung: Neidh<strong>art</strong> Grafik, Bern<br />

Donnerstag, 1. Februar<br />

Festivaleröffnung<br />

17.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />

Roland Moser<br />

Gabriella Marffy<br />

Claudio Veress<br />

Käthi Steuri<br />

Freier Eintritt<br />

Kammerorchesterkonzert I<br />

19.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />

Philippe Bach<br />

Olivier Darbellay<br />

Berner Kammerorchester<br />

Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />

Freitag, 2. Februar<br />

Klavierrezital<br />

19.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />

Aleksandar Madzar<br />

Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />

Samstag, 3. Februar<br />

Symposion<br />

10.00 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />

Papiermühlestrasse 13d<br />

Grosser Konzertsaal<br />

Freier Eintritt<br />

Chorkonzert<br />

16.00 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />

Papiermühlestrasse 13d<br />

Grosser Konzertsaal<br />

Anton Zwolensky<br />

Chor «Canto vivo»<br />

Freier Eintritt<br />

Symphoniekonzert I<br />

19.30 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />

Papiermühlestrasse 13c<br />

Grosse Halle<br />

Thomas Rösner<br />

Ernesto Molinari<br />

Bieler Symphonieorchester<br />

Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />

Sonntag, 4. Februar<br />

Film<br />

11.00 h | Lichtspiel, Bahnstr. 21<br />

Ein Stück Erde<br />

Freier Eintritt<br />

Musikfestival<br />

zum 100. Geburtstag von<br />

Sándor Veress<br />

1.– 4. Februar 2007<br />

1.– 4. März 2007<br />

3.– 6. Mai 2007<br />

25 Konzerte, Einführungen, Gespräche, Film und Lesung<br />

musikfestivalbern.ch<br />

veress07.ch<br />

Erstmals in einem gemeinsamen Festival:<br />

Aria Qu<strong>art</strong>ett<br />

Berner Kammerorchester<br />

Berner Symphonie-Orchester<br />

Bieler Symphonieorchester<br />

Camerata Bern<br />

Hochschule der Künste Bern<br />

Internationale Gesellschaft<br />

für Neue Musik Bern<br />

Musikschule Konservatorium Bern<br />

Institut für Musikwissenschaft<br />

der Universität Bern<br />

Zentrum Paul Klee<br />

Amt für Kultur<br />

des Kantons Bern<br />

Medienp<strong>art</strong>ner:<br />

1


ECM listening post<br />

Von Lukas Vogelsang<br />

musik<br />

POPMUSIK<br />

die kunst der täuschung<br />

Von Benedikt S<strong>art</strong>orius (Bild: Soren Starbird / zVg.)<br />

■ Eine schwül zupfende Gitarre macht den Anfang,<br />

heiser gebrochen kündigt die Stimme einen<br />

«History Song» an, ehe der Bass und das gedimmte<br />

Schlagzeug einsetzen und den Raum mit Dub füllen.<br />

Eine Klavier –Kakofonie verdrängt nachlässige<br />

La-la-la-la-la-la-la-Gesänge, die sinistre Stimmung<br />

erschlägt endgültig den sommerlichen Anfang des<br />

Liedes. Die Welt scheint aus den Fugen zu sein, «if<br />

you don’t know it now, then you will do».<br />

Geschichtsträchtig Geschichte schwingt unmerklich<br />

mit, wenn über das neue Projekt des einstigen<br />

Blur–Chefs und Gorillaz –Kopf Damon Albarn<br />

namens «The Good, The Bad & The Queen» geschrieben<br />

wird. Das Qu<strong>art</strong>ett versammelt nebst Albarn<br />

den Bassisten Paul Simonon von «The Clash»,<br />

den Fela-Kuti-Gefährten Tony Allen am Schlagzeug<br />

sowie Simon Tong (Ex-Verve) an den Gitarren. Die<br />

illustre Gruppe schlägt mit der Besetzung den Bogen<br />

zwischen Punk, Afro-Beat und so genanntem<br />

Britpop, dessen Aufgekratztheit der zu Unrecht als<br />

Schnösel abgestempelte Albarn im sperrigen Spätwerk<br />

von Blur konstant sabotiert hatte. Eine spektakuläre<br />

Supergruppe kündigt sich an, die leicht in<br />

unverbindlichem Allerlei hätte enden können.<br />

Das dem nicht so ist, darf dem Produzenten<br />

Danger Mouse zugeschrieben werden, dem aktuellen<br />

Grossmeister der Genreverwischungen.<br />

Danger Mouse schloss die Raps von Jay-Z mit dem<br />

weissen Album der Beatles kurz, er ist Teil der<br />

letztjährigen Ch<strong>art</strong>stürmer «Gnarls Barkley» und<br />

erschuf mit Albarns C<strong>art</strong>oonband «Gorillaz» einen<br />

<strong>art</strong>ifiziellen, durchaus politisch aufgeladenen Totentanz,<br />

der genialisch zwischen nervösem Club<br />

und jenseitigem Gospel hin und her schlenderte.<br />

Ihm ist es nun gelungen, die so verschiedenen musikalischen<br />

Hintergründe der Mitglieder von «The<br />

Good, The Bad & The Queen» raffiniert zu bündeln,<br />

zu einem anfänglich so gelassenen, fast nonchalanten<br />

Album, das bei wiederholtem Hören immer<br />

dringlicher, schöner und trauriger wird.<br />

Unter der Oberfläche Die zwölf Lieder gestalten<br />

sich ruhig und geschlossen, die reduziert disziplinierten<br />

und dunkel eingefärbten Arrangements<br />

bewegen und öffnen den akustischen Raum für<br />

Paul Simonons Wummer–Bass, für Details wie das<br />

hinterlistige Pfeifen, für schiefe Orgeln, für elektronisches<br />

Knistern und in erster Linie für Damon<br />

Albarns Stimme und Texte. Mit zelebrierter Coolness<br />

richtet der Sänger Sätze wie «I don’t want to<br />

live a war that’s got no end in our time» gegen den<br />

Himmel («Eighties Life»), portraitiert Selbstmörder<br />

(«Herculean») und interpretiert mit «Green<br />

Fields» ein berührendes Lied, das Albarn bereits<br />

Marianne Faithfull zur Verfügung gestellt hatte.<br />

Damon Albarn gebärt sich als stiller, dennoch eindringlicher<br />

Rebell gegen Tony Blairs England und<br />

schafft einen bewegenden Kommentar zur konfliktreichen<br />

Weltsituation. Die Kunst der Täuschung,<br />

sie gelingt durch die ins Jenseitige abzielende, betont<br />

künstliche Musik mit weltenbummlerischem<br />

Einschlag, kombiniert mit politisch les– und global<br />

einsetzbaren, weil metaphernreichen Texten.<br />

Das Ende bleibt offen: Im langsam sich steigernden<br />

Schlussfuror des Titelstückes verschwindet<br />

die Stimme, es dröhnen die Gitarren, zurück<br />

bleibt die düstere Realität. Zurück bleibt auch ein<br />

Werk, das das Spektakel unter die Oberfläche verlegt,<br />

zugleich beruhigend und verstörend wirkt.<br />

The Good, The Bad & The Queen:<br />

The Good, The Bad & The Queen (EMI)<br />

■ «Passing Images» – einen besseren Titel gäbe<br />

es nicht. Fragmente und Eindrücke ziehen an uns<br />

vorüber. Ein Spiel mit der Zeit. Was zum einen in<br />

extremer Langsamkeit und im Klang fast stehenbleibt,<br />

bewegt sich in anderen Momenten in Hast<br />

und Flüchtigkeit davon. Allen voran sticht Maja<br />

Ratkje mit ihrer Stimme heraus. Ein Gnom, eine<br />

Elfe, ein Etwas, Wicht und Wesen – sie plaudiert<br />

und rennt Worte, Geräusche, um im nächsten<br />

Stück in demütigem Schönklang norwegische<br />

Stimmungsbilder zu malen. Begleitet von G<strong>art</strong>h<br />

Knox (spielte Bratsche im Arditti String Qu<strong>art</strong>et)<br />

und vor allem Frode Haltli, Akkordeonist mit jungen<br />

und verspielten Ideen, entstanden zehn sagenhafte<br />

Geschichten. Zum Glück sind die zum<br />

Teil wirr klingenden, geräuschhaften Improvisationen<br />

auf maximal drei Minuten beschränkt.<br />

Es könnte schwierig werden – so jedoch haben<br />

sie eine kurze, intensive und lustige Flucht aus<br />

berauschenden Nordlichtmärchen zur Folge. Wie<br />

Zwischenspiele in einem Film.<br />

Interessant wird es zudem, wenn Arve Henriksen<br />

mit der Trompete sich in die Bilder einmischt.<br />

Das Klangbild öffnet sich in die Breite und es<br />

entstehen sehr spannende Dynamiken. Die Mischung<br />

der vier MusikerInnen ist gewaltig und<br />

man ist gezwungen – mit einem Lächeln – den<br />

Erzählungen zu folgen. Frode Haltli hat schon<br />

verschiedene Preise als Spieler zeitgenössischer<br />

Musik gewonnen. Die meisten Kompositionen auf<br />

dieser CD basieren auf traditionellen norwegischen<br />

Stücken. Doch dies ist nicht einfach zu erkennen.<br />

Federleicht bewegt sich die Gruppe um<br />

die Motive und Themen herum und spielt mit viel<br />

Humor und Beweglichkeit. Besonders interessant<br />

ist «Jag haver ingen kärare», ein repetitiver Aufbau<br />

einer eigentlich verständlichen Geschichte,<br />

die jedoch nie den vorhergesehenen Schritt<br />

macht. Fantasie und Bilderwelt zerbersten fast<br />

beim Zuhören.<br />

Passing Images<br />

Frode Haltli, Akkordeon; Arve Henriksen, Trumpete;<br />

G<strong>art</strong>h Knox, Viola; Maja Solveig Kjelstrup<br />

Ratkje, Stimme.<br />

ECM 1913<br />

www.ecmrecords.com<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 21


cinéma<br />

FILM<br />

kino zwischen kopf und bauch<br />

Von Jean-Luc Froidevaux – Die 42. Solothurner Filmtage (Bild: zVg.)<br />

■ Ich gestehe: Ich war nicht konsequent. An Festivals<br />

bin ich sonst auf der Suche nach kleinen Entdeckungen,<br />

die es schwerlich ins lokale Kino schaffen.<br />

Der Glamour, den Politfunktionäre letztes Jahr<br />

für die Verleihung des Filmpreises gefordert haben,<br />

kann mir gestohlen bleiben. An der Berlinale<br />

w<strong>art</strong>ete ich auch schon mit anderen Journalisten<br />

bis Meryl Streep über den roten Teppich schritt.<br />

Die Medienhysterie schaukelt sich zu einem eigenen<br />

Wertesystem hoch; es geht nur noch drum,<br />

wer jetzt am Buffet bei Claude Chabrol steht. Ich<br />

bin ja zu wenig dogmatisch, um dies nicht auch geniessen<br />

zu können, letztlich aber ist doch die Frage<br />

nach der Qualität der Filme spannender. Solothurn<br />

ist nicht zuletzt auch deswegen so sympathisch,<br />

weil es einem hier passiert, dass sich der Nachbar<br />

in einer Diskussion bei einer Wortmeldung als<br />

«Shootingstar» der Schauspielergilde «outet». Es<br />

kam sogar zu der peinlichen Situation, dass ein<br />

Ansager einen Sponsor des Festivals ankündigte,<br />

obwohl er den – durchaus nicht unbekannten - Autor<br />

des abendfüllenden Spielfilms vor sich hatte.<br />

(Meine volle Sympathie für den Ansager - als ich<br />

Kameramann bei einem Personality-Fernsehen<br />

war, mussten mir die Moderatorinnen jeweils die<br />

Stars zeigen.) Viele Leute gehen Filme schauen,<br />

weil sie halt das Gesicht aus einer Talkshow kennen<br />

und nicht des Themas oder der Mach<strong>art</strong> wegen.<br />

Auch dabei setzte Solothurn mit den diesjährigen<br />

Filmtalk-Runden ein professionelles Gegengewicht<br />

– Profis diskutierten öffentlich über Filme und warum<br />

sie gelungen sind, oder eben weniger.<br />

Das kommerzielle Kalkül Es war auch davon<br />

die Rede, ob es so etwas wie Sicherheit gibt. Geschichten,<br />

Themen die funktionieren? Methoden,<br />

diese zu erfolgreich zu erzählen? Es gibt archetypische<br />

Situationen, die interessieren, Themen, die<br />

dem Zeitgeist entsprechen und seit Aristoteles bewährte<br />

dramaturgische Konzepte. Aber zum Glück:<br />

Kultur ist keine exakte Wissenschaft und auch dort,<br />

wo Film Industrie ist, finanziert ein erfolgreicher<br />

Film bekanntlich neun Flops. Und ob nicht gerade<br />

diese Flops die interessanteren Filme sind? Der<br />

Schweizer Film erreichte 2006 einen unglaublichen<br />

Marktanteil von zehn Prozent – eine Vervierfachung<br />

in nur drei Jahren (wodurch die vielen<br />

erfolgreichen Produktionen sich das Fördergeld<br />

wieder vermehrt teilen müssen). Ob der Schweizer<br />

Film dabei aber auch besser geworden ist? Es ist<br />

eine Freude, zu sehen, dass es durchaus Leute gibt,<br />

die Geschichten erzählen können. Der Preis für das<br />

beste Drehbuch an «Das Fräulein» ist gerechtfertigt,<br />

ebenso derjenige für den besten Dokumentarfilm<br />

(obwohl ich «Someone besides you» auch in<br />

der Auswahl gesehen hätte) - soweit ich das beurteilen<br />

kann. Denn wer zieht sich schon alle 297 gezeigten<br />

Filme rein? Spätestens nach dem zweiten<br />

Festivaltag bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob<br />

meine Begleitung über die Kunst der raschen Entscheidung<br />

philosophiert hat («Hardcore Chambermusic»),<br />

wann ich diese teure Standuhr bei ebay<br />

gesehen habe («Aschenbrüder») oder ob auf der<br />

Rückfahrt wirklich die Ampeln tanzten («Lauschsicht»).<br />

Von Bildern die schmerzen Es liegt wohl an<br />

einer Vorliebe für einfache Geschichten, dass ich<br />

bei «Marmorera» nach anfänglichem Eintauchen<br />

in die spannende Sage des Sees in der zweiten<br />

Hälfe wieder an der Oberfläche herumdümpelte.<br />

Das Überladen mit mythischem Ballast kann, wenn<br />

dieser leer erscheint, einen mit Auftrieb aus der<br />

Geschichte herausziehen, das Austarieren bleibt<br />

schwierig. «Vitus» ist ein gut gemachter Hochglanzprospekt,<br />

lackiert, damit man sich nicht die<br />

Finger schmutzig macht, weil nichts haften bleibt.<br />

Hey, Fredi Murer hat einmal «Höhenfeuer» gedreht!<br />

Auch wenn Männer wieder einmal so gezeigt<br />

werden, als wüssten sie ausserhalb ihrer Karriere<br />

nichts mit sich anzufangen, ist «Das wahre Leben»<br />

schon der Dialoge wegen sehenswert. «Schwarze<br />

Schafe» wäre ich des reisserischen Plakats mit drei<br />

nackten Männern auf einem Floss wegen gerade<br />

nicht sehen gegangen, bin aber froh, dass ich mitgeschleppt<br />

wurde, der Film setzt immer noch einen<br />

drauf, wenn die Situation eh schon an der Grenze<br />

ist - mich schmerzt noch immer die Hand. Bei<br />

physischen Szenen spüre ich einen Simulacrum-<br />

Schmerz, der aber für sich allein einen Film nicht<br />

trägt («Coupé court») und langweilt. Vielleicht hat<br />

es damit zu tun, dass gute Filme zwischen Kopf<br />

und Bauch oszillieren. In der Nähe des Herzen.<br />

Die 43. Solothurner Filmtage haben vom 21. bis<br />

27. Januar 2008 stattgefunden.<br />

22<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


FILM-TIPP<br />

cinéma<br />

FILM<br />

el custodio<br />

Von Sarah Stähli (Bild: zVg.)<br />

■ Er folgt ihm auf Schritt und Tritt, dicht auf den<br />

Fersen, aufmerksam und wortlos. Rubén ist Leibwächter<br />

eines wichtigen Ministers und lebt in seinem<br />

Schatten. Sein trostloses und leeres Leben<br />

besteht aus W<strong>art</strong>en, Bewachen und vor allem darin,<br />

seine eigenen Bedürfnisse einzuschränken.<br />

Dem jungen argentinischen Regisseur Rodrigo<br />

Moreno ist mit seinem ersten Langspielfilm «El<br />

Custodio» ein in unterkühlten Blautönen gehaltenes,<br />

formal strenges Werk gelungen, das fast<br />

ohne Dialoge und Musik auskommt. Als Zuschauer<br />

sehen wir den Film aus der Perspektive des Leibwächters.<br />

Die distanzierte Kamera hält sich oft<br />

im Rücken der Figuren auf, folgt ihnen auf den<br />

Gängen durch die langen Korridore unterwegs zu<br />

wichtigen Meetings oder zum Flughafen. Der Leibwächter<br />

bleibt immer im Hintergrund, vor der Türe<br />

draussen und wir mit ihm.<br />

Der Schauspieler Julio Chavez als Rubén, verkörpert,<br />

ohne Gefühlregungen, einen korrekten,<br />

untertänigen Mann, der eigentlich gar keine Persönlichkeit<br />

haben darf. Er spricht kaum und weiss<br />

doch so vieles - Privates und Geschäftliches über<br />

den Mann, den er bewachen muss - darüber sprechen<br />

darf er mit niemandem, Rubén schweigt.<br />

Wenn er alleine ist und ein lautes Geräusch erklingt,<br />

etwa der Mixer am Morgen oder das Blubbern<br />

des Wassertankes, aus dem er sich einen Becher<br />

Wasser herauslässt, erschrickt man beinahe<br />

darüber, dass dieser stille Mann imstande ist, so<br />

viel Lärm zu produzieren.<br />

Eine einzige persönliche Eigenschaft lernen wir<br />

doch noch kennen: Rubén ist ein begabter Porträt-<br />

Zeichner, ein Talent, für das er als Beobachter, als<br />

ewig Aussenstehender prädestiniert ist. Einmal<br />

bittet ihn sein Vorgesetzter, einen Geschäftsfreund<br />

zu porträtieren; grandios spielt Chavez dieses Hinund-her-gerissen-Sein<br />

zwischen Professionalität<br />

und Freude über das Lob, das er für seine Zeichnung<br />

bekommt.<br />

Das überraschende Ende ist eine stille Rache,<br />

eine Abrechnung, wie man sie unaufgeregter nicht<br />

darstellen könnte und genau deshalb wirkt sie so<br />

stark.<br />

«El Custodio» ist ein originelles, verstörendes<br />

Erstlingswerk. Rodrigo schafft es, dass man sich<br />

als Zuschauer mit einem Mann identifiziert, der<br />

keine Charaktereigenschaften hat, der ein Phantom<br />

bleibt.<br />

Eine neue Kinodimension «El Custodio» wird<br />

von «Trigon-Film» in die Schweizer Kinos gebracht.<br />

«Trigon-Film» ist eine Ausnahmeerscheinung<br />

unter den Schweizer Filmverleihern. Der vor 18<br />

Jahren von Walter Ruggle gegründete Filmverleih<br />

hat sich ganz auf Filme aus dem Süden und Osten<br />

spezialisiert und überrascht immer wieder mit<br />

ungewöhnlichen, wenn auch nicht immer einfach<br />

zugänglichen Filmen aus Afrika, Asien und Lateinamerika.<br />

Viermal jährlich erscheint ausserdem das<br />

«Trigon-Magazin» mit ausführlichen Hintergrundberichten<br />

zu einzelnen Filmen.<br />

In ihrem Profil ist zu lesen, was «Trigon-Film»<br />

mit der Distribution ihrer Filme bewirken möchte:<br />

«Film ist das ideale Mittel, Völker, Kulturen und Lebensformen<br />

in spannender und umfassender Weise<br />

einander näherzubringen. Trigon-Film bringt<br />

neue Bilder und andere Geschichten: Trigon-Film<br />

steht für die neue Kinodimension. Damit vermittelt<br />

Trigon-Film Begegnungen, die unserer Unwissenheit<br />

entgegenwirken und Vorurteile gegenüber<br />

Ländern abbauen, in denen mehr als vier Fünftel<br />

der gesamten Menschheit leben.»<br />

«El Custodio» st<strong>art</strong>et am 1. März<br />

Kommende Trigon-Filme:<br />

«Umoregi – la fôret oubliée» (Japan)<br />

«Congo River» (Kongo)<br />

www.trigon-film.org<br />

Von Sarah Stähli<br />

■ Das Essentielle ist in «The Secret Life of Words»<br />

zwischen den Zeilen zu suchen. Einige Figuren<br />

sprechen zu wenig, andere zu viel, und alle sagen<br />

meist nicht das, was sie eigentlich sagen möchten.<br />

Hanna (Sarah Polley) lebt in ihrer eigenen Welt.<br />

Will sie etwas nicht hören, schaltet sie einfach ihr<br />

Hörgerät aus. Sie ist unnahbar und abweisend und<br />

so rätselhaft, dass man alles dafür geben würde,<br />

um hinter ihr Geheimnis zu kommen.<br />

Auf einer Ölbohrinsel hat sich ein Unfall ereignet.<br />

Dort soll Hanna einen Arbeiter mit schweren<br />

Brandwunden pflegen. Josef (Tim Robbins) redet<br />

ununterbrochen und versucht, mit zynischen Bemerkungen<br />

seine Verletzlichkeit zu übertönen.<br />

Hanna überhört Josefs anzügliche, provokative<br />

Sticheleien gezielt. Abend für Abend lauscht sie<br />

der Nachricht von Josefs Geliebter, die auf seinem<br />

Telefonbeantworter gespeichert geblieben ist, als<br />

höre sie zum ersten Mal Worte der Liebe. In Josefs<br />

Anwesenheit lächelt Hanna zum ersten Mal.<br />

Nach und nach entwickelt sich zwischen den beiden,<br />

die sich gezwungenermassen körperlich sehr<br />

nahe kommen, eine trotzige Annäherung, aus der<br />

schliesslich Liebe wird.<br />

Die Ästhetik des Filmes, die von den dichten,<br />

atmosphärischen Bildern und der sphärischen<br />

Tonspur bestimmt wird – die auch Hannas Art zu<br />

hören reflektiert – scheint das Poetische im Alltäglichen<br />

zu suchen. In einer Einstellung versucht<br />

ein Besatzungsmitglied auf der verlassenen Plattform<br />

im Regen einen Ball in einem zerschlissenen<br />

Korb zu versenken, als einzigen Zuschauer hat er<br />

eine verirrte Gans, die immer wieder wie ein Geist<br />

auftaucht. Die Szene wirkt in «The Secret Life<br />

of Words» nicht etwa trostlos, sondern wie eine<br />

melancholische Momentaufnahme von einem anderen<br />

Stern. Diese Bildsprache erzeugt teils eine<br />

traum<strong>art</strong>ige Atmosphäre, in der man sich gerne<br />

verliert, teils wirkt sie aber einfach nur gekünstelt,<br />

vor allem im Kontrast zu den tief bewegenden intimen<br />

Sequenzen zwischen Hanna und Josef, die<br />

sich ganz auf den zwischenmenschlichen Zauber<br />

konzentrieren und visuelle Spielereien nicht nötig<br />

haben.<br />

Das Kino Kunstmuseum zeigt unter dem Titel<br />

«FilmemacherInnen heute» eine Werkschau<br />

der spanischen Regisseurin Isabel Coixet.<br />

«The Secret Life of Words» 24.2. um 18:30 h /<br />

25.2. um 13:30 h / 26.2. um 21:00 h<br />

«Things I Never Told You» (18./27.2.)<br />

«My Life Without Me» (24./25./26.2)<br />

«Paris je t‘aime» (18./25./27.2.)<br />

Kino Kunstmuseum, Hodlerstrasse 8, Bern<br />

www.kinokunstmuseum.ch<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 23


cinéma<br />

FILM<br />

das kurze leben des josé antonio gutierrez<br />

Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />

■ Der Schweizer Filmpreis für den besten Dokumentarfilm<br />

2007 wurde im Januar in Solothurn an<br />

den Dokumentarfilm «Das kurze Leben des José<br />

Antonio Gutierrez» von Heidi Specogna verliehen.<br />

Der Film erzählt, wie ein ehemaliges Strassenkind<br />

aus Guatemala zu der zwiespältigen Berühmtheit<br />

gelangte, der erste gefallene US-Soldat im Irakkrieg<br />

von 2003 zu sein. «Zu Beginn meiner Recherche<br />

hielt ich zwei Fotos in der Hand», sagt die<br />

Regisseurin Specogna, die unter anderen die Dokumentarfilme<br />

«Tupamaros» und «Zeit der roten<br />

Nelken» geschaffen hat. «Auf dem einen trägt José<br />

Antonio Gutierrez die Uniform der US-Marines, es<br />

wurde kurz vor seinem Tod aufgenommen. Das andere<br />

zeigt ein Kinderporträt in schwarzweiss, vom<br />

Tag seiner Aufnahme im Waisenhaus in Guatemala<br />

- zur Zeit des Bürgerkrieges.»<br />

Es war die Geschichte zwischen diesen beiden<br />

Momentaufnahmen, die Specogna interessiert hat.<br />

Mit Interviews jener Menschen, die auf verschiedene<br />

Weise Einfluss auf Gutierrez’ Leben hatten<br />

oder davon berührt wurden, zeichnet die Regisseurin<br />

nicht nur ein immer dichter werdendes<br />

Einzelporträt, sondern gleichzeitig ein weitreichendes<br />

Bild der gesellschaftlichen Situation in<br />

Mittelamerika. Die schlechte wirtschaftliche Lage<br />

in ihren Ländern treibt jedes Jahr Zehntausende<br />

Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und sich<br />

auf die gefährliche Reise in den Norden zu machen.<br />

Mit einem instinktiven Gespür für den Wechsel<br />

zwischen Emotionen und Fakten, zwischen Nachhallen<br />

lassen und dichter Erzählkunst, gelingt es<br />

Specogna, die Wesenszüge von Gutierrez auferstehen<br />

zu lassen. Ihr respektvoller Umgang mit den<br />

intensiven Gefühlen, der Erinnerung, der Trauer,<br />

aber auch der skandalösen Tragik der Geschichte<br />

jener Menschen, die in Gutierrez’ Fussstapfen getreten<br />

sind und es noch immer tun, öffnen ein<br />

Spektrum, in dem Weltpolitik plötzlich ihre Abstraktion<br />

verliert und sich im Gesicht realer Menschen<br />

spiegelt.<br />

«Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez»<br />

ist aber auch ein Film, bei dem handwerklich<br />

alles stimmt. Die Bilder sind niemals reisserisch,<br />

und wenn die Kamera ganz nah bei den Menschen<br />

bleibt, wenn sie von ihren Erinnerungen überwältigt<br />

werden, so entsteht trotzdem nie der Eindruck des<br />

Voyeurismus, sondern mehr des Mitgefühls und<br />

der Betroffenheit, als wenn man Gutierrez selbst<br />

gekannt hätte. Die Erzähldramaturgie ist vom ersten<br />

bis zum letzten Moment stimmig und doch<br />

abwechslungsreich, man spürt den Erfahrungsmix<br />

zwischen Filmemachen und Journalismus. Dem<br />

Bildschnitt gelingt mühelos der Wechsel zwischen<br />

der Vergangenheit und Gegenw<strong>art</strong>, aber auch<br />

zwischen den Gegensätzen von Guatemala und<br />

den USA. Die Musik untermalt die emotionale Befindlichkeit<br />

ohne störenden oder gar wertenden<br />

Pathos und wird durch die drei Sprecher und Sprecherinnen<br />

Eva Mattes, Alexander Radszun und Peter<br />

Flechtner harmonisch ergänzt.<br />

Freunde, Verwandte, Betreuer und Kameraden<br />

erinnern sich nicht nur eindringlich an Geschichten,<br />

Anekdoten oder Charakterzüge von Gutierrez,<br />

sondern auch an die Umstände seiner Migration<br />

in die USA. Die Kamera folgt Gutierrez’ Route von<br />

Guatemala durch Mexiko, springt mit auf die endlosen<br />

Güterzüge, die jeden Tag Tausende Migranten<br />

illegal an die US-Grenze oder in den Rollstuhl<br />

bringen, wenn sie stattdessen unter die Zugräder<br />

geraten. Der Film besucht aber auch jene Herberge<br />

im südmexikanischen Chiapas, wo die Migranten<br />

und Migrantinnen noch einmal verschnaufen und<br />

neuen Mut für die letzte Reiseetappe fassen können.<br />

In der Begründung der Jury der Solothurner<br />

Filmtage heisst es, dass Specogna in «Das kurze<br />

Leben des José Antonio Gutierrez» ein «Einzelschicksal<br />

erzählt und es doch schafft, die Figur<br />

der im Irak gefallenen Soldaten in einen grösseren<br />

gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Zusammenhang<br />

zu stellen». Insofern ist Gutierrez’<br />

Schicksal symptomatisch für viele Menschen aus<br />

Süd- und Zentralamerika, und doch bleibt seine individuelle<br />

Geschichte und sein ganz eigener Charakter<br />

stets surreal präsent.<br />

Erst beim dritten Anlauf gelang Gutierrez die<br />

Einreise in die USA, wo er eine weitere, jahrelange<br />

Odyssee durch Pflegefamilien und Institutionen<br />

antrat. Um seinen Traum eines Architekturstudiums<br />

verwirklichen zu können, trat Gutierrez – zum<br />

Unverständnis vieler, die ihn kannten - in die US-<br />

Armee ein und wurde ein sogenannter Greencard-<br />

Soldat. Damit hoffte er, seine Chancen auf eine<br />

Einbürgerung zu verbessern.<br />

José Antonio Gutierrez starb bereits am ersten<br />

Tag der US-Invasion im Irak, vermutlich durch die<br />

verirrte Kugel eines Kollegen. Für kurze Zeit feierten<br />

die Medien Gutierrez als Helden und die USA<br />

gewährte ihm ein Staatsbegräbnis. Gerade deswegen<br />

ist es wohl der Gipfel eines als Heldentum verbrämten<br />

Zynismus, dass ihm die US-Staatsbürgerschaft<br />

posthum verliehen wurde.<br />

Der Film dauert 94 Minuten und ist seit dem 25.<br />

Januar in den Kinos.<br />

24<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


cinéma<br />

TRATSCHUNDLABER<br />

Von Sonja Wenger<br />

FILM<br />

look both ways<br />

Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />

■ Es gibt sie immer wieder, jene Filmperlen, die<br />

auf den ersten Blick bieder und undramatisch<br />

wirken, nur um dann ein Feuer der Gefühle beim<br />

Publikum auslösen. «Look Both Ways», der erste<br />

Langspielfilm der australischen Regisseurin, Drehbuchautorin<br />

und Animatorin Sarah Watt, ist ein<br />

solches Kleinod. Er ist ein dezentes Meisterwerk<br />

mit einer gescheiten Geschichte und einer mutigen<br />

Bildersprache, mit intelligentem Humor und einer<br />

grandios lebensbejahenden Kernaussage, paradoxerweise,<br />

oder gerade weil all dies in ein Geflecht<br />

aus Krankheit, Trauer und Tod eingebetet ist.<br />

Man könnte wirklich meinen, dass der Tod überall<br />

lauert - zumindest in der Phantasie von Meryl.<br />

Vielleicht liegt es daran, dass sie gerade von der<br />

Beerdigung ihres Vaters zurückkehrt. Sie weiss<br />

noch nicht, wie sie mit dem Verlust umgehen soll<br />

und ist mit ihren Gedanken mehr bei einem überfälligen<br />

Illustrationsauftrag als bei sich selbst. Ihre<br />

Erlebnisse und Sorgen übersetzen sich beinahe sofort<br />

in Malerei: Sei es die Angst, überfallen oder von<br />

einem Zug überfahren zu werden, sei es, dass sich<br />

die ganze Welt gegen sie verschworen zu haben<br />

scheint. Doch dann stirbt tatsächlich jemand an<br />

diesem Freitag vor Meryls Augen. Ein junger Mann<br />

wird von einem Zug überfahren. Die Polizei kommt,<br />

die Lokalpresse sucht nach einer Geschichte, und<br />

plötzlich sind die Schicksale aller Betroffenen und<br />

Zeugen an diesem heissen Wochenende auf seltsame<br />

Weise miteinander verflochten. Die einen<br />

scheinen den Tod zu suchen, die anderen ihm auszuweichen<br />

oder ihn gar verdrängen zu wollen.<br />

Behutsam nimmt die Regisseurin das Publikum<br />

an der Hand und lässt ein ganzes Sammelsurium<br />

aus Geschichten und Informationen sich mal langsam,<br />

mal schock<strong>art</strong>ig entfalten. Watt arbeitet mit<br />

einer eindringlichen Kombination aus brutal geschnitten<br />

Bildern und komödiantischen Elementen.<br />

Immer wieder bricht sie die Erzählung, wirft<br />

dem Publikum unverdauliche Informationsbrocken<br />

förmlich vor die Füsse, versöhnt es dann aber<br />

auch gleich wieder mit überraschenden Wendungen.<br />

Den Stilwechsel zwischen Realfilm, Animation<br />

oder Photocollagen beherrscht sie souverän, und<br />

immer erlaubt sie den Schauspielern, sich selbst<br />

und den Charakteren Zeit zu lassen und in ihrem<br />

Spiel aufzublühen.<br />

«Look Both Ways» steht auf den typischen gelben<br />

Schildern in Australien, die einen vor Gefahren<br />

wie Haien, Kängurus auf der Strasse oder eben<br />

Zügen, die von links kommen, warnen sollen. Sich<br />

nach beiden Seiten umzusehen, kann aber auch<br />

bedeuten, dass in diesem Film, so wie im Leben,<br />

das Tragische und das Komische eng beieinander<br />

liegen. Nur sieht man es oft nicht, wenn man<br />

immer in die gleiche Richtung blickt. «Look Both<br />

Ways» vermittelt keine Kinogeborgenheit, weil die<br />

Regisseurin nicht nur das grosse Ganze raffiniert<br />

darstellt, sondern auch einen scharfen Blick für<br />

das Tragische und Absurde des Alltags und des Gewöhnlichen<br />

hat. Gleichzeitig sucht sie inhaltliche<br />

und formale Grenzen und fordert diese mit sympathischer<br />

Kaltschnäuzigkeit heraus. Eine gute<br />

Dosis australischen Humors tut das Seine, «Look<br />

Both Ways» mit all seinen schwermütigen Themen<br />

niemals düster wirken zu lassen. Es ist immer eine<br />

Freude, ins Kino gehen zu dürfen, aber es ist ein<br />

besonders inspirierendes Vergnügen, sich dabei<br />

einen Film wie «Look Both Ways» anzusehen.<br />

Der Film dauert 100 Minuten und ist seit dem 18.<br />

Januar im Kino.<br />

■ Prinzessin Caroline von Monaco wird fünfzig<br />

und die «Schweizer Illustrierte» nennt sie in Ermangelung<br />

einer wohlwollenderen Formulierung<br />

die «meistbeachtetste Frau Europas». Tja, so ist<br />

es nun mal, wenn man sich mit dem Medien anlegt<br />

und ihnen mit einem «Caroline-Urteil» alles<br />

verbieten will. Da verscherzt man sich schon mal<br />

für immer die Sympathien der Klatschpresse.<br />

Um das mediale Befinden wieder einzurenken,<br />

hat sich stattdessen die britische und indische<br />

Presse in den letzten Wochen mächtig ins Zeug<br />

gelegt und die Briten als «ignorante und stupide<br />

Rassisten» gebrandmarkt. So zumindest die Medienhysterie<br />

um die Bollywood-Schauspielerin<br />

Shilpa Shetty und ihren Auftritt beim britischen<br />

Big-Brother, der durch - eieieiaberauch - «rassistische»<br />

Bemerkungen einer Konkurrentin unter<br />

der Käseglocke vergällt wurde. Und plötzlich<br />

ging es um Indiens Selbstwertgefühl und nicht<br />

mehr um idiotische Kleingeister, die sich gegen<br />

Entgelt verpflichten, in einer WG allerlei Sinnloses<br />

von sich zu geben.<br />

Nun denn. Immerhin ist noch Verlass auf meinen<br />

Lieblinskratzbaum. So wurde Paris Hilton<br />

in Kalifornien wegen Trunkenheit am Steuer zu<br />

einer Geldbusse und einer dreijährigen Bewährungsstrafe<br />

verurteilt. Eine Reduktion der Bewährungsstrafe<br />

um ein Jahr lehnte sie ab, denn<br />

dafür hätte sie vierzig Sozialstunden leisten<br />

müssen - igitt! Vielleicht sogar noch auf einem<br />

nicht-pinkfarbenen Bauernhof! Kluges Mädchen.<br />

Gerade in Paris’ Welt sollte man nie vergessen,<br />

wo die Geschmacksgrenzen liegen.<br />

Andere vergessen das leider immer wieder.<br />

Jüngstes Beispiel ist das «Schlank & Krank»-<br />

Dossier der «annabelle». In ernstem Ton weist<br />

es nicht nur auf die gesundheitlichen Gefahren<br />

des Dürrheitswahns hin, sondern erzählt gleichzeitig<br />

mit detaillierten Bildern, dass in Hollywood<br />

nun das Motto gilt: Je dürrer, desto mehr Gage.<br />

Und zwar nicht, weil man so viel vom Nicht-Essen<br />

sp<strong>art</strong>. Doch leider, leider geht’s auch hier nicht<br />

ohne die seit Jahrzehnten gepflegte Schizophrenie<br />

der Frauenzeitschriften, die gleichzeitig forcieren,<br />

was sie dann kurieren wollen. Gleich nach<br />

dem Dossiers gibt es Seite um Seite Modestrecken<br />

und Werbebilder von – richtig - dürren Models.<br />

Aber hui! Jetzt wird’s richtig gefährlich! In<br />

dem Dossier wird auch das O-Ton-«Blick»-Klapper-Meitili<br />

Keira Knightly gezeigt, und sie will nun<br />

all jene Medien vor Gericht zerren, die behaupten,<br />

sie leide unter Essstörungen. Allerdings darf<br />

man ruhig fragen, mit welchen Kräften sie zerren<br />

will?<br />

www.ensuite.ch<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 25


das andere kino<br />

www.cinematte.ch / Telefon 031 312 4546 www.kellerkino.ch / Telefon 031 311 38 05 www.kinokunstmuseum.ch / Telefon 031 328 09 99<br />

■ Robert Altman Als Robert Altman im letzten<br />

November 81-jährig starb, verlor die Filmwelt einen<br />

ihrer gross<strong>art</strong>igsten Satiriker. Als Hommage<br />

an den grossen Regisseur zeigen wir u. a. die Antikriegssatire<br />

M.A.S.H., Nashville, das ätzende<br />

Porträt der Country-Hochburg, das stilistische<br />

Meisterwerk Short Cuts oder die Abrechnung mit<br />

Hollywood in The Player.<br />

Terry Gilliam - Monty Python Selten ist ein<br />

Filmemacher gross<strong>art</strong>iger gescheitert: Als Terry<br />

Gilliam 1999 The Man who Killed Don Quixote<br />

drehen wollte, schien es das Schicksal mehr als<br />

schlecht mit ihm zu meinen - ein Unwetter und das<br />

Rückenleiden des Hauptdarstellers waren nur zwei<br />

von vielen Hindernissen für das millionenteure<br />

Unterfangen. Dieses grandiose Scheitern ist dokumentiert<br />

im Film Lost in La Mancha. Dass Gilliam<br />

jedoch nicht nur ein Pechvogel ist, beweisen etwa<br />

die halluzinatorisch-visionären Filme Brazil oder<br />

Twelve Monkeys oder die Monty-Python-Streifen<br />

The Meaning of Life und The Holy Grail.<br />

Audrey Hepburn Vor Kurzem wurde ihr kleines<br />

Schwarzes für 600‘000 Euro versteigert - die zierliche<br />

Audrey Hepburn bleibt allerdings nicht nur<br />

als Modeikone, sondern auch als Schauspielerin<br />

im Gedächtnis: Schon für einen ihrer ersten Filme,<br />

Roman Holiday, erhielt sie einen Oscar. Bitte beachten<br />

Sie: Die Filme der kleinen Retrospektive,<br />

darunter natürlich auch Breakfast at Tiffany’s,<br />

werden jeweils am Sonntag Vorabend gezeigt.<br />

Der Musikfilmzyklus Song & Dance Men präsentiert<br />

sechs Filme, die die Vielfalt einer zersplitterten,<br />

undefinierbaren Popkultur aufzeigen. Namhafte<br />

Musikjournalisten führen die in der Schweiz<br />

kaum je gezeigten Filme ein. Im Februar zeigen wir<br />

24 Hour P<strong>art</strong>y People von Michael Winterbottom.<br />

Als Einführung liest Christian Gasser aus seinem<br />

Buch Mein erster Sanyo. Bekenntnisse eines Pop-<br />

Besessenen.<br />

Mit dem Film Une Liaison Pornographique<br />

von Frédérique Fonteyne und einem cinérotischen<br />

Menu möchten wir Ihnen am Valentinstag ein romantisches<br />

Tête-à-tête ermöglichen.<br />

Am 23. Februar taufen Tomazobi in der Cinématte<br />

ihr neues Live-Album! Mit Welturaufführung<br />

Häscherfilm Vol. II und vielen Gästen.<br />

■ DER FREIE WILLE (Von Matthias Glasner,<br />

Deutschland 2006, 163’, Deutsch, Spielfilm) Theo,<br />

ein Vergewaltiger, kommt nach 9 Jahren aus dem<br />

Massregelvollzug. Seine Angst vor Frauen und die<br />

damit verbundene unerfüllte Sehnsucht machen<br />

sein Leben in der Normalität zu einem M<strong>art</strong>yrium.<br />

Nettie schafft es mit 27 Jahren endlich, sich von<br />

ihrem Vater zu lösen, der sie ihr ganzes Leben<br />

lang psychisch missbraucht hat. Theo und Nettie<br />

begegnen sich. Als sie anfangen, sich zu lieben, beginnt<br />

ihre gemeinsame Reise an die Grenzen des<br />

freien Willens.<br />

Matthias Glasner zum Film: «Der Film erzählt<br />

von Dingen, die wir als monströs oder ab<strong>art</strong>ig<br />

empfinden. Wir haben chronologisch gedreht und<br />

als ich selbst durch die Kamera dabei zusah, was<br />

Theo der Frau in der Anfangssequenz antut, hatte<br />

ich Zweifel, ob ich das bis zum Ende durchhalten<br />

würde. Aber ich hatte mir vorgenommen, einen<br />

z<strong>art</strong>en Film über den Terror der Einsamkeit zu drehen.<br />

Und so habe ich, egal was passiert - ob grausam<br />

oder vorsichtig hoffnungsvoll - alles mit der<br />

gleichen Anteilnahme mit meiner Kamera begleitet.<br />

Der freie Wille ist kein Film ‘über’ ein Thema,<br />

in diesem Fall vielleicht physische und psychische<br />

Vergewaltigung. Es ist kein ‘Problemfilm’. Sondern<br />

eine Art Trip, bei dem wir mit zwei Menschen bis<br />

zum konsequenten Ende mitgehen. Im Guten wie<br />

im Bösen.» (Im Februar)<br />

NAUSICAÄ FROM THE VALLEY FROM THE<br />

WIND (Von Hayao Miyazaki, Japan 1984, 116’, Japanisch/d/f,<br />

Animé) Nach einem verheerenden<br />

Krieg, den sieben Tagen des Feuers, hat sich die<br />

Erde in ein verwüstetes Ödland verwandelt. Doch<br />

eine Bastion konnte bislang der ApokaIypse trotzen:<br />

das Tal der Winde. Dort lebt Nausicaä, eine<br />

junge mutige Prinzessin mit ihrem Volk. Sie steht<br />

in harmonischem DiaIog mit Flora und Fauna. Als<br />

das Tal der Winde von einer fremden Macht angegriffen<br />

wird, die das fruchtbare Land unterwerfen<br />

wiIl, ist Nausicaä die Ietzte Hoffnung. Verzweifelt<br />

tritt sie mit alIen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln<br />

für den Frieden ein - und wird so zur Botschafterin<br />

einer uralten Prophezeiung... (Im Februar)<br />

■ THEATER UND FILM: Robert Wilson Seine<br />

Bühnenproduktionen gelten als revolutionär, doch<br />

die Person hinter den Kulissen ist bis heute ein<br />

Rätsel geblieben: Robert Wilson, einer der kontroversesten,<br />

innovativsten und rätselhaftesten<br />

Künstler unserer Zeit. Fünf Jahre lang hat die<br />

Filmemacherin Katharina Otto den Theatermann<br />

mit der Kamera begleitet. Neben Wilson selbst<br />

kommen auch zahlreiche Zeitzeugen, Kollegen<br />

und Weggefährten zu Wort: David Byrne, Susan<br />

Sontag, Philip Glass, Jessye Norman oder der ehemalige<br />

Intendant der Pariser Oper, Charles Fabius.<br />

Absolute Wilson (Regie: Katharina Otto, D 2006,<br />

105 Minuten, E/d). 3. bis 25. Februar<br />

FILMEMACHERINNEN HEUTE: Isabel Coixet<br />

Ihr Spiefilmdebüt gab die Katalanin 1988. Mit<br />

My Life Without Me (2003) und The Secret Life<br />

of Words (2005) – beide von Pedro Almodóvars<br />

Produktionsfirma El Deseo produziert – landete<br />

Isabel Coixet die ersten grossen Publikumserfolge<br />

und wurde mit Preisen geradezu überhäuft. 2000<br />

gründete Isabel Coixet die Produktionsfirma Miss<br />

Wasabi Films, die bis heute zahlreiche Dokumentationen<br />

und Musikclips herstellte. Zweifelsohne ist<br />

die Coixet bezüglich ihrer schöpferischen Leistungen<br />

ein absolutes Ausnahmetalent, das zudem den<br />

Spagat zwischen Kunst und Kommerz spielend zu<br />

schaffen scheint. Als Autorenfilmerin wird sie für<br />

ihre berührenden Geschichten von der internationalen<br />

Filmkritik abgefeiert, als Werbefilmerin<br />

realisiert sie mit einem bemerkenswerten Output<br />

Spots für Weltkonzerne wie Danone, BMW, Ikea,<br />

Renault, Pepsi oder Kellogg. Ein kleine Kostprobe<br />

ihres Könnens gab es zuletzt im Film Paris je<br />

t‘aime zu sehen, für den sie das Segment Bastille<br />

realisierte. 18. bis 27. Februar<br />

JOHN HOUSTON – Hommage zum 100. Geburtstag<br />

Er zählt zu den Grossen des amerikanischen<br />

Kinos. Unsere Geburtstags-Hommage zeigt<br />

im Februar The Asphalt Jungle, The Misfits, Reflections<br />

in a Golden Eye und The Dead. Bis 20.<br />

Februar<br />

26<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


KI O<br />

i n d e r R e i t s c h u l e<br />

N<br />

Für das Tagesprogramm die Tageszeitung oder das Internet www.bernerkino.ch<br />

LICHTSPIEL<br />

www.reitschule.ch / Telefon 031 306 69 69 www.lichtspiel.ch / Telefon 031 381 15 05 www.pasqu<strong>art</strong>.ch / Telefon 032 322 71 01<br />

■ Feine Entdeckungen Es ist den vielen kleinen<br />

Schweizer Filmclubs und Cinélibre der Dachorganisation<br />

der Schweizer Filmclubs zu verdanken, dass<br />

hochgelobte und preisgekrönte Festivalfilme doch<br />

noch ins Kino finden. Im Februar hat das Kino in<br />

der Reitschule gleich vier wertvolle Filme für ein<br />

Publikum entdeckt, das sich innovativen und unkonventionellen<br />

Themen und Filmformen erfreuen<br />

will. Es sind dies Filme die dem inhaltlichen und<br />

formalen Filmverständnis unseres Kinos und unserer<br />

politischen Realität entsprechen.<br />

Tony Takitani, ein auf internationalen Festivals<br />

bereits mehrfach ausgezeichneter Film basiert auf<br />

einer Erzählung von Haruki Murakami und wurde<br />

von Jun Ichikawa, Japans gefragtestem Werbefilmer,<br />

filmisch kongenial umgesetzt. Der Film<br />

ist eine märchenhafte Parabel, in der Murakamis<br />

Leitmotive Einsamkeit, Verlust, Jazz und Kleiderfetisch<br />

auf eine poetische und zauberhafte Weise<br />

verdichtet werden. (1.-3.2.)<br />

In Dreaming by Numbers geht es um die Mystik<br />

der Zahlen und um Einblicke in Lebensgeschichten<br />

von einfachen neapolitanischen Menschen,<br />

alle auf der Suche nach kleinen Momenten des<br />

Glücks. Mit der behutsamen Annäherung an diese<br />

Menschen gelingt es der italienischen Regisseurin<br />

Anna Bucchetti über individuelle Schicksale hinaus<br />

gesellschaftliche Verhältnisse sichtbar zu machen.<br />

(9./10.2.)<br />

Wie politisch das Private ist, dokumentiert<br />

Arash in Exile Family Movie. Erzählt wird die Geschichte<br />

seiner Familie, die teils in Europa und den<br />

USA im Exil, teils im Iran lebt. In der persönlichen<br />

Flüchtlingsgeschichte werden alle uns heute beschäftigenden<br />

Themen wie Heimat, Vertreibung,<br />

Rassismus und Religion berührt und das Aufeinanderprallen<br />

gegensätzlicher Weltanschauungen<br />

aufgezeigt. (16./17.2.)<br />

Der in Indonesien gedrehte Film Promised Paradise<br />

des niederländischen Regisseurs Leonard<br />

Retel Helmrich ist ein komischer und bissiger Angriff<br />

auf das offizielle Medieneinerlei. Er zeigt die<br />

Absurdität medialer Wirklichkeitsansprüche auf.<br />

(23./24.2.)<br />

In einer Sondervorstellung ist am 15.2. Der Kick<br />

von Andres Veiel zu sehen.<br />

■ Sándor Veress - Im Rahmen des Musikfestivals<br />

Bern 2007 bietet sich in einer Matinée die Gelegenheit,<br />

eine eher unbekannte Seite im Werk des<br />

Komponisten kennenzulernen: Er schrieb 1948 die<br />

Musik zu dem mit viel ungarischer Volkskultur getränkten<br />

Spielfilm Talpalatnyi Föld (Ein fussbreit<br />

Land) von Frigyes Bán, der sich dem politisch brisanten<br />

Thema der Landreform widmet. (So 4.2.,<br />

11:00 h)<br />

Oberhausen on Tour 2007 - Der Freigeist Robert<br />

Nelson, einer der populärsten Filmemacher<br />

der 60er Jahre, gilt als zentrale Figur des New<br />

American Cinema. Seine scharfsinnigen und intuitiven<br />

Arbeiten balancieren zwischen formaler Erfindungskraft<br />

und ansteckendem Humor. (Mo 5.2.,<br />

20.00 h). Mit Best of German and International<br />

Competition kommt ein verspieltes und facettenreiches<br />

Kurzfilmprogramm ins Lichtspiel. (Mo 12.2.,<br />

20.00 h)<br />

Von 1982-1995 führte die Schule für Gestaltung<br />

Bern Filmkurse durch, die vielen heute noch<br />

in der Filmszene Tätigen als Sprungbrett dienten.<br />

Silvia Horisberger, Initiantin und Leiterin der ersten<br />

Kurse präsentiert an zwei Abenden Filme aus<br />

dieser Zeit und berichtet von deren Entstehung.<br />

So wird mit Kaiserhaus der Wandel des Berner<br />

Prestigegeschäfts von seiner Entstehung 1904 bis<br />

zum umstrittenen Umbau in den Achtzigerjahren<br />

dokumentiert; ein weiteres architektonisches Politikum,<br />

die «Felsenburg», wird im Film Bim Bäregrabe<br />

links verfolgt. (Mo 19.2., 20:00 h). Herbsttheater<br />

portraitiert auf feinfühlige und kurzweilige<br />

Art fünf pensionierte SchauspielerInnen; Proviele<br />

experimentiert mit eigenwilligen Eindrücken aus<br />

dem Bern der Achtzigerjahre. (Mi 28.2., 20:00 h)<br />

Das Menschlein Matthias von Edmund Heuberger<br />

(CH 1940/41) erzählt das Schicksal eines unehelichen<br />

Jungen, der unter der strengen Fuchtel<br />

seiner Tante aufwächst. Stumm erträgt Matthias<br />

eine Schikane nach der anderen, bis er in einer<br />

Gewitternacht zu seiner Mutter nach Rorschach<br />

flieht. Von da an begleitet er seine Mutter tagtäglich<br />

in die Fabrik, wo er eines Tages das Geheimnis<br />

des cholerischen Chef-Stickereizeichners Oberholzer<br />

entdeckt. (Mo 26.2., 20:00 h)<br />

NEWS / NOUVEAUTÉS<br />

Im Februar zeigt das Filmpodium Filme, die im letzten<br />

Jahr in vielen Schweizer Städten ihre Premieren<br />

feierten, in Biel aber oft nur ganz kurz oder<br />

überhaupt nicht in die kommerziellen Kinosäle<br />

fanden.<br />

Crossing the Bridge: The Sound of Istanbul<br />

(2./3. 2.). Fatih Akin hat sich wohl den konfuzianischen<br />

Rat, dass eine Kultur nur verstanden<br />

werden kann, wenn man sie vor Ort erfährt, zu<br />

Herzen genommen: Mit Hilfe der Musik ermöglicht<br />

er in seinem Dokumentarfilm spannende Einblicke<br />

in die lebendige Stadt am Bosporus.<br />

Der Kick von Andres Veiel (4./5.2.), die preisgekrönte<br />

Dokumentation einer Theaterinszenierung<br />

über den brutalen Mord dreier Jugendlicher<br />

aus dem rechten Lager an einem Gleichaltrigen<br />

geht über das Monströse hinaus, indem sie die<br />

«alltägliche Entzivilisierung» sichtbar macht.<br />

La dignidad de los nadies (9.-12.2.). Der argentinische<br />

Regisseur Fernando Solanas (Sur, El Viaje)<br />

verbündet sich in seinem neusten Dokumentarfilm<br />

einmal mehr mit den in seinem Land durch<br />

den Neoliberalismus ausgebeuteten Menschen.<br />

Sein Film ist so kreativ wie die Mittel des Widerstandes,<br />

die diese Menschen den entwürdigenden<br />

Machenschaften entgegen zu setzen wissen.<br />

Me and You and Everyone we Know von Miranda<br />

Julie (23.-26.2.) ist eine poetische und<br />

scharfsinnige Studie darüber, wie Menschen in<br />

einer isolierten zeitgenössischen Welt miteinander<br />

kämpfen aber auch Beziehungen zueinander<br />

aufbauen können.<br />

Show your steps Zum dritten Mal findet anfangs<br />

März in Biel der Tanzwettbewerb Show your<br />

steps statt. Im Rahmen dieses Festivals zeigt das<br />

Filmpodium die beiden Filme Boyz n the Hood,<br />

von John Singelton, ein Plädoyer gegen Gewalt<br />

und Rize von David LaChapelle, der sich in seinem<br />

Spielfilmdebüt dem Tanz-Phänomen «Clowing»<br />

oder «Krumping» widmet. Der Stil wurde Anfang<br />

der 90er Jahre in Los Angeles als Reaktion auf die<br />

soziale Unterdrückung entwickelt. (16. -19. 2.).<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 27


cinéma<br />

FILM<br />

nicht blink, blink – sondern blink, bumm<br />

Von Sonja Wenger<br />

■ Es ist eher ungewöhnlich, zum St<strong>art</strong> eines Kinofilmes<br />

eine Medienmappe von niemand geringerem<br />

als Amnesty International (AI) zu erhalten. «Nein<br />

zu Konfliktdiamanten» propagiert die Menschenrechtsorganisation<br />

und streicht heraus, dass «der<br />

Diamantenhandel nicht immer so glänzend ist, wie<br />

das Produkt selbst». Der Anlass? Leonardo DiCaprio<br />

spielt die Hauptrolle im Film «Blood Diamond», der<br />

seit dem 25. Januar in den Deutschschweizer Kinos<br />

läuft. Für seine Rolle als südafrikanischer Diamantenschmuggler<br />

in vom Bürgerkrieg geschüttelten<br />

Sierra Leone wird er gerade mit Nominationen und<br />

Preisen überhäuft. Die Thematik um sogenannte<br />

Konflikt- oder eben Blutdiamanten aus Afrika ist die<br />

reale Grundlage dieses fiktiven Filmes, der sich um<br />

den Fischer Solomon Vandy dreht, dessen Dorf von<br />

Rebellen überfallen wird. Sein Sohn wird entführt<br />

und muss als Kindersoldat dienen. Auf der Suche<br />

nach ihm nehmen die Rebellen Vandy gefangen und<br />

zwingen ihn, in einer von ihnen kontrollierten Diamantenmine<br />

zu arbeiten. Mit dem Geld finanzieren<br />

die Rebellen ihre Waffen und damit Bürgerkrieg und<br />

Menschenrechtsverletzungen. In der Mine findet<br />

Vandy einen grossen Diamanten und versteckt ihn,<br />

doch bald sind nicht nur die Rebellen hinter dem<br />

Stein her, sondern auch Danny Archer (DiCaprio).<br />

Die Aufregung um DiCaprios neusten Film machen<br />

sich nun Regisseur Edward Zwick und Nichtstaatliche<br />

Organisation (NGOs) zunutze, auf einen<br />

politischen Aspekt hinzuweisen, der lange vernachlässigt<br />

wurde. Vor kurzem prangerte Zwick zudem<br />

eine Kampagne der US-amerikanischen Juweliere<br />

an, die für jede diamantenbestückte Hand bei der<br />

diesjährigen Oscar-Verleihung eine Summe von<br />

10‘000 US-Dollar an eine afrikanische Organisation<br />

spenden will. Nicht nur nannte er diese Praxis – zu<br />

Recht - eine fragwürdige Form der «wohltätigen Bestechung»,<br />

sondern auch besonders «geschmacklos»<br />

im Hinblick darauf, dass in Sierra Leone die<br />

Rebellenarmee dafür berüchtigt war, den Menschen<br />

die Hände abzuhacken.<br />

Die Informationskampagne von AI weist allerdings<br />

noch auf ein anderes Phänomen. Es sind nicht<br />

mehr nur engagierte Einzelpersonen, die durch den<br />

globalen Starkult verursachte mediale Aufmerksamkeit<br />

für ihre philanthropischen Zwecke nutzen<br />

à la Bono und Bob Geldof, sondern immer häufiger<br />

auch NGOs. Und warum auch nicht? Weshalb sollten<br />

Organisationen nicht auch auf diese Weise auf<br />

ehrenhafte Anliegen aufmerksam zu machen? Die<br />

Frage ist nur, weshalb gesellschaftsrelevante Informationen<br />

zunehmend von einem Medium verbreitet<br />

werden – oder werden müssen -, das lange Zeit mit<br />

reiner Unterhaltung assoziiert worden ist? Natürlich<br />

gibt es schon lange den Polit- oder Dokumentarfilm.<br />

Doch je länger je mehr entwickelt sich eine<br />

- übrigens ebenfalls enorm unterhaltsame – neue<br />

Form der Dokufiktion. Sind die Menschen tatsächlich<br />

dem hirnlosen Konsum überdrüssig geworden,<br />

oder ist es im Gegenteil eine Reaktion darauf, dass<br />

im Dschungel der Hilfsorganisationen nur noch auf<br />

diese Weise ein aufmerksames Publikum gefunden<br />

werden kann? Sind Hollywoodstars wie Angelina Jolie<br />

als Sonderbotschafterin für das Uno-Hochkommissariat<br />

für Flüchtlinge, George Clooney und sein<br />

Engagement für die Umwelt und gegen politische<br />

Korruption («Syriana»), der ehemalige US-Vizepräsident<br />

Al Gore und sein Film gegen den Klimawandel<br />

(«An Inconvenient Truth») nur Gutmenschen<br />

und clevere PR-Strategen, oder die Vorläufer einer<br />

neuen Verstrickung von Kultur und Gesellschaft?<br />

Informationen zu «Nein zu Konfliktdiamanten» auf<br />

www.amnesty.ch oder www.globalwitness.org<br />

SONG & DANCE MEN<br />

Musikfilme in der Cinématte 1<br />

Der Musikfilmzyklus «Song&Dance Men» präsentiert Filme, die die Vielfalt<br />

einer zersplitterten, undefinierbaren Popkultur aufzeigen. Die Filmauswahl<br />

versucht, verschiedene Anknüpfungspunkte innerhalb der popmusikalischen<br />

Genres und über diese Grenzen hinweg aufzuzeigen. Namhafte Musikjournalisten<br />

führen die in der Schweiz kaum je gezeigten Filme ein.<br />

Mittwoch, 28. Februar 2007, 20.00h<br />

24 Hour P<strong>art</strong>y People<br />

Regie: Michael Winterbottom; mit: Steve Coogan,<br />

John Thomson, Shirley Henderson, Paddy Considine, Sean Harris;<br />

UK/2002, 35mm, OV mit f UT, 117 Min.<br />

Die Pseudo-Dokumentation des Regisseurs von «The Road<br />

to Guantanamo», «9 Songs» und «Wonderland» bewegt sich<br />

auf den Spuren des Label- und Clubbetreibers Tony Wilson,<br />

dargestellt von Steve Coogan, der im Manchester der 80er<br />

Jahre Bands wie Joy Division, New Order und die Happy<br />

Mondays produzierte. «24 Hour P<strong>art</strong>y People» portraitiert<br />

vergnüglich und selbstironisch die Musikszene Manchesters<br />

im Übergang zwischen Punk und Techno.<br />

Einführung: Christian Gasser liest aus seinem Buch<br />

«Mein erster Sanyo. Bekenntnisse eines Pop-Besessenen».<br />

Vorschau<br />

28. März: The Devil & Daniel Johnston Einführung: Albert Kuhn (Weltwoche)<br />

18. April: The Fearless Freaks – The Wondrously, Highly Improbable Story of the Flaming Lips<br />

Einführung: Christian Gasser<br />

30. Mai: Hardcore Chambermusic – Koch Schütz Studer<br />

27. Juni: Wattstax (TBC) Einführung: Bänz Friedli<br />

Konzept, Programmation: Benedikt S<strong>art</strong>orius, Sarah Stähli<br />

Musikfilme in der Cinématte 1<br />

wasserwerkgasse 7, bern Reservationen: Tel. 031 312 45 46 oder www.cinematte.ch<br />

28<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


magazin<br />

KULTUR & GESELLSCHAFT<br />

bern ist zum beispiel – noch<br />

Von Peter J. Betts<br />

■ Bern ist zum Beispiel – noch – und zwar seit<br />

etwa eineinhalb Jahrhunderten unbestritten eine<br />

Hauptstadt, was zur Bezeichnung «Metropole»<br />

berechtigt. Metropole bedeutet auch «Weltstadt».<br />

Bern, das Provinzstädtchen, eine Weltstadt?<br />

Was führt eigentlich dazu, dass man – man?<br />

– sich fragt, ob ein bestimmter urbanisierter Raum<br />

Provinz oder Metropole sei? «Man» ist wohl meistens<br />

die jeweilige Bewohnerin oder der jeweilige<br />

Bewohner eines so dicht überbauten Gebietes,<br />

das gemeinhin ohne viel Federlesen als «Stadt»<br />

bezeichnet wird. WARUM überhaupt diese Frage<br />

gestellt wird, ist die eigentliche Frage.<br />

Als «Metropolitan Area» wird auf amerikanisch<br />

das verstädterte, also urbanisierte Gebiet über<br />

die Verwaltungsgrenzen einer Stadt hinaus umschrieben:<br />

Es zeichnet sich durch Siedlungsdichte,<br />

städtische Lebensweise, wirtschaftliche, kulturelle<br />

und soziale Verflechtung mit der Kernstadt aus; in<br />

den USA wurde es 1950 erstmals in der amtlichen<br />

Statistik erfasst, falls die minimale Zahl der Einwohnerschaft<br />

50‘000 betrug. (Bezüglich Kultur<br />

wäre etwa die Metropole Bern seit einigen Jahren<br />

also Teil der RKK-Bern, der Regionalen Kulturkonferenz...)<br />

Apropos Region: die Griechen bezeichneten<br />

als «Metropole» die Mutterstadt einer Kolonie<br />

(im Gegensatz zur Tochterstadt). Apropos Kolonie<br />

– war nicht kürzlich aus Kreisen der Politik wieder<br />

einmal zu hören, der Graben zwischen Stadt und<br />

Land gehöre nun wirklich endlich verringert oder<br />

gar zugeschüttet? Aber irgendwo – im kollektiven<br />

Gedächtnis? – geistern immer noch Bilder der Gnädigen<br />

Herren, der Eroberer der Waadt, der Landvögte<br />

herum...<br />

Zum Beispiel die Stadt Bern: Provinz oder<br />

Weltstadt? «Geoid» ist die Bezeichnung für den<br />

der wirklichen Erdgestalt weitgehend angenäherten<br />

mathematischen Körper. Er unterscheidet sich<br />

sowohl von der Kugel wie auch vom Rotationsellipsoid<br />

insofern, als seine Oberfläche ungefähr im<br />

mittleren Meeresniveau verläuft und die Richtung<br />

der Schwerkraft überall senkrecht auf dieser Oberfläche<br />

steht (und deshalb etwas gewellt ist). Die<br />

konkrete menschliche Erfahrung, die Grössenverhältnisse<br />

zwischen Erddurchmesser und Mensch<br />

etwa, macht in der Praxis den Unterschied von Kugel<br />

und Geoid unbedeutend. Genauso wie wir, weil<br />

die Genauigkeitsabweichungen für unsere praktischen<br />

Bedürfnisse meist unbedeutend sind, in<br />

der Planimetrie oder in allen von ihr beeinflussten<br />

technischen Zeichnungen ruhig davon ausgehen<br />

dürfen, dass es Ebenen, Parallelen, Geraden gibt<br />

– auch wenn wir inzwischen wohl WISSEN, dass in<br />

Wirklichkeit der Raum gekrümmt ist, Geraden nicht<br />

existieren usw. Aber sowohl auf der Kugel wie auf<br />

dem Geoid gibt es keinen einzigen Punkt, der wichtiger,<br />

der «mehr Welt» wäre als der andere! Jeder<br />

Punkt bedingt die Existenz jedes anderen.<br />

«Die Kulturpolitik der Stadt Bern für die Jahre<br />

1996 bis 2008», das Konzept des Gemeinderates,<br />

zeigt auf dem Titelblatt eine Luftaufnahme eines<br />

grossen Teils des Stadtgebietes. Darauf ist eine<br />

geschlossene weisse Linie projiziert: sie kann als<br />

Grenze der Schweiz gelesen werden. Das Stadtbild<br />

ginge über die weisse Projektion hinaus und endet<br />

– zufällig, eben durch den Bildausschnitt begrenzt.<br />

Darunter steht: «Bundesstadt und Region<br />

bilden eine kulturelle, wirtschaftliche, ökologische<br />

Schicksalsgemeinschaft». Die Aussageabsicht:<br />

«Alles, was auf der Erde geschieht, hat auch mit<br />

Bern zu tun, alles was in Bern geschieht, hat Auswirkungen<br />

auf ‹die Welt›.» Die Frage, ob Provinz<br />

oder Metropole, wird nicht einmal gestreift. Eine<br />

für eine Exekutivbehörde überraschend weise, einsichtige<br />

und ungewohnte Auslassung.<br />

Meiner Ansicht nach steht hinter der Frage, ob<br />

«man» weltstädtisch oder provinziell sei, immer<br />

kleinkariertes Wettbewerbsdenken, das letztlich<br />

auf dem Nährboden der Tugenden Missgunst,<br />

Neid, Misstrauen, Engstirnigkeit, Gier, Unverständnis,<br />

Überheblichkeit die absurdesten Blüten treibt,<br />

den Tanz der Aasgeier nach bekannter Choreographie<br />

anspornt – bis dann schliesslich nirgendwo<br />

mehr etwas blüht. Nein, nicht auf der Unsicherheit<br />

fusst die Frage. Unsicherheit, das Erkennen eines<br />

Ungenügens oder eines Mangels, Sehnsucht,<br />

Neugier, Verstehenwollen, Interesse, Verantwortungsbewusstsein,<br />

Verbundenheit, Veränderungsbereitschaft<br />

führen zu schöpferischem Entwickeln<br />

neuer Werte oder zum Verbessern alter. Zu Gewinnoptimierung<br />

– völlig abseits jeglicher geldmässiger<br />

Messgrössen! Zu Shareholder Value für<br />

alle, die ihr LEBEN als Anteilschein und Ausweis<br />

für ihre Existenz auf diesem Planeten betrachten<br />

und in der Vollversammlung mitgestalten wollen.<br />

Für eine solche Geisteshaltung ist es völlig irrelevant,<br />

auf welchem Punkte der Erdkugel man sein<br />

Dasein fristet, sein Lebenswerk erschafft. Und dieser<br />

Sachverhalt macht nicht aus allen Entwurzelte,<br />

im Gegenteil! Wer also zum Beispiel für eine Stadt<br />

und ihre Region eine bestmögliche Entwicklung<br />

anzustreben beabsichtigt und damit eben auch<br />

für «die Welt», ist gut beraten, auf bestmögliche<br />

Weise die Kreativität ALLER in ihrem Einflussbereich<br />

(auch der so genannten Kulturschaffenden)<br />

zu fördern. Eine Frage der politischen Kultur. So<br />

gesehen, käme einer Kulturpolitik ein recht hoher<br />

Stellenwert zu.<br />

Ob Bern eine Provinzstadt ist oder eine echte<br />

Metropole, hängt – betrachtet man «Kultur» im wie<br />

üblich eingeschränkten Sinne - weder von der Veranstaltungsdichte<br />

noch von den Besuchszahlen<br />

ab, nicht von «Profilen» die man werbewirksam<br />

verbraten kann, nicht von Publikumsmagneten<br />

auf den Plakaten, nicht vom City Marketing im<br />

Verbund mit den Tourismusorganisationen. Auch<br />

nicht vom MusterschülerInnenverhalten: «Äätsch,<br />

unser Orchester ist weltbekannter als eures!» Es<br />

hängt davon ab, beispielsweise, was in der Bevölkerungen<br />

(Kulturschaffende gehören dazu!)<br />

für Diskussionen, Denk- und Verhaltensweisen,<br />

Handlungen von Veranstaltungen oder sonstwie<br />

geförderten Projekten ausgelöst werden. Es hängt<br />

vom Vertrauen der Fördernden ab. Und von jenem<br />

der Geförderten. Von Verlässlichkeit, Klarheit, Offenheit,<br />

Neugier, Verantwortung, Fairness. Und es<br />

wäre in Bern kein allzu gewagtes Unterfangen, der<br />

Nährboden ist sehr gut: Die Schöpfungskraft in<br />

Bern, und von Bern ausgehend, ist immer schon<br />

beeindruckend gewesen, die Abstimmungsresultate<br />

der Bevölkerung bezüglich Ökologie, Umgang<br />

mit Fremdem, Minderheiten, sozial- und kulturpolitischen<br />

Anforderungen sind es seit Jahrzehnten<br />

nicht weniger, das wird ebenfalls Gründe haben.<br />

Auch wenn Arnold Rüdlinger, er hat 1947 als<br />

Achtundzwanzigjähriger die Leitung der Kunsthalle<br />

übernommen, in den fünfziger Jahren sagte: «Die<br />

schlichte Uninteressiertheit Berns sichert zwar<br />

keine Unterstützung, jedoch die nötige Toleranz»<br />

(Einiges mag sich hier in der Zwischenzeit etwas<br />

geändert haben). Auch wenn das Berner Publikum<br />

das wienerisch oder berlinerisch gefärbte Bühnendeutsch<br />

im Theater als charmant oder pfiffig<br />

einstuft, das bernerisch gefärbte als eher unprofessionell<br />

(hier: keine Änderung). Auch wenn alle<br />

EinwohnerInnen einzeln und auch als Gesamtheit<br />

nicht nur positivste Merkmale oder Eigenschaften<br />

oder zum Teil sogar recht skurrile aufweisen: Bern<br />

IST Welt.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 29


magazin<br />

INSOMNIA<br />

DER DUFT VERGANGE-<br />

NER ZEITEN<br />

Von Eva Pfirter<br />

■ Wir Frauen sind kompliziert, nicht wahr? Wir<br />

wollen moderne Männer, die sensibel, emanzipiert<br />

und eigenständig sind. Aber wir wollen auch<br />

Männer, die einen Touch Altmodigkeit aufweisen,<br />

Männer, die uns die Tür aufhalten, initiativ sind<br />

und auch mal Blumen mitbringen. Und wir wollen<br />

Männer, die Walzer tanzen können. Ja: Walzer.<br />

Selbst Hobbes kann zu klassischer Musik tanzen<br />

– weshalb Ihr Männer von heute nicht?<br />

Ach ja, unsere schnelllebige Zeit. Lässt kaum<br />

Raum, sich an die Geschichten unserer Grosseltern<br />

zu erinnern, sich vorzustellen, wie unsere<br />

Grossväter einst unsere Grossmütter über einen<br />

gewachsten, quietschenden Holzboden gewirbelt<br />

haben und wie sie es genossen haben - die Damen<br />

- von den Herren geführt zu werden.<br />

Ich habe einmal eine P<strong>art</strong>y veranstaltet – aber<br />

nein: eigentlich ist «P<strong>art</strong>y» das falsche Wort. Es<br />

war eine Belle Nuit de Danse. Es gab sogar einen<br />

Dresscode: chic à très chic. Chic, nicht? Die Herren<br />

waren überdies gebeten, eine Rose mitzubringen.<br />

Und für den ersten Tanz wurde per Los<br />

jedem Herrn eine Dame zugeordnet. Es war richtig<br />

schön altmodisch-romantisch. Bis auf die Tatsache,<br />

dass beim ersten Takt Walzer die Damen<br />

die Herren übers Parkett führen mussten. Seufz.<br />

Es gab natürlich auch ein oder zwei Ausnahmen<br />

(ich möchte mich ja nicht mit den Herren anlegen,<br />

die des Walzers auch wirklich mächtig sind!),<br />

welche die adrett gekleideten Tänzerinnen hoch<br />

erhobenen Hauptes durch den Tanzsaal führten.<br />

Aber im Grossen und Ganzen war es ein lustiges<br />

Durcheinander von führenden Frauen, die ihren<br />

Tanzp<strong>art</strong>nern «eins, zwei, drei, eins, zwei, drei,<br />

eins, zwei, drei» einzuverleiben versuchten. Mit<br />

dem Resultat, dass ich mich nun nicht mehr führen<br />

lassen kann. Ja: es geht fast nicht mehr! Jedes<br />

Mal, wenn ich Walzer tanze, übernehme ich<br />

die Rolle des Mannes und führe mein Gegenüber<br />

bestimmt in die Richtung, in die ich will. Lustig,<br />

nicht? Einmal hab ich sogar aus tiefstem Bauch<br />

heraus Adi gefragt: «Bist nun Du der Mann oder<br />

ich?» Solche Verwirrung herrscht heutzutage auf<br />

dem Tanzparkett. Dabei gibt es nichts Schöneres<br />

als Walzertanzen. Wiener Walzer! Walzer ist der<br />

Gipfel der Romantik, die Inkarnation der Eleganz,<br />

die Erinnerung an Reifenröcke, Marmortreppen<br />

und wedelnde Fächer. Richtiges, leichtfüssiges,<br />

atemloses Walzertanzen ist Schweben, ist Fliegen,<br />

ist Träumen. Träumen am helllichten Tage.<br />

Manchmal, liebe Herren, gibt es nichts Schöneres,<br />

als richtig gut geführt zu werden. Zumindest<br />

einen Abend lang.<br />

POPMUSIK<br />

raphelson - musik in tiefer<br />

traurigkeit<br />

Von Lukas Vogelsang (Bild: zVg.)<br />

■ Eigentlich heisst er Raphaël Enard und spielte<br />

mit den «Magicrays», von denen zur Zeit nicht<br />

viele Informationen zu finden sind (ausser, dass im<br />

Februar ein neues Album erscheinen soll…). Letzten<br />

Oktober veröffentlichte Raphelson sein erstes<br />

überraschendes Soloprojekt: «Hold this moment<br />

still». Es war purer Zufall, dass ich in myspace.com<br />

über seine Musik stolperte, hellhörig wurde, das<br />

Album anforderte, um danach festzustellen, dass<br />

er im März gar zum Qest-Est-Festival in der Berner<br />

Dampfzentrale spielen wird. Dinge gibt’s…<br />

Es sind schwermütige sanfte Klänge, reduzierte<br />

Begleitungen, einfach produzierte Aufnahmen. Raphelson<br />

singt unüberhörbar eigenwillig und hoch.<br />

Als erstes erinnerte mich die Stimme an «Antony<br />

and the Johnsons», doch auch Raphelsons musikalische<br />

Vorbilder «Sufjan Stevens» und «Sparklehorse»<br />

sind unüberhörbar präsent. Die Stimme<br />

ist es denn auch, welche den Klängen diese klare,<br />

bizzare Mystik verleihen. Raphelson klingt verletzlich,<br />

entsagt jedem Zeitgefühl des Alltags. Er steht<br />

neben den Gleisen und möchte den fahrenden Zug<br />

anhalten, doch scheint es unmöglich, sich zu bewegen.<br />

Die Zeit dreht unaufhörlich weiter. Damit hat<br />

er bestens den «Zeitgeist» getroffen.<br />

Die Aufnahmen entstanden im Studio in Bristol.<br />

Zum Teil hört man im Hintergrund das Surren des<br />

Verstärkers oder das Knarren eines Stuhls. Doch<br />

sind es Stimmungen, die dazugehören. Der Klang<br />

dieser CD trägt eine Wahrheit in sich, die uns nicht<br />

kalt lässt. Wir möchten uns am liebsten in die Ecke<br />

zurückziehen und innehalten. Traurige Lieder, in<br />

tiefer Melancholie und wie in vielen (abgeschriebenen)<br />

Vorbesprechungen erwähnt: Lieder, die<br />

dich an Orte bringen, die du nie bereuen wirst, gefunden<br />

zu haben. Ein Vergleich mit der ersten CD<br />

von «Polar» ist durchaus angebracht, sie sind auch<br />

teils gemeinsam auf den Bühnen anzutreffen.<br />

Erstaunlich kreativ zeigt sich Raphelson in<br />

der Instrumentalisierung. Von Harfe, akustischen<br />

Gitarren, einfachen Schlagzeugen, verstimmten<br />

Klavieren, Glockenspiel, Flöten, aber auch Synthesizern,<br />

Orgeln, Mundharmonika und einem Banjo…<br />

Das mag jetzt etwas abschreckend wirken, doch<br />

bei Raphelson klingt das wundervoll – die Unterstützung<br />

von John Parish, einem nicht gerade unbekannten<br />

Performer und Multi-Instrumentalisten,<br />

tut dazu ihren Dienst. Jeder der elf Songs ist eine<br />

Perle, bildet in sich eine Einheit, ein abgeschlossenes<br />

Universum in traurig schöner Einsamkeit. Und<br />

doch wirkt die Schwermut nicht unerträglich. Im<br />

Gegenteil: Stoppt der CD-Spieler, schalten wir wieder<br />

auf «Play» – garantiert.<br />

So karg die Musik uns in Trauer stehen lässt,<br />

so karg sind die Dokumentation oder die Informationen<br />

über den Künstler. Das mir überreichte Album<br />

beschränkt sich auf die CD und eine einfache<br />

Hülle. Keine Musikerhinweise, keine Texte, nichts.<br />

Doch Raphelson wird am 22. März 2007 im Rahmen<br />

des Quest-Est Festivals in Bern spielen. Dort<br />

werden wir mehr erfahren. Das Konzert (wie auch<br />

das Festival) ist ein Geheimtipp und wärmstens<br />

empfohlen.<br />

www.raphelson.com (Weiterleitung myspace.com)<br />

www.gentlemen.ch<br />

30<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


CARTOON<br />

www.fauser.ch<br />

magazin<br />

VON MENSCHEN UND MEDIEN<br />

die schweizer medien sind die besten<br />

Von Lukas Vogelsang<br />

■ Jetzt habe ich genug gelästert über die Schweizer<br />

Medien. Ich muss auch einmal ein Lob aussprechen,<br />

denn die Schweizer Medien sind die Besten!<br />

Zwar hat der Köppel, oder besser sein Engeler, mit<br />

der Weltwoche noch ein Problem mit den Rätoromanen<br />

zu lösen. Die haben diese nämlich verklagt,<br />

weil der Engeler die Rätoromanen unter anderem<br />

als «räuberisch» und «erpresserisch» bezeichnete.<br />

Das stosse gemäss dem klagenden Anwalt gegen<br />

den Rassismus-Artikel. Nun, das sind Bagatellen<br />

des Wohlstandes und die Rätoromanen sollten<br />

für die Köppelsche Schar Verständnis zeigen: Die<br />

Weltwoche wird bald weg sein – das politisch unkorrekte<br />

Zappeln sollte man deswegen nicht allzu<br />

ernst nehmen. Ist doch ganz lustig, wie die untergehen<br />

(Die letzte Ausgabe war schon schwarz gekleidet...).<br />

Etwa genau so unterhaltsam ist der Sonntags-<br />

Blick! Mei, die haben ja den Vogel total abgeschossen.<br />

Und genau das meine ich mit «die Schweizer<br />

Medien sind die Besten!»: Wir haben Zeitungen<br />

mit totalem Unterhaltungswert! Das ist sooo lustig,<br />

wenn man sich mit dem Artikel «Tomy hat<br />

auch meine Frau begeistert» (SoBli, 21.1.2007) den<br />

Sonntag verdummen kann. Das ist wie die Afterhour-P<strong>art</strong>y<br />

zum SRG-Programm. Für jene, die jetzt<br />

nicht durchblicken: Der besagte Artikel beschwört<br />

einen Erich von Däniken, der nach zwanzig Jahren<br />

Schweigen endlich verrät: «Ich lebte vier Wochen<br />

mit einem Ausserirdischen». Und jetzt kommt’s<br />

erst: «Spätsommer 1987: Der Solothurner Erich<br />

von Däniken, damals 52 Jahre alt und längst weltberühmt,<br />

reist durch Belutschistan, das Wüstengebiet<br />

zwischen Iran und Pakistan. Die Nacht ist<br />

sternenklar. Der prominente Autor schläft auf dem<br />

Dach seines Range Rovers. ‹Plötzlich knallte es, ich<br />

erwachte abrupt. Ein Blitz, die Trinkwassertanks<br />

neben mir rissen. In die ausströmende Flüssigkeit<br />

hinein materialisierte sich ein Mensch. Aus Fleisch<br />

und Blut. Direkt vor meinen Augen!›»<br />

Und? Haben Sie jetzt auch Pickel gekriegt? Ist<br />

doch beste Unterhaltung – das ist der Stoff, der<br />

unser Leben pflastert. Da kann der Chris von Rohr<br />

einfach einpacken – so was Blödes kriegt der gar<br />

nicht unter seine Mähne. Doch die Konkurrenz<br />

belebt das Geschäft, ich freue mich schon darauf,<br />

was der SRG dazu einfallen wird. Es ist 1:0 für den<br />

SoBli und bleibt spannend bis zur EURO 08. (Da<br />

werden wir dann das Plus entdecken...).<br />

Aber die Schweizer Medien sind nicht nur inhaltlich<br />

super. Nein, auch im Rechnen haben sie’s<br />

total im Griff. Jetzt haben die Verlage uns ein Jahr<br />

lang vorgerechnet, dass es schlimm um die Werbung<br />

steht, dass man kein Geld mehr habe, die<br />

Werbeeinnahmen so schlecht sind, dass man die<br />

Leute rausschmeissen muss. Überhaupt war die<br />

klassische Zeitung am Ende. Und dann kommt das<br />

«Gugguus, Däddää»-Spielchen im Januar 2007, wo<br />

so ein trübes Loch herrscht und niemand so richtig<br />

lachen will: «Mit einem Plus von 8,5 Prozent stiegen<br />

im Jahr 2006 die Brutto-Werbeinvestitionen<br />

auf 3,674 Milliarden Franken, wie die Marktforschungsfirma<br />

Media Focus mitteilte. Damit sei der<br />

bisherige Spitzenjahrgang 2000 überflügelt worden.<br />

Zum ersten Mal seit über 10 Jahren gewinne<br />

die Mediengruppe Tageszeitungen an Marktanteil<br />

und sei gleichzeitig der wichtigste Treiber der Gesamtmarktentwicklung».<br />

Meine Güte, zum Glück<br />

können die Medien nicht rechnen. Dieser Spass<br />

wäre uns glatt verdorben worden.<br />

Wie gesagt, die Schweizer Medien sind die Besten.<br />

Immer für ein Scherzchen aufgelegt und nie<br />

so ernst, dass wir sie ernst nehmen müssen. Zum<br />

Glück!<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 31


magazin<br />

BERNER KULTURMENSCHEN<br />

tanzen und hundert nebenjobs<br />

Von Eva Mollet (Foto: Eva Mollet)<br />

■ Die 32-jährige Marion Ruchti trägt ein breitrandiges<br />

Brillengestell. Die Stirnfransen sind kurz geschnitten<br />

und leicht nach rechts frisiert. Bevor sie<br />

als Choreographin für ein Tanzprojekt nach Neuseeland<br />

fliegt, leitet die zeitgenössische Tänzerin<br />

einen Jugend & Sport-Tanzkurs. Den Lebensunterhalt<br />

verdient sie sich mit Auftritten, Tanzunterricht,<br />

Luftakrobatik bei öff öff productions Bern, Yogastunden<br />

und gelegentlichen Stellvertretungen und<br />

Tanzprojekten an der Primarschule. Sie zwinkert<br />

mit den Augen: «Ich habe hundert Nebenjobs.»<br />

Marion und Neuseeland Marions Schwester<br />

studiert in Neuseeland. So kommt die Tänzerin in<br />

Kontakt mit dieser Insel auf der Südhalbkugel. Die<br />

Fläche von Neuseeland ist vier Mal so gross wie die<br />

der Schweiz, aber es leben dort nur halb so viele<br />

Einwohner. «Das ist typisch, es hat viel Platz, das<br />

spürt man auch in den Bewegungen. Die Tanzstudios<br />

sind so gross, wie hier die Turnhallen.»<br />

Marion absolviert ihre Tanzausbildung während<br />

zwei Jahren in Contemporary Dance an der School<br />

of Performing and Screen Arts in Auckland: «Es<br />

war eine sehr kreative Zeit.» Die Tanzschule ist<br />

an die Universität angeschlossen. Die Studierenden<br />

aus den Abteilungen Zeitgenössischer Tanz,<br />

Schauspiel, Film, Bühnenbild und Lichtdesign arbeiten<br />

für unterschiedliche Projekte zusammen.<br />

Ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung ist das<br />

Choreographieren. Marion hat vier Stücke selbst<br />

choreographiert. «Entweder man erzählt tanzend<br />

eine Geschichte, oder man geht von Bewegungsmustern<br />

aus. Ich mag bildende Kunst, deshalb<br />

schaue ich stark auf die durch die Körper dargestellten<br />

dreidimensionalen Bilder.»<br />

Nach der Ausbildung bekommt Marion einen<br />

Jahresvertrag bei der Footnote Dance Company.<br />

Die Tournee führt durch verschiedene Städte. Zum<br />

Arbeitspensum gehören zahlreiche Schulaufführungen<br />

und das Leiten von Workshops. An neuseeländischen<br />

Schulen ist Tanzen Teil des Lehrplans.<br />

Zwischen Neuseeland und Neuseeland Nach<br />

dieser Tournee kehrt Marion in die Schweiz zurück.<br />

Um sich fit zu halten schwimmt sie, macht Yoga,<br />

geht in den Kraftraum und nimmt an verschiedenen<br />

Profitrainings teil.<br />

Sie arbeitet an verschiedenen Projekten: Sie<br />

entwickelt und choreographiert eigene Solostücke,<br />

tanzt aber auch in Gruppenstücken mit. Im Tanzsolo<br />

«Raum» beschränkt Marion ihre Tanzfläche auf<br />

einen Kubus von 1m 3 .<br />

In Zusammenarbeit mit Daria Gusberti probt<br />

Marion an einem abendfüllenden Stück mit dem<br />

Arbeitstitel «Solo2». Die Tänzerinnen bewegen<br />

sich im Spannungsfeld zwischen normierender<br />

Codierung und einzig<strong>art</strong>iger Zufälle innerhalb der<br />

gleichen Bedingungen: Je ein Rasenstück steht als<br />

Tanzfläche zur Verfügung. Im Hintergrund werden<br />

u. a. gesprochene Codes abgespielt, die einheitliche<br />

Bewegungsabläufe signalisieren. Die Eigenständigkeit<br />

kommt in den improvisierten Solop<strong>art</strong>s<br />

zur Geltung.<br />

Die Luft<strong>art</strong>istik und Yoga Marions erster Auftritt<br />

mit einem Kurzprogramm der öff öff productions<br />

war an der Museeumsnacht 2005. «Davor<br />

habe ich ein halbes Jahr trainiert. Die Artistik am<br />

frei hängenden Tuch braucht viel Kraft. Die Höhe<br />

war zuerst beängstigend. Beim Bungeejumping am<br />

Trapez mit Saltos während fünfzehn Metern freien<br />

Falls bin ich gesichert.»<br />

Neben der Luftakrobatik braucht Marion Yoga,<br />

um zur Ruhe zu kommen. Sie bevorzugt die Technik<br />

nach Iyengar. «Die Arbeit mit dem Material<br />

(Klötze, Seile, Kissen usw.) kommt den individuellen<br />

Voraussetzungen des Körpers entgegen.»<br />

Parallel zur Yoga-Ausbildung unterrichtet Marion<br />

jeden Mittwochabend «Yoga for Dancers» im<br />

PROGR Bern. Es nehmen auch Nicht-Tanzende teil.<br />

In Neuseeland again Marion geniesst momentan<br />

sommerliche Temperaturen in Neuseeland und<br />

freut sich darüber, dass sie sich während drei Wochen<br />

auf eine einzige Sache konzentrieren kann.<br />

Sie nimmt an einer Plattform für Choreographierende<br />

teil, bei der sie sich mit einem Projekt zum<br />

Thema Schnee beworben hat. Gerade dieser jahreszeitliche<br />

Kontrast verspricht eine interessante<br />

Auseinandersetzung mit den Tänzern und Tänzerinnen.<br />

Die Gleichzeitigkeit, die verschiedenen<br />

«Jetzts» sind für Marion von Bedeutung.<br />

Warum Marion das alles kann? Sie ist in Zweisimmen<br />

aufgewachsen und hat während zehn Jahren<br />

als Kunstturnerin fünfzehn Stunden pro Woche<br />

trainiert. Danach war klar: «Wenn ich mit Kunstturnen<br />

aufhöre, beginne ich zu tanzen.»<br />

mailto: marion_ruchti@hotmail.com<br />

32<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


magazin<br />

STADT UND LAND<br />

in einer stadt, vom fluss gleichsam umarmt<br />

Von Anne-Sophie Scholl (Bild: zVg.)<br />

■ Ein Berner Redaktor war es, der Robert Walser<br />

literarisch auf die Sprünge half: Josef Viktor<br />

Widmann, massgebender Feuilletonjournalist der<br />

Zeit. Ihm hatte der Zwanzigjährige eine Sammlung<br />

erster Gedichte geschickt, von denen dieser 1998<br />

eine Auswahl im Sonntagsblatt des Berner «Bund»<br />

publizierte. Nach Bern zog Walser erst gut zwanzig<br />

Jahre später. Eine Anstellung im Staatsarchiv, das<br />

damals noch im Rathaus untergebracht war, brachte<br />

ihn 1921 in die Bundeshauptstadt.<br />

Zwischen Lohnarbeit und Dichterdasein<br />

«[I]ch arbeite tagsüber in einem Büro, das heisst:<br />

in einer Art Gewölbe, blättere in allerhand alten<br />

Akten, in Briefen, Berichten, Verordnungen, Erlassen,<br />

lege Verzeichnisse an und bemühe mich,<br />

sachlich zu sein, was ich ganz hübsch finde, obschon<br />

ich mich dabei ein wenig anstrengen muss.»<br />

So beschrieb Walser seine Arbeit und bemängelte<br />

einzig, durch die Pflichtpensen nun nicht mehr viel<br />

Erzählenswertes zu erleben. Nach nur vier Monaten<br />

kündigt er und kann sich fortan mit einem in<br />

der Zwischenzeit gemachten Erbe finanzieren.<br />

Einmal in Bern, begnügt sich Walser «innerhalb<br />

der Grenzen unserer Stadt zu nomadisieren.» In<br />

acht Jahren ändert er den Wohnort insgesamt<br />

fünfzehnmal. Zu Beginn wohnt er am Murifeldweg<br />

bei einer verwitweten Mutter mit zwei ledigen<br />

Töchtern und fühlt sich bei dieser Familie so wohl,<br />

dass er mit ihnen in die Manuelstrasse umzieht.<br />

Glaubt man seinen dichterischen Ausführungen,<br />

war es die Heiratswilligkeit der beiden Töchter, die<br />

ihn zurück an den Murifeldweg und später in die<br />

Kramgasse getrieben hat.<br />

Lebensempfindungen im literarischen Wort<br />

Literarisch überformt hat Walser seiner Vermieterin<br />

an der Kramgasse 19 ein kleines Denkmal gesetzt:<br />

«Es ergibt sich, dass die grüne Spinne, deren<br />

Haar von der Farbe der Löwen war und deren Augen<br />

tückisch, hinterlistig schillerten, gleich grünen<br />

und unergründlichen Steinen, und die Arme besass,<br />

die mit rötlichen Punkten übersät schienen<br />

und auch in der Tat gewesen sind oder geschienen<br />

haben zu sein, einen bezaubernd jungen schönen<br />

edlen angesehenen und nochmals jungen und vielversprechenden<br />

Menschen einst unter sich hatte,<br />

will sagen sanft leitete und bannte.» Stehend<br />

habe er der Witwe jeweils in der Küche von seinen<br />

Erlebnissen erzählt oder ihr neuste Texte vorgelesen.<br />

Auch seine nächste Schlummermutter an<br />

der Fellenbergstrasse in der Länggasse findet im<br />

«Räuber»-Roman Eingang in Walsers literarischen<br />

Kosmos.<br />

Gerechtigkeitsgasse, Junkerngasse, Thunstrasse,<br />

so die folgenden Stationen, bis Walser an der<br />

Gerechtigkeitsgasse 29, im dritten Stock ein optimales,<br />

mit Putzfrau und Blick auf die Gasse schon<br />

fast feudales Zimmer findet, das seiner literarischen<br />

Produktivität zugute kommt. An diesem Ort<br />

verfasst er den «Räuber»-Roman und schreibt in<br />

diesen Erfahrungen und Empfindungen aus seinen<br />

Berner Jahren ein.<br />

Nach einem kurzen Aufenthalt an der<br />

Thunstrasse wird Walser von der Stadt eine Bleibe<br />

im Landgut Elfenau angeboten und ein zuvor literarisch<br />

antizipierter Wunsch scheint in Erfüllung<br />

zu gehen: «Nun kam ein entzückend lichtes Leben<br />

in mich. Das Gemüt wurde mir zum fortwährend<br />

blauen Himmel» liest man in dem bereits 1921 verfassten<br />

Text «Die Elfenau». Lange kann Walser<br />

dort jedoch nicht bleiben. In kurzen Abständen<br />

zieht er weiter über die Junkerngasse, die Gerechtigkeitsgasse,<br />

die Kramgasse und findet schliesslich<br />

im Kirchenfeldqu<strong>art</strong>ier an der Luisenstrasse<br />

14 eine Unterkunft, in der er mit einem Aufenthalt<br />

von zweieinhalb Jahren am längsten verweilt. Im<br />

Winter 1928/29 kommt es zu einer Krise. Seinen<br />

Vermieterinnen macht er gleichzeitig Heiratsanträge<br />

und bittet sie, ihn mit einem Messer zu erstechen.<br />

Walser sieht ein, dass er Hilfe braucht<br />

und ihm keine andere Wahl bleibt, als sich in die<br />

Waldauklinik zu begeben. Auf dem Krankenblatt<br />

ist Schizophrenie eingetragen – eine Diagnose, die<br />

sich als fataler Irrtum erwiesen hat.<br />

Würdigung in der Altjahrwoche Schwerwiegender<br />

Einschnitt in Walsers Leben ist die Verlegung<br />

in die Pflegeanstalt Herisau in seinem Heimatkanton<br />

Appenzell. Die Geschichte ist bekannt: Walser<br />

verstummt als Dichter. 1956, am Weihnachtstag,<br />

starb er einsam auf einem Spaziergang im Schnee<br />

– einen Tod, den er fünfzig Jahre zuvor in seinem<br />

ersten Roman «Geschwister Tanner» in der<br />

Figur des Dichters Sebastian vorweggenommen<br />

hatte. Fünfzig Jahre später, und vor der grossen<br />

Ausstellung im ZPK, ist Walser in Bern in kleinem<br />

Rahmen gewürdigt worden: Mit einer sorgfältigen<br />

Ausstellung zu dem «Räuber»-Roman in der Galerie<br />

«raum» als Ausgangspunkt und Anker eines intensiven<br />

Rahmenprogramms zu Walser ehrte das<br />

Berner Ausstellungskollektiv Palma3 den Dichter<br />

in der Altjahrwoche. Werner Morlang, langjähriger<br />

Leiter des Robert-Walser-Archivs, der zusammen<br />

mit Bernhard Echte in Walsers mikrographischen<br />

Entwurfschriften auch den «Räuber»-Roman entziffert<br />

hat, führte in einem Rundgang auf Walsers<br />

Spuren durch Bern. Von ihm ist auch eine Publikation<br />

zu Robert Walsers Zeit in Bern erschienen.<br />

Werner Morlang<br />

«Ich begnüge mich, innerhalb der Grenzen unserer<br />

Stadt zu nomadisieren...» Robert Walser in Bern.<br />

Haupt, 1995. vergriffen.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 33


magazin<br />

REISEZIEL HOTEL<br />

basel zeigt pioniergeist<br />

Von Andrea Baumann - Der Betrieb DasBreiteHotel wird von Menschen mit Behinderung geführt (Bild: zVg.)<br />

■ «Stelle infolge von Mobbing gekündigt» oder<br />

«es muss eine Strategie bezüglich Integration entwickelt<br />

werden» oder «Anforderungsprofil: zwischen<br />

25 und 35 Jahren; mit Hochschulabschluss<br />

in Multimanagement, Theologie und Biologie mit<br />

Spezialgebiet Vorderasien; wohnhaft im Kanton<br />

Fribourg, blond, dunkeläugig, Sternzeichen Stier»<br />

– alles Leitsätze, denen gesunde Arbeitnehmer im<br />

heutigen Berufsleben begegnen. Die Anforderungen<br />

auf dem Arbeitsmarkt sind gestiegen und die<br />

Angst, dass man dem Profil nicht entspricht oder<br />

gar ersetzt wird, ist weit verbreitet. Wie ergeht<br />

es jedoch Personen, die körperlich oder geistig<br />

behindert sind? Haben die überhaupt noch eine<br />

Chance auf das rasant kreisende Karussell aufzuspringen?<br />

DasBreiteHotel in Basel möchte mit seinen 26<br />

geschützten Arbeitsplätzen behinderten Menschen<br />

eine Möglichkeit zur Integration bieten.<br />

Anders als in vielen geschützten Werkstätten, wo<br />

es kaum berufliche Kontakte zur Aussenwelt gibt<br />

und deshalb kein Austausch gepflegt werden kann,<br />

geschieht in einem Hotelbetrieb viel Zwischenmenschliches.<br />

Genau dies bestärkte die Initianten,<br />

dass ein kleiner Hotelbetrieb das richtige Umfeld<br />

ist, um Integration, Weiterbildung und Beschäftigung<br />

zu vereinen. Nach mehreren Jahren der<br />

Projektionsphase war es dann im Oktober 2005<br />

soweit: DASBREITEHOTEL konnte seine Eröffnung<br />

feiern.<br />

Ganz im Sinne, dass es nichts zu verbergen gibt,<br />

gewährt die riesige Fensterfront der Eingangshalle<br />

mit der Rezeption und dem Frühstücksraum freie<br />

Ein- und Ausblicke. Das Hotel wird als Garni mit<br />

3-Sterne Klassifikation geführt. Den Gästen wird<br />

morgens ein reichhaltiges Frühstück auf den Tisch<br />

gezaubert. Die Mitarbeitenden werden hingegen<br />

auch mittags von der Küchenmannschaft kulinarisch<br />

verwöhnt. Nebst seiner Funktion als Hotel<br />

sollen die Räumlichkeiten auch als Begegnungsort<br />

fürs Qu<strong>art</strong>ier genutzt werden. Schliesslich ist das<br />

Hotel im Breitezentrum eingebettet. Anziehungspunkt<br />

ist unter anderem der sonntägliche Brunch<br />

einmal im Monat mit Jazzkonzert.<br />

Alle Räumlichkeiten sind äusserst grossflächig<br />

gebaut, inklusive Hotelzimmer, die bezüglich Fläche<br />

5*-Hotel-Anforderungen entsprechen. Es versteht<br />

sich von selbst, dass das ganze Hotel hindernisfrei<br />

gebaut ist und die Badezimmer keine Türe<br />

haben, was alle Gäste sehr schätzen. Das Hotel<br />

wird übrigens nur von wenigen körperlich Behinderten<br />

frequentiert. Insbesondere Messebesucher<br />

und Geschäftsleute finden den Weg ins BreiteHotel<br />

und schätzen die Nähe zu Autobahn, Messegelände<br />

und Industriegebieten sowie die herzliche Beherbergung.<br />

Ueli Genner, der Hoteldirektor, ist stolz auf sein<br />

Team. Er ist überzeugt, dass er das motivierteste<br />

Team der Stadt hat. Da das Hotel auch nach ökonomischen<br />

Aspekten geführt wird, gestaltet sich<br />

das Bewerbungsverfahren sehr ähnlich wie bei<br />

anderen Arbeitgebern. Interessenten bewerben<br />

sich schriftlich auf die Anzeige und werden zu<br />

einem Anstellungsgespräch eingeladen. In einem<br />

weiteren Schritt lernen die Bewerber den Betrieb<br />

während einer Schnupperzeit kennen. Ueli Genner<br />

betont: «Eine wichtige Voraussetzung ist, dass die<br />

Kandidaten den Arbeitsweg selbstständig bewältigen<br />

können.» Anstellungsmöglichkeiten sind im<br />

Bereich Hauswirtschaft und Küche gegeben. Um<br />

die Rezeption und Direktion kümmert sich nichtbehindertes<br />

Fachpersonal. Die BereichsleiterInnen<br />

bringen Erfahrungen aus dem Hotelfach und der<br />

Pädagogik mit. Im Umgang mit den Mitarbeitern<br />

benötigen die Fachkräfte viel Zeit und Geduld. Im<br />

BreiteHotel sind dreimal so viele Mitarbeitende angestellt,<br />

verglichen mit einem normalen Garni-Hotel<br />

derselben Grösse, was sich auch positiv auf die<br />

Atmosphäre auswirkt, denn Hektik kommt nicht<br />

auf. Die Bedienung ist sehr aufmerksam, ja sogar<br />

liebevoll. Thomas Degen, einer der glücklichen Mitarbeiter<br />

ist froh, dass er als Allrounder fungieren<br />

kann. Ob Betten machen, Zimmer reinigen, Küchendienst,<br />

PR-Aufgaben, Servieren oder Botengänge,<br />

der Alltag im BreiteHotel bietet Thomas<br />

viel spannende Abwechslung. Auch die täglichen<br />

Begegnungen mit den Gästen und Kollegen bedeuten<br />

eine Bereicherung für ihn.<br />

Nicht nur das innerbetriebliche Klima stimmt<br />

zu Freude an, auch die Tatsache, dass bereits im<br />

ersten Geschäftsjahr die Bettenauslastung alle Erw<strong>art</strong>ungen<br />

übertroffen hat und sich ein Kreis von<br />

Stammgästen gebildet hat. Die Medienpräsenz,<br />

auch aus dem benachb<strong>art</strong>en Ausland, und das<br />

allgemeine Interesse waren sehr hoch und unterstützten<br />

die positive Bilanz entscheidend. Es bleibt<br />

zu hoffen, dass dieses engagierte, mutige Pionierprojekt<br />

Ausstrahlung in die ganze Schweiz hat.<br />

DASBREITEHOTEL<br />

Zürcherstrasse 149, CH-4052 Basel<br />

Telefon: +41 (0)61 315 65 65<br />

Fax: +41 (0)61 315 65 00<br />

E-Mail: mail@dasbreitehotel.ch<br />

www.dasbreitehotel.ch<br />

Besitzer: Verein Zämme – das andere Hotel<br />

Anreise:<br />

Mit dem Auto – Autobahnausfahrt «Breite» der<br />

Nord-Süd-Achse A2. Im Parking des Hotels stehen<br />

18 Plätze zur Verfügung.<br />

Mit dem öffentlichen Verkehr ab Bahnhof<br />

SBB mit dem Tram 8, 10 oder 11 eine Station bis<br />

«Aeschenplatz», dort auf die Linie 3 Richtung<br />

Birsfelden wechseln und an der Station «Breite»<br />

aussteigen.<br />

Preis pro Zimmer / Nacht/ inkl. Frühstück:<br />

EZ: Fr. 90–170.- / DZ, Grand lit: Fr. 120–210.- / DZ,<br />

zwei Betten: Fr. 170–250.-<br />

Gastronomie:<br />

Nur Garnibetrieb; Kaffee, Tee, Kuchen; Sonntagsbrunch<br />

34<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


magazin<br />

REISEN<br />

diesmal vancouver<br />

Von Simone Wahli - Object May Be Closer Than They Appear Vol II: Amerikanisches Diner meets Mühle Hunziken<br />

■ Regen und andere Katastrophen Momentan<br />

wirft der Prozess um einen Schweinezüchter aus<br />

Vancouver, der sage und schreibe neundundvierzig<br />

Opfer vergewaltigt und getötet haben soll, ein<br />

schlechtes Licht auf die angeblich schönste Stadt<br />

der Welt.<br />

Und auch mich hat sie im November letzten<br />

Jahres, zumindest was das Wetter anbelangt,<br />

nicht mit offenen Armen willkommen geheissen.<br />

Denn die ersten zwei Wochen meines Aufenthalts<br />

fiel mehr Regen als normalerweise im gesamten<br />

Monat November fällt. Dazu kam ein tückischer<br />

Wind, der meinen Verschleiss an Regenschirmen<br />

der<strong>art</strong> in die Höhe trieb, dass ich schon versucht<br />

war nach einer entsprechenden Kundenk<strong>art</strong>e zu<br />

fragen. Die ersten vierzehn Tage war mein Blickfeld<br />

also ziemlich eingeschränkt.<br />

Nachdem die Sintflut überstanden war, folgte<br />

ein Schäumchen Schnee, welches dazu führte,<br />

dass die städtische Infrastruktur für Tage darniederlag:<br />

Busse fuhren, wenn überhaupt, mit mehreren<br />

Stunden Verspätung, ein Grossteil der Schulen<br />

war geschlossen und viele Arbeitnehmer blieben<br />

ihren Büros fern. Da ich mein Erstaunen ob diesem<br />

unerw<strong>art</strong>eten Verhalten gegenüber Schnee nicht<br />

ganz zu verbergen vermochte, wurde ich darüber<br />

in Kenntnis gesetzt, dass Vancouver nur alle zwei<br />

bis drei Jahre Schneefall zu erw<strong>art</strong>en hat und insofern<br />

wahrhaftig nicht gerüstet ist, geschweige<br />

denn gerüstet sein kann.<br />

Doch es gab auch Lichtblicke, denn wenn dann<br />

die Sonne einmal scheint, und sei auch nur für wenige<br />

Stunden, freuen sich die Einwohner Vancouvers<br />

über alle Massen und ziehen ihre Jogginghosen<br />

an, um eine Runde im Stanley Park zu drehen.<br />

Ein Ort zum Verweilen Weniger Sportliche<br />

fröhnen des Amerikaners, pardon Kanadiers, liebster<br />

Beschäftigung: dem Shoppen. Und dies am<br />

besten in Kitsilano, wo nebst individuellen Kleidergeschäften<br />

auch fantastische Inneneinrichter und<br />

Delikatessenläden zu finden sind. Und ist man vom<br />

Anprobieren und Geschirrschleppen - denn schönes<br />

Geschirr ist in Vancouver zu echten Schnäppchenpreisen<br />

zu haben - erschöpft, setzt man sich<br />

am Besten in Sophie’s Cosmic Café.<br />

Vollgestellt mit Spielzeug aus den 1950er und<br />

1960er Jahren, Postk<strong>art</strong>en, Souvenirs und mannigfaltigen<br />

Erinnerungsstücken ist seine Einrichtung<br />

so ziemlich das pure Gegenteil derjenigen<br />

von Starbucks.<br />

Seit dem Jahre 1988 ist dieses Fundstück, im<br />

Herzen Kitsilanos gelegen, sieben Tage die Woche<br />

geöffnet. Die Familie Dikeakos und insbesondere<br />

die Namensgeberin Sophie sorgen dafür, dass sich<br />

hier jeder Gast wie zu Hause fühlt. Und so treffen<br />

wir neben den mehrheitlich hippen Bewohnern<br />

Kitsilanos auch auf Rentner, welche sich hier zu<br />

einem kurzen oder längeren Plausch treffen und<br />

dabei vom kostenlosen Kaffeenachschenkservice<br />

ausgiebig Gebrauch machen, sowie auf ganze Familien,<br />

die sich auf den 65 Sitzplätzen häuslich<br />

einrichten. Denn Kinderherzen schlagen nicht nur<br />

wegen der riesigen Milkshakes höher, auch Farbstifte<br />

und Zeichenpapier sind immer zur Hand und<br />

wer weiss, vielleicht hängt eines der von den kleinen<br />

Künstlern geschaffen Kunstwerke schon bald<br />

an der proppenvollen Wand.<br />

Auf der Speisek<strong>art</strong>e sind neben Burgern und<br />

Fries auch Pasta und einzelne mexikanische Gerichte<br />

zu finden, die alle aus frischen Zutaten<br />

hergestellt werden. Doch wofür Sophie’s über die<br />

Jahre berühmt geworden ist und sogar mehrere<br />

Preise entgegennehmen durfte, ist und bleibt sein<br />

Frühstück. Insbesondere Sonntags erfreuen sich<br />

die Egg Benedict und Spanish Omelettes der<strong>art</strong>iger<br />

Beliebtheit, das man gut und gerne eine halbe<br />

Stunde Anstehen in Kauf nehmen muss.<br />

Hat man das Diner einmal so sehr ins Herz<br />

geschlossen, dass man sich öffentlich zu ihm bekennen<br />

möchte, kann man für 20 CAD sogar ein<br />

T-Shirt aus 100 Prozent Baumwolle erwerben, alsdann<br />

man den Sophie’s Schriftzug fortan stolz auf<br />

seiner Brust spazieren führen darf (die legendäre<br />

Hotsauce ist für läppische 5 CAD zu erstehen).<br />

Auch ohne entsprechendes T-Shirt ist man jedoch<br />

herzlich willkommen.<br />

Sophie’s Cosmic Cafe, 2095 West 4th Avenue,<br />

Vancouver / Tel: 604-732-6810<br />

Öffnungszeiten:<br />

Sieben Tage die Woche, 8:00am - 9:30pm<br />

www.sophiescosmiccafe.com<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 35


Wir machen<br />

aus Gedanken<br />

Druck(kult)sachen.<br />

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36<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07


<strong>art</strong>ensuite<br />

nr. 02/2007<br />

Titelseite: M.S.Bastian<br />

M.S.Bastian’s Lonely He<strong>art</strong>s Club Bänd, 2006, Mischtechnik<br />

mit Collage auf LW, 140 x 120 cm / Seite 43<br />

Eine Reise durch drei Sphären... 38 | Ohrenbetäubende Entgrenzung 39 | Unendlich viel K<strong>art</strong>on im freien Raum... 40 |<br />

Kunst im Buch 41 | Galerienseiten 42/43 | off 07 44 | Auf winzigstem Raum 45 | «Ich stelle die wahrheit dar, so wie<br />

ich sie empfinde.» 46 | Berner Galerien 47 | Augenspiel 50 | Impressum 50 | Berner Museen Bern / Biel / Thun 51


38<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

Christian Vogt, Ausblicke,<br />

Piezzo Print auf<br />

Büttenpapier, 150 x<br />

220 cm<br />

Claudia di Gallo<br />

- TRAILBLAZER<br />

Selected by…<br />

– Ankäufe 2003-<br />

2006 der Kunstsammlung<br />

der<br />

Stadt Biel<br />

CentrePasquArt,<br />

Seevorstadt 71-<br />

75, Biel. Bis 18.<br />

März.<br />

Christian Vogt<br />

- Photographic<br />

Essays on Space<br />

Bis 4. März.<br />

Geöffnet Mittwoch<br />

bis Freitag<br />

14:00-18:00 h,<br />

Samstag und<br />

Sonntag 11:00-<br />

18:00 h.<br />

Eine Reise durch drei Sphären…<br />

■ Claudia di Gallo präsentiert im<br />

CentrePasquArt Biel in ihrer bisher<br />

grössten Einzelausstellung ihre persönliche<br />

Kosmologie, bestehend aus<br />

den drei Sphären «Galaksy», «Biosphere»<br />

und «Underworld». Vernetzt sind<br />

diese drei Welten, die auf die unterschiedlichen<br />

Zustände der menschlichen<br />

Psyche Bezug nehmen, durch<br />

Monika Schäfer<br />

die «Transit Area». Um den BesucherInnen<br />

die Reise durch die menschliche<br />

Befindlichkeit zu erleichtern,<br />

stellt die Künstlerin verschiedene<br />

Navigationshilfen – «Trailblazer»-Cosmogramm,<br />

-Stäbe und -Compass<br />

– zur Verfügung. Fotografien zeigen,<br />

wie weissgewandete «Voyagers» auf<br />

die drei Welten, symbolisiert durch<br />

blaue, rote und schwarze Kugeln, reagieren.<br />

Die detaillierte Ankündigung<br />

der Ausstellung «Trailblazer» hat mich<br />

sehr angesprochen und ich habe von<br />

di Gallos Kosmologie viel erw<strong>art</strong>et<br />

– und auch wenn ich mit Vergnügen<br />

durch den 60 Meter langen Textiltunnel<br />

mit Licht- und Videoinstallation,<br />

die «Transit Area», gewandelt bin, hält,<br />

meines Erachtens, das Konzept nicht,<br />

was es verspricht. Die drei Sphären<br />

entbehren an Intensität – der Wechsel<br />

von einer Welt in die andere stellt weder<br />

ein psychisch noch ein physisch<br />

intensives Erlebnis dar. Aber am besten<br />

gehen und sehen Sie selbst, denn<br />

empfehlen möchte ich den Besuch im<br />

CentrePasquArt und dem Photoforum<br />

allemal, bieten doch diese mit drei<br />

Ausstellungen gewissermassen auch<br />

eine Reise durch drei Sphären an.<br />

In «Selected by…» bezieht die<br />

Kunstkommission der Stadt Biel zu<br />

den Ankäufen der letzten vier Jahre<br />

Stellung. Dabei hat sie sich für ein<br />

originelles Ausstellungskonzept entschieden:<br />

Jedes Mitglied der Kommission<br />

gestaltet einen Raum des<br />

CentrePasquArt mit Werken seiner<br />

Präferenz und steht an einer Führung<br />

persönlich Rede und Antwort. Entstanden<br />

sind auf diese Weise zwölf<br />

sehr individuell gestaltete Mini-Ausstellungen.<br />

Während beispielsweise<br />

Ruedi Vogt seinen Raum mit Fotoarbeiten<br />

von Pierre Montavon, Christian<br />

Staub und Andreas Tschersich<br />

bestückt, Betty Stocker in den ihren<br />

eine Installation von San Keller einqu<strong>art</strong>iert,<br />

greift Hannah Külling mit<br />

den Objekten von Pavel Schmidt und<br />

Daniel Zimmermann das Thema der<br />

Vergänglichkeit auf. In «Selected by…»<br />

werden Freude und Eifer der zwölf<br />

KuratorInnen sofort spürbar – kein<br />

Wunder, durfte doch jedes Mitglied<br />

ohne langwieriges Abstimmungsprozedere<br />

die Werke ganz nach eigenem<br />

Gusto auswählen und war von deren<br />

Transport bis zur Hängung/Installation<br />

selbst für jeden Arbeitsschritt zuständig.<br />

Eine entsprechend vielseitige<br />

und spannende Ausstellung erw<strong>art</strong>et<br />

die BesucherInnen – und wem dies<br />

nicht genügt, der kann sich mittels<br />

Terminals in der gesamten Kunstsammlung<br />

der Stadt Biel umsehen.<br />

Im Photoforum regt Christian Vogt<br />

zum Nachdenken über die visuelle<br />

Wahrnehmung von Raum und Zeit<br />

an. So spielt der Künstler in der dreiteiligen<br />

Serie «Lenin/Klee/Fromm»<br />

mit der individuellen Vorstellungskraft<br />

der BetrachterInnen: Auf einer<br />

der grossformatigen Schwarzweiss-<br />

Aufnahmen erkennen wir das Interieur<br />

einer Kneipe, auf den ersten Blick<br />

eine durchaus gelungene Fotografie<br />

eines eher banalen Ortes. Erfahren<br />

wir nun aber aus der Bildlegende,<br />

dass Lenin in diesem Basler Restaurant<br />

1916 eine Rede gehalten hat,<br />

verändert sich unsere Wahrnehmung<br />

der Aufnahme. Vogt meint dazu: «Ein<br />

Ort, an dem etwas geschehen ist, ist<br />

nicht mehr derselbe Ort. Zumindest<br />

im Kopf.» In der Serie «Zweidimensionale<br />

Räume (Garagen)» führt der<br />

Künstler das Spiel mit der visuellen<br />

Wahrnehmung weiter. Wir erkennen<br />

sofort die Innenansichten von Garagen<br />

in ihrer ganzen Dreidimensionalität.<br />

Bei längerer Betrachtung stellen<br />

unsere Augen aber unwillkürlich von<br />

räumlichem Sehen auf zweidimensionales<br />

Sehen um. Losgelöst vom<br />

Bildsujet nehmen wir nun in einer<br />

zweidimensionalen Bildfläche nebenund<br />

übereinander liegende Farbfelder<br />

und Linien wahr. Den Fotografien<br />

sind zwei verschiedene Les<strong>art</strong>en eingeschrieben:<br />

zwei- und dreidimensionale<br />

Wahrnehmung wechselt sich<br />

ab. «Photographic Essays on Space»<br />

- einen treffenderen Titel hätte Vogt<br />

für diese Ausstellung kaum wählen<br />

können.<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


39<strong>art</strong>ensuite<br />

Ohrenbetäubende Entgrenzung<br />

Nicola Schröder<br />

risch geordnete Abstrakta von Balken<br />

und Punkten zahlreiche stark expressiv<br />

bewegte Strichverläufe, allesamt in<br />

farblosem Schwarz. Erhellt von einer<br />

wechselnden Projektion der gleichen<br />

Arbeiten an der Frontseite des Raumes,<br />

ist in seiner Mitte das Zentrum<br />

des Geschehens markiert. Von dort<br />

gehen nun rhythmisch abgehakte<br />

Geräusche aus, untermalt von dem<br />

dumpfen Ton eines Keyboards. Abwechselnd<br />

zum Klopfen ertönt wie<br />

von fern eine brummend singende<br />

Stimme. Die Qualität der Geräuschkulisse<br />

verändert sich jedoch schnell.<br />

Ohrenbetäubendes Kreischen von E-<br />

Gitarre und Keyboard schmettern jetzt<br />

auf das Publikum ein. Als extrahierte<br />

und bis zur Unerträglichkeit gedehnte<br />

Störungssequenzen dringen die<br />

Geräusche in die Köpfe. Anwesende,<br />

dicht gedrängt auf der Treppe und am<br />

Boden sitzend, halten sich schützend<br />

■ Die Wände des abgedunkelten<br />

Kellerraums der Kunsthalle finden<br />

sich bepflastert mit einer Sammlung<br />

neben und übereinander angeordneter<br />

heller Leinwände. Darauf zu<br />

erkennen sind eingestreut in geometdie<br />

Ohren oder leisten der Überforderung<br />

tapfer Widerstand. Die Bilder<br />

scheinen nun ihren Sinn als Verbildlichung<br />

des Gehörten zu erhalten - wie<br />

eine Reminiszenz an das romantische<br />

Ideal vom Gesamtkunstwerk, das nun<br />

in seiner übertriebenen Verzerrtheit<br />

in schmerzhafte und damit körperliche<br />

Bereiche vordringt.<br />

Als Teil der Eröffnung ihrer derzeit<br />

in der Kunsthalle Bern zu sehenden<br />

Ausstellung fand sich die Künstlerin<br />

Jutta Koether hier mit der Musikerin<br />

Kim Gordon, Gründungsmitglied der<br />

legendären alternativen Rockgruppe<br />

«Sonic Youth», zu einer Performance<br />

zusammen. Der Titel der Ausstellung<br />

«Änderungen aller Art» vermittelt in<br />

der Anspielung auf das aussterbende<br />

Gewerbe des Änderungsschneiders<br />

einen Eindruck vom Anspruch,<br />

Qualität in Passform zu bringen. Ob<br />

dieser Anspruch für Koether selbst<br />

gilt, die für eine Neubewertung der<br />

Malerei eintritt oder als kritische Bewertung<br />

der zeitgenössischen Kunst,<br />

die sich häufig als gebetsmühlen<strong>art</strong>ige<br />

Wiederholung tradierter Formen<br />

und Inhalte mit minimalen Modifikationen<br />

erweist, bleibt jedoch offen.<br />

Denn gleichzeitig geht es ihr um die<br />

Lösung von alten Kategorien, darum<br />

den Kanon anzugreifen und Mobilität<br />

zu schaffen.<br />

Die Auswahl der Kunsthalle befasst<br />

sich mit einem Überblick über das<br />

Werk Koethers und beginnt mit Arbeiten<br />

der achtziger Jahre, unter denen Titel<br />

wie «Ursprung der Welt», «Cezanne,<br />

Courbet, Manet, van Gogh, ich» oder<br />

«Spargelbund» unmissverständlich auf<br />

die Auseinandersetzung mit zentralen<br />

Figuren der frühen Moderne und die<br />

Kunst des 19. Jahrhunderts verweisen.<br />

In starker Farbigkeit modifiziert<br />

Koether die Motive der Vorbilder oder<br />

bringt sie wörtlich in Lettern in einen<br />

gemeinsamen Bildraum. Im Laufe der<br />

Zeit und in wandelnder Bildgrösse<br />

bis hin zu Arbeiten von sechs Quadratmetern<br />

Fläche lässt Koether wahlweise<br />

in grellbunten oder gebrochenen<br />

Farben Abstrakta mit figürlichen<br />

Elementen verwachsen. Bilder wie<br />

Explosionen stehen neben solchen<br />

mit klar abgegrenzter Formensprache,<br />

häufig mit Bezug auf den weiblichen<br />

Körper. Kleinere Arbeiten verweisen<br />

auf Punk und Fetisch mittels collage<strong>art</strong>iger<br />

Anbringung populärer Gegenstände<br />

wie Totenschädel, Ketten oder<br />

Dollarnoten. An gleicher Stelle finden<br />

sich aber auch konservativ anmutende<br />

Ortsdarstellungen aus New York.<br />

Jutta Koether.<br />

Änderungen<br />

aller Art.<br />

Kunsthalle Bern,<br />

Helvetiaplatz 1<br />

Geöffnet<br />

Mittwoch bis<br />

Sonntag 10:00-<br />

17:00h, Dienstag<br />

10:00-19:00h. Bis<br />

11. März.<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


40<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

Mit Verweisen, Anspielungen und Erwähnungen<br />

in verbaler und gemalter<br />

Form versucht sich die Künstlerin im<br />

Rahmen einer künstlerischen Ausrichtung<br />

zu positionieren, die sich neben<br />

den bereits Genannten über Grössen<br />

wie Füssli, Blake, Moreau und ähnliche<br />

definiert. Ihre Techniken hingegen<br />

erinnern häufig an die amerikanische<br />

und betont sinnentleerte Malerei<br />

des 20. Jahrhunderts. Zu den jüngeren<br />

Arbeiten Koethers zählen einige<br />

kleinformatige Blätter, Zeichnungsund<br />

Bildmaterial, das im Eingangsbereich<br />

an Stellwänden angebracht<br />

ist. In Schwarz und Silber gehalten,<br />

eingerissen und mit Liquidglas übergossen,<br />

finden sich darauf z<strong>art</strong>e Spuren<br />

von Schrift, die den Arbeiten eine<br />

ganz eigene Präsenz verleihen. Sie<br />

erscheinen wie Gedankenfetzen und<br />

flüchtige Experimente. Im Raum daneben<br />

spiegelt angekratztes, aufgerissenes<br />

Glanzpapier auf silberner Wand<br />

seinen Betrachter, am Boden eine auf<br />

Hochglanz polierte Metallkugel.<br />

Es ist die Vielfältigkeit und das Undefinierte<br />

im Werk Koethers, das den<br />

Betrachter häufig unentschieden und<br />

ratlos macht. Es erscheint vieles bekannt<br />

und ist angesichts der übrigen<br />

Arbeiten doch nicht im Sinne einer<br />

Entwicklung oder eines Kontextes<br />

einzuordnen. Die Suche nach Neuem<br />

und Unbelastetem mag hier im Vordergrund<br />

stehen, das primäre Ergebnis<br />

dieser Suche ist ihre Sichtbarwerdung.<br />

Die aus Köln stammende Jutta Koether<br />

wird häufig in engem Bezug<br />

zur dortigen Kunstszene der achtziger<br />

Jahre gesehen. Ihre Erfahrungen in<br />

New York seit den neunziger Jahren<br />

haben sie jedoch ihren Ansatz festigen<br />

lassen, als Künstlerin nicht fassbar zu<br />

sein und als Persönlichkeit zwischen<br />

den Genres in Bewegung zu bleiben.<br />

Die ausgebildete Kunstpädagogin, deren<br />

Überzeugung es entstammt, dass<br />

Kunst nicht lehrbar sei, verlegte sich<br />

auf die Bedienung verschiedener Rollen<br />

der Kunstwelt. Neben ihrem Engagement<br />

als Malerin, Performancekünstlerin<br />

und Musikerin bespielte sie<br />

auch die andere Seite der kulturellen<br />

Produktion als Kritikerin und Redakteurin<br />

einer Popkulturzeitschrift<br />

sowie als Dozentin. Die Grenzen all<br />

dieser Rollen und Engagements sind<br />

fliessend.<br />

Bei der in Zusammenarbeit mit<br />

dem Kölnischen Kunstverein entstandenen<br />

Ausstellung handelt es sich um<br />

die erste Einzelausstellung von Jutta<br />

Koether in der Schweiz.<br />

Ausstellungsansicht:<br />

Suzanne Castelberg<br />

im espace libre.<br />

Suzanne Castelberg<br />

- unendlich<br />

endlich<br />

espace libre,<br />

Seevorstadt 73<br />

(hinter CentrePasquArt),<br />

Biel. Geöffnet<br />

Mittwoch bis<br />

Freitag 14:00-<br />

18:00 h, Samstag<br />

und Sonntag<br />

11:00-18:00 h.<br />

Finissage 4. März<br />

15:00-18:00 h.<br />

Unendlich viel K<strong>art</strong>on im freien Raum…<br />

■ Well-, Falt- und Kraftk<strong>art</strong>on,<br />

Schuh-, Spende- und Selbstaufrichtk<strong>art</strong>on…<br />

die Vielfalt des K<strong>art</strong>ons ist<br />

unermesslich! Das meist graubraune<br />

Material ist aus unserem Alltag nicht<br />

mehr wegzudenken, und doch nehmen<br />

wir es meist erst beim Altk<strong>art</strong>onbündeln<br />

richtig wahr. Haben Sie sich<br />

nicht auch schon gefragt, was wohl<br />

nach dem Recycling aus der entsorgten<br />

Pralinenschachtel werden wird?<br />

Suzanne Castelberg, im Raum Biel<br />

unter anderem durch unterschiedlichste<br />

Kunstprojekte und «design<br />

desire», ihr Atelier für Kunst, Grafik<br />

und Musik bekannt, beschäftigt sich<br />

bereits seit einigen Jahren mit dem<br />

faszinierenden Gemisch aus Zellstoff,<br />

Holzschliff und Altpapier, so zum<br />

Beispiel in «carpe c<strong>art</strong>onem» und «my<br />

home is my castle». Dabei interessiert<br />

die Künstlerin vor allem der ewige<br />

Kreislauf, den das rezyklierbare Material<br />

K<strong>art</strong>on durchläuft. Ihr aktuelles<br />

Werk, die begehbare Installation<br />

«unendlich endlich», versteht Castelberg<br />

denn auch als Metapher für das<br />

Gegenwärtige und das Vergängliche.<br />

Sie nähert sich diesen grundlegenden<br />

Fragen des Seins auch über ihre Stimme<br />

an. In Zusammenarbeit mit der<br />

Violinistin Ursula Grossenbacher sind<br />

«Klang-Transformationen» entstanden,<br />

die die visuelle und haptische Dimension<br />

der Installation um eine auditive<br />

erweitern. So finden die BesucherInnen<br />

im kargen Raum des espace libre<br />

sowohl einen Klang- als auch einen<br />

K<strong>art</strong>onteppich vor – beide Resultat<br />

der künstlerischen Auseinandersetzung<br />

mit dem Kreislauf von Vergehen<br />

und Werden.<br />

Noch einige Bemerkungen zum<br />

espace libre: Gegründet wurde der<br />

alternative Kunstraum von vis<strong>art</strong>e<br />

Biel, um Kunstschaffenden die Auseinandersetzung<br />

mit einem unbewachten,<br />

institutionell unabhängigen<br />

Ausstellungsraum zu ermöglichen.<br />

Seit der Gründung im Jahr 2000 haben<br />

bereits über vierzig Kunstschaffende<br />

im espace libre ausgestellt. Mit<br />

der Installation von Suzanne Castelberg<br />

verabschieden sich nach über<br />

zweijähriger Führung Katrin Weilenmann<br />

und Hans Kloeti. Sie übergeben<br />

die Leitung des espace libre den<br />

Bieler Kunstschaffenden Pat Noser,<br />

Monika Loeffel und Lorenzo le kou<br />

Meyr. (ms)<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


41<strong>art</strong>ensuite<br />

Kunst im Buch<br />

Blickwechsel<br />

■ «AH-OH» heisst eines von Markus<br />

Raetz’ bekanntesten Objekten, zwei<br />

Laute, die dem erstaunten Ausruf<br />

Ausdruck verleihen, eine Reaktion,<br />

die angesichts der witzigen Augenspielereien<br />

Raetz’ nicht gerade selten<br />

eintritt. Zugleich markiert das Werk,<br />

das eine Art Würfel aus besagten vier<br />

Buchstaben darstellt, auch die sprachliche<br />

Dimension, die häufig integraler<br />

Bestandteil von Raetz’ Kunst ist.<br />

Die Irritation in Wort und Bild, das<br />

Veränderliche und Zweideutige der<br />

Wirklichkeit hat zahlreiche Autoren<br />

zu Äusserungen animiert und inspiriert.<br />

Eine nahezu komplette Sammlung<br />

aus dieser Vielzahl an Texten ist<br />

nun in einer handlichen Ausgabe als<br />

Lesebuch erschienen.<br />

Zwischen Werkbeschreibungen,<br />

Erläuterungen zu künstlerischen<br />

Techniken und sogar Poesie umfasst<br />

die Publikation «Blickwechsel» Texte<br />

aus den Jahren 1966 bis 2005 und<br />

gibt damit nicht nur einen breit angelegten,<br />

kohärenten Überblick über<br />

Raetz’ Schaffen, sondern lässt auch<br />

bedeutende Personen aus Zeit- und<br />

Kunstgeschichte des schweizerischen<br />

Umfelds zu Wort kommen wie etwa<br />

Harald Szeemann, Jean-Christophe<br />

Ammann oder Theo Kneubühler. Neben<br />

Aufsätzen aus teilweise bereits<br />

vergriffenen Katalogen finden sich<br />

auch Artikel aus Zeitschriften und<br />

Zeitungen.<br />

Die Versprachlichung der Kunstwerke<br />

weckt wie vor den Originalen<br />

die Vorstellungskraft und Erinnerung<br />

der Leser. Lohnenderweise wurde<br />

dennoch auf dezente Illustrationen in<br />

schwarzweiss nicht verzichtet, bieten<br />

sie doch immer noch eine willkommene,<br />

visuelle Orientierungshilfe.<br />

Zwischen Wortmetamorphosen, babylonischem<br />

Sprachgewirr, verändertem<br />

Blickwinkel und Aha-Erlebnissen<br />

mag dieses Buch als Leitfaden dienen.<br />

Aber Achtung: Für eine Sicherheit<br />

gegenüber Raetz’ Werken gibt es<br />

dennoch keine Gewähr. (sm)<br />

Blickwechsel, Texte zum Werk von<br />

Markus Raetz, hrsg. von Stephan<br />

Kunz, Aargauer Kunsthaus / Verlag<br />

für moderne Kunst, 2005, 362 Seiten,<br />

Fr. 42.00.<br />

Ausdruckskraft<br />

■ Auguste Rodin (1840-1917) hat die<br />

vom Klassizismus dominierte Bildhauerei<br />

in die Moderne geführt und gilt<br />

als einer der Wegbereiter der modernen<br />

Kunst. In seinen ersten Arbeiten<br />

herrscht noch Realismus vor. Wenige<br />

Jahre später sind seine eindrücklichen<br />

Skulpturen voll expressiver<br />

Ausdruckskraft und einer sinnlichen<br />

Symbolik. Letztere ist eine von Intuition<br />

geprägte, statt auf literarische<br />

Vorlagen beruhende; der unmittelbare<br />

Kontakt mit der Natur ist ausschlaggebend:<br />

«Ich erschaffe nicht, ich sehe,<br />

und weil ich sehe, bin ich in der Lage<br />

etwas hervorzubringen.»<br />

In den 1880er Jahren beginnt Rodin<br />

mit monumentalen Werken wie dem<br />

«Höllentor», wodurch wiederum Arbeiten<br />

wie «Der Kuss» oder «Der Denker»<br />

entstehen können, zwei der bekanntesten<br />

Werke des Bildhauers und der<br />

Geschichte der Skulptur schlechthin.<br />

Die «Bürger von Calais» sind von einer<br />

klaren Charakterisierung ohne weitere<br />

Beigaben geprägt. Hier wird bereits<br />

die für Rodins Spätwerk so typische<br />

Reduktion auf das Wesentliche deutlich.<br />

Nichts Überflüssiges ist auszumachen,<br />

verbunden mit einer spontanen<br />

Behandlung des Materials.<br />

Nach Ausstellungen zu Rodin und<br />

Beuys, Rodin und Claudel oder Rodin<br />

und Picasso wird uns nun vom Kunsthaus<br />

Zürich (9. Februar - 13. Mai) und<br />

der Royal Academy of Arts in London<br />

wieder einmal der ganze Rodin präsentiert.<br />

Die zu den beiden Ausstellungen<br />

erschienene Publikation ist<br />

ebenso umfassend. Die Essays sind<br />

vor allem Rodins Rezeption und speziell<br />

der Rezeption in England gewidmet.<br />

Danben werden wichtige Werke<br />

wie das «Höllentor», «Die Bürger von<br />

Calais» oder das «Balzac-Denkmal»<br />

hervorgehoben. Ein beachtlicher<br />

Werkkatalog und die hervorragenden<br />

Abbildungen kommen hinzu. Insbesondere<br />

die zahlreichen historischen<br />

Fotografien aus Rodins Zeit sind ein<br />

Leckerbissen. (di)<br />

Rodin, Katalog zur Ausstellung in London<br />

2006/2007 und Zürich 2007, Hatje<br />

Cantz, 2006, 320 Seiten, Fr. 83.00.<br />

Ateliergeschichten<br />

■ Nachdem uns der Knesebeck Verlag<br />

vor einiger Zeit (ensuite - kulturmagazin<br />

Nr. 42/43) mit der Publikation<br />

«Francis Bacon. Spuren im Atelier<br />

des Künstlers» bereits ins Atelier von<br />

Francis Bacon führte, so folgt nun der<br />

Gang ins Atelier von Lucian Freud<br />

(1922-2005). Freud steht in Wichtigkeit<br />

und Bekanntheit wohl nur wenig<br />

hinter Bacon – wenn denn überhaupt.<br />

Und sie sind natürlich irgendwo Verwandte<br />

im Geiste; beide blieben in<br />

einer Zeit der vorherrschenden Abstraktion<br />

dem Gegenstand und der<br />

Figur treu, entwickelten aber auch einen<br />

ganz unterschiedlichen Umgang<br />

mit Gegenstand und Figur.<br />

Die Publikation zu Freud unterscheidet<br />

sich in vielem von derjenigen<br />

zu Bacon. Dem eigentlichen Katalog<br />

mit Fotografien von Bruce Bernard<br />

und David Dawson ist nur gerade<br />

ein Interview vorangestellt. Sebastian<br />

Smee (Kunstkritiker und Freud-Kenner)<br />

führte das Interview, das manchmal<br />

etwas befremdet, wenn Smee<br />

z. B. nach Freuds Bekanntschaften zu<br />

Bacon, Gaicometti, Duchamp und natürlich<br />

zu Freuds Grossvater Sigmund<br />

Freud befragt, was eher den Anschein<br />

eines Namedroppings weckt. Dies<br />

sind Stellen, in denen man nur wenig<br />

über Freuds Arbeit erfährt, die ja eigentlich<br />

im Zentrum stehen sollte.<br />

Es ist sicher kein Buch, das als Einführung<br />

in Freuds Leben und Werk zu<br />

verwenden ist. Die Herausgeber fokussieren<br />

auf Bernards und Dawsons<br />

Fotografien des Künstlers und seiner<br />

Modelle, so dass wenig Hintergrund<br />

und Information zu Freuds Schaffen<br />

geliefert wird. Aber es ist auch nicht<br />

notwendig, dass jede Publikation das<br />

Schaffen eines Künstlers umfassend<br />

beleuchtet. Hingegen wunderbar und<br />

berührend sind die frühen Fotos von<br />

Bernard, in denen Freud posiert und<br />

akrobatische Einlagen macht oder<br />

Dawsons Fotos, die kurz vor Freuds<br />

Tod entstanden sind. (di)<br />

Lucian Freud im Atelier. Lucian Freud<br />

im Interview mit Sebastian Smee. Fotos<br />

v. Bruce Bernard u. David Dawson,<br />

Knesebeck, 2006, 250 Seiten, Fr.<br />

97.00.<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


42<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


43<strong>art</strong>ensuite<br />

«Jeder macht, was er will…»<br />

■ …spricht eine männliche Stimme<br />

aus dem Off. Auf einen künstlerischen<br />

Ausdruck hin bezogen ist diese Aussage<br />

sicher nicht falsch und für Yves<br />

Mettlers Ausstellung in der Galerie<br />

Annex14 bedeutet dies unter anderem<br />

eine Auseinandersetzung mit Architektur.<br />

In den «Kairopieces» von 2006<br />

treffen in Inkjetprints weisse Flächen<br />

auf Recyclingpapier und grenzen sich<br />

ohne Zwischentöne h<strong>art</strong> gegen den<br />

Papierton ab. Nach fotografischen<br />

Vorlagen von Gebäuden gestaltet,<br />

dominieren in der Umsetzung die<br />

ornamentalen Strukturen der eckig<br />

geraden oder kurvig geschwungenen<br />

Formen. Als hätte ein Blitzlicht die<br />

Umwelt fast bis zur Unkenntlichkeit<br />

erhellt, ist aus den Darstellungen kein<br />

identifizierbarer, eindeutiger Ort mehr<br />

auszumachen, denn die individuellen<br />

Details fehlen gänzlich, womit im allgemeinen<br />

Bild die Frage nach der fehlenden<br />

kulturellen Identität aufkommt:<br />

Zunehmend erstaunt, dass diese moderne,<br />

europäisch anmutende Architektur<br />

in Kairo zu finden sein soll.<br />

Dieses Tunnel-Denken thematisiert<br />

Mettler in einer Klang-Installation, die<br />

aus dem Inneren von vier Souffleur-<br />

Kästen den Galerieraum bespricht.<br />

Egoistisches, eigenbrötlerisches Denken<br />

der vier Tunnel-Protagonisten,<br />

«Ich verrate gar nichts…», wechselt zu<br />

Durchlässigkeit. «Nichts ist sicher, alles<br />

ist offen…» oder komplette Abschottung<br />

«Ich will es gar nicht wissen…»,<br />

was verschiedene Haltungen der<br />

Umwelt gegenüber demonstriert. Gewachsene,<br />

urbane Strukturen werden<br />

schliesslich mit der Installation «Innenhof»<br />

visualisiert, eine durchlässige<br />

Skulptur, die den Galerieeingang fast<br />

verbarrikadiert und das Aussen zum<br />

Innen und das Innen zum Aussen verwandelt.<br />

Löcher versus hoch in den Raum<br />

ragende Wände, dreidimensionale<br />

Gebilde gegenüber Papierarbeiten im<br />

alles vereinheitlichenden, farblichen<br />

Konzept von K<strong>art</strong>onbraun und sich<br />

abhebendem Weiss, verwandeln den<br />

White Cube der Galerie in einen ästhetisch<br />

stimmigen Kunstraum. (sm)<br />

Yves Mettler,<br />

Wiederholt<br />

winkt uns etwas<br />

zu<br />

annex14, Junkerngasse<br />

14.<br />

Geöffnet Mittwoch<br />

bis Freitag<br />

14:00-18:00 h,<br />

Samstag 11:00-<br />

16:00 h. Bis 17.<br />

Februar.<br />

Yves Mettler, Wiederholt<br />

winkt uns etwas zu, 2006<br />

Pulp Fiction<br />

■ Die Farbe schreit. Ein vereinnahmender,<br />

knalliger Sog von Blau zu<br />

Rot, Neongelb und leuchtendem Rosa<br />

zieht den Betrachter in Darstellungen<br />

hinein, deren Reichtum zu einer intensiven<br />

Entdeckungsreise einladen und<br />

zugleich dynamische Beschleunigung<br />

und in einem gewissen horror vacui<br />

gar ein wenig Verlorenheit vermitteln.<br />

Dicht an dicht, in überschäumender<br />

Petersburger Hängung an einer Wand<br />

der Galerie M<strong>art</strong>in Krebs angebracht,<br />

betören sie den Betrachter in «100<br />

Ansichten von Bastropolis», der Heimat<br />

des schlaksigen, liebenswerten<br />

«Pulp». Der Bieler M.S. Bastian hat<br />

das schmächtige Comic-Figürchen mit<br />

übergrossem Kopf und glotzenden<br />

Knopfaugen mitsamt einem ganzen<br />

Lebensuniversum und einem Heer an<br />

Nebenprotagonisten geschaffen.<br />

Bastians Bilder sind keine eigentlichen<br />

Comic-Strips mit fortlaufendem<br />

Erzählstrang, eher C<strong>art</strong>oons ohne Worte<br />

mit gelegentlichen, lautmalerischen<br />

Einsprengseln, wo sich eine immens<br />

detaillierte, wuselnde Welt voller Hinweise<br />

auf die Geschichte der Kunst<br />

sowie Pop-Kultur zu einer einzig<strong>art</strong>igen<br />

Pulp-Kultur eröffnet. Hier gehen<br />

High und Low Art Hand in Hand und<br />

verdichten sich in unzähligen, witzigen<br />

Zitaten zu einer eigenständigen<br />

Synthese: So schreiten die Figürchen<br />

beispielsweise im charakteristischen<br />

Stechschritt von links nach rechts über<br />

die Abbey Road, während sie sich in<br />

einer anderen Darstellung vor romantisch<br />

rosa getränkten Himmel im Grün<br />

zu einem «Déjeuner sur l’herbe» arrangieren.<br />

Zwischen Übernahmen von<br />

Keith Haring, Roy Lichtenstein und<br />

Andy Warhol tummeln sich Superman,<br />

Popeye und Tigerente, während Mickey<br />

Mouse von Hokusais Welle weggespült<br />

wird und Munchs Schrei der<br />

«Lonely-He<strong>art</strong>s Club Band» Stimmkraft<br />

verleiht. Beim Ausgang winkt einem<br />

eine handvoll Figuren zum Abschied<br />

aus einer kleinen Scholle fröhlich<br />

zu und plötzlich wirken die Lauben<br />

Berns etwas gar grau und gemächlich<br />

im Gegensatz zur freakig bunten<br />

Pulpomanie. (sm)<br />

M.S.Bastian<br />

Galerie M<strong>art</strong>in<br />

Krebs, Münstergasse<br />

43. Geöffnet<br />

Dienstag bis<br />

Freitag 14.30-<br />

18.30 h, Samstag<br />

10:00-14:00 h. Bis<br />

24. Februar.<br />

M.S. Bastian, Bastian<br />

Square, 2006, Kunstharz<br />

auf LW, 70 x 300 cm<br />

Dreidimensional flächig<br />

■ Unscheinbar steht sie in der Mitte<br />

des Raums: «Monstera», 2007, Lebendpflanze<br />

(monstera deliciosa), eingetopft,<br />

Dimensionen variabel, Durchmesser<br />

Topf 48 cm, 4‘300.-. Während<br />

man noch darüber sinniert, welche<br />

Kunstsammlung dieses gemeine Zimmergrün<br />

über einen Ankauf wohl bereichern<br />

mag oder ob man hier eher<br />

einem Witz aufgesessen ist, weist einen<br />

der Ausstellungstitel glücklicherweise<br />

auf den rechten Pfad: Unter «Absurdities»<br />

zeigt die Galerie bk in einer idealen<br />

Gegenüberstellung von Installation<br />

mit Gesamtkonzept einerseits und Malerei<br />

andererseits die beiden Künstler<br />

Urs Zahn und Luc Andrié.<br />

Während das teure Pflänzchen<br />

die vollkommene Realität verkörpert,<br />

findet sich in unmittelbarer Nachbarschaft<br />

ein über zwei Meter hohes,<br />

begehbares Holzgestell, «der heckenfriend»,<br />

gewissermassen ein nackter<br />

Bauplan eines Gebüsches, während<br />

die fehlenden Blätter in 47 ausschnitthaften<br />

Farblaserprints separiert an<br />

der angrenzenden Wand beigefügt<br />

sind. Die Frage nach einem universellen<br />

Bauplan führt Urs Zahn auch in<br />

farbigen Laserdrucken aufgetürmter<br />

G<strong>art</strong>enstühle weiter: Mit der Computermaus<br />

wurden deren Umrisse zeichnerisch<br />

digital festgehalten. Aufeinander<br />

geschichtet, durchlässig, fragil und<br />

zweidimensional wirken die Sitzmöbel<br />

wie eine Bildhülse, ein Bildgerüst,<br />

während der Bildträger, der aus lauter<br />

kleinen Kästen besteht, in den Realraum<br />

weist, so dass der Anschein eines<br />

vermeintlichen Leinwandkörpers<br />

entsteht.<br />

Zwischen Fläche und dreidimensionaler<br />

Wirkung schweben passend die<br />

Malereien Luc Andriés, dessen Sujets,<br />

beispielsweise Skulpturen, Tiere oder<br />

Menschen, unwillkürlich mit Volumen<br />

assoziiert, in den Darstellungen aber<br />

auf das Plane der Leinwand zurückgestutzt<br />

werden. So stösst der kleine Pudel<br />

mit der Nase an die Bildfläche: Die<br />

Farbe umfasst ihn beinahe konturlos,<br />

praktisch ohne Zwischentöne und hält<br />

ihn in seiner milchig-rosa Welt gefangen.<br />

(sm)<br />

Absurdities -<br />

Luc Andrié, Urs<br />

Zahn<br />

bk Galerie Bernhard<br />

Bischoff &<br />

P<strong>art</strong>ner, Speichergasse<br />

8. Geöffnet<br />

Mittwoch bis<br />

Freitag 14:00-<br />

18:00 h , Samstag<br />

11:00-16:00 h. Bis<br />

24. Februar.<br />

Luc Andrié, shampoo,<br />

2005, Acryl auf Leinwand,<br />

50 x 65 cm<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


44<br />

off 07<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

off 07<br />

Ölegässchen<br />

73, 3600 Thun.<br />

Schaufenstersituation.<br />

Öffnungszeiten<br />

nach Vereinbarung.<br />

■ Der off-Raum in Thun besteht<br />

schon seit vielen Jahren und ist gewissermassen<br />

ein Vorreiter der neuen<br />

Galerien-Generation: Ein Schaufenster,<br />

das die Passanten irritiert, erfreut<br />

– was auch immer – und zum Ziel<br />

hat, Kunst den Leuten ins Auge springen<br />

zu lassen. Man muss keinen Mu-<br />

Tabea Steiner, Jasmin Welte<br />

seumseingang passieren oder in die<br />

geschlossene Gesellschaft einer Galerie<br />

eindringen, sondern man kann<br />

von aussen, en passant, Gegenw<strong>art</strong>skunst<br />

betrachten und keiner merkt,<br />

wenn man sie nicht versteht. Man<br />

kann an der Vernissage teilnehmen<br />

und keiner merkt, dass man einfach<br />

nur Lust auf ein Glas Wein hat. Selbst<br />

der Laie merkt so aber, dass Kunst<br />

eben doch eine Faszination hat und<br />

geht vielleicht plötzlich sogar freiwillig<br />

ins Museum – Ziel erreicht.<br />

Ab dem 21. Februar wird die neue<br />

Saison am Ölegässchen eröffnet, die<br />

einzelnen Projekte sollen im Folgenden<br />

vorgestellt werden:<br />

Wer kennt sie nicht: Der Pflugstein<br />

in Herrliberg, die Grossi Flue in Steinhof<br />

oder die beiden Pierres du Niton<br />

im Genfer Hafenbecken. Der grössere<br />

der beiden letztgenannten dient<br />

als Repère Pierre du Niton, seit dem<br />

19. Jahrhundert gar als Referenzpunkt<br />

der Schweizer Landvermessung. Auch<br />

in Thun wird man ab Februar einen<br />

Findling antreffen. Ob er so berühmt<br />

wird wie sein grosser Bruder im Genfer<br />

Hafenbecken? Wer weiss. Auf jeden<br />

Fall wurde er nicht von einem<br />

Gletscher nach Thun gerollt, sondern<br />

dort durch aufwendige Arbeit von<br />

Menschenhand erschaffen.<br />

Dieser intensiven, mehrmonatigen<br />

Aufgabe hat sich Reto Steiner gewidmet.<br />

In seinem Atelier in Thun fertigt<br />

er von verschiedenen Steinbrocken,<br />

die er in Steinbrüchen gesammelt hat,<br />

Abgüsse aus Gips an. Jeder dieser<br />

Gipssteine ist eine detailgetreue Abbildung<br />

des Originals, und dennoch<br />

entsteht am Ende etwas Neues, Einzig<strong>art</strong>iges.<br />

Denn die über dreihundert<br />

Abgüsse werden zu einem künstlichen<br />

Findling zusammengesetzt, der<br />

somit einerseits ein Abbild der Natur<br />

ist, aber andererseits auch ein Produkt<br />

des Menschen oder besser gesagt des<br />

Künstlers, der durch seine Arbeit einen<br />

Teil der Natur neu erschafft.<br />

Durch die Arbeit von Reto Steiner<br />

wird Künstliches und Natürliches verbunden.<br />

Eine ungewöhnliche Symbiose<br />

– aber eine sehr faszinierende!<br />

Im März verbarrikadiert die Fotografin<br />

Myriam Aline Loepfe mit<br />

dreihundert selbstgegossenen Schokolade-Kinderköpfen<br />

den off-Raum.<br />

Die Giessschokolade wird übrigens<br />

vom besten Konditor der Stadt gesponsert.<br />

Über dem süssen Gebilde<br />

werden Glühbirnen hängen, so dass<br />

die Schoggiköpfe langsam in den milder<br />

werdenden Temperaturen dahinschmelzen.<br />

Die irgendwo an Dieter<br />

Roth gemahnende Installation wird<br />

technisch aufgemotzt und trashig beblinkt<br />

mit einer Neonschrift: «undo?».<br />

Insgeheim hoffe ich, dass die Künstlerin<br />

an der Vernissage wieder ihren<br />

Blinkgurt trägt, bei dem sie Laufbotschaften<br />

eintippen kann.<br />

Das pädagogisch wertvolle Sehbüro<br />

Bach unter der Leitung von Kunstpreisgewinner<br />

Hans Walter Graf hat<br />

ab dem 2. Mai während zehn Tagen<br />

jeden Morgen zwei Stunden geöffnet.<br />

In den Kontors sitzen Kinder, welche<br />

Bestellungen entgegennehmen.<br />

Bestellungen kann jeder machen, es<br />

geht dabei darum, das Heim, den<br />

G<strong>art</strong>en, seine Umwelt zu verschönen.<br />

Die Kinder werden ihre Kunden beraten,<br />

Offerten und Bestellungen werden<br />

direkt an die Wand geschrieben.<br />

Nach diesen ersten zehn Tagen wird<br />

der Raum für den Rest der Ausstellungsdauer<br />

nicht leerstehen, da die<br />

Wand geschmückt sein wird mit Arbeitsaufträgen.<br />

Im Anschluss an die<br />

Ausstellung wird der Künstler in Absprache<br />

mit den Auftraggebern die<br />

Bestellungen zusammen mit den Kindern<br />

ausführen.<br />

Sabine Portenier und Evelyne Roth<br />

verwandeln den Glaskasten in einen<br />

Mode-Shop. Die beiden Designerinnen<br />

haben das ehrgeizige Ziel, Thun<br />

einzukleiden mit Mode, die Welt trägt,<br />

und bieten dazu passende Schuhe<br />

und Taschen an. Fashion soll angewandt<br />

werden, man kann sich neu<br />

eingewanden, frau darf sich also freuen.<br />

Die beiden Frauen, «who present<br />

the flying fashion store», bieten ihre<br />

Ware auch auf dem Netz zum Kauf<br />

an: www.laboutiquevolante.com.<br />

Nicolas Zimny aus Strasbourg,<br />

der G<strong>art</strong>entor Stipendiat dieses Jahres,<br />

war der<strong>art</strong> beeindruckt von der<br />

Militärmacht Thun, dass er sein off-<br />

Projekt «war games in Thun» nennt.<br />

Heerestage sei Dank.<br />

Paul Le Grand bespielt den Raum<br />

mit einer kommunizierenden Spiegel-Galerie,<br />

die er treffend «alles echt<br />

wahr» nennt. Die Installation wird<br />

einfach sein, übersichtlich, und dennoch<br />

irritierend für den Betrachter.<br />

Das kennt man auch vom Friseur und<br />

von H&M, solche Lokalitäten verlässt<br />

der Betrachter auch stets etwas irritiert,<br />

da halt alles echt wahr ist.<br />

Gisela Kleinlein, seit 1999 Professorin<br />

an der Bergischen Universität<br />

Wuppertal, kommt mit Schlingen<br />

und Schlaufen nach Thun. Sie macht<br />

Rauminstallationen, Skulpturen, es<br />

schlauft und schlingt auch auf ihrer<br />

Homepage: www.giselakleinlein.de.<br />

G<strong>art</strong>entor, der Schweizerische Kulturminister,<br />

gibt sich lokalpatriotisch<br />

und nennt seine Arbeit «thun-le-Paradis».<br />

Genaugenommen setzt er sich<br />

aber mit einem kleinen Ort in Frankreich<br />

auseinander, der der hiesigen<br />

Stadt eben etwas voraus hat: einen<br />

wohlklingenderen Namen.<br />

Bei Giro Annen freut sich das Germanistenherz<br />

über den Titel: «Das ist<br />

nicht ein Kopf, ein Schrank ist das».<br />

Nummer vier wird es sein. Diese Serie<br />

besteht aus K<strong>art</strong>on-Installationen, die<br />

zusammengeschustert werden und<br />

trotz aller Fragilität sehr monumental<br />

daherkommen. Annen, der auch seine<br />

Kissen-Skulpturen auf Betonsockel<br />

setzt, arbeitet hier fragil, baut Ruinen<br />

auf, oder eben: einen Schrank.<br />

21. Februar – 25. März:<br />

Reto Steiner «Findling»<br />

28. März – 29. April:<br />

Myriam Aline Loepfe «undo?»<br />

2. Mai – 19. Mai:<br />

Sehbüro Thun «Sehbüro Bach zu Gast in Thun»<br />

23. Mai – 24. Juni:<br />

Sabine Portenier und Eveline Roth «Evelyne Roth und<br />

Sabine Portenier present the flying fashion store»<br />

27. Juni – Juli:<br />

Nicolas Zimny «war games in Thun»<br />

22. August – 23. September:<br />

Paul Le Grand «alles echt wahr»<br />

26. September – 28. Oktober:<br />

Gisela Kleinlein «Schlingen und Schleifen»<br />

31. Oktober – 2. Dezember:<br />

Heinrich G<strong>art</strong>entor «thun-le-Paradis»<br />

5. Dezember – 6. Januar:<br />

Giro Annen «Das ist nicht ein Kopf, ein Schrank ist das»<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


45<strong>art</strong>ensuite<br />

Auf winzigstem Raum<br />

■ Auf winzigstem Raum neun Bilder.<br />

Auf der Postk<strong>art</strong>e steht: «Bilder-Ausstellung<br />

/ Rest. Bistro / Langenthal /<br />

8. Jan. bis 15. Febr. 2007 (Sonntags<br />

geschlossen) / Annemarie Bösiger.»<br />

Zusätzlich eine handschriftliche Bemerkung:<br />

«Oel auf Leinwand». Annemarie<br />

Bösiger blickt auf ein beachtli-<br />

Peter J. Betts<br />

ches künstlerisches Werk zurück. Bis<br />

in die neunziger Jahre hat sie allen<br />

Schicksalsschlägen zum Trotz gearbeitet.<br />

Ich bin hingefahren: ein winziges<br />

Bar-Restaurant an der Marktgasse;<br />

neun Bilder an der Wand; suboptimal<br />

ausgeleuchtet (es ist nicht schwer, sich<br />

eine Malerin vorzustellen, die unter<br />

miserablen Lichtverhältnissen Bleibendes<br />

schafft oder schaffen muss);<br />

mögliche Betrachtungsdistanz, auch<br />

zu grösseren Werken, meist etwa<br />

zwei Meter (wie es eine Malerin erlebt,<br />

die knapp drei Schrittchen von<br />

der Staffelei zurücktreten kann um<br />

zu beurteilen, wie ihre Komposition<br />

im Museum wirken wird). Es ist für<br />

Betrachtende leicht, sich in für eine<br />

Künstlerin schwierigste Lebens- und<br />

Arbeitsbedingungen hineinzudenken<br />

– und so gehen diese sehr authentischen<br />

neun Muster eines Lebenswerkes<br />

zusätzlich unter die Haut – die<br />

Fahrt nach Langenthal und zurück:<br />

– auch bewusstseinsverändernd, weil<br />

man spürt, was man alles nicht sehen,<br />

nicht erleben kann.<br />

1972 schrieb ich im «Bund» unter<br />

anderem über sie: «Die Malerei von<br />

A. B. ist Suche nach Wirklichkeit.<br />

Ihr Thema ist der Mensch, und zwar<br />

in der Beziehung zu anderen Menschen.<br />

Kritiker haben ihre Bilder als<br />

grausam bezeichnet, vielleicht mit<br />

Recht…Beim Betrachten der Gemälde<br />

erlebt der Besucher, wie scheinbar<br />

unverletzliche Ganzheiten zerstört,<br />

aufgerissen, zerlegt werden. Es handelt<br />

sich nicht um eine klinisch saubere<br />

Sektion, sondern um elementares<br />

Aufreissen... sie öffnet die nicht<br />

sehr ansehnlichen Türen zu Schlachthäusern…<br />

Für eine Gesellschaft von<br />

Konsumenten ausschliesslich gebrauchsfertig<br />

verpackter Waren (dies<br />

auch auf das Geistige übertragen),<br />

wirkt plötzliche Konfrontation mit<br />

der Realität schockierend und brutal.<br />

Und dennoch: echte Menschlichkeit<br />

lässt sich wohl nur erreichen, wenn<br />

der Mensch ungeschützt durch Konventionen<br />

und Tabus bis zu den vielleicht<br />

etwas unangenehmen Wurzeln<br />

des Seins vordringt: Er muss sich in<br />

Gefahr begeben…»<br />

Betrachte ich stellvertretend für<br />

die neun Bilder etwa «GROSS» (diskret<br />

hinter der Bar: Farbformen aus<br />

fast monochromem Grau heraus, sattes<br />

Hoffnungsgrün – eine Silhouette<br />

eines Torsos einer Schwangeren? – in<br />

bewegtere Farbräume ausstrahlend)<br />

oder «PFLANZLICHES» (eine kristalline<br />

Karikatur dessen, was in Vasen<br />

vor sich hinzusterben pflegt?), beide<br />

zwischen 1995 und 1997 entstanden,<br />

denke ich, dass was ich vor fünfunddreissig<br />

Jahren geschrieben habe,<br />

noch Gültigkeit hätte. Eine grössere<br />

Ausstellung und vor allem die Möglichkeit<br />

für die Künstlerin, wieder<br />

Spachtel und Pinsel wirken zu lassen,<br />

wären höchst wünschenswert... Keine<br />

Frage, ob sie noch etwas zu sagen<br />

hat.<br />

Annemarie<br />

Bösiger<br />

Restaurant Bistro,<br />

Langenthal. Sonntags<br />

geschlossen.<br />

Bis 15. Februar.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


46<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

«Ich stelle die Wahrheit dar,<br />

so wie ich sie empfinde.»<br />

Vera Goul<strong>art</strong>.<br />

Unsere Heilige<br />

Mutter Gottes<br />

Galerie Artdirekt.<br />

Herrengasse 4,<br />

Bern. Geöffnet<br />

Mittwoch, Donnerstag,<br />

Freitag<br />

14:00-18:30 h,<br />

Samstag 11:00-<br />

16:00 h und nach<br />

Vereinbarung.<br />

Bis 10. Februar<br />

2007.<br />

■ Vera Goul<strong>art</strong> im Gespräch:<br />

Dein Werk ist eklektisch, es gibt<br />

kein eigentliches Medium: Plastik,<br />

Zeichnungen, Fundgegenstände<br />

und Texte ergänzen einander. Wie<br />

definierst Du Deine Arbeit, beziehungsweise<br />

Deine Arbeitsweise?<br />

Ich bin stark vom Theater inspiriert,<br />

wo ja auch verschiedene Disziplinen<br />

wie Text und Bild aufeinandertreffen,<br />

aber ich bin keine Theaterfrau,<br />

sondern eine plastische Künstlerin.<br />

Ich arbeite sehr zurückgezogen und<br />

allein in meinem Atelier. Alles wird<br />

von Hand gefertigt, es gibt nichts industriell<br />

Gefertigtes. Meine Arbeit ist<br />

deshalb sehr zeitaufwendig.<br />

Am Anfang meiner künstlerischen<br />

Tätigkeit zeichnete ich hauptsächlich.<br />

Dann hatte ich das grosse Bedürfnis<br />

diese Zeichnungen in die Dreidimensionalität<br />

zu übertragen und so entstanden<br />

meine Figuren. Meine Arbeit<br />

ist in ständiger Evolution begriffen.<br />

Woher kommen Deine Figuren?<br />

Machst Du ein Konzept oder kommen<br />

sie direkt aus dem Unterholz<br />

der Seele?<br />

Sie kommen aus dem Nichts. Aber<br />

es gibt schon ein Konzept, ich mache<br />

keine «Art Brut». Ich stelle die Wahrheit<br />

dar, so wie ich sie empfinde.<br />

Es ist ein sehr emotionaler Prozess.<br />

Manchmal fertige ich Skizzen an.<br />

Meine Welt ist surreal, aber ich bin<br />

nicht verrückt (lacht). Auch wenn wir<br />

das alle vielleicht werden, wenn es<br />

mit der Erde so weiter geht.<br />

Gibt es ein wiederkehrendes<br />

Thema in Deinem Werk?<br />

Ich habe kein fixes Thema. Etwas<br />

inspiriert mich ganz plötzlich auf einen<br />

Schlag. Lange Zeit faszinierten<br />

mich beispielsweise Schuhe.<br />

Meine Arbeit spricht nie einfach<br />

von mir, sondern setzt sich mit den<br />

grossen Problemen der Welt, wie<br />

beispielsweise der materiellen oder<br />

auch spirituellen Armut, auseinander.<br />

Es gibt zum Beispiel eine Figur,<br />

den «chinesischen Bischoff», der gerne<br />

über den Weltfrieden diskutieren<br />

möchte. Er sitzt auf einem Rollstuhl<br />

und niemand hört ihm zu, bis er ganz<br />

traurig wird und sich schliesslich in<br />

ein Schloss aus Zucker zurückzieht.<br />

Zurzeit beschäftigen mich religiöse<br />

Themen. Aber ich übe keine explizite<br />

Kritik am Glauben und es geht mir<br />

auch nicht um Provokation. Es ist einfach<br />

eine Inspirationsquelle.<br />

Krokodile und Schlangen tauchen<br />

vermehrt in Deinen Arbeiten<br />

auf. Beeinflusst Dich die Exotik<br />

Deines Heimatlandes Brasilien?<br />

Ganz bestimmt habe ich nichts<br />

Folkloristisches im klassischen Sinne<br />

in meiner Arbeit. Die Schlangen<br />

faszinieren mich vor allem in ihrer<br />

vielfältigen Bedeutung und Symbolik.<br />

In Indien gibt es beispielsweise einen<br />

Tempel voller Schlangen, zu welchem<br />

Frauen pilgern, in der Hoffnung,<br />

schwanger zu werden. In einem anderen<br />

Land gibt es einen «König der<br />

Krokodile» und so weiter.<br />

Es gibt viel Beunruhigendes in<br />

Deinen Installationen. Wie fallen<br />

die Reaktionen auf Dein Werk<br />

aus?<br />

Es gibt stets eine starke Polarisierung.<br />

Es gibt Leute, die gleich wieder<br />

aus der Galerie gehen und dann<br />

gibt es die, die bleiben und dann sehr<br />

stark fasziniert sind.<br />

(Interview von Helen Lagger)<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


47<strong>art</strong>ensuite<br />

BERNER<br />

GALERIEN<br />

Galerieneintrag:<br />

Auf den Seiten «Galerien in Bern» werden nur<br />

noch Galerien publiziert, welche unsere jährliche<br />

Publikationsgebühr bezahlt haben. Wer<br />

sich hier eintragen lassen möchte, melde sich<br />

bei der Redaktion: Telefon 031 318 6050 oder<br />

redaktion@ensuite.ch.<br />

Bild rechts:<br />

Gabi Hamm - Galerie Kabinett<br />

vom 13. Januar - 10. März 2007<br />

Altes Schlachthaus<br />

Metzgergasse 15, Burgdorf<br />

T 034 422 97 86<br />

Sa&So jeweils 11:00-17:00 h<br />

annex14 - Galerie für zeitgenössische<br />

Kunst<br />

Junkerngasse 14, 3011 Bern<br />

T 031 311 97 04 / www.annex14.ch<br />

Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h, oder<br />

nach Vereinbarung<br />

Yves Mettler<br />

Wiederholt winkt uns etwas zu<br />

bis 17.2.<br />

Art-House<br />

Mittlere Strasse 3A, 3600 Thun<br />

T 033 222 93 74 7 www.<strong>art</strong>-house.ch<br />

Mi&Fr 14:00-17:30 h / Do 16:00-19:30 h / Sa<br />

11:00-16:00 h<br />

«Spiritualität in der Kunst»<br />

Jakob Jenzer: Malerei, Urs Kurth: Fotografie,<br />

Renato Jordan: Text-Bilder, Max Roth:<br />

Skulptur<br />

bis 15.2.<br />

Art + Vision<br />

Junkerngasse 34, 3011 Bern<br />

T 031 311 31 91<br />

Di-Fr 14:00-19:00 h / Do 14:00-21:00 h /<br />

Sa & So 11:00-16:00 h<br />

Michael Wissmann<br />

bis 3.2.<br />

Bärtschihus Gümligen<br />

Dorfstrasse 14, 3073 Gümligen<br />

Mary Poppins!<br />

superkalifragilistigexpialigetisch<br />

ESPACE Indigo<br />

Stauffacher Buchhandlung, 3011 Bern<br />

T 0844 88 00 40<br />

Ladenöffnungszeiten<br />

Fri-Art<br />

22 Petites Rames, 1700 Fribourg<br />

T 026 323 23 51 / www.fri-<strong>art</strong>.ch<br />

Di-Fr 14-18:00 h / Sa&So 14:00-17:00 h<br />

Nocturne Do 18:00-20:00 h<br />

Exposition 1 l‘age critique<br />

Nicolas Savary en collaboration avec :<br />

Christian Bovey, Happypets, Genêt Mayor,<br />

Daniel Ruggiero<br />

bis 11.3.<br />

bk Galerie Bernhard Bischoff & P<strong>art</strong>ner<br />

Speichergasse 8, 3011 Bern<br />

T 031 312 06 66<br />

www.bernhardbischoff.ch<br />

Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder<br />

nach Absprache<br />

Luc Andrié, Urs Zahn - absurdities<br />

bis 24.2.<br />

Galerie 25 Regina Larsson<br />

2577 Siselen / T 032 396 20 71<br />

www.galerie25.ch<br />

Fr-So 14:00-19:00 h oder nach<br />

tel. Vereinbarung<br />

Die Galerie ist bis am 24.2. geschlossen.<br />

Marianne Eigenheer - Neue Arbeiten<br />

25.2. - 25.3.<br />

Galerie 67<br />

Belpstrasse 67, 3007 Bern / T 031 371 95 71<br />

www.galerie67.ch<br />

Mo 14:00-18:30 h / Di-Fr 9:00-12:00 h &<br />

14:00-18:00 h / Sa 10:00-12:00 h<br />

Dany Mar, Bern<br />

Öl / Acryl auf Leinwand<br />

bis 28.2.<br />

Galerie 849 MüM<br />

Gurtenpark im Grünen, 3084 Wabern<br />

Täglich von 9:00-18:00 h<br />

Galerie Artdirekt<br />

Herrengasse 4, 3011 Bern / T 031 312 05 67<br />

www.<strong>art</strong>direkt.ch<br />

Vera Goul<strong>art</strong><br />

Malerei, Zeichnungen, Installation<br />

bis 10.2.<br />

Galerie Artraktion<br />

Hodlerstrasse 16, 3011 Bern<br />

T 031 311 63 30 / www.<strong>art</strong>raktion.ch<br />

Do&Fr 15:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />

oder nach Vereinbarung<br />

Denise Felber, Bildobjekte<br />

Gabi Kopp, Bilder und Objekte<br />

Galerie bis Heute<br />

Amtshausgasse 22, 3011 Bern<br />

T 031-311 78 77 / www.galerie-bisheute.ch<br />

Do-Fr 14:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h &<br />

nach Vereinbarung<br />

Judith Schönenberger<br />

Début<br />

Finissage: 10.2 ab 14:00 h<br />

bis 10.2.<br />

Galerie Beatrice Brunner<br />

Nydeggstalden 26, 3011 Bern<br />

T 031 312 40 12 / www.beatricebrunner.ch<br />

Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />

Kunst in Bern - Berner Künstler<br />

Ausstellungsdauer bis 10.2.<br />

<strong>art</strong>_clips.ch performativ<br />

Ariane Andereggen, Erik Dettwiler, Lori<br />

Hersberger, Franticek Klossner, Heinrich<br />

Lüber, Chantal Michel, Victorine Müller, RE-<br />

LAX, Rudolf Steiner.<br />

bis 17.3.<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


48<strong>art</strong>ensuite<br />

25 Jahre Galerie Margit Haldemann zeigt: Heinz Egger «Gehzeiten - Strange Tidings» vom 8.2. - 17.3.2007 (Bilder: Wand und Wolken; 2005/06; Fenster; 2005/06)<br />

Galerie Duflon & Racz<br />

Gerechtigkeitsgasse 40, 3011 Bern<br />

T 031 311 42 62<br />

Do 14:00-20:00 h, Sa 12:00-17:00 h oder<br />

nach tel. Vereinbarung.<br />

Markus Baumann<br />

série rouge<br />

Markus Baumann zeigt erstmals seit 5 Jahren<br />

erneut Bilder, welche sich kritisch mit<br />

dem Zeitgeschehen auseinandersetzen.<br />

bis 23.2.<br />

Galerie Henze & Ketterer<br />

Kirchstrasse 26, 3114 Wichtrach<br />

T 031 781 06 01 / www.henze-ketterer.ch<br />

Di-Fr 10:00-13:00 h & 14:00-18:00 h / Sa<br />

10:00-16:00 h<br />

60 Jahre «bewegte Bilder» vom Expressionismus<br />

zur Videokunst<br />

bis 17.3.<br />

Galerie I Ebene 3:<br />

Expressionismus, insbesondere Brücke<br />

Galerie I Ebene 2:<br />

Abstraktion nach 1945<br />

Galerie I Ebene 1:<br />

Neue Figuration nach 1960<br />

Galerie II kunst Depot. Videokunst 2002-<br />

2006 <strong>art</strong>_clip.ch performativ<br />

Galerie im Graben<br />

Waldeckstrasse 12, 3052 Zollikofen<br />

T 031 911 96 06<br />

Fr 17:00-19:00 h / Sa 16:00-19:00 h & So<br />

11:00-17:00 h<br />

Fotoausstellung<br />

Erlös für das Ladakh-Projekt im indischen<br />

Himalaya<br />

Fr, 2.2. ab 17:00 h Vernissage, 18:00 h Vortrag<br />

Sa, 3.2., 16:00-20:00 h, ab 18:30 h Tibetanisches<br />

Essen<br />

Galerie Margit Haldemann<br />

Brunngasse 14, Brunngasshalde 31<br />

T 031 311 56 56 margithaldemann@bluewin.<br />

ch, www.<strong>art</strong>galleries.ch/haldemann<br />

Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />

Saison 2006/07: 25 Jahr Jubiläum<br />

Ausstellung 4/5<br />

Heinz Egger: «Gehzeiten - Strange Tidings»<br />

8.2. - 17.3.<br />

Vernissage: Do, 8.2., 18:00-20:00 h<br />

Mi, 21.2., 18:30 h: Hans Baumann und Sylvia<br />

Mutti im Gespräch mit Heinz Egger zur<br />

Publikation «Gehzeiten - Strange Tidings»<br />

So 4.3., 11:00 h: Stefan Suske liest Texte von<br />

Bernhard, Walser u. a.<br />

Galerie M<strong>art</strong>in Krebs<br />

Münstergasse 43, 3011 Bern<br />

T 031 311 73 70 / www.krebs.<strong>art</strong>galleries.ch/<br />

Di-Fr 14:30-18:30 h / Sa 10:00-14:00 h<br />

M.S. Bastian<br />

100 Ansichten von Bastropolis<br />

Finissage: 24.2., 11:30-14:00 h<br />

Galerie Kornfeld<br />

Laupenstrasse 41, 3001 Bern<br />

T 031 381 46 73 / www.kornfeld.ch<br />

Mo-Fr 14:00-17:00 h<br />

Ernst Ludwig Kirchner<br />

Lithographien<br />

Neue Erkenntnisse<br />

8.2. - 10.3.<br />

Galerie Ramseyer & Kaelin<br />

Junkerngasse 1, 3011 Bern<br />

T 031 311 41 72<br />

Mi-Fr 16:00-19:00h / Sa 13:00-16:00h<br />

M<strong>art</strong>in Peter Flück - Malerei<br />

Vernissage: 6.2., 19:00 h<br />

Finnissage: 24 2., 13:00-16:00 h<br />

6.2. - 24.2.<br />

Galerie Rigassi<br />

Münstergasse 62, 3011 Bern<br />

T 031 311 69 64 / www.swiss<strong>art</strong>.net/rigassi<br />

Di-Fr 11:30-13:30 h & 15:30-19:00 h / Sa<br />

10:30-16:00 h<br />

anniversary 20<br />

20 Jahre Verein Berner Galerien<br />

bis 24.2.<br />

Galerie Silvia Steiner<br />

Seevorstadt 57, 2502 Biel / T 032 323 46 56 /<br />

www.silviasteinergalerie.ch<br />

Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 14:00-17:00 h oder<br />

nach Vereinbarung<br />

ANDY WILDI<br />

Vernissage: 17. Februar, 17:00-19:00 h<br />

17.2. - 17.3.<br />

Galerie Tom Bleass<br />

Uferweg 10b 3013 Bern / T 079 222 46 61<br />

www.tomblaess.ch<br />

Kabinett Bern<br />

Gerechtigkeitsgasse 72-74, 3011 Bern<br />

T 031 312 35 01 www.kabinett.ch<br />

Do & Fr 14:00-19:00 h & Sa 11:00-16:00 h<br />

Gabi Hamm & Nikolaus List<br />

bis 10.3.<br />

Kornhausforum -<br />

Forum für Medien und Gestaltung<br />

Kornhausplatz 18, 3011 Bern<br />

T 031 312 91 10 / www.kornhausforum.ch<br />

Di-Fr 10:00-19:00 h / Do 10:00-20:00 h / Sa<br />

10:00-16:00 h<br />

Shaxi Rehabilitation Project<br />

bis 3.3.<br />

Stairway to Heaven<br />

Vernissage: Do, 1.2., 18:00 h<br />

2.2 - 11.2.<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


49<strong>art</strong>ensuite<br />

Judith Schönenberger in der Galerie Bis Heute 13.1. - 10.2.07<br />

Galerie Kornfeld: Aus Auktion Moderne Kunst Juni 2007<br />

Max Buri, Mutteridyll, 1900/1901<br />

Galerie Kornfeld: Ernst Ludwig Kirchner 1880 - 1938<br />

Lithographien, Neue Erkenntnisse 8.2. - 10.3.07<br />

Kunstreich<br />

Gerechtigkeitsgasse 76, 3011 Bern<br />

T 031 311 48 49 / www.kunstreich.ch<br />

Mo-Fr 09:00-18:30 h / Do 09:00-20:00 h / Sa<br />

09:00-16:00 h<br />

Heinz-Peter Kohler<br />

bis 24.2.<br />

Kunstraum Oktogon<br />

Aarstrasse 96, 3005 Bern<br />

Fr 16:00-19:00 h / Sa 11:00-15:00 h<br />

KunstQuelle<br />

Brunngasse 14, 3011 Bern<br />

T 079 818 32 82 / www.kunstquelle.ch<br />

Mi 15:30-18:00h Do 16-19:00h, Fr 14:30-<br />

18:00 h & Sa 13:00-16:00h<br />

Überlagerungen<br />

Silvia Bongard<br />

Zeichnungen<br />

Vernissage: Do, 22. 2., 17:00-20:00 h<br />

22.2. - 15.3.<br />

ONO Bühne Galerie Bar<br />

Kramgasse 6, 3011 Bern<br />

T 031 312 73 10 www.onobern.ch<br />

Nachtgalerie Fr&Sa 22:00-24:00 h oder nach<br />

telefonischer Vereinbarung / bei allen ONO-<br />

Veranstaltungen<br />

Adrian Moser<br />

‘Berns Unterwelt’<br />

bis 28.2.<br />

PROGR Zentrum für Kulturproduktion<br />

Speichergasse 4, 3011 Bern www.progr.ch<br />

Videokunst.ch:<br />

Arno Nollen (NL)<br />

Ort: videokunst.ch, 1.OG<br />

«MPLS The Avenue», 2002 / 59‘<br />

Di 14:00-20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h / Sa<br />

14:00-21:00 h<br />

bis 10.2.<br />

«No place like home»<br />

Ort: Loge im PROGR_Hof<br />

bis 24.2.<br />

Di 14:00-20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h<br />

Frauenkunstpreis 2006<br />

(bildende Kunst)<br />

Preisträgerin: Eva Baumann, Finalistinnen:<br />

Salomé Bäumlin, Sylvia Hostettler.<br />

Di, 6.2., 18:00 h, Austellungszone<br />

Mi-Sa 14:00-17:00 h<br />

7.2. - 10.2<br />

Diplomausstellung 2007<br />

HKB-Studiengang Visuelle Kommunikation<br />

Vernissage: Fr, 23.2., 19:00 h<br />

Di 14:00-20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h<br />

27.2. - 10.3.<br />

R A U M<br />

Militärstrasse 60, 3014 Bern /<br />

www.kulturraum.ch<br />

Mi-Fr 16:00-19:00 h / Sa 12:00-16:00 h<br />

Jean Luc Darbellay, l’<strong>art</strong> pour l’Aar<br />

Fotografie<br />

bis 2.2.<br />

Kathrin Fröhlin<br />

Zeitspuren<br />

Ölbilder, Zeichnungen, Farbkopien<br />

Vernissage Freitag, 16.2. 18:00-20:00 h<br />

bis 2.3<br />

Die Autören: Christoph Simon, Lorenz Langenegger,<br />

Urs Mannh<strong>art</strong> lesen im Raum<br />

Fr, 23.2., 20:00 h<br />

Schloss Hünigen<br />

3510 Konolfingen<br />

Täglich von 8:00-21:00 h<br />

www.schlosshuenigen.com<br />

SLM Kunstausstellung<br />

Dorfplatz 5, 3110 Münsingen<br />

T 031 724 11 11<br />

Mo-Do 8:00-12:00 h & 13:30-17:00h / Fr<br />

8:00-12:00 h & 13:30-18:00 h<br />

Stadtgalerie<br />

Speichergasse 4 3001 Bern<br />

T 031 311 43 35 7 www.stadtgalerie.ch<br />

Di 14:00-20:00 h & Di-Fr 14:00-17:00 h<br />

No place like home (1)<br />

Daniel Robert Hunziker<br />

bis 24.2.<br />

W<strong>art</strong>saal 3<br />

Helvetiaplatz 3, 3005 Bern<br />

T 031 351 33 21 www.w<strong>art</strong>saal3.ch<br />

Temporäre Austellungsräume<br />

Schwarztor 102<br />

Schwarztorstrasse 102<br />

(Bus 13,14,17 Brunnmatt)<br />

Feste der Welt - Religionen in Bern<br />

Vernissage mit Christoph Reichenau und<br />

Gaby Fierz<br />

14.2., 19:30 h<br />

Mit grossem Erfolg wurde im Basler Museum<br />

der Kulturen die Ausstellung ‚Feste im Licht.<br />

Religiöse Vielfalt in einer Stadt‘ gezeigt. Sie<br />

kommt jetzt mit Berner Ergänzungen in eine<br />

Werkhalle an der Schwarztorstrasse. Werkhalle<br />

stimmt. Denn dort, wo Lastwagen repariert<br />

wurden, wird heute am Projekt Haus<br />

der Religionen gearbeitet und für einen Dialog<br />

zwischen Weltanschauungen und Religionen<br />

gearbeitet. Mit der Vernissage wird<br />

das Halbjahresprogramms ‚Feste der Welt<br />

- Religionen in Bern‘ eröffnet.<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


50<strong>art</strong>ensuite<br />

Sechzig Jahre «Bewegte Bilder» vom Expressionismus zur<br />

Videokunst; 1946 - 2006<br />

Galerie Henze & Ketterer Wichtrach/ Bern 13.1. - 17.3.2007<br />

Augenspiel<br />

Von Dominik Imhof<br />

■ Endlich Februar. Das Ausstellungsjahr<br />

hat nun so richtig begonnen. Nachdem alle<br />

Jahres- und Weihnachtsausstellungen weggepackt<br />

sind, geht man wieder über zu den<br />

«richtigen» Ausstellungen. In Bern eröffnet<br />

Mitte Februar die grosse Übersichtsausstellung<br />

zum Schaffen von Oscar Wiggli (1927).<br />

Ausserordentlich daran ist vor allem, dass<br />

die Ausstellung im Kunstmuseum Bern und<br />

im Zentrum Paul Klee stattfindet. Es ist die<br />

erste gemeinsame Ausstellung der beiden<br />

Häuser und lässt hoffen. Das ZPK zeigt<br />

zudem eine Ausstellung anlässlich des 50.<br />

Todestages von Robert Walser und ab dem<br />

2. Februar eine Retrospektive des Schaffens<br />

des 2005 verstorbenen Rémy Zaugg mit seinen<br />

minimalistisch-reduzierten Schriftbildern.<br />

Im Pavillon der Stadtgalerie st<strong>art</strong>ete im<br />

Januar das Gastkuratorenprojekt «LOGE<br />

2007». Gastkuratoren erhalten hier die<br />

Möglichkeit, den Pavillon im Innenhof des<br />

PROGR für Ausstellungsprojekte zu nutzen.<br />

Erster Gastkurator ist Noah Stolz (1976), der<br />

als freier Kurator und Kunstkritiker arbeitet<br />

und in Locarno den unabhängigen Ausstellungsraum<br />

«La Rada» führt. Mit «NO PLACE<br />

LIKE HOME» st<strong>art</strong>et das Projekt mit einem<br />

mehrmonatigen Zyklus aus Installationen<br />

von Daniel Robert Hunziker, Andrea Dojmi<br />

und den Brüdern Chapuisat. Den etwas<br />

anderen Raum der Stadtgalerie-LOGE will<br />

Noah Stolz mit seinem Projekt thematisieren.<br />

Ein ganz anderes Projekt kommt ab dem<br />

14. Februar aus Deutschland nach Bern.<br />

Die Ausstellung «Zeige deine Wunde – Befreiende<br />

Kunst» im Psychiatriemuseum und<br />

der Galerie Artdirekt ist Resultat eines in<br />

Deutschland durchgeführten Wettbewerbs<br />

für Künstler mit Psychiatrieerfahrung. Eine<br />

Jury, in der unter anderen Enfant Terrible<br />

Christoph Schlingensief mitwirkte, wählte<br />

Künstlerinnen und Künstler für die Ausstellungen<br />

in der Saarländischen Galerie und<br />

dem Kleisthaus in Berlin aus. Jetzt sind die<br />

Arbeiten in Bern zu sehen und sie werden<br />

sicher wieder einmal die Frage anregen:<br />

Was unterscheidet diese Arbeiten von Werken<br />

angesehener und überall ausgestellter<br />

Künstler?<br />

Bei «Marks Blond» werden im Februar<br />

Mark Divo, Anna Katharina Scheidegger<br />

und Florian Dombois zu sehen sein. Viel<br />

Spass!<br />

Impressum<br />

<strong>art</strong>ensuite erscheint monatlich als Beilage<br />

im ensuite - kulturmagazin.<br />

Herausgeber: edition ■ ensuite, Bern<br />

Redaktion: Dominik Imhof (di); Monique<br />

Meyer (mm), Sylvia Mutti (sm), Nicola<br />

Schröder (ns), Sylvia Rüttimann (sr), Monika<br />

Schäfer (ms)<br />

Die Redaktion <strong>art</strong>ensuite ist politisch,<br />

wirtschaftlich und ethisch unabhängig<br />

und selbständig. Die Texte repräsentieren<br />

die Meinungen der Autoren/innen, nicht<br />

jene der Redaktion.<br />

Copyrights für alle Informationen und Bilder<br />

liegen beim Verein WE ARE in Bern<br />

und der edition ■ ensuite.<br />

Redaktionsadresse:<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

Sandrainstrasse 3<br />

3007 Bern<br />

Telefon 031 318 6050<br />

mail: <strong>art</strong>@ensuite.ch<br />

www.<strong>art</strong>ensuite.ch<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


51<strong>art</strong>ensuite<br />

BERNER MUSEEN<br />

BERN / BIEL / THUN<br />

Abegg-Stiftung<br />

Werner Abegg-Strasse 67, 3132 Riggisberg<br />

täglich 14:00-17:30 h<br />

Winterpause<br />

Antikensammlung Bern<br />

Hallerstrasse 12, 3012 Bern<br />

Mi 18:00-20:00 h<br />

Die Antikensammlung beherbergt nebst<br />

den Abgüssen (rund 230 Exponate antiker<br />

Skulpturen von den Anfängen der griechischen<br />

Archaik bis zur römischen Spätantike)<br />

auch eine kleine Sammlung mit originalen<br />

Fundstücken aus der griechisch-römischen<br />

Antike.<br />

Bernisches Historisches Museum<br />

Helvetiaplatz 5, 3005 Bern<br />

Di-So 10:00-17:00 h<br />

Centre Dürrenmatt<br />

Chemin du Pertuis-du-Sault 74, 2000<br />

Neuchâtel<br />

Mi-So 11:00-17:00 h<br />

Dauerausstellung: Friedrich Dürrenmatt,<br />

Schrifsteller und Maler.<br />

Einstein-Haus<br />

Kramgasse 49, 3011 Bern<br />

1.10.-16.12., Di-Fr 10:00-17:00 h / Sa 10:00-<br />

16:00 h<br />

Führungen jederzeit nach Absprache<br />

Heilsarmeemuseum<br />

Laupenstrasse 5, 3001 Bern<br />

Di-Do 9:00-12:00 h & 14:00-17:00 h<br />

Dokumente, Zeitschriften, Bilder, Fotos,<br />

Grammophonplatten, Kassetten, Musikinstrumente<br />

und andere Sammelobjekte.<br />

Institut für Archäologie der<br />

Universität Bern<br />

Länggassstrasse 10, 3012 Bern<br />

Montag - Freitag, 8 - 17 Uhr<br />

Das Pantheon in Rom<br />

Ergebnisse des Bern Pantheon Digital Projects<br />

bis 31.3.<br />

Kunsthaus Centre Pasqu’<strong>art</strong><br />

Seevorstadt 71-75, 2502 Biel<br />

Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa&So 11:00-18:00 h<br />

SELECTED BY... Ankäufe 2003-2006 der<br />

Kunstsammlung der Stadt Biel<br />

bis 18.3.<br />

Claudia Di Gallo TRAILBLAZER<br />

bis 18.3.<br />

Photoforum<br />

CHRISTIAN VOGT<br />

Photographic Essays on Space<br />

bis 4.3.<br />

Kunsthalle Bern<br />

Helvetiaplatz 1, 3005 Bern<br />

Mi-So 10:00-17:00 h / Di 10:00-19:00 h<br />

JUTTA KOETHER<br />

bis 11.3.<br />

active coexistence<br />

Fr, 2.2., 18:00 h<br />

Kunstmuseum Bern<br />

Hodlerstrasse 8-12, 3007 Bern<br />

Di 10:00-21:00 h / Mi-So 10:00-17:00 h<br />

Serge Spitzer – Installation<br />

»Re/Search (Alchemy and/or Question<br />

Marks with Swiss Air)”, 1996-2002<br />

Bis Ende 2007<br />

Im Graphischen Kabinett<br />

Louise Bourgeois – Fugue<br />

bis 8.4.<br />

Chinafenster: Ji Dachun, Liu Ye<br />

7.2. - 1.4.<br />

Eröffnung: Di, 6.2.<br />

Eine Ausstellung gemeinsam mit dem<br />

Zentrum Paul Klee<br />

Oscar Wiggli. Körper – Raum - Klang<br />

Eine Werkübersicht<br />

16.2. - 13.5.<br />

Eröffnung: Do, 15.2.<br />

Kunsthaus Langenthal<br />

Marktgasse 13, 4900 Langenthal<br />

Mi & Do 14:00-17:00, Fr 14:00-19:00 h, Sa&<br />

So 10:00-17:00 h<br />

Il faut cultiver notre jardin<br />

Vernissage: Mi, 14.2., 19:00 h<br />

15.2. - 15.4.<br />

Kunstmuseum Thun<br />

Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun<br />

Di-So 10:00-17:00 h / Mi 10:00-21:00 h<br />

Gegenlicht<br />

11.2. - 9.4.<br />

Projektraum enter: Christian Andersen<br />

11.2. - 11.3.<br />

museum franz gertsch<br />

Platanenstrasse 3, 3401 Burgdorf<br />

Di-Fr 11:00-19:00 h / Sa&So 10:00-17:00 h<br />

Zurück zur Figur. Malerei der Gegenw<strong>art</strong><br />

bis 11.2.<br />

Wegen Ausstellungsumbaus ist das<br />

Museum vom 11.-23. Februar 2007 geschlossen<br />

Museum für Kommunikation<br />

Helvetiastrasse 16, 3005 Bern<br />

Di-So 10:00-17:00 h<br />

«haarsträubend»<br />

Tier–Mensch–Kommunikation<br />

bis 1.7.<br />

Öffentliche Führungen:<br />

So, 11:00 h: haarsträubend: Tier – Mensch<br />

– Kommunikation<br />

So, 13:00 h: Top Secret - Von Hieroglyphen,<br />

Hackern und Codetalkers<br />

So, 15:00 h: Abenteuer Kommunikation im<br />

Überblick<br />

Museum Neuhaus Biel<br />

Schüsselpromenade 26, 2501 Biel<br />

Di-So 11:00-17:00 h / Mi 11:00-19:00 h<br />

Bürgerlicher Lebensstil im 19. Jahrhundert:<br />

Wohnen und Haushalten<br />

Die Stiftung Sammlung Robert präsentiert<br />

eine neu gestaltete permanente Ausstellung<br />

im Museum Neuhaus.<br />

Die Welt der Vögel<br />

Werke von Léo-Paul (1851-1923) und Paul-<br />

André Robert (1901-1977)<br />

Museum Schwab / Museum<br />

für Archäologie<br />

Seevorstadt 50, 2502 Biel<br />

Di-Sa 14h-18h / So 11h-18h<br />

Permanente Ausstellung<br />

Das archäologische Fenster der Region<br />

Eine Zeitreise zu wichtigen archäologischen<br />

Fundstellen rund um den Bielersee, Berner<br />

Jura und Stadt Biel. Unsere Themen: Geschichte<br />

der Archäologie, Leben und Überleben,<br />

Gräber und Riten<br />

Sonderausstellung<br />

bis 1.4.<br />

Röstigraben - Unterschiede<br />

zum Auskosten<br />

Der Röstigraben – die Romands nennen ihn<br />

«Rideau de rösti», Röstivorhang - ist nicht nur<br />

eine Sprachgrenze. Dass sich dahinter mehr<br />

verbirgt seit der Zeit der ersten Bauern bis<br />

heute, zeigt diese Ausstellung.<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07


52<strong>art</strong>ensuite<br />

Naturhistorisches Museum der<br />

Burgergemeinde Bern<br />

Bernastrasse 15, 3005 Bern<br />

Mo 14:00-17:00 h / Di/Do/Fr 9:00-17:00 h<br />

Mi 9:00-18:00 h, Sa&So 10:00-17:00 h<br />

«haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation»<br />

bis 1.7.<br />

Psychiatrie Museum Bern<br />

Bolligenstrasse 111, 3060 Bern<br />

Mi 14:00-16:00 h<br />

Neben historisch wichtigen Gegenständen<br />

und Dokumenten beherbergt das Museum<br />

auch eine Sammlung bildnerischer Patientenarbeiten,<br />

die mehrheitlich auf jener Morgenthalers<br />

beruht. Sie umfasst über 2500<br />

Bilder (Zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder<br />

und Collagen), rund 1500 Textblätter sowie<br />

viele Stoffarbeiten, Objekte aus Holz, Ton,<br />

Keramik und anderen Materialien.<br />

Schloss Landshut<br />

Schweizer Museum für Wild & Jagd<br />

3427 Utzenstorf<br />

Di-Sa 14:00-17:00 h<br />

Das Schloss ist bis und mit 12.5. geschlossen<br />

Schlossmuseum Thun<br />

Schlossberg 1, 3600 Thun<br />

Bis Januar jeden Sonntag 13:00-16:00 h<br />

Das historische Museum mit einmaliger<br />

Aussicht auf Stadt, See und Alpen.<br />

Schweizerische Landesbibliothek<br />

Hallwylstrasse 15, 3003 Bern<br />

Mo-Fr 9:00-18:00 h, Mi bis 20:00 h / Sa<br />

9:00-16:00 h / So 12:00-17:00 h<br />

Schweizerisches Alpines Museum<br />

Helvetiaplatz 4, 3005 Bern<br />

Mo 14:00-17:00 h / Di-So 10:00-17:30 h<br />

«Gletscher im Treibhaus. Ernste Signale<br />

aus der alpinen Eiswelt»<br />

Vom gewaltigen Eisstrom des Rhônegletschers,<br />

der auf der Postk<strong>art</strong>e von 1900 hinter<br />

dem Hotel Belvédère ins Tal gleitet, ist<br />

auf der aktuellen Aufnahme nichts mehr zu<br />

sehen. Stattdessen nackter grauer Fels, ein<br />

Bach und die zurückgezogene Gletscherzunge<br />

weit oberhalb des Hotels.Ein einzig<strong>art</strong>iges<br />

Landschaftsbild droht verloren zu<br />

gehen. Gehören wir zur letzten Generation,<br />

die die gross<strong>art</strong>igen Eisriesen bewundern<br />

kann?<br />

bis 25.3.<br />

Schweizerisches<br />

Schützenmuseum Bern<br />

Bernastrasse 5, 3005 Bern<br />

Di-Sa 14:00-17:00 h / So 10:00-12:00 h &<br />

14:00-17:00 h<br />

Stadt- und Universitätsbibliothek Bern<br />

Münstergasse 61-63, 3011 Bern<br />

Mo-Fr 8:00-19:00 h / Sa 8:00-12:00 h<br />

Connaisseure unterwegs:<br />

Die Reisen von Hans R. Hahnloser und Julius<br />

von Schlosser zu kulturellen Stätten im<br />

Europa der zwanziger Jahre.<br />

bis 24.2.<br />

Stiftung Historisches Erbe SBB<br />

Bollwerk 12, 3000 Bern 65<br />

Mo-Fr 9:00-12:00 h & 13:30-17:00 h<br />

Die Infothek der Schweizer Bahngeschichte<br />

zum Nachlesen und Ansehen.<br />

Unsere öffentlich zugängliche Infothek bietet<br />

Ihnen u. a. folgende Dienstleistungen an:<br />

regelmässige Publikation ausgewählter Neuerscheinungen.<br />

Beratung in Dokumentationsfragen<br />

und bei Recherchen. Leseplätze<br />

mit Internetarbeitsplatz, Lexika usw. Konsultationsmöglichkeit<br />

für aktuelle Zeitschriften,<br />

Wörterbücher, Nachschlagewerke und<br />

aktuelle Fahrpläne ausländischer Bahnunternehmungen.<br />

Zugang zu den historischen<br />

und audiovisuellen Archiven (auf Voranmeldung).<br />

Bereits 1923 wurde die Bibliothek<br />

der Generaldirektion SBB gegründet. Später<br />

wurde sie zum Dokumentationsdienst<br />

erweitert und seit 1996 ist sie als «Infothek<br />

SBB» bekannt. 1999 wurden ihr die Plakatsammlung<br />

und 2001 das historische Archiv,<br />

das Fotoarchiv, - und Videoarchiv anvertraut.<br />

2002 wurde sie in die neu gegründete Stiftung<br />

Historisches Erbe der SBB integriert.<br />

Die Bestände der Bibliothek und Archive<br />

werden laufend ergänzt und erweitert.<br />

Zentrum Paul Klee<br />

Monument im Fruchtland 3, 3031 Bern<br />

Di-So 10:00-17:00 h / Do 10:00-21:00 h<br />

Kindermuseum Creaviva 10:00-17:00 h, Do<br />

bis 21:00 h<br />

Robert Walser zu Gast bei Paul Klee<br />

Gedenkausstellung zum 50. Todestag des<br />

Dichters.<br />

bis 25.2.<br />

Paul Klee – Die Sammlung. Neuhängung<br />

2007<br />

Rémy Zaugg – Nachbar Tod und die<br />

Wahrnehmung<br />

Vernissage: Fr, 2.2.<br />

18:00 h, Auditorium. Begrüssung und Einführung,<br />

Besichtigung der Ausstellung &<br />

Apéro.<br />

3.2. - 3.6.<br />

Oscar Wiggli – Körper – Raum – Klang<br />

Werkschau im Kunstmuseum Bern und im<br />

Zentrum Paul Klee<br />

Vernissage: Do, 15.2.<br />

17:00 h Ausstellungseröffnung im Kunstmuseum<br />

Bern<br />

19:00 h Shuttlebus zum Zentrum Paul Klee<br />

19:30 h Ausstellungseröffnung im Zentrum<br />

Paul Klee in Anwesenheit von Oscar Wiggli<br />

16.2. - 13.5.<br />

Sämtliche Führungen und Aktivitäten finden<br />

Sie in der ensuite - kulturmagazin-agenda<br />

und unter www.zpk.org<br />

<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07

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